Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

Beschluss 5384,

Antrag der GRÜNEN Fraktion:

Hamburgs Vertretung im Wissenschaftsrat – Drs 20/9577 – 5384,

Beschlüsse 5385,

Beginn: 15.01 Uhr

Meine Damen und Herren! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Ich beginne heute mit zwei Personalien. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 hat mir die ehemalige Abgeordnete Anja Hajduk mitgeteilt, dass sie ihr Bürgerschaftsmandat zum 21. Oktober niederlege. Frau Hajduk war von Oktober 1997 bis September 2002 und dann wieder seit März 2011 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie wirkte während dieser Zeit in verschiedenen Ausschüssen mit, insbesondere als haushaltspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Haushaltsausschuss und im Ausschuss Öffentliche Unternehmen. In der 16. und 17. Wahlperiode fungierte sie zudem als parlamentarische Geschäftsführerin, und ab März 2011 übernahm sie als Mitglied im Fraktionsvorstand der GRÜNEN das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden. Im Namen der Hamburgischen Bürgerschaft danke ich Frau Hajduk für die geleistete Arbeit und wünsche ihr alles Gute für den weiteren Weg.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Nach Mitteilung der Bezirkswahlleitung im Bezirk Hamburg-Nord ist am 22. Oktober 2013 auf der Wahlkreisliste 8 der GRÜNEN Herr Martin Bill nachgerückt. Lieber Herr Bill, ich begrüße Sie herzlich in unserer Mitte und wünsche Ihnen viel Freude an der neuen Aufgabe.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Des Weiteren hat mir ebenfalls mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 der ehemalige Abgeordnete Metin Hakverdi mitgeteilt, dass er sein Bürgerschaftsmandat mit sofortiger Wirkung niederlege. Herr Hakverdi gehörte der Bürgerschaft seit März 2008 an. Auch er wirkte während dieser Zeit insbesondere im Haushalts- und im Rechts- und Gleichstellungsausschuss sowie im Ausschuss Öffentliche Unternehmen mit und war außerdem Mitglied im PUA Elbphilharmonie. Seit April 2008 gehörte er dem Vorstand der Bürgerschaft als Schriftführer an. Auch Herrn Hakverdi dankt die Bürgerschaft für die geleistete Arbeit. Wir wünschen ihm für seine Arbeit in Berlin viel Erfolg und alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Nach Mitteilung der Bezirkswahlleitung im Bezirk Hamburg-Mitte ist auf der Wahlkreisliste 2 der SPD Frau Susanne Kilgast nachgerückt. Liebe Frau Kilgast, auch Ihnen ein herzliches Willkommen in unserem Hause und alles Gute für Ihre Arbeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Tagesordnung. Bevor wir gleich mit der Aktuellen Stunde beginnen, möchte ich Ihnen vorab noch

mitteilen, dass die Fraktionen abweichend von der Empfehlung des Ältestenrates übereingekommen sind, die Tagesordnung um einen weiteren Punkt zu ergänzen. Das ist die Wahl einer Schriftführerin oder eines Schriftführers, die direkt im Anschluss an die Aktuelle Stunde stattfinden wird.

Darüber hinaus gibt es Einvernehmen darüber, drei weitere Tagesordnungspunkte zu vertagen. Das sind die Großen Anfragen aus den Drucksachen 20/8914, 20/9308 und 20/9339.

Wir kommen nun zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind fünf Themen angemeldet worden, und zwar von der Fraktion DIE LINKE

Zeit für eine Lösung! Solidarität mit "Lampedusa in Hamburg" für eine humanitäre Lösung und eine neue, menschenwürdige Flüchtlingspolitik nutzen

von der SPD-Fraktion

Flüchtlingspolitik in Hamburg – humanitär und rechtsstaatlich

von der CDU-Fraktion

Schuld sind immer nur die anderen? Scholz und Blankau müssen zu ihrer Verantwortung für das Millionenloch bei der Gartenschau stehen!

von der GRÜNEN Fraktion

Lampedusa-Flüchtlinge: Nicht die Polizei vorschicken – politische Lösung für humanitären Aufenthalt finden

und von der FDP-Fraktion

Ungeklärte Situation der libyschen Flüchtlinge und Autonomen-Krawalle – hat der Senat die Lage noch im Griff?

Die Fraktionen sind übereingekommen, das erste, zweite, vierte und fünfte Thema gemeinsam debattieren zu wollen.

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Die SPD-Fraktion hat den Lampedusa-Flüchtlingen ein Angebot unterbreitet. Ich nehme an, dass Sie dieses der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit gleich vorstellen werden. Dem will ich nicht vorgreifen, und ich werde mich in der zweiten Runde dazu äußern.

Die Flüchtlinge beraten und haben die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Deshalb ist im

Moment noch nicht klar, wie es weitergeht. Aber ich spreche, gerade aus den Erfahrungen der letzten Wochen, für einen grundlegenden Kurswechsel im Umgang mit den Flüchtlingen und der Migration.

