Protokoll der Sitzung vom 28.08.2013

(Beifall bei der FDP)

Frau Demirel, wir begrüßen die Bundesratsinitiative des Senats zur grundsätzlichen Ermöglichung einer doppelten Staatsangehörigkeit; Sie haben das Plakat hochgehalten. Dabei darf es jedoch nicht bleiben. Wir reduzieren die Integrationspolitik eben nicht nur auf dieses Optionsmodell. Wir müssen darauf achten, dass wir eine Willkommenskultur aufbauen, und das ist eine gesellschaftliche Aufgabe und nicht etwas, was Sie mit einem einzigen Gesetz von heute auf morgen einführen können, Frau Demirel.

(Beifall bei der FDP)

Gerade erst berichtete die "Süddeutsche Zeitung", dass Menschen mit Migrationshintergrund, die hier aufgewachsen sind, sich trotz deutschem Pass nicht als Deutsche angenommen fühlen. Diese Aussage stützt auch eine Studie des Statistischen Bundesamts, wonach 2012 in Hamburg nur 3,7 Prozent des tatsächlichen Einbürgerungspotenzials ausgeschöpft wurde. Das bedeutet, Frau Demirel, dass bisher nur 3,7 Prozent der Menschen, die die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllen, sich tatsächlich haben einbürgern lassen. Die Änderung der rechtlichen Voraussetzungen darf nicht dazu führen, dass bei den gesellschaftlichen Integrationsaufgaben weggeschaut wird.

Zur Optionspflicht muss man sagen, dass diese weder durch diese Bundesregierung noch durch die Große Koalition eingeführt wurde; die Optionspflicht wurde 1999 von der SPD und den GRÜNEN auf den Weg gebracht und verabschiedet.

(Zuruf von Phyliss Demirel GRÜNE)

(Phyliss Demirel)

Es war ein Kompromiss, an dem auch die FDP mitgearbeitet hat, sonst wäre aus einer zögernden Reform des Staatsangehörigkeitsrechts gar nichts geworden. Es ist deshalb scheinheilig, so zu tun, als sei die Optionspflicht der SPD und den GRÜNEN aufgezwungen worden.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt ist es an der Zeit, diesen Kompromiss zu überdenken, da stimme ich mit Ihnen vollkommen überein. Die Anerkennung der doppelten Staatsangehörigkeit darf aber nicht zulasten der Integration gehen. Sprachkenntnisse sind wichtig, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Daher begrüßen wir nicht nur die Bundesratsinitiative, sondern werden uns auch in der kommenden Legislaturperiode – an der Regierung, Frau Demirel – für eine Reformierung des Staatsangehörigkeitsrechts einsetzen. – Danke.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Özdemir.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Trepoll, Sie haben vielleicht recht, wir haben schon öfters über dieses Thema gesprochen, und es kann auch sein, dass die SPD Wahlkampf macht. Aber ich finde es schon ein bisschen frech zu sagen, diese Debatte sei überflüssig, vor allem vor dem Hintergrund, dass Sie Politiker in einer Stadt sind, in der es interkulturell zugeht. Das zeigt doch, dass Sie ein bisschen realitätsfern sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Man könnte vielen Menschen, vor allem vielen jungen Menschen, die ein Teil unserer Gesellschaft sind, das Leben wirklich erleichtern. Dafür müssten aber erst einige Politikerinnen und Politiker ihre Augen öffnen und sich die Gesellschaft einmal richtig anschauen, denn dann würde ihnen bewusst werden, dass die Gesellschaft nicht mehr so ausschaut wie vor 50 Jahren. Ständig wird die Integration von Migrantinnen und Migranten eingefordert, gerade von der CDU, öfters auch von der FDP – Sie tun das wie die Weltmeister –, aber es werden nicht die Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Das ist unglaubwürdig und passt auch wirklich nicht in die heutige Zeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE)

Mit der Verweigerung der doppelten Staatsbürgerschaft belasten Sie nicht nur die jungen Menschen, also die dritte Generation, sondern auch die älteren Menschen, die erste Generation, sprich die Gastarbeiter. Das sind Menschen, die, nachdem sie lange hier gearbeitet haben, wieder in ihre Heimatländer zurückkehren wollen, aber auch in

Deutschland noch eine Heimat haben. Sie lassen ihre Kinder und Enkelkinder zurück und möchten dort in Ruhe älter werden und das Leben genießen.

