Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Dublin-II-Verordnung muss so verändert werden, dass die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz der Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen in eine faire und solidarische Verantwortungsteilung der EU überführt wird. Europäische Mindeststandards, auch in Italien, für die Ausgestaltung des Asyl- und Flüchtlingsschutzes, insbesondere bezogen auf die humanitäre, wirtschaftliche, gesundheitliche und Wohnsituation, müssen gegenüber den Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden, gegebenenfalls durch eine solidarische Unterstützung. Gemeinsam mit unserer Bundestagsfraktion und unserer Fraktion in der EU werden wir uns dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen für eine humanitäre und rechtsstaatliche Flüchtlingspolitik verbessert werden.

(Beifall bei der SPD und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP)

Die Entscheidungen werden aber nicht in Hamburg, sondern in Brüssel getroffen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Auch hier!)

Solange diese Gesetze gelten, hat Hamburg diese Gesetze auch anzuwenden.

(Beifall bei der SPD)

Hamburg ist eine liberale und weltoffene Stadt. Wir stellen uns unserer Verantwortung, um das Leben aller Menschen in der Stadt insgesamt noch lebenswerter zu gestalten. Hamburg stellt sich der Verantwortung, die Unterbringung von Flüchtlingen vor Ort zu gestalten, auch vor Ort präsent zu sein. Hamburg ermöglicht allen Kindern den Besuch von Kitas und Schulen, auch Kindern von Flüchtlingen

(Christiane Schneider)

und Papierlosen. Hamburg finanziert Bildungs- und Teilhabeleistungen für die Kinder von Flüchtlingen freiwillig aus Landesmitteln, weil die Bundesregierung das bisher ablehnt. Flüchtlinge können in Hamburg, ebenfalls finanziert aus Landesmitteln, an Integrationskursen teilnehmen. Hamburg ermöglicht Papierlosen medizinische Versorgung. Hamburg betreibt eine vorbildliche intensive Einbürgerungskampagne.

(Beifall bei der SPD)

Hamburg hat als erstes Bundesland Verträge mit den Aleviten und muslimischen Religionsgemeinschaften geschlossen.

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Was hat das mit Lampedusa-Flüchtlingen zu tun?)

Hamburg hat das Landesanerkennungsgesetz verabschiedet, das auch Flüchtlingen zugutekommt. Wir haben die Hürden für die Finanzierung des Lebensunterhalts während der beruflichen Bildung von Flüchtlingen als Thema aufgegriffen und werden versuchen, das auf Bundesebene weiter zu verbessern. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir uns dafür einsetzen, die Flüchtlinge durch Einzelfallprüfung zu legalisieren, dann verharmlosen wir damit weder die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa, noch geht es um die sofortige Abschiebung nach Italien. Wir diskreditieren auch nicht die humanitäre Unterstützung durch viele solidarische Hamburgerinnen und Hamburger. Hamburg lebt auch von einer lebendigen Zivilgesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Humanitäre Hilfe, rechtsstaatliches Handeln sowie politische Forderungen und Initiativen für eine andere Flüchtlingspolitik auf Bundes- und Europaebene gehören für uns zusammen. Wir wollen Flüchtlingen in Hamburg eine existenzsichernde und soziale Lebensgrundlage gewähren.

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Fangen Sie in Hamburg doch mal an!)

Wir wollen für jene, die sich auf der Flucht befinden, Schutz und Sicherheit gewährleisten. Und wir wollen für jene, die aus ihren Ländern aufgrund von Perspektivlosigkeit nach Europa flüchten, eine wirksame Entwicklungspolitik unterstützen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Warnholz.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere so

ziale und christliche Gemeinschaft hat die Aufgabe, politisch verfolgten Menschen Asyl zu gewähren.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Das ist unstrittig und zählt zum Kernbereich des gemeinsamen Europas, was mein Vorredner gerade gepriesen hat. Unsere Rechtsgemeinschaft gehört auch dazu. Zum Kernbereich des Rechtsstaats zählt aber auch, dass sich alle – ich wiederhole: alle – an Recht und Gesetz halten und den Gesetzen Folge leisten.

