Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

Empfehlungen des Wissenschaftsrates – Zukunftspakt für das Wissenschaftssystem – Drs 20/9410 – 5439,

Dr. Eva Gümbel GRÜNE 5439, 5444,

Philipp-Sebastian Kühn SPD 5440,

Thilo Kleibauer CDU 5440,

Dr. Wieland Schinnenburg FDP 5441, 5444,

Dora Heyenn DIE LINKE 5442,

Dr. Dorothee Stapelfeldt, Zweite Bürgermeisterin 5443,

Beschluss 5445,

Beginn: 15.01 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Beginnen möchte ich heute mit zweifachen Geburtstagsglückwünschen. Diese richten sich zum einen an unsere Kollegin Brigitta Schulz und zum anderen an unsere Kollegin Sabine Steppat.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Liebe Frau Schulz, liebe Frau Steppat, im Namen des ganzen Hauses die herzlichsten Geburtstagsglückwünsche und alles Gute für das neue Lebensjahr.

Bevor wir mit der Aktuellen Stunde beginnen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktionen abweichend von der Empfehlung des Ältestenrats übereingekommen sind, die Tagesordnung um zwei weitere Punkte zu ergänzen, und zwar um die Wahl einer Vizepräsidentin oder eines Vizepräsidenten direkt im Anschluss an die Aktuelle Stunde und den Bericht des Haushaltsausschusses aus der Drucksache 20/9809. Beide Punkte sind nachträglich in unsere Tagesordnung aufgenommen worden.

Dann kommen wir zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind fünf Themen angemeldet worden, und zwar von der SPD-Fraktion

Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen: Hamburger Landesaktionsplan gegen Rechtsextremismus

von der CDU-Fraktion

Erkenntnisse und Chancen der international erfolgreichen Bauausstellung für Hamburg nutzen

von der GRÜNEN Fraktion

igs-Defizit: Umweltetat muss für das Versagen der Senatorin bluten

von der FDP-Fraktion

igs-Millionenloch und Stellplatzchaos: Senatorin Blankau fährt die Stadtentwicklung an die Wand

und von der Fraktion DIE LINKE

Soziale Spaltung bekämpfen, soziale Infrastruktur erhalten und ausbauen!

Wir beginnen mit dem ersten Thema. Wer wünscht das Wort? – Frau Nitruch, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der gestrigen Landespressekonferenz wurde von Herrn Senator

Scheele das Landesprogramm "Hamburg – Stadt mit Courage" vorgestellt. Wir begrüßen das Programm, das in einem breiten Beteiligungsverfahren entwickelt wurde, ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Besonders vor dem Hintergrund der fünfundsiebzigsten Wiederkehr der Reichspogromnacht am 9. November hat die heutige Debatte eine hervorzuhebende Bedeutung.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die "Nacht der Jugend" am 8. November hingewiesen, die zum vierten Mal stattfindet und Jugendlichen eine Plattform bietet, ihr Engagement für ein friedliches Zusammenleben zu zeigen, andere zu informieren und sie im positiven Sinne anzustecken. Das Motto "WIR gestalten Hamburg" ist eine Aufforderung zur Beteiligung am demokratischen Miteinander der Menschen in unserer Stadt.

Auch im Hinblick auf die kommenden Bezirkswahlen, bei denen Jugendliche ab 16 Jahren erstmals mitwählen dürfen, haben diese Veranstaltung sowie das Landesprogramm "Hamburg – Stadt mit Courage" eine besondere Bedeutung, gilt es doch, mit aller Kraft zu verhindern, dass die NPD auch nur mit einem Platz in die Bezirksparlamente einzieht.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU und bei Carl-Edgar Jarchow FDP)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich der Präsidentin und dem Mitarbeiterstab der Bürgerschaftskanzlei sowie allen Beteiligten danken, die die "Nacht der Jugend" ermöglichen. Dort werden, wie in den vergangenen Jahren, die unterschiedlichen Bündnisse gegen rechtes Gedankengut in den Mittelpunkt gestellt. Das intensive Engagement der Stadt, das bei der "Nacht der Jugend", aber auch bei sehr vielen anderen engagierten Gruppierungen deutlich wird, spiegelt sich im Landesprogramm wider. Und der SPD-Senat führt es mit dem jetzt vorgestellten Arbeitskonzept fort. Wir erfüllen damit nicht nur unser Wahlversprechen, uns gegen Rechtsextremismus stärker einzusetzen, sondern gehen auch auf das bürgerschaftliche Ersuchen von 2011 ein. Durch die Intensität und das hohe Maß an Mitbeteiligung der vielen unterschiedlichen Akteure hat dieses wichtige Vorhaben sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Aber es war notwendig, den Prozess zu analysieren und weiterzuentwickeln. Nun liegt ein Programm vor, das für die Stadt von hoher Bedeutung ist. In meinem Namen und dem meiner Fraktion möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken, die hierbei eine beispielhafte Arbeit geleistet haben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Rechtsextreme Kreise versuchen, mehr und mehr Anschlussmöglichkei

ten an die gesellschaftliche Mitte zu finden. Sie missbrauchen Bürgerinitiativen in Form von sogenannten Solidarisierungsaktionen, um an ihre Ideologien anzuknüpfen, und tun dies oft sehr versteckt. Sie machen sich durch diese Art von Praxis vorhandene Vorurteile und Ressentiments gegenüber Fremdgruppen zunutze.

