Protokoll der Sitzung vom 28.08.2013

Vielen Dank, Frau Dr. Schaal. – Das Wort hat Herr Kreuzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf die Ausführungen von Frau Heyenn eingehen. Ich habe schon eine beachtliche Kritik an Ihrem – aus meiner Sicht wahrgenommenen – Demokratieverständnis, nämlich dass Sie im vorauseilenden Galopp vor einem Volksentscheid schon für Maßnahmen eintreten wollen, die überhaupt noch nicht relevant sind. Erst einmal soll doch der Bürger entscheiden, und anschließend werden wir uns parla

(Dr. Monika Schaal)

mentarisch mit Ihrem Ansinnen auseinandersetzen können – das zum einen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Zweitens möchte ich zu einer Erhellung auf Ihrer Seite beitragen. Sie sagten, dass Gewinne in die Bereiche anonymer Aktionäre fließen würden. Aktionäre sind jedoch nicht anonym, Aktionäre haben Depots und die sind namensgeführt und damit sind Aktien auch namensgebunden.

Drittens: Sie ziehen immer die Stadtwerke München mit ihren Gewinnen heran. Die Stadtwerke München erhalten diese hohen Gewinnerträge auch aus ihrer 25-Prozent-Beteiligung an einem Atomkraftwerk, dem Vertrieb und der Durchleitung von Atomstrom von Isar 2.

Gehen wir weiter auf Ihren Antrag ein. Sie legen uns mit Ihrem Antrag in gewisser Weise etwas vor, das uns merken lässt, dass Sie sich prinzipiell noch nicht ganz von der Planwirtschaft verabschiedet haben und die Verstaatlichung öffentlicher Unternehmen anstreben. Aber eine VEB Netze oder VEB Versorgung wird es mit uns als CDU-Fraktion in keiner Weise geben. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte liebend gern erneut auf Ihren Antrag eingehen. In der Begründung Ihres Antrags sprechen Sie im letzten Absatz von einem erforderlichen Konzept für mehr Transparenz und demokratische Kontrolle des Unternehmens HAMBURG ENERGIE. Wenn ich es richtig sehe, sind Sie auch im Ausschuss Öffentliche Unternehmen, und HAMBURG ENERGIE ist ein parlamentarisch kontrolliertes, öffentliches Unternehmen. Wo daran keine demokratische Kontrolle zu messen ist, sollten Sie uns als Parlament einmal erklären angesichts dessen, dass wir uns doch als demokratische Instanz innerhalb der Stadt in unserem Selbstverständnis sehen.

(Beifall bei der CDU)

Weiterhin möchte ich zumindest noch einige Ihrer Irrwege in dem Antrag aufgreifen. Sie verbreiten mit Ihrem Antrag weiterhin den Irrglauben, dass man mit dem staatlichen Besitz der Netze Einfluss auf Energieerzeugung und Energiepreise nehmen könne. Das stimmt nicht, und das wissen Sie auch ganz genau. In Wirklichkeit müssen auch durch Leitungen in staatlicher Hand Atomstrom, Kohlekraftstrom und erneuerbare Energien durchgeleitet werden, wenn ein Kunde diese Stromart bestellt.

(Dr. Monika Schaal SPD: Sie bringen doch alles durcheinander!)

Hier sei nur das Stichwort diskriminierungsfreie Netze zu erwähnen. Das ist ein gesetzliches Regularium, an dem wir uns nicht vorbeibewegen können.

In der Logik Ihres Antrags müsste erst eine neue Gesellschaft gegründet werden – Sie erwähnen es im letzten Absatz Ihres Antrags, darauf werde ich gleich noch weiter eingehen –, um die Netze zu übernehmen. Nach dem EnWG kann HAMBURG ENERGIE aber nicht als Netzbetreiber auftreten, das wissen Sie ganz genau. Außerdem missachten Sie in Ihrem Antrag den Umstand, dass HAMBURG ENERGIE nicht die Funktion eines Grundversorgers in Hamburg hat. Den Grundversorger hat die SPD-Regierung seinerzeit mit der HEW verkauft.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das waren wir doch zusammen! – Dr. Monika Schaal SPD: Der Grundversorger hat nichts mit den Ver- trägen zu tun!)

