Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

Aber damit waren wir erst am Anfang, denn es gibt nämlich weitere Regelungen, die in der Finanzbehörde anscheinend nicht immer Beachtung finden, um nicht zu sagen, flächendeckend nicht eingehalten werden. So lesen wir im Corporate Governance Kodex:

"Die variable Vergütung soll einmalige sowie jährlich wiederkehrende, an den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens gebundene Komponenten sowie auch Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter enthalten. Es sollen Vertragstantiemen in Form von Ziel- und Leistungsvereinbarungen abgeschlossen werden […]."

(Erster Vizepräsident Frank Schira)

Das ist etwas, was wir aus der Wirtschaft kennen, was oft eingefordert wird und was auch für städtische Unternehmen Sinn macht. Wenn jemand viel für die Stadt leistet, soll er an Zielen orientierte Boni bekommen und dafür bezahlt werden, aber es soll klare Regelungen dafür geben. Das Problem in dieser Stadt ist, dass wir das zwar aufgeschrieben haben, aber bei der Finanzbehörde ein riesiges Umsetzungsdefizit für den Bereich der öffentlichen Unternehmen haben. Meine Damen und Herren, so kann es an dieser Stelle nicht weitergehen.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP)

Dazu kommt dann, wie die Schriftliche Kleine Anfrage 20/7226 ergeben hat, dass mit der seit dem 1. Januar 2013 – also weit nach dem Corporate Governance Kodex angestellt und auch niemand mit Altverträgen, wo man vielleicht noch nicht auf Offenlegungsklauseln hinwirken konnte – tätigen Geschäftsführerin von Hamburg Wasser eine Maximalhöhe ihrer Boni von ungefähr 50 000 Euro vereinbart wurde. Das Problem ist, dass mit ihr überhaupt keine Ziel- und Leistungsvereinbarungen abgeschlossen wurden. Ich frage den Senat ernsthaft, warum er es ein Jahr nach Inkrafttreten bei einem von ihm abgeschlossenen Neuvertrag nicht hinbekommt, seine eigenen Regeln umzusetzen und, wenn er 50 000 Euro bezahlen will, zumindest einmal zu sagen, wofür er diese bezahlen will. Ich habe gar nichts dagegen, dass Sie sie bezahlen wollen, aber auch bei Neuverträgen gilt ganz klar: Sie haben sich nicht an Ihre eigenen Regeln gehalten. Das kann nicht sein, das ist ein ziemlich fahrlässiger Umgang mit dem Vergütungssystem, und das müssen wir dringend ändern.

(Beifall bei der CDU)

Sehen Sie es uns nach, aber dieses Regieren nach SKA-Eingang – es kam eine Frage von der CDU zum Thema, und kurz bevor die Antwort veröffentlicht wurde, hat man sich bemüht, eine Abhilfe zu schaffen – kann es nicht sein. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht auszureichen scheint, diesen Kodex zu haben, sondern wir dem, was eigentlich schon gelten sollte, erst mit einem Antrag in der Bürgerschaft zur Wirkung verhelfen müssen – und nichts anderes haben wir gemacht. Wir haben in diesen Antrag geschrieben, was dieses Haus umgesetzt wissen möchte, obwohl es schon gilt. Wir wollen das noch einmal verbindlