Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich in dieser Debatte aufs schulische und berufliche Thema konzentrieren, nicht auf das Thema Unterbringung. Darüber haben wir in der Aktuellen Stunde schon gesprochen. Ich freue mich aber sehr, dass auch die FDP ein Herz für die Flüchtlinge hat; das ist schon einmal eine gute Basis.
Zum Thema selbst. Es ist richtig, dass wir in der Stadt immer mehr junge Flüchtlinge haben. Sie beklagen in Ihrem Antrag, dass der jetzige Schulunterricht in dieser Form nicht ausreichend sei. Die Konsequenz ist für Sie, dass nicht die Schulbehörde und der Staat sich um dieses Thema kümmern, sondern freie Träger und freie Schulen. Das kann aber keine Antwort auf diese Frage sein. Wir wissen, dass die FDP eine Partei der Privatisierung ist, aber dieses Thema geht am Kern der Problematik völlig vorbei.
Junge Flüchtlinge besuchen in Hamburg je nach Alter allgemeine oder berufliche Schulen und haben dort die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen und einen Schulabschluss zu erzielen. Diese Alphabetisierungs- und Vorbereitungsklassen finden in Hamburg an 18 Schulstandorten statt, und ich habe einige dieser Klassen selbst besucht. Nach dem Wechsel in die Regelklasse findet eine weitere Sprachförderung für die Jugendlichen statt. Zudem bieten 20 berufsbildende Schulen eine Ausbildungsvorbereitung für sie an. Diese finden dezentral statt und stellen sicher, dass junge Flüchtlinge schnell in unser Bildungssystem integriert werden.
Den Glauben der FDP an die bessere Qualifikation der freien Schulträger im Vergleich zum staatlichen Schulwesen teile ich ausdrücklich nicht. Im Gegensatz zu privaten Trägern sind die staatlichen Schulen gesetzlich verpflichtet, allen schulpflichtigen Jugendlichen den Schulbesuch zu ermögli
chen, auch den schulpflichtigen jugendlichen Flüchtlingen. Um freie Träger mit dieser Aufgabe zu betrauen, müssen die Maßnahmen ausgeschrieben und in einem ordentlichen Verfahren vergeben werden. Eine Angebotspflicht der freien Träger gegenüber den jugendlichen Flüchtlingen könnte in so einem Verfahren nicht garantiert werden. Dadurch würde ein erhebliches Risiko für die jungen Flüchtlinge bestehen, das wir nicht eingehen wollen und auch nicht eingehen sollten.
Zudem ist es sehr zweifelhaft, Herr Ritter, ob die notwendigen Fachkräfte und Fachlehrer mit der Qualifikation Deutsch als Zweitsprache in ausreichendem Umfang für die freien Träger zur Verfügung stehen. An unseren staatlichen Schulen ist dagegen sichergestellt, dass wir qualifizierte und engagierte Lehrkräfte haben.
Im Regelfall werden für den Deutschunterricht die entsprechend ausgebildeten Deutschlehrer eingesetzt, und in anderen Bildungsgängen ist ausschließlich eine Besetzung mit Lehrkräften, die die Fachlichkeit in vollem Umfang erworben haben, zu gewährleisten. Deshalb bietet das Landesinstitut für Lehrerbildung Qualifizierungsmaßnahmen an. Hamburg ist insgesamt beim Deutschunterricht für junge Flüchtlinge also gut aufgestellt.
Sie haben den Kern des Problems nicht verstanden, denn das tatsächliche Problem sprechen Sie in Ihrem Antrag nicht an, Herr Ritter. Das Problem junger Flüchtlinge ist nämlich eine Gesetzeskonstellation, die dazu führen kann, dass sie während der Ausbildung keine existenzsichernden Leistungsansprüche haben. Junge Flüchtlinge, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, dem SGB II oder SGB VII, Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts bekommen, verlieren ihre Ansprüche, wenn sie eine dem Grunde nach BAföG-fähige Ausbildung absolvieren, weil sie dann anderen Leistungssystemen zugerechnet werden. Gleichzeitig macht das BAföG die Förderung jedoch von Aufenthaltszeiten abhängig. In der Regel sind das vier Jahre vor der Maßnahme. Diese Voraussetzung erfüllen viele Jugendliche nicht. Dadurch entsteht die sogenannte BAföG-Falle. Als SPD-Fraktion haben wir uns mit diesem Thema beschäftigt, und auf Initiative der Bürgerschaftsfraktion wurde ein Antrag eingebracht, um das auf Bundesebene zu thematisieren.
