Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

Unterbrechung: 17.22 Uhr

Wiederbeginn: 17.27 Uhr

Die Sitzung ist wieder eröffnet, und es wäre schön, wenn wir ein paar mehr werden würden.

(Glocke)

Mehr akustische Instrumente haben wir hier oben nicht zur Verfügung, aber ich will es wagen und Ihnen das Abstimmungsergebnis bekannt geben.

Bei der Wahl einer Schriftführerin oder eines Schriftführers sind 109 Stimmzettel abgegeben worden, davon waren null Stimmen ungültig. Somit sind 109 Stimmen gültig. Frau Karin Timmermann erhielt 101 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen. Damit ist Frau Timmermann gewählt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Frau Timmermann, ich darf Sie fragen, ob Sie die Wahl annehmen.

Ja, vielen Dank.

Dann sind Sie die neu gewählte Schriftführerin der Hamburgischen Bürgerschaft. Herzlichen Glückwunsch auch von uns. Damit ist verbunden, dass Sie hier oben Platz nehmen. Der Erste Vizepräsident legt Wert darauf, dass Sie erst einmal neben ihm sitzen. Das ist doch ein Lob, oder nicht?

(Beifall bei allen Fraktionen)

Weil wir das mit den Wahlen so schön hinbekommen haben, nehmen wir gleich noch einen zweiten Wahlgang vor. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf, Drucksache 20/9551, Unterrichtung durch die Präsidentin: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres und Sport.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres und Sport – Drs 20/9551 –]

Auch dieser Stimmzettel liegt Ihnen bereits vor, er ist hellgelb. Er enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich bitte Sie, den Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Ich bitte Sie nun, Ihre Wahlentscheidung vorzunehmen.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Ich darf jetzt – so schnell geht das bei uns – die neue Schriftführerin, Frau Timmermann, und Herrn Wankum bitten, die Stimmzettel einzusammeln. Wie immer ist es hilfreich, wenn Sie die Stimmzettel, die Sie noch loswerden möchten, hochhalten.

Sind jetzt alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Das Wahlergebnis wird gleich ermittelt und Ihnen im Laufe der Sitzung bekanntgegeben.

Wir kommen zum Punkt 58 der heutigen Tagesordnung, Drucksache 20/9576, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Flexible Schuleingangsphase in Hamburg ermöglichen!

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Flexible Schuleingangsphase in Hamburg ermöglichen! – Drs 20/9576 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der CDU und der GRÜNEN an den Schulausschuss

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

Wahlergebnis siehe Seite 5358.

überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Frau Dr. von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach den ganzen Unterbrechungen ist dies ein etwas undankbarer Debattenplatz.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen regelmäßig in Wandergruppen unterwegs ist, in Radfahrergruppen oder in Gruppen von Skifahrerinnen und Skifahrern. Aber Sie kennen wahrscheinlich mit Sicherheit einen Effekt, auch aus Ihrer Schulzeit. Alle fahren oder gehen gemeinsam los, doch schnell zieht sich die Gruppe auseinander. In der Regel gibt es bei solchen Gruppen auch Zwischenstationen und Stopps. Sie kennen dann vielleicht folgenden Effekt: Man kommt an dieser Zwischenstation an, dort warten schon die Ersten und Schnellen ziemlich ungeduldig, und bis die letzte Person eintrifft, rotgesichtig, verschwitzt und angestrengt, sagen die Ersten schon wieder, es soll weitergehen. Ohne Pause müssen jetzt die Letzten gleich wieder mitmachen, und am Ende der Tour sind sie frustriert, sie sind müde, jachtern hinterher und sind lustlos. So geht es sehr vielen Kindern an den Hamburger Grundschulen, und wir GRÜNE wollen das nicht länger hinnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Problem in den Hamburger Grundschulen, in anderen Grundschulen auch, ist, dass es eine ganze Reihe von normal intelligenten Kindern gibt, die, aus welchen Gründen auch immer, mit Lernentwicklungsrückständen von bis zu zwei Jahren bei der Einschulung beginnen. Das ist, das sagt auch der normale Menschenverstand, in vier Jahren nicht aufzuholen. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle dringend meinen Dank loswerden an alle Kolleginnen und Kollegen in den Grundschulen, die bei dieser wirklich großen Aufgabe hervorragende Arbeit leisten.

