Protokoll der Sitzung vom 11.09.2013

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/9295 ein Antrag der FDP-Fraktion vor.

[Antrag der FDP-Fraktion: Schulaufsicht neu organisieren – Drs 20/9295 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Prien.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Auch wenn wir heute über die gravierenden Probleme an Stadtteilschulen und Gymnasien in der Aktuellen Stunde noch nicht haben debattieren können – das Beste haben wir uns für morgen aufbewahrt –, so ist die Debatte in den Medien, aber auch die Debatte an den Schulen und in der Stadt in den letzten Tagen und Wochen so eindeutig, dass Handlungsbedarf in allen Schulformen besteht.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Zusammenhang hätte ich Sie gerne in der Aktuellen Stunde, meine Damen und Herren von der SPD und Herr Schulsenator Rabe, der Sie jetzt leider bei diesem sachlichen Thema nicht da sind, darauf hingewiesen, dass es schon sträflich ist, dass Sie an vielen Baustellen, die wir unstreitig im Hamburger Schulsystem haben, seit zweieinhalb Jahren schlicht und ergreifend nichts tun. Das ist schon erstaunlich, denn wir haben an fast allen dieser Baustellen relativ klare Erkenntnisse darüber, woran es denn liegt. Wir haben diese Erkenntnisse, wir haben eine Schulinspektion, wir haben eine Schulaufsicht und trotzdem sind die Ergebnisse, etwa bei KESS 13, die letzte Woche zumindest in der Kurzfassung veröffentlicht wurden, so schlecht. Und sie sind deshalb so schlecht, weil der Senat offensichtlich auf die Ergebnisse seiner eigenen Bildungsforschung keinen Wert legt, sie nicht analysiert und auch in der Umsetzung, zum Beispiel in der Schulaufsicht, daraus keinerlei Konsequenzen zieht.

(Beifall bei der CDU)

Auch aus diesem Grunde haben wir uns unter anderem dieses Thema vorgenommen. Wir beobachten schon seit geraumer Zeit, dass in Sachen Schulaufsicht die Dinge nicht rundlaufen. Wir hören das sowohl von den Schulaufsichtsbeamten als auch von den Schulleitern, und deshalb müssen wir uns darüber einmal etwas intensiver unterhalten.

Worum geht es? Ich darf noch einmal daran erinnern, wie sich die Organisation der Schulaufsicht in den letzten Jahren verändert hat. Im Rahmen der Einführung der selbstverantworteten Schule war es notwendig, um der gestiegenen Eigenverantwor

tung der Schulen ein vernünftiges Controlling- und Unterstützungssystem an die Seite zu stellen, die Schulaufsicht umzuorganisieren. Das ist 2006 unter dem CDU-Senat erfolgt. Dabei stand im Vordergrund die Sicherstellung und Vermittlung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages, der Abschluss von Ziel- und Leistungsvereinbarungen als wichtiges Instrument und eben ein leistungsfähiges Controlling und eine starke Unterstützung der Schulen, um die Gleichwertigkeit der Abschlüsse sicherzustellen – eines unserer großen Themen – und die Schulqualität insgesamt zu garantieren – so weit, so gut. Damals hatten wir 24 Schulaufsichten, zwölf zuständig für die HR-Schulen, zwei für Sonderschulen, sechs für Gymnasien und vier für die Gesamtschulen. Nach unserer Einschätzung ist mit dieser neuen Organisation damals ein erheblicher Qualitätszuwachs einhergegangen und auch eine erhebliche Professionalisierung. Dann kam die schwarz-grüne Regierung, an der wir natürlich beteiligt waren, wie der Name schon sagt.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Ach nee!)

Frau von Treuenfels, Sie waren leider nicht mit dabei.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Nee, aber ich hab's beobachtet!)

Und dann ist – auch das ist klar im Zusammenhang mit der damals von uns gemeinsam vereinbarten Schulreform und auch der Primarschulreform – die Schulaufsicht umorganisiert worden. Diese Umorganisation war wesentlich abgestellt auf die Einführung der Primarschule, die wir bekanntermaßen aufgrund des Volksentscheides nicht mehr eingeführt haben. Die Schulaufsicht ist seitdem bezirklich und regional und eben schulformübergreifend und nicht mehr schulformbezogen organisiert.

Meine Damen und Herren! Nach unserer Einschätzung hat sich diese reine Regionalisierung, die reine Konzentration auf die regionale Organisation der Schulaufsicht eben nicht bewährt. Nun werden Sie natürlich wieder sagen, wir hätten das doch seinerzeit eingeführt. Wir haben es eingeführt, aber in der Politik muss es auch möglich sein zu schauen, ob Dinge sich bewähren, und wenn sie sich nicht bewähren, dann muss man eben neu hinschauen und notfalls auch sagen, das müssen wir anders machen.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle miteinander, die wir Schulpolitik betreiben, haben in den letzten Wochen sehr eindringlich erfahren, dass die Probleme an den Stadtteilschulen und den Gymnasien nicht nur gravierend, sondern auch spezifisch sind. Und wir brauchen, wenn wir diese Probleme wirklich angehen wollen, eine Schulaufsicht, die auch schulformbezogen ist. Es reicht nicht aus, diese nur regional zu organisieren.

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

Deshalb haben wir Ihnen mit unserem Antrag zur Neuorganisation der Schulaufsicht einen Vorschlag gemacht, der beide Aspekte aufgreift. Wir wollen nicht zurück nach 2006, denn auch die regionale Organisation hat durchaus Aspekte, die wir befürworten, aber wir sind der Auffassung, dass die rein regionale Organisation nicht ausreicht. Wir wollen vor allem schulformbezogene Schulaufsichtsbeamte, die sich in der einzelnen Schulform auskennen, in ihr Erfahrung haben, deshalb auch wirklich Unterstützung leisten und Ziel- und Leistungsvereinbarungen abschließen können, die dann auch zielführend sind, anders, als es offensichtlich in den letzten zweieinhalb Jahren der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der CDU)

Das von uns vorgeschlagene Modell im Rahmen einer Matrixorganisation würde diese beiden Dimensionen, die schulformbezogene einerseits und die regionale andererseits, gleichermaßen berücksichtigen. In diesem Modell werden auch Schulformexperten beteiligt, und zwar gleichberechtigt mit den Experten, die sich mit den regionalen Aspekten und der Steuerung vor Ort und im Bezirk befassen. Aus diesem Grund werben wir für unser neues Modell.

Wir werden auch den Antrag der FDP unterstützen, Frau von Treuenfels, und hoffen, dass die SPD unseren sehr konkreten Vorschlag, der ein wenig Erleichterung und eine Verbesserung für die Gymnasien und die Stadtteilschulen in Hamburg bringen könnte, unterstützen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Lein, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung der schwarz-grünen Koalition, gleich zu Beginn ihrer Amtszeit die Schulaufsichten neu zu organisieren, ihre bis dato Schulformbezogenheit aufzugeben und das Regionalprinzip einzuführen, haben wir seinerzeit ausdrücklich begrüßt. Dies war übrigens keine Entscheidung auf Bürgerschaftsebene: Die Deputation hat am 12. November 2008 so entschieden. In der Folge der Enquetekommissionsarbeit und entsprechend dem Wunsch, die verwirrende Vielzügigkeit der Sekundarschule zu reduzieren, war dies auch eine konsequente Entscheidung. Erstmals in der Hamburger Schulgeschichte, zumindest soweit ich mich mit meinen 40 Dienstjahren zurückerinnern kann, saßen die Schulleitungen aller Schulformen in einer Region zusammen und schauten über den Tellerrand ihrer bislang sorgfältig abgeschotteten Schulformgrenzen. Das war gut. Wo gab es das sonst, außer vielleicht auf Sitzungen der GEW oder abends bei Lehrergeburtstagen im privaten Kreis.

Die bezirkliche Schulaufsicht war seinerzeit ein Quantensprung. Ich bin heute noch froh, dass die grüne Schulsenatorin ihrem schwarzen Koalitionspartner diese Entscheidung vermutlich abgerungen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Diese Vermutung liegt zumindest nahe, wenn man den heutigen Antrag sieht, denn die CDU möchte zurück zu der alten Schulaufsicht, getrennt für Gymnasien und die sonstigen Schulformen. Da gab es noch Aufsicht auf beamtenrechtlicher Augenhöhe. Das scheint mir der wahre Kern dieses Antrags zu sein, wenn man ihn genau liest: Schulaufsichtsbeamte bei den Schulformen und vor Ort nur Ansprechpartner. Man merkt schon die Wertigkeit. Da gibt es dann ein bisschen neumodische Zugabe mit der Matrixorganisation und ihren Verantwortungslinien senkrecht und waagerecht, also kreuz und quer. Wirtschaftslexika weisen häufig auf den hohen Personalaufwand und die doppelten Berichtspflichten dieses Modells hin.

(Robert Heinemann CDU: Da haben Sie ja richtig viel Ahnung!)

Das alles wollen wir Sozialdemokraten nicht. Wir sind zufrieden mit dieser Struktur. Es gibt in jedem Aufsichtsbezirk zwei Schulaufsichtsbeamtinnen beziehungsweise -beamte, die gemeinsam verantwortlich für die Schulaufsicht und die Beratung ihres Sprengels sind, und der schließt Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien ein. Sie sind auch nicht grundsätzlich immer Oberstudiendirektoren. Die Damen und Herren Gymnasialleiter und Stadtteilschulleiter müssen sich also dienstlich auch etwas sagen lassen von Menschen, die in der Beamtenbesoldungshierarchie nicht auf gleicher Stufe stehen. Das geht, und das geht zumeist sogar sehr gut. Es nutzt unseren Schulen, wenn die Schulaufsicht in der gemeinsamen Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler des Aufsichtsbezirks praktiziert und gepflegt wird. Es tut den Schulleiterinnen und Schulleitern gut, wenn sie auf gemeinsamen Konferenzen die Probleme ihres Bezirks besprechen und Maßnahmen absprechen.

Die Schulformschwerpunkte, Frau Prien, sind bei den Leiterinnen und dem Leiter der drei Abteilungen des Amtes B verordnet. Dort finden – Sie wissen das vielleicht nicht –

(André Trepoll CDU: Sie erklären uns das si- cher!)

die grundsätzlichen Fragen statt, dort finden die Schulleiterdienstbesprechungen statt.

(Robert Heinemann CDU: Die finden eben nicht statt, da passiert gar nichts, das wissen Sie ganz genau! – Lars Holster SPD: Das stimmt aber so nicht!)

(Karin Prien)

Das Landesinstitut, nebenbei gesagt, ist in seinen Abteilungen ebenfalls für Organisations- und Personalentwicklung auch der Schulformen zuständig.

Es ist schade, dass diese rückwärtsgerichtete Position der CDU jetzt auch von der CDU eingenommen wird, indem sie sich dem Antrag anschließt.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: FDP! Wir sind die FDP!)

Von der FDP, Entschuldigung.

Der Wechsel ehemaliger Schulleiter in die Schulaufsicht im eigenen Bezirk kann tatsächlich eine Rolle spielen. Insofern ist Ihr Gedanke schon wert, bedacht zu werden, und wir fordern die Schulbehörde dringend auf, sehr sorgfältig bei den Besetzungen vorzugehen. Wenn Sie sich aber an den CDU-Antrag hängen, dann wird er das gleiche Schicksal ereilen: Wir lehnen ihn ab, und wir lehnen auch eine vertiefende Erörterung im Ausschuss ab. Das wäre rückwärtsgewandt und zeitverschwendend.

(Beifall bei der SPD – Robert Heinemann CDU: Ja, reden brauchen wir nicht!)

Das Wort bekommt Frau Dr. von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Prien, Sie haben gesagt, das Modell, das Sie uns vorlegen, sei neu. Ich habe mir die Mühe gemacht, bin in die Historie gegangen und tatsächlich einmal durchgegangen, was bei mir im Büro noch an Matrizes in den Ordnern liegt, und habe festgestellt, dass es ein altes Modell ist. Das ist wirklich ein Rollback, ein rückwärtsgewandtes Modell aus vergangenen, vermeintlich goldenen CDU-Zeiten.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Da ward Ihr beteiligt!)

Was ich wahrgenommen habe, als ich die Lyrik des Antrags gelesen habe, ist eine gewisse Portion Standesdünkel, als ob jemand, der aus einer bestimmten Schulform kommt, eine andere Schulform nicht beurteilen, beraten oder im alten Stil beaufsichtigen könne. Das finde ich politisch sehr schwierig. Gegen diesen Standesdünkel verwehren wir GRÜNE uns definitiv.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe mich gefragt, woher diese Denke kommt, dass eine Schulform nur von einem Kollegen beaufsichtigt werden kann, der aus eben dieser Schulform kommt, wo wir doch heute den Orientierungsrahmen Schulqualität haben, der für uns alle eine Leitplanke darstellt, der für alle Schulen gilt und nicht ein Orientierungsrahmen ist für Grundschulen, Stadtteilschulen, Sonderschulen oder

Gymnasien. Da steckt doch der große Gedanke von Qualität in Schule schon mit drin.

Ich finde, es ist sehr, sehr wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Wir haben in der Vergangenheit gemerkt, wie Impulse auch in die anderen Schulformen hineingegeben werden, wenn ein Schulaufsichtsbeamter aus einer anderen Schulform in eine ihm eigentlich fremde Schulform hineingeht. Da werden pädagogische Impulse gegeben, die sich fruchtbar auf die anderen Schulen auswirken.

Was diese – in Anführungszeichen – neue Matrix anbelangt, geht da natürlich auch der regionale Bezug verloren. In Zeiten, in denen wir die regionalen Bildungskonferenzen endlich zumindest ein wenig angeschoben haben, würden solche neue Strukturen durchaus kontraproduktiv wirken und das, was als zarter Keim gerade am Entstehen ist, gleich wieder ersticken, und das wäre wirklich politisch fahrlässig.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)