Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Ich bin das eigentlich in der Form von Ihnen nicht gewohnt. Stattdessen veranstalten Sie einen solchen Klamauk und sagen,

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

dass das keine politische Frage sei, sondern dass man Nerven haben müsse. Herr Bürgermeister, wir sind hier nicht in einem Italo-Western, auch wenn Sie versuchen, das so darzustellen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Wir müssen uns mit den Fragen, um die es geht, auseinandersetzen. Frau Senatorin, alle Gutachter

(Anja Hajduk)

und die Opposition haben festgestellt, dass wir zu wenig Zeit hatten, uns mit diesen Fragen zu befassen. Das ist nicht meine Hauptkritik, darum geht es mir nicht, und ich möchte das nicht stundenlang diskutieren, aber es bleibt immer noch ein Problem, dass der Bürgermeister keine ausführliche Diskussion haben wollte und wir deswegen heute schon diese Sitzung machen müssen und nicht erst in drei Monaten, wo wir das vernünftig hätten besprechen können. Mehrere externe Gutachter sind abgesprungen und haben gesagt, dass sie das in dieser Zeit nicht machen, und die anderen haben alle gesagt, dass sie zu wenig Zeit hatten, das kritisch zu kontrollieren. Das steht eindrücklich dort, und Sie müssen das akzeptieren oder zumindest gelesen haben.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Es ist keine Frage – auch das wurde von allen hier gesagt –, dass der Vertrag einen Fortschritt darstellt. Es wäre ein noch größerer Hammer, wenn wir 195 Millionen Euro bezahlen müssten und noch nicht einmal einen Fortschritt hätten. Wir haben einen gewissen Fortschritt, nur sind wir nicht der Meinung, dass dieser 195 Millionen Euro wert ist, und wir meinen, dass Sie die Risiken unterschätzen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

Das Erste ist – und ich merke, dass man das angesichts dessen, wie Sie das mit den Gutachtern darstellen, noch einmal sagen muss –, dass wir als Bürgerschaft eine größere, unabhängige Kraft gegenüber dem Senat brauchen, um in der Lage zu sein, solche Fragen vernünftig einschätzen zu können.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Haben wir doch gehabt!)

Deswegen habe ich mich dafür ausgesprochen, dass es externe Gutachter gibt. Ich wollte sie nicht nach dem Motto "Mach das, was ich will" einsetzen, und das ist auch das Richtige dabei. Sie haben den Mut nicht gehabt, Herr Dressel.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wieso, wir sind darauf eingegangen!)

Wir wollten unabhängige Gutachten von zwei Gutachtern mit einem guten Namen haben, die wir zusammen aussuchen. Aber in den Vereinbarungen war es Ihnen wichtig, dass jede Fraktion in der typischen Art und Weise ihren Gutachter bestimmen darf, so wie wir es bei Expertengutachten machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ihrer war sogar noch der beste, Herr Hackbusch!)

Diesen Mut haben Sie nicht gehabt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hoffe, dass die Erfahrung mit diesen Gutachtern vielleicht dazu führt, dass wir als Bürgerschaft unabhängig davon etwas prüfen können. Das ist im Zusammenhang mit den weiteren Prozessen aber auch notwendig. Wir haben deswegen den Zusatzantrag gestellt, dass es externe Expertengutachter gibt, die uns als Bürgerschaft beraten,

(Jan Quast SPD: Folgen und hören tun Sie trotzdem nicht auf den Gutachter!)

damit wir nicht wieder davon abhängig sind, ob uns der Senat irgendwann etwas erzählt oder nicht.

Meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, die entscheidende Frage lautet, warum Sie diese Frage im Zusammenhang mit HOCHTIEF nicht mit uns gemeinsam besprochen haben und der Stadt und der Bürgerschaft nur irgendwelche euphorischen Erklärungen gegeben haben, dass jetzt der Durchbruch da sei und dass Sie im letzten Sommer alles erreicht hätten, statt mit uns und mit der Stadt darüber zu diskutieren, dass wir ein Problem haben und verschiedene Angebote. Sie wollten keine demokratische, unabhängige Diskussion mit uns haben, sondern nur verkündigen und unsere Zustimmung dafür organisieren. In diesem Prozess haben wir hoffentlich einiges gelernt, sodass wir weitergekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Zuletzt zu den weiterhin verbleibenden Problemen; Sie haben nur drumherumgeredet. HOCHTIEF wird weiterhin ein Claim-Management machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das wird ins Leere laufen!)

Ich gebe zu, dass dieser Vertrag so gut ist, dass er das wahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit den Preisen organisieren wird, aber ich bin mir nicht sicher. Überhaupt nicht mehr eingreifen zu können, ist ein riesiges Problem für die Stadt, und das werden wir noch einmal gesondert diskutieren.