Wir waren gezwungen, die Verträge, die Sie angestoßen haben als SPD-Senat, Herr Dressel, umzusetzen. Das war die Vertragsgrundlage.

(Beifall bei der CDU – Dietrich Wersich CDU: Das will Frau Dr. Schaal nicht hören!)

HAMBURG ENERGIE ist angetreten – das ist hier mehrfach angeklungen –, um den Hamburgern, die den Wunsch haben, echten Ökostrom zu beziehen, ein Angebot zu machen. Alle Hamburgerinnen und Hamburger – das haben Sie in Ihrer Antragsbegründung auch geschrieben –, die 27 Jahre nach Tschernobyl, zwei Jahre nach Fukushima und nach den Vorkommnissen der letzten Tage in Fukushima den Wunsch nach erneuerbaren Energien haben, können sich bei HAMBURG ENERGIE als Kunde registrieren lassen und von dort ihren Strom beziehen.

Die demokratische Kontrolle hatte ich eben schon angesprochen. Der zweite Punkt in Ihrem Antrag ist die Gründung einer weiteren Firma. Wir haben mit HAMBURG ENERGIE 2009 ein Unternehmen geschaffen, das in den ersten Jahren einen Verlustvortrag von 6,4 Millionen Euro erwirtschaftet hat. Wenn Sie in Ihrer Begründung schreiben, dass jetzt ein Umsatz von 135 Millionen Euro erzielt wurde, von denen 800 000 Euro Gewinne sind, vergessen Sie aber, dass 6,4 Millionen Euro Verlustvortrag aus den Jahren 2009, 2010 und 2011 auch noch HAMBURG ENERGIE und dann den Hamburger Haushalt belasten.

(Jens Kerstan GRÜNE: Das ist doch total normal, wenn man ein neues Unternehmen gründet, dass es Verluste macht!)

Aber nicht in dem Sinne, dass es den Hamburger Steuerzahler und den Haushalt belastet. Das ist dann nicht mehr normal und das müssen wir parlamentarisch korrigieren.

(Jens Kerstan GRÜNE: Warum haben Sie es dann mit uns gegründet? Wussten Sie das nicht?)

Herr Kerstan, Sie sind gleich selbst dran, dann können Sie meine Äußerungen kommentieren.

(Beifall bei der CDU)

Das neu zu gründende Unternehmen ist nach Einschätzung einiger Experten, wenn es denn so weit kommen sollte, aller Wahrscheinlichkeit nach mit zurzeit 40 Mitarbeitern, wenn es HAMBURG ENERGIE beziehungsweise eine Tochter davon wäre, nicht wettbewerbsfähig und müsste den strengen Regularien von Basel III unterworfen werden. Dann erfolgt es nach einem EU-Vergabeverfahren.

Aber bleiben wir jetzt erst mal ruhig und halten vor allem den Ball flach, lassen wir den Bürger am 22. September erst einmal entscheiden. Wir persönlich glauben nicht, dass die Mehrheit der Hamburger für eine völlig nutzlose Maßnahme 2 Milliarden Euro ausgeben will. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kreuzmann. – Das Wort hat Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird Sie wenig überraschen, dass wir das Anliegen des Antrags der LINKEN unterstützen,

(André Trepoll CDU: Das überrascht uns gar nicht!)

denn eines ist doch klar: Wenn SPD und Senat es wirklich ernst meinen, einen positiven Volksentscheid umsetzen zu wollen, dann müssen sie jetzt schon den Plan B in der Tasche haben. Sie müssen es laut Gesetz und Sie haben auch gesagt, man könne sich darauf verlassen, dass Sie es dann tun würden und sich auch Mühe geben würden zu gewinnen. Sie müssen also Plan B in der Tasche haben, denn wie Sie selbst wissen, muss die Stadt im Januar 2014 die Bewerbung abgeben.

(Dr. Walter Scheuerl CDU: Oh, Sie haben es verstanden!)