Dann gibt es auch die jungen Menschen, die gut integriert und gut qualifiziert sind und im Ausland beziehungsweise dem Heimatland ihrer Eltern arbeiten und leben möchten. Manche möchten dies für einige Jahre tun, manche für eine kürzere Zeit. Sie pendeln alle paar Monate zwischen den Heimatländern hin und her, weil sie es aufgrund der schwierigen Bürokratie müssen. Aber eines würden sie nie tun, und zwar die Verbindung zu Deutschland kappen, denn sie haben hier wie dort soziale Kontakte und ihre Familie. Das ist heutzutage nichts Unübliches. Es bedeutet auch nicht, dass man sich für ein Land als Heimatland entscheidet. Das Herz schlägt bei vielen Betroffenen für beide Länder, für beide Kulturen,

(Robert Bläsing FDP: Ich dachte, links!)

denn sie sind in beiden Ländern verwurzelt.

Es ist auch nicht unüblich, dass Menschen aus Deutschland auswandern, gerade auch Menschen ohne Migrationshintergrund. Und dann sind sie auch mit diesem Problem konfrontiert.

Wir können in der wissenschaftlichen Forschung sehen, dass eine transnationale Wanderung stattfindet, und wenn wir uns das anschauen, dann spricht eigentlich kein Argument für die Verweigerung der doppelten Staatsbürgerschaft, sondern alles nur dagegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE)

In unserer heutigen Gesellschaft – ich betone: heutigen – führen viele Menschen doppelte Leben auf mehreren Ebenen. Diese Menschen sprechen zwei oder mehrere Sprachen, wachsen zwischen verschiedenen Kulturen auf, verfolgen oft in beiden Ländern politische, kulturelle oder wirtschaftliche Interessen und fühlen sich, ganz wichtig, mehreren Heimaten zugehörig und sind in ihnen auch verwurzelt.

Wenn es um die Frage der Loyalität geht, verwendet die CDU gern das Argument, es könne einen Loyalitätskonflikt geben. Mit Konflikten wachsen wir Kinder mit Migrationshintergrund immer auf, das wird es immer geben. Aber ich kann Ihnen bestätigen, dass dieser Konflikt, von dem Sie sprechen, bei den meisten jungen Menschen aus der dritten Generation gar keine Rolle spielt, denn so etwas kann nicht per Papier verfestigt werden, eine Staatsbürgerschaft kann nicht ausmachen, was Menschen fühlen. Ich kann aus meiner Sicht sagen, dass man sich beiden Ländern zugeordnet fühlt. Man hat überall Familie, und das ist eine Sache, die man empfindet und die man nicht mit einem Papier festmachen kann. – Vielen Dank.

(Finn-Ole Ritter)

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 20/8827 Kenntnis genommen hat.

Wir sind Ihnen noch die Wahlergebnisse der Wahl eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung schuldig. Auf Herrn Andreas Stonus entfielen 94 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen. Somit ist er gewählt, und von hier oben herzlichen Glückwunsch dazu.

Punkt 12 der Tagesordnung, Drucksache 20/8909, Bericht des Umweltausschusses: 1. Fortschreibung und Weiterentwicklung der UmweltPartnerschaft Hamburg für die Jahre 2013 bis 2018, 2. Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 29. November 2011, "Zwischenbilanz der UmweltPartnerschaft".

[Bericht des Umweltausschusses über die Drucksache 20/6332: 1. Fortschreibung und Weiterentwicklung der UmweltPartnerschaft Hamburg für die Jahre 2013 – 2018 2. Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 29. November 2011 "Zwischenbilanz der UmweltPartnerschaft" – Drucksache 20/2396 – (Senatsmitteilung) – Drs 20/8909 –]

Hier sind die Fraktionen übereingekommen, diesen Punkt ohne Debatte zur Kenntnis zu nehmen.

