Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

Das Wort bekommt nun Herr Senator Neumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke der Bürgerschaft ausdrücklich dafür, dass ich die Gelegenheit habe, heute zu diesem Thema, zur Lage der Flüchtlinge aus Afrika, Stellung nehmen zu dürfen. Und ich bin auch dankbar dafür, dass wir das in der nächsten Woche im Innenausschuss ausführlich tun können, denn es sind doch viele Fragen, zum Teil auch Behauptungen, aufgeworfen worden, die dringend einer Richtigstellung bedürfen.

Ich möchte einige Bemerkungen zur Debatte, aber vor allen Dingen auch zur öffentlichen Berichterstattung machen und mit dem Stichwort beginnen, das mir verständlicherweise am Herzen liegt, nämlich der Situation der Flüchtlinge. Aber es ist gleichzeitig etwas – jedenfalls aus meiner Sicht bei allem Streit und allem Engagement um eine richtige und gute Lösung –, das tief verletzend ist und das eigentlich zwischen Demokratinnen und Demokraten keine Kategorie sein sollte, es ist nämlich der Rassismus-Vorwurf gegenüber den Polizistinnen und Polizisten

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nein, ge- genüber der Innenbehörde! Die Polizisten wollten das nicht!)

und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Einwohner-Zentralamts.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP – Glocke)

Verzeihen Sie, Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?

Gern.

Ich würde gern für Ihre ungeheure Behauptung eine Quelle hören. Wer hat gesagt, die Polizistinnen und Polizisten seien Rassisten? Hier in der Bürgerschaft, wer war das?

(fortfahrend) : Die Maßnahmen sind jedenfalls in der Presse mit Zitaten belegt, dass die Maßnahmen unserer Hamburger Polizei sowie die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Einwohner-Zentralamts rassistisch seien.

(Zurufe von Christiane Schneider DIE LINKE und der LINKEN – Glocke)

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Redner zunächst ausreden lassen würden.

Umso besser ist es doch, wenn das im Parlament und in der Öffentlichkeit richtiggestellt wird; nur das ist mein Interesse.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Dann er- zählen Sie das jetzt richtig!)

Man kann auch sagen, getroffener Hund bellt, aber das will ich jetzt nicht sagen. Ich weiß nicht, warum Sie sich angesprochen fühlen.

Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass Sie natürlich politische Kritik am Senat und auch an mir persönlich üben können, aber dass es nicht zulässig und nicht in Ordnung ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit solchen Vorwürfen zu konfrontieren. Das ist mein Selbstverständnis und meine Aufgabe, ich stehe vor meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich bin aber auch nicht weniger empört darüber, wenn mir persönlich dieser Vorwurf gemacht wird, denn jeder Mensch, der mich kennt, weiß auch, dass dieser Vorwurf ins Leere geht.

(Beifall bei der SPD und bei Christoph Ahl- haus CDU)

Genauso wichtig ist es mir – und das ist in der Debatte zum jetzigen Zeitpunkt deutlich geworden –, dass es eine klare Absage an jedwede Form von Gewalt in der politischen Debatte geben muss. Auch dafür bin ich dankbar, denn es ist eine große Errungenschaft, dass das Gewaltmonopol in den Händen des Staates liegt und es kein Recht in unserer Gesellschaft gibt, in demokratisch funktionierenden Strukturen Gewalt anzuwenden. Auch das ist ein wichtiges Zeichen, wenn heute von dieser Debatte aus an die Öffentlichkeit gesandt wird, dass in Hamburg Gewalt nicht akzeptiert wird, sei es noch so sehr für ein gutes oder vermeintlich gutes Ziel. Hamburg sagt Nein zur Gewalt auf der

(Martina Kaesbach)

Straße, und auch dafür bin ich dem Parlament außerordentlich dankbar.