Ich möchte Ihre Reden bitte nicht so verstanden haben, dass Sie bis zum 22. September warten würden. Dann würde der Senat beraten und eine Drucksache schreiben, dann geht es in die Bürgerschaft, und dann würde man irgendwann einmal schauen, wie man sich bewerben würde. Wenn das wirklich der Fall ist, dann war das heute die Ansage, dass Sie das Bewerbungsverfahren für die Konzession an die Wand fahren wollen, um vorsätzlich den Bürgerinnen- und Bürgerwillen zu unterlaufen. Ich kann Sie nur warnen, das nicht zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Was ist denn das für ein Argument, dass erst einmal die Bürgerinnen und Bürger entscheiden sollen und man das Ergebnis aus Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern erst einmal abwarten müsse?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)

Wer sagte uns das denn, lieber Andreas Dressel und SPD-Senat? War es nicht die Regierungsfraktion und der SPD-Senat, die trotz einer Volksinitiative, trotz eines erfolgreichen Volksbegehrens und trotz der Unterschriften von 116 000 Hamburgerinnen und Hamburgern erst einmal gesagt haben, das sei ihnen egal? Sie würden jetzt Verträge machen und unterschreiben und Fakten schaffen. Und dann sagen Sie, man müsse erst einmal abwarten, wie die Wählerinnen und Wähler entscheiden, um Plan B zu entwickeln, wenn der Volksentscheid erfolgreich sein würde. Eine schlimmere Heuchelei als das habe ich in diesem Hause selten erlebt, liebe SPD.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Hast du dir das alles mal durchgelesen?)

Wir hören auch immer wieder solche Argumente, dass es dann jahrelang Klagen mit Vattenfall geben würde. Egal, ob der Volksentscheid erfolgreich ist oder nicht, Klagen und Gerichtsauseinandersetzungen mit Vattenfall haben wir schon seit Jahren, und die werden wir auch die nächsten Jahre haben. Vattenfall beklagt jede Umweltauflage des Kohlekraftwerks Moorburg zur Umsetzung des europäischen Umweltrechts. Vattenfall beklagt den Atomausstieg und alles Mögliche. Und wenn die Stadt dann im vorauseilenden Gehorsam jedes Mal sagt, man müsse nachgeben, weil Vattenfall sonst klagen könnte, dann schränken Sie ohne Not die Rechtsposition dieser Stadt und das Gemeinwohl ein, und das sollten Sie nicht tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Sitzung heute ist relativ wichtig, denn es verdichtet sich immer mehr der Eindruck, dass die SPD nicht bereit ist, eine erfolgreiche Bewerbung um die Konzession abzugeben. Ich will an die letzte Bürgerschaftssitzung erinnern, in der der Bürgermeister selbst sagte, Sie würden dann drei GmbHs gründen. Die hätten dann zwar noch keine Mitarbeiter, man wolle aber einmal schauen, ob man das Verfahren gewinne. Wenn das Ihr Plan ist, irgendwo eine Briefkastenfirma zu gründen und einen Geschäftsführer dafür zu bestellen, ohne Mitarbeiter, dann brauchen Sie sich gar nicht zu bewerben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, Hamburg hat aktuell keine!)

Dann wird Hamburg die Ausschreibung verlieren. Aber das ist dann der Plan des Senats, wie dieser Volksentscheid ausgehebelt wird. Das ist unlauter

(Thomas Kreuzmann)

und zeugt nicht von Achtung vor den Wählerinnen und Wählern.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dietrich Wersich CDU: Wie soll es denn gehen?)

Hören Sie einmal zu. Sie haben eine Frage gestellt, Herr Wersich, und bekommen jetzt die Antwort darauf.

Wie soll es denn gehen? Hamburg hat mehr als 100 Jahre lang die Netze betrieben. Hamburg hat mit HAMBURG WASSER als Tochter der HGV ein Unternehmen, das erfolgreich zwei Netze betreibt. Es ist kommerziell und erfahren. Die HGV ist ein Unternehmen mit mehreren öffentlichen Unternehmen und mit Zehntausenden von Mitarbeitern. Und Sie wollen uns erzählen, dass dieses erfahrene Unternehmen mit HAMBURG WASSER nicht in der Lage sein soll, eine erfolgreiche Bewerbung für die Konzession abzugeben? Das glauben Sie doch selbst nicht, das ist unverantwortliche Panikmache, mit der Sie den Bürgerinnen und Bürgern nur Sand in die Augen streuen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Wir haben in den letzten fünf Jahren 170 erfolgreiche Rekommunalisierungen gehabt.