(Beifall bei der LINKEN)

Niemand kann so tun, als ginge es uns nichts an. Das jüngste Massensterben im Mittelmeer fordert Konsequenzen. Die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik ist Flüchtlingsabwehrpolitik. Die vielen Toten – NGOs sprechen von 20 000 allein im Mittelmeer in den letzten 15 Jahren – sind, wie es Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" formulierte, "Europas Tote", und sie sind, wie Giusi Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa, geißelte, "Europas Schande".

(Beifall bei der LINKEN und bei Katharina Fegebank und Antje Möller, beide GRÜNE)

Die Migration von Menschen, die eine Lebensperspektive suchen, ist eine Tatsache, und dass die Menschen dabei ihr Leben riskieren, zeigt uns, dass sie durch nichts aus der Welt zu schaffen ist. Europa kann die Mauern höher ziehen, die Abwehr weiter militarisieren, das Risiko für die Flüchtlinge und damit die Zahl der Toten hochschrauben – die Wanderung verhindern kann es dadurch nicht. Eine andere, solidarische Flüchtlingspolitik, die dieser Tatsache Rechnung trägt, ist in Europa, im Bund und in Hamburg unabdingbar.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Gerade hier, das ist die Erfahrung des letzten Halbjahrs, ist die Chance eines anderen Umgangs mit Flüchtlingen riesig, wenn man es nur will. Selten hat es eine so große und breite, von Menschen praktisch aller Gesellschaftsschichten bis weit in die CDU hinein getragene Solidarität mit Flüchtlingen gegeben wie jetzt mit den Lampedusa-Flüchtlingen in Hamburg. Nur der Senat und große Teile der SPD haben Auge, Ohr und Herz verschlossen. Ich brauche die Solidarität nicht im Einzelnen auszuführen; wir erfahren sie tagtäglich. Wo immer man hingeht und wohin man hört, in Schulen, Kirchen und Moscheen, auf x-beliebigen Veranstaltungen oder Festakten, im Theater, im Stadion oder auf der Straße – die Solidarität mit den Flüchtlingen und die Forderungen nach Bleiberecht sind allgegenwärtig. Das ist großartig.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Das sind ausgezeichnete Bedingungen für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Bewältigung der Herausforderungen, die damit einhergehen. Nutzen Sie diese Solidarität, statt sie zu ignorieren oder sogar zu bekämpfen. Unabhängig von dem, was Sie den Lampedusa-Flüchtlingen angeboten haben, ist die Forderung nach einer Bleiberechtsperspektive nicht vom Tisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie ein Mantra tragen Sie den Verweis auf die Gesetze vor sich her und glauben, damit Ihre Hände in Unschuld waschen zu können, wenn am Ende abgeschoben wird. Sie haben leider von Anfang an gesagt, dass der Vollzug der Gesetze für Sie bedeutet, dass es keine humanitäre Bleiberechtsperspektive geben soll. Sie haben bestehende Spielräume für eine humanitäre Lösung, auf die etwa der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hingewiesen hat, bisher nicht genutzt und Vorschläge zurückgewiesen. Sie hätten gekonnt, aber Sie wollten nicht.

Jetzt versprechen Sie etwas eigentlich Selbstverständliches, eine faire Einzelfallprüfung. Aber was ist die faire Einzelfallprüfung auf Grundlage von Gesetzen, die gemacht wurden, um abzuschrecken und abzuwehren, und die die meisten Gründe, die Menschen zur Flucht treiben – Armut, Naturkatastrophen, Diskriminierung, Bedrohung durch Bürgerkrieg – nicht anerkennen? Was ist faire Einzelfallprüfung, wenn Sie und leider auch Hamburger Gerichte im Unterschied zu vielen anderen Gerichten Italien trotz der elenden und aussichtslosen Situation für Flüchtlinge für ein Land halten, in das rückgeführt werden kann? Was ist faire Einzelfallprüfung, wenn sie letztlich dazu führt, Flüchtlinge – oft traumatisierte Menschen – hin- und herzuschieben?

Die Lampedusa-Flüchtlinge agieren bewundernswert besonnen und selbstbewusst. Sie lassen sich nicht als Treibgut behandeln, das das Mittelmeer nach Europa gespült hat. Sie behaupten ihr Recht, Rechte zu haben. Der Senat hingegen hat seit der Katastrophe im Mittelmeer noch eskaliert, und zwar mit den Kontrollen, die nicht nur wir und viele Menschen in dieser Stadt, sondern auch das Deutsche Institut für Menschenrechte als rassistisch kritisieren, mit dem Versuch, Flüchtlingen für den Winter das Dach über dem Kopf zu verwehren, und mit der Drohung, Solidarität und selbstverständliche menschliche Hilfeleistungen zu kriminalisieren. Sie können umkehren. Jetzt können Sie klarmachen, dass das Ziel einer fairen Einzelfallprüfung das Bleiberecht ist. Sie müssen nur wollen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN – Glocke)

Ein letzter Satz. Ich appelliere dringend: Stellen Sie wenigstens die Kontrollen ein, solange die Flüchtlingsgruppe noch im Beratungsprozess ist, damit sie sich frei über ihr weiteres Vorgehen entscheiden kann. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort erhält Herr Dr. Dressel.

(Christiane Schneider)