(Beifall bei der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

In der Debatte vor einigen Monaten ist der Vorhalt erhoben worden, dass ich mich als Innensenator hinter Gesetzen verstecken würde. Unabhängig davon, dass man das auch in Hamburg bei meinem Amt und bei manchem Amtsträger vor mir als ein Kompliment verstehen kann, will ich doch deutlich sagen, dass es nicht nur darum geht, sich hinter Gesetzen zu verstecken, sondern dass man auch akzeptieren muss, dass es Gesetze in unserer Gesellschaft gibt, die wir gemeinsam erarbeitet haben. Sie haben nicht immer die breiteste Zustimmung im Deutschen Bundestag gefunden, aber sie sind seit Jahren und Jahrzehnten akzeptiert und werden gelebt.

Wer in unserem Land Hilfe und Aufnahme sucht – unser Land leistet das in einzigartiger Qualität auch im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern, allein in diesem Jahr werden 100 000 bis 120 000 Menschen Aufnahme in Deutschland finden und viele Tausende davon auch in Hamburg –, von dem kann zu Recht verlangt werden, dass er seinen Namen nennt, seine Identität offenlegt und seine Fluchtgeschichte schildert. Das erwarten wir, und das tun Hunderte und Tausende von Menschen.

(Zurufe und Beifall von der Zuhörertribüne – Glocke)

Ich bitte Sie, die Ordnung des Hauses zu achten und sich jeglicher Äußerungen zu enthalten.

(Nikolaus Haufler CDU: Nein, lassen Sie sie doch!)

Herr Senator Neumann, bitte fahren Sie fort.

Wenn Hunderte und Tausende von Menschen das seit Monaten und Jahren auch in Hamburg tun und es selbstverständlich ist, seinen Namen und seine Fluchtgeschichte zu schildern, dann stellt sich natürlich die Frage, warum für eine spezielle Gruppe, die sich auch selbst definiert und die nach außen hin nicht erkennen lässt, was ihren Gruppenzusammenhang eigentlich ausmacht, nun andere Rechte gelten sollen. Die Forderungen und Erwartungen, die Detlef Scheele, die der Bürgermeister und auch ich vor Monaten formuliert haben, gelten weiter. Wir wollen, dass die Menschen ihre Identität offenlegen. Wir erwarten, dass sie ihre Fluchtgeschichte schildern, damit es uns möglich wird zu beurteilen, ob es eine Möglichkeit des Bleiberechts in Deutschland gibt.

Herr Kerstan, Sie haben gerade gefordert, ich solle eine Zusage machen und mich an dieser Stelle erklären. Ich frage Sie allen Ernstes: Wie soll ich das machen, wenn mir die Fluchtgeschichten dieser Menschen noch nicht einmal bekannt sind? Bei allem Respekt vor der Arbeit der "taz", des "Hamburger Abendblatts" oder anderer Zeitungen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie wollen es nicht!)

aber auf der Grundlage solcher Zeitungsberichte können Verwaltung und Politik keine Zusagen machen. Deshalb sage ich noch einmal: Sie müssen ihre Identität offenlegen und ihre Fluchtgeschichte schildern. Dann steht ihnen natürlich nach einer möglichen Entscheidung …

(Zurufe von der Zuhörertribüne: Buh, buh! – Glocke)

Ich bitte die Polizei, den Störer von der Tribüne zu entfernen und die Personalien festzustellen.

Meine Damen und Herren! Ich muss Sie darauf hinweisen, dass es hier eine Hausordnung gibt. Wenn wir alle miteinander eine vernünftige Debatte führen wollen, dann bedeutet das auch, dass wir uns nicht gegenseitig beschimpfen. Das gilt für die Mitglieder des Hauses, aber es gilt auch für die Zuhörerinnen und Zuhörer. Bitte beachten Sie unsere Hausordnung und enthalten Sie sich Beifalls- oder Missfallensäußerungen. – Vielen Dank.

Herr Senator, entschuldigen Sie. Bitte fahren Sie fort.

Das heißt, es steht selbstverständlich die Einzelfallprüfung jederzeit offen, und es steht natürlich auch offen, den Rechtsweg zu beschreiten. Es ist eine Frage des Anstands, keine Fakten zu schaffen, bevor am Ende nicht Gerichte entschieden haben. Das ist selbstverständlich, und das ist das, was der Senat seit Wochen und Monaten immer wieder sagt. Das bieten wir auch weiterhin an, und das bieten wir jedem Flüchtling an, der zu uns kommt und Hilfe und Zuflucht sucht. Es ist nichts Neues, das haben wir immer gesagt, das bleibt der Kurs des Senats. Ich hoffe, dass auch aus dieser Debatte heraus das Signal gesandt wird, dass es klug ist, was unsere Bischöfin sagte, nämlich sich jetzt in die Einzelfallprüfung zu begeben.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich möchte als Drittes in Erinnerung rufen, wie der Ablauf der Debatte und der öffentlichen Ereignisse war. Es gab die Flüchtlinge, die auf ihr Schicksal aufmerksam gemacht haben. Es gab Demonstrationen beziehungsweise auch Gesprächswünsche im Hamburger Rathaus. Es gab dann die Entscheidung der Gemeinde in St. Pauli, diese Menschen

(Senator Michael Neumann)

aufzunehmen. Wir haben während dieser Phase viele Gespräche mit der Kirche und auch mit den Flüchtlingen geführt. Es ist eine Schimäre, denn natürlich haben wir seitens der Behörde Gespräche mit den Flüchtlingsvertretern geführt.

Auch hier am Rednerpult wurde immer wieder die Forderung erhoben, diese Menschen müssten zur Ruhe kommen. Ich sollte ein Moratorium aussprechen bis August, so war, glaube ich, die Erwartungshaltung in der letzten Bürgerschaftsdebatte. Wenn Sie nun das Handeln des Senats betrachten, dann haben wir genau das getan.

(Zurufe von der LINKEN)

Wir haben mit der Kirche gesprochen und immer wieder deutlich gemacht, wie unsere Erwartungshaltung ist. Wir sind dann in der letzten Septemberwoche mit der Kirche auseinandergegangen und haben gesagt, nun sind die Menschen zur Ruhe gekommen und auch beraten worden und hatten Möglichkeiten, das deutsche Rechtssystem kennenzulernen. Nun erwarten wir aber auch, dass sie ihre Namen nennen und ihre Fluchtgeschichte schildern. Das ist alles nicht erfolgt, und deshalb habe ich dann entschieden – das ist zu kritisieren von Ihrer Seite, ich halte es für richtig –, dem Rechtsstaat angemessen Wirkung zu verschaffen, indem wir Menschen, die des illegalen Aufenthalts verdächtig sind, kontrollieren. Das haben wir gemacht und das ist auch richtig so gewesen,

(Jens Kerstan GRÜNE: Und keine gefun- den!)

denn im Ergebnis haben wir zum einen Menschen festgestellt, nachdem wir darum gebeten hatten, dass sie sich bitte melden sollten, und zum anderen festgestellt, dass sich Menschen ohne legalen Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten. Das Ergebnis ist, dass wir diese Menschen dann angetroffen haben, und seitdem sie von uns zum Einwohner-Zentralamt gebracht worden sind, haben sie eine legale Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Ihr Status hat sich also verbessert.

(Antje Möller GRÜNE: Keine Aufenthaltser- laubnis, das ist doch Unsinn! Wir sind im An- tragsverfahren!)

Deshalb werbe ich noch einmal dafür: In dem Augenblick, in dem die Menschen sich melden, haben sie eine Perspektive und einen legalen Aufenthaltsstatus und befinden sich nicht mehr illegal in unserem Land. Auch das ist ein wichtiger Punkt, dass man nicht dauerhaft gegen Recht und Gesetz des Landes verstößt, von dem man erwartet, dass es einen aufnimmt. Das ist ebenfalls eine Voraussetzung, die ich für richtig und angemessen halte. Deswegen ist die öffentliche Erklärung der Bischöfin aus meiner Sicht richtig und auch sehr hilfreich.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Natürlich ist es für Menschen, die aus den Verhältnissen Afrikas über Libyen und Italien den Weg nach Hamburg gefunden haben, schwierig, Vertrauen zum Rechtsstaat zu finden.

(Antje Möller GRÜNE: Was ist das denn für eine Unterstellung?)

Wenn sie aus Diktaturen stammen und autoritären Regimen, dann kennen sie ein rechtsstaatliches Verfahren, wie wir es Gott sei Dank unser eigen nennen dürfen, nicht.