Wir kommen zum Punkt 23 der Tagesordnung, Drucksache 20/8952, Antrag der CDU-Fraktion: Verkürzung der Beihilfe-Verfahren.

[Antrag der CDU-Fraktion: Verkürzung der Beihilfeverfahren – Drs 20/8952 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/9107 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der SPD-Fraktion: Entwicklung der Beihilfeverfahren und ihre Bearbeitung – Drs 20/9107 –]

Beide Drucksachen möchte die FDP-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Ploog, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag greifen wir das notwendige Thema Verkürzung der Bearbeitungszeiten in Beihilfeangelegenheiten im öffentlichen Dienst auf. Das Thema ist nicht erst seit heute neu, es hat eine lange, über die Jahre wechselvolle Geschichte. Aber es ist heute aktueller denn je. Die Beihilfeberechtigten leiden unter langen Bearbeitungszeiten und unter dem endlosen Warten auf das Geld. Ein guter Beweis ist, dass mir, aber auch meiner Fraktion und meinem Kollegen Ohlsen, Tag für Tag Briefe ins Haus flattern, gestern und heute waren es allein schon vier, in denen die Betroffenen sich beklagen und uns, das Parlament, um Hilfe bitten, um dem Senat die entsprechende Richtung zu empfehlen.

Das Problem ist nicht typisch parteipolitisch, aber die Regierungsparteien haben es über viele Jahre hinweg offenbar niemals in den Griff bekommen. Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist.

(Robert Bläsing FDP: Das ist aber sehr ehr- lich von Ihnen!)

Ich bin über viele Jahre selbst im öffentlichen Dienst gewesen und habe das auch so mitbekommen, ohne dass ich nun persönlich leiden musste. Aber im Moment ist es wirklich wieder sehr, sehr schwierig und deswegen heute unser neuer Anlauf in dieser Angelegenheit. Ich sagte es schon, vor vielen Jahren hat auch dieses Parlament sich immer wieder mit dem Thema befasst. Und das Bemühen des Senats, als Ziel eine Bearbeitungsdauer von zehn Tagen anzustreben, ist niemals so richtig gelungen. Es gab schöne Phasen, in denen sogar zehn Tage unterboten oder marginal überschritten wurden; da war die Welt in Ordnung.

So war es etwa im Jahre 2002. Ich bin in der Geschichte nicht weiter zurückgegangen, und es hilft auch nicht, sich nun groß darüber zu streiten. Die Bearbeitungsdauer lag zwischen 22 und 35 Werktagen. Es sind immer Werktage, Wochentage wären entsprechend mehr, aber am Wochenende soll dort auch niemand arbeiten. In 2003 gab es dann ab April deutliche Verbesserungen – da hatte auch die CDU den Bürgermeister gestellt, und ich denke, dass es insbesondere daran gelegen hat –, und diese hielten bis zum Dezember 2004 an.

(Heiterkeit bei Jan Quast SPD)

Es muss doch einen Grund dafür geben, Herr Kollege. Man weiß es doch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Es waren 6,3 Tage bis 15,6 Tage. Auch in 2005 und 2006 war es noch zu ertragen, aber dann – und jetzt dürfen Sie sich nicht mehr beschweren – wurde es wieder schlechter. Dieses ständige Auf und Ab nervt die Betroffenen, aber es nervt natürlich auch, wenn man es so sagen darf, die Damen und Herren der Sachbearbeitung. Ich möchte ih

(Cansu Özdemir)

nen an dieser Stelle zunächst einmal einen herzlichen Dank aussprechen im Namen meiner Fraktion, aber ich denke, auch im Namen des ganzen Hauses, denn die sitzen dort nicht untätig herum, sie haben viel zu tun. Sie leiden sicher auch unter der Kritik. Aber ich glaube, dass sie dieses Lob verdient haben.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP und Christiane Schneider DIE LINKE)