Inzwischen hat die Integrationsministerkonferenz beschlossen, die Bundesregierung um die Überprüfung des Paragrafen 8 des BAföG-Gesetzes und der darin genannten Vorlaufzeiten für Ausländerinnen und Ausländer mit schwachem Aufenthaltsstatus zu bitten mit dem Ziel, diese deutlich
herabzusetzen. Daher werden wir Ihren Antrag nicht überweisen, sondern ihn ablehnen, denn das Problem liegt in der BAföG-Thematik. Diese sogenannte BAföG-Falle abzuschaffen, würde den Jugendlichen eher helfen als die in Ihrem Antrag formulierten Punkte. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zu Beginn zunächst eine Bemerkung. Ich empfinde es als sehr wohltuend, dass wir nach dem zumeist Abstrakten, das wir heute über Humanität gehört haben, jetzt konkret über die Situation junger Migrantinnen und Migranten sprechen.
Meine Damen und Herren! Tatsächlich sind wir als CDU-Fraktion auch der Auffassung, dass man sich die Frage der Betreuung und Beschulung von jungen Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten einmal näher anschauen muss und man auch die jetzige Struktur der beiden seit langer Zeit bestehenden Bildungsgänge des Berufsvorbereitungsjahres für Migrantinnen und Migranten noch einmal genau betrachten muss, denn tatsächlich hat sich doch die Situation in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht geändert. Wir haben veränderte rechtliche Rahmenbedingungen durch eine erhebliche Modifikation oder, wenn Sie so wollen, Liberalisierung des Aufenthaltsrechts, und wir haben eine veränderte Situation, weil Hamburg im Augenblick viele junge Flüchtlinge erreichen und der Strom auch so bald nicht abreißen wird. Und wir haben nach meiner Einschätzung gesamtgesellschaftlich eine veränderte Haltung zu Flüchtlingen. Nicht zuletzt infolge der Diskussion um die LampedusaFlüchtlinge wird sich das auch weiterhin so entwickeln.
Wir sind miteinander der Auffassung, dass viele der jungen Menschen, über die wir reden, hier bleiben wollen und dass sie, wenn sie in Deutschland einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung gemacht haben, auch die Möglichkeit haben sollen, in Deutschland zu bleiben. So ist inzwischen das geltende Ausländerrecht. Insofern gibt es
Was ich an dem FDP-Antrag dann allerdings nicht mehr verstehe, ist die Einschätzung, dass das HIBB, eine doch ausgesprochen leistungsfähige Institution in der Hamburger Bildungslandschaft, nicht in der Lage sei, diese Aufgabe zu meistern. Eine solche Schlussfolgerung kann man nicht ziehen. Dafür gibt es überhaupt keine sachliche Grundlage. Ich wüsste auch nicht, warum wir, obwohl wir in allen anderen Bereichen inzwischen inklusiv unterwegs sind, nun gerade diesen Bereich exklusiv behandeln wollen, zumal wir es hier mit Menschen zu tun haben, die wir integrieren wollen. Das macht für mich, ehrlich gesagt, überhaupt keinen Sinn, auch wenn ich an anderer Stelle für Privatisierung durchaus Sympathie habe. Aber hier leuchtet uns als CDU-Fraktion das überhaupt nicht ein.
Ich meine auch, Herr Abaci, dass die FDP zu Recht die Frage aufgeworfen hat, ob die Sprachförderung und das Sprachkonzept in den beiden Ausbildungsgängen leistungsfähig genug sind, denn darüber müssen wir sprechen. An den Schulen wird sehr darüber geklagt, dass keine ausgebildeten Fachkräfte Sprache unterrichten. Dieses Thema hat Herr Ritter doch nicht aus dem luftleeren Raum gegriffen, sondern es kommen aus den entsprechenden Schulen massive Beschwerden. Das muss man sich anschauen. Und ob es richtig war, die Intensivkurse Deutsch abzuschaffen, ist eine weitere Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen.
Deshalb haben wir gestern eine Große Anfrage eingebracht, die sich etwas umfassender mit dem Thema Betreuung und Beschulung von jugendlichen Migrantinnen und Migranten beschäftigt. Wir würden es sehr begrüßen, wenn wir auf Grundlage dieser Großen Anfrage das Thema etwas umfassender diskutieren könnten. Wir werden Ihrem Antrag, Herr Ritter, nicht zustimmen können, weil er zu kurz greift und wir ihn auch in der Sache, zumindest, was das Petitum zu Punkt 1 angeht, für falsch halten. Wir sind Ihnen aber dankbar dafür, dass Sie das Thema auch aufgegriffen haben und würden gern im Zusammenhang mit der Großen Anfrage im Schulausschuss darüber intensiver sprechen. Dann sollte es uns gemeinsam gelingen, das Thema voranzubringen. – Vielen Dank.