Vier Jahre reichen nicht aus. Was sind die Folgen? Die Folgen für das Kind – um beim Bild der Radund Skigruppen zu bleiben – sind, dass es immer hinterher jachtert, immer auf der Suche nach Anschluss ist und ihn doch nie ganz schafft. Nach vier Jahren Grundschulzeit kommt dieses Kind in der Mittelstufe an und hat selbstverständlich nicht den Start, den andere Kinder haben, die diesen Rückstand nicht hatten. Die Folgen für die Stadt sehen wir ganz klar in den Studien.

Wir sehen in der KESS-13-Studie, dass in der Mittelstufe sehr große Lernrückstände sind. Wir haben also ein Problem mit der Leistung in dieser Stadt. Jüngst hat zudem noch die IQB-Studie gezeigt, dass Hamburg einen traurigen Spitzenplatz bei der Bildungsungerechtigkeit einnimmt. Das kann so nicht weitergehen, das kann sich Hamburg auf Dauer nicht leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher schlagen wir vor, die erste und zweite Klasse, also die sogenannte Schuleingangsphase, so zu gestalten, dass Kinder auch bis zu drei Jahre dort verbringen können. Besonders leistungsstarke Kinder können diese Schuleingangsphase auch schon nach einem Jahr verlassen.

Wir haben bei der Vorbereitung des Antrags einmal in andere Bundesländer geschaut und zwölf Bundesländer gefunden, in denen das schon praktiziert wird, teilweise als Schulversuch, teilweise ist es sogar gesetzlich verankert. Wir haben aber auch geschaut, was so eine flexible Schuleingangsphase eigentlich erfolgreich macht, und drei Dinge festgestellt.

Erstens ist sie erfolgreich und die Ziele werden erreicht, wenn sie freiwillig gestaltet wird. Zweitens ist es sehr wichtig, dem eine Einführungsphase mit einer umfassenden Fortbildung der Lehrkräfte voranzustellen. Und drittens ist sie nur dann erfolgreich, wenn sie in Form von jahrgangsübergreifendem und individualisiertem Lernen gestaltet wird.

All diejenigen, die nun meinen, das sei ideologisches Teufelszeug, sollten einfach mal nach Bayern schauen. Bayern ist wirklich völlig unverdächtig für innovative, pädagogische Säue. Aber gerade Bayern hat diesen Schulversuch der flexiblen Schuleingangsphase von anfangs 20 Schulen auf 80 Schulen ausgeweitet, weil der Erfolg so groß ist. Und wenn das in Bayern geht, warum soll es nicht auch in Hamburg gehen?

Nicht nur die Länge der Grundschulzeit ist ein Problem, sondern der unflexible Einschulungstermin, der bekanntermaßen nur einmal im Jahr stattfindet. Immer wieder wünschen sich die Eltern hier eine Flexibilisierung. Die Elternkammer fordert das auch, und sie wird dabei von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstützt, die diesen starren Termin ebenfalls kritisieren. Allerdings, und so viel gehört zum politischen Pragmatismus dazu, ist das rein organisatorisch eine wirklich schwierige Aufgabe, denn das muss mit den Kitas und den Schulen besprochen werden. Deswegen haben wir auch nur einen Prüfauftrag formuliert.

Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, um im Anfangsbild zu bleiben, dass die Rad-, Wanderund Skigruppen in ihrem jeweiligen Tempo die Touren absolvieren können, sodass sie mit dem entsprechenden Können und der entsprechenden Freude die nächste Tour beginnen können und nicht schon nach dem ersten Tag frustriert aufgeben.

Bildungspolitisch wollen wir vier wichtige Ziele damit erreichen. Wir wollen, dass die Grundschule sich auch strukturell auf die Entwicklung des Kindes einstellen kann. Wir wollen, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler mit einer wirklich soliden Basis in die Mittelstufe starten. Wir wollen, dass

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

der Zementierung der Bildungsungerechtigkeit endlich ein Ende gesetzt wird. Wir wollen, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler endlich bessere Leistungen bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unterstützen Sie die Grundschulen bei dieser Herkulesaufgabe im Sinne der Kinder und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Czech.