(Beifall bei der CDU und bei Katja Suding FDP)

Herr Senator, zuhören, Sie kommen auch gleich dran.

(Senator Detlef Scheele: Soll ich mich jetzt melden?)

Eine Relativierung des Rechtsstaatsprinzips ist nicht hinnehmbar, auch wenn die Motive von noch so guten Idealen getragen werden. In Hamburg gibt es derzeit einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir Menschen, die durch Krieg und Verfolgung zu uns gekommen sind, auf Zeit eine Bleibe bieten. Erfreulich ist, dass sich nicht nur die Stadt der Aufgabe annehmen will, diese Menschen zu unterstützen, sondern auch einige Kirchengemeinden in Hamburg das tun.

(Antje Möller GRÜNE: Ich denke, das finden Sie falsch!)

Frau Möller, Ihre Sprüche kennen wir. Melden Sie sich danach zu Wort.

Der gestalterische Wille zu helfen muss jedoch unter Wahrung rechtsstaatlicher Regeln erfolgen. Weder Staat noch Kirche oder auch, Frau Möller, private Dritte haben das Recht, die Regeln des Rechtsstaats außer Kraft zu setzen.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Katja Suding FDP – Antje Möller GRÜNE: Gut, dass Sie das schon einmal gesagt haben!)

Ich fordere daher die GRÜNEN und die LINKEN, aber auch alle sozialen Gruppen, die Hilfe leisten wollen, auf, sich an diese Regeln zu halten und die Gesetze zu achten. Das gilt übrigens auch für das Parlament.

(Beifall bei der CDU und bei Ole Thorben Buschhüter SPD)

Das liegt nicht nur im Interesse der Rechtsgemeinschaft, sondern auch im Interesse der Kirchengemeinden selbst. Nichts dürfte für eine Kirchengemeinde unangenehmer sein, als auch nur in Verdacht zu geraten, möglicherweise eine von der internationalen Gemeinschaft gesuchte Person zu

(Kazim Abaci)

beherbergen. Mitleid aus Menschlichkeit und der Wille zu helfen sind sicherlich richtig und wichtig.

(Jens Kerstan GRÜNE: Aber verboten!)

Dies muss aber kontrollierbar sein, wie es Senator Neumann vorgetragen hat. Jene, die meinen, den Flüchtlingen dadurch zu helfen, indem sie Steine und Flaschen auf Polizisten werfen, schaden dem gesellschaftlichen Konsens. Das ist nicht hinnehmbar und darf nicht wieder vorkommen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Genauso wenig hilft es den Asylsuchenden, vor den politischen Karren gespannt zu werden.

(Jens Kerstan GRÜNE: Was meinen Sie da- mit jetzt?)

Das sage ich Ihnen hinterher.

Ich bin schon sehr verwundert, dass nicht nur die GRÜNEN, sondern auch die SPD Asylsuchende ins Rathaus eingeladen haben, anstatt die Menschen vor Ort in den Einrichtungen anzusprechen. Die vor uns stehende Aufgabe können und sollten wir gemeinsam angehen – mit Weitsicht, gegenseitigem Respekt und ohne Profilierung auf Kosten betroffener Menschen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erwarte daher von Ihnen, Herr Senator Neumann, dass Sie weiterhin auf die Kirchen zugehen und auf die Einhaltung von Recht und Gesetz hinwirken. Ich begrüße es sehr, dass Bischöfin Fehrs für eine an den Gedanken des Rechtsstaats orientierte Lösung eintritt. Gleichzeitig sollte die Kirche einmal überlegen, ob sie auch Grundstücke – und die gibt es in Hamburg sehr zahlreich, bei mir in Rahlstedt sind es eine ganze Menge – für die öffentliche Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen könnte. Sozialsenator Scheele würde dieses Angebot sicherlich sehr dankbar annehmen. Sehen Sie, jetzt habe ich Sie angesprochen, Herr Senator. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Das Wort hat Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass der größte Affront anscheinend darin besteht, dass die GRÜNEN und auch die SPD Asylsuchende ins Rathaus eingeladen haben – Herr Warnholz, das haben Sie eben gesagt –, finde ich bei dieser Debatte fast schon wieder amüsant.