Insgesamt wurden im Jahr 2012 in Hamburg 403 Straftaten aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität von rechts registriert. Hiervon waren 396 Taten als rechtsextremistisch einzustufen. Obwohl die Zahlen rückläufig sind, bedarf es weiterhin eines vertieften gesellschaftlichen Engagements und hoher Wachsamkeit der Gesellschaft. Die konsequente Durchsetzung des Strafrechts sowie das geplante NPD-Verbotsverfahren sind im Kampf gegen Rechtsextremismus wichtig, reichen aber bei Weitem nicht aus. Eine dauerhafte und nachhaltige Sensibilisierung und Partizipation der gesamten Gesellschaft und die Stärkung des gesellschaftlichen Diskurses und des Engagements gegen jegliche Form von Rassismus, Hass, Ausgrenzung und Menschenverachtung sind erforderlich.

(Beifall bei der SPD und bei Tim Golke DIE LINKE)

Das Landesprogramm "Hamburg – Stadt mit Courage" bietet hierfür ein Handlungskonzept. Es hat die Förderung der demokratischen Kultur und die Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus zum Ziel, indem Stadt, Verwaltung und alle gesellschaftlichen Einrichtungen und Organisationen einbezogen werden. Neben der Weiterführung der bereits bestehenden Projekte geht es zukünftig darum, die vielen methodischen Ansätze in der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu verknüpfen und auszubauen.

Wir begrüßen es, dass neben den bestehenden Projekten wie dem Mobilen Beratungsteam und der Landeskoordinierungsstelle beim Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus weitere Handlungsfelder geplant sind. Dieses Handlungskonzept ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Den Erfolg der Maßnahmen wird die BASFI regelmäßig durch jährliche Fachgespräche überprüfen.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ein kleiner Hinweis am Schluss: Dass mehr Geld zur Verfügung steht, ist sicher nicht unerheblich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat nun Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gestern vorgestellte Landesaktionsplan ist ein wichtiger und beachtenswerter Schritt in die richtige Richtung. Ich will aber ein bisschen Wasser in den Wein gießen, den Frau Nitruch eben zum Teil enthusiastisch präsentiert hat. Es ist ein wichtiges Programm, und wir sind uns einig in der Zielsetzung, aber ich warne davon, dass wir uns nur noch selbst auf die Schultern klopfen, loben und sagen: Nun haben wir ein Programm aufgestellt, und die Gefahr von Rechtsextremismus ist beseitigt. Das wird nicht so sein. Die Verantwortung, die wir alle gemeinsam haben, diesem Phänomen entgegenzutreten, ist nicht mit dem Beschluss oder der Akzeptanz eines gemeinsamen Aktionsplans beendet. Ganz im Gegenteil, erst jetzt fängt unsere Arbeit an. Wir müssen sehen, dass wir mit den vielen Beratungseinrichtungen und Programmen häufig nur noch diejenigen erreichen, die schon in eine bestimmte Richtung gegangen sind und die wir wieder zurückholen wollen. Aber wir haben auch die Aufgabe und Pflicht, uns als Demokraten gemeinsam dagegen zu stellen, dass diese Art von Extremismus überhaupt auftreten kann. Das sollten wir zu allererst und zuvorderst als unsere Aufgabe ansehen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Nitruch hat ihren Beitrag eben mit dem Hinweis beendet, dass es sicher nicht falsch ist, dass mehr Geld da ist. Frau Nitruch, ein bisschen mehr Geld ist immer gut – zumindest, wenn es um solche Dinge geht. Aber Geld allein löst die Probleme nicht. Die Gleichung "Je mehr Geld, desto weniger Rechtsextremismus", die vielen vorschwebt, geht nicht auf. Wir brauchen einen gemeinsamen Konsens in dieser Gesellschaft.

Diesen Konsens brauchen wir aber nicht nur beim Rechtsextremismus. Bei allem gemeinsamen Bekenntnis, dass wir hier eine besondere Aufgabe im Sinne unserer geschichtlichen Verantwortung haben, müssen wir auch ein Wort dazu verlieren, dass generell jede Art von politischem Extremismus – erst recht dann, wenn er in Gewalt ausartet – in dieser Gesellschaft nicht akzeptiert werden kann. Es geht nicht nur darum, ein Programm gegen Rechtsextremismus zu entwerfen, sondern wir brauchen genauso ein Programm für diejenigen, die links motiviert sind,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, ge- nau, für alle!)