Debattenbeiträgen ist deutlich geworden, dass wir in Hamburg ein Problem haben, das in dem FDPAntrag aufgegriffen wurde. Wir haben ganz offensichtlich einen Lehrkräftemangel in den Bereichen Deutsch als Zweitsprache und Sprache und Kommunikation. Das andere Problem ist, dass die Abschlussquoten tatsächlich nicht gut sind. Laut FDPAntrag liegen die Ursachen dafür aber allein beim HIBB, dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung. Die FDP verkennt dabei – in Ihrem Antrag wird das überhaupt nicht erwähnt –, dass es in dieser Stadt de facto einen Lehrkräftemangel und ebenso einen Mangel an Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen gibt, übrigens auch bundesweit. Als weitere Ursache ist zu benennen, dass Flüchtlinge häufig schwer traumatisiert hier ankommen und wir von ihnen erwarten, dass sie innerhalb eines Jahres Deutsch lernen, sich vorbereiten lassen, einen Abschluss machen und dergleichen mehr. Wir haben in der Aktuellen Stunde gehört, welche Geschichten Flüchtlinge haben. Ich habe einmal in die Anfrage geschaut: Die kommen aus Afghanistan, Ägypten, Syrien, Libyen, Marokko. Und da soll alles gleich flutschen? Wir müssen uns doch wirklich einmal die Flüchtlingsbiographien anschauen und überlegen, was wir erwarten können und was unsere Stadt leisten muss.
Wir privatisieren und ruck zuck sind alle Probleme gelöst. Wir haben keinen Lehrkräftemangel mehr und auch Sozialpädagoginnen haben wir dann genug. Traumatisierungen gibt es dann auch nicht mehr – alle Probleme sind mit einem Schlag gelöst. So funktioniert das natürlich nicht, meine Damen und Herren.
Es gibt verschiedene Lösungsansätze: auf der politischen Ebene im Bereich der Lehrerbildung anzusetzen, im Bereich der Flüchtlingspolitik anzusetzen – darüber haben wir schon debattiert – und auch im Bereich der Integrationspolitik Lösungen zu entwickeln. Natürlich ist es auch wichtig, auf pädagogischer Ebene zu schauen, wie man Deutsch erwerben kann. Deutsch kann man nicht nur im Deutschunterricht erwerben, sondern auch anhand realer beruflicher Situationen. Das ist der Weg, den das HIBB geht und den wir als GRÜNE ausdrücklich begrüßen.
Für mich bleibt als Fazit: Das Problem ist benannt; Frau Prien hat es noch einmal aufgegriffen. Wir werden dem Überweisungsbegehren der Großen Anfrage, die noch kommen wird, gern zustimmen, weil das wirklich ein Problem ist. In der Lösung
geht die FDP jedoch, wie wir meinen, Irrwege, und weil die Herleitung so absurd ist, werden wir sowohl die Überweisung als auch den Antrag an sich ablehnen.
Eines möchte ich allerdings noch einmal deutlich sagen: Ich habe die Aktuelle Stunde und die Debattenbeiträge der FDP noch sehr gut in meinem Kopf, und für mich bleibt ein Geschmäckle übrig, wenn auf der einen Seite derart menschenverachtend über Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik gesprochen wird und sich auf der anderen Seite der Flüchtlingspolitik angenommen wird im Sinne von wir müssen die freien Träger da hineinbringen. Das lässt sich wirklich unter dem Stichwort Geschmäckle zusammenfassen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich der FDP dafür danken, dass sie die Missstände in der Berufsvorbereitung von jungen Migrantinnen und Migranten angesprochen hat.
Es ist nicht haltbar, dass der Deutschunterricht für junge Migrantinnen und Migranten nicht von Fachkräften erteilt wird. Gerade erst hat die Länderstudie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen gezeigt, wie wichtig es ist, dass der Fachunterricht von Fachlehrkräften erteilt wird. Wir haben dieses Problem aber nicht nur im HIBB, wir haben es auch in den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere an den Stadtteilschulen. Wir haben sehr viele Lehrkräfte, die nicht in den Fächern unterrichten, die sie studiert haben, sondern fachfremd Physik und anderes. Das ist ein Punkt, den wir auch an anderer Stelle noch einmal aufgreifen werden.
Es ist außerdem unhaltbar, wenn das Hamburger Institut für Berufliche Bildung den Erfolg oder Misserfolg der Berufsvorbereitung von jungen Migrantinnen nicht erfasst. Es wäre doch wichtig zu wissen, wie viele von ihnen mit einer Ausbildung begonnen haben und wie viele nicht. Man kann nur hoffen, dass nicht mit Absicht auf eine solche Erfassung verzichtet wird.