Es wird aber ein Problem im Zusammenhang mit der Qualität und mit den Sachverständigen geben. Hoffentlich haben Sie dazugelernt. Die unabhängigen Gutachter haben innerhalb der 14 Tage, in denen sie das analysiert haben, einen schwerwiegenden Fehler in Ihrem Vertragswerk gefunden, nämlich dass die unabhängigen Sachverständigen von HOCHTIEF bezahlt werden und nicht von der Stadt.

(Jan Quast SPD: So war das nicht formu- liert; es war kein schwerwiegender Fehler!)

Das war ein schwerwiegender Fehler und wurde von allen Experten so dargestellt. Herr Diederichs, den Sie heute so oft gefeiert haben, hat genau gesagt, dass es unbedingt notwendig ist, das noch zu ändern. Daran merken Sie doch, dass die demokratische Diskussion in der Bürgerschaft auch Sie voranbringt und einige Fortschritte erzeugt.

(Beifall bei der LINKEN)

Bitte akzeptieren Sie das, machen Sie nicht solch einen Klamauk und tun Sie nicht, als ob Sie der Held eines Western-Italos wären.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christa Goetsch GRÜNE)

Das Wort bekommt Herr Bläsing.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wirkt so, als hätten wir den Prozess einer Elefantenschwangerschaft gehabt – diese braucht auch ungefähr 20 bis 22 Monate – und das wäre jetzt der große Wurf. Ich will aber noch einmal in Erinnerung rufen, dass der Bürgermeister in diesem Prozess …

(Zuruf von Jens Kerstan GRÜNE – Glocke)

Herr Bläsing, leider muss ich Sie noch einmal unterbrechen. Ich muss anscheinend alle zwanzig Minuten den Hinweis geben, dass der Redner zu verstehen sein sollte. Die meisten Fraktionen haben keine Redezeit mehr, aber Herr Bläsing hat noch welche, und deshalb hören Sie ihm jetzt bitte zu.

– Ein Elefant, Herr Kerstan, um es Ihnen zu beantworten.

Der Bürgermeister war damit in den Prozess gestartet, dass es auf keinen Fall einen Nachschlag gebe. Später wurde dann, das haben wir hinlänglich debattiert, der Kostenschock vorbereitet, und am Ende stand eben doch die Scheckbuchpolitik, Herr Bürgermeister. Das ist die Entscheidung, die heute getroffen wird.

(Beifall bei der FDP)

Immerhin wurde ein Kündigungsszenario ausgearbeitet, und jetzt ist der Eindruck da, dass der Bürgermeister mit hohlen Kulissen ein Potemkinsches Dorf hingeschmiedet und –gezimmert hat, sich dann an den Pokertisch gesetzt hat, und das Blatt war eigentlich schlecht. Ich weiß nicht, ob sich dieser Eindruck bestätigen würde, wenn man dem näher nachgehen könnte. Des Pudels Kern, Frau Senatorin Kisseler, an diesem Alternativszenario war letztlich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, und deshalb kann ich mir an der Stelle keine wirklich abschließende Meinung darüber bilden.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Es tut mir leid, aber die Mahnung eben hatte ich ernst gemeint. Jeder einzelne Redner hat das Recht, dass man ihm zuhört.

Jedenfalls hatten Sie den Zeitpunkt für die Kündigung verpasst, als doch die Dachabsenkung kam. Das musste sogar noch in den großen Vertrauensbeweis umgedeutet werden. Was zwangsläufig folgte, waren Verhandlungen, die Sie mit der einsamen Entscheidung für das, was Sie uns vorgelegt haben, beendet haben.

Herr Dr. Dressel, Sie sagen, dass die 195 Millionen Euro sauber hergeleitet seien.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Seite 14!)

Ja, damit wedeln Sie jetzt immer.

Ich habe mir das alles genau angeschaut, durchgelesen und habe genau zugehört. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass über das, was als Ergebnis am Ende herauskam, hin- und herverhandelt – auf dem Basar würde man sagen gefeilscht – wurde. Andere nennen das vielleicht juristische Differenz. Ich bin kein herausragender Jurist, um das wirklich beurteilen zu können.

(Birte Gutzki-Heitmann SPD: Richtig!)

Wir streiten über jede tausend Euro im Haushaltsausschuss, aber bei den 195 Millionen Euro soll das Preisschild klaglos akzeptiert werden. Ich kann das persönlich nicht akzeptieren.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben am letzten Freitag nachgefragt, und es fiel sogar das Wort "alternativlos". Die "tageszeitung" hat dankenswerterweise das Nötige dazu geschrieben, nämlich dass Frau Senatorin Kisseler auf psychologische Erklärungen ausgewichen ist, beispielsweise bei der Frage, woher jetzt die Zuversicht genommen wird, dass HOCHTIEF nun doch ein zuverlässiger Partner ist oder was mit Bereichen ist, in denen das HdM-Label nicht gilt, ob hier eine 08/15-Plastikausstattung genommen wird und ob die Stadt dann sehen kann, wie sie damit klarkommt oder vielleicht doch intervenieren muss. Das sind Ansätze, wo mit Glaube, Wunsch und Hoffnung agiert wird. Das kann ich auch nicht akzeptieren.