Frau Präsidentin, liebe Damen und Herren! Frau von Berg, wir müssen unsere Schulen gerechter gestalten, da haben Sie vollkommen recht. Uns ist bewusst, dass dies ein langer und auch schwieriger Prozess ist. Unsere Perspektive muss es sein, dass der Lernerfolg der Kinder nicht mehr in einem derartigen Maße wie jetzt vom sozialen Hintergrund der Eltern abhängig ist. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen haben wir uns auf den Weg gemacht, dieses Ziel zu erreichen. In den letzten Jahren konnte durch viele Verbesserungen wie Ausstattung der Schulen mit mehr Lehrkräften, mit kleineren Klassen, mit mehr Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler deutlich gesteigert werden. Allerdings haben viele Schülerinnen und Schüler – darauf haben Sie hingewiesen – in benachteiligten Stadtteilen noch sehr große Lernrückstände.

Diese Lernrückstände können die Schulen allein und durch einzelne und isolierte Maßnahmen jedoch nicht beheben. Deshalb hat Senator Rabe das Projekt "D 23" gestartet. Ich möchte kurz einschieben, dass der Senator gern an der Debatte beteiligt gewesen wäre, er allerdings an einer Delegationsreise der KMK nach Israel teilnimmt und dadurch verhindert ist.

Zurück zu den 23 Schulen in den besonders belasteten Gebieten. Den Schülerinnen und Schülern dort sollen durch gezielte und nachhaltige Förderung bessere Chancen eröffnet werden. Dazu wird mit aufeinander abgestimmten Maßnahmen eine Weiterentwicklung der schulischen Angebote, ihrer Qualität und ihrer Organisation angestrebt. Hierzu gehören diverse Maßnahmen. Die Ressourcen für pädagogische Arbeit werden verstärkt, die Elternarbeit wird gestützt und zahlreiche Baumaßnahmen werden realisiert, aber auch die Möglichkeit der Schulzeitverlängerung soll vorgesehen werden. Es werden also Konzepte geprüft und entwickelt wie beispielsweise jahrgangsübergreifendes Lernen, und sogar flexible Eingangsstufen können dort beinhaltet sein. Wir setzen uns gezielt für die Schülerinnen und Schüler ein, die besondere Förderung brauchen. In einem pädagogischen

Gesamtkonzept ermöglichen wir hier auch eine unter Umständen verlängerte Schulzeit.

(Beifall bei der SPD)

Aber es geht bei den "D 23"-Schulen auch darum, hier eine ganz neue Schulkultur für die Schüler, für die Eltern und für die Lehrer zu entwickeln. Dies funktioniert nicht durch eine Einzelmaßnahme, sondern nur durch ein abgestimmtes Konzept. So sollen die Schulen unter anderem eigene Bildungspläne entwickeln. Ich erachte es als sinnvoll, den Schulversuch "D 23" erst einmal abzuwarten und auszuwerten.

Alle Schulen haben bereits jetzt die Möglichkeit, ihren Unterricht jahrgangsübergreifend zu organisieren. Das setzt allerdings eine hohe Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer in der Gestaltung ihres höchst individualisierten und differenzierten Unterrichts voraus. Das geht nicht aus dem Stand heraus. Wir kennen die sehr ambivalenten Ergebnisse aus anderen Bundesländern, die uns das beweisen. Wir wollen keine Schnellschüsse auf diesem Gebiet.

Die im Schulgesetz formulierten, diversen Möglichkeiten des reformorientierten Unterrichts finden wir in Ordnung, allerdings muss es auch wohlorganisiert sein. Eine generelle Erweiterung der Flexibilisierung der Schulzeit lehnen wir ab. Wir werden nicht durch die Hintertür die Primarschule wieder einführen, wir wollen keine neue Schulstrukturdebatte, und wir stehen deshalb weiterhin für den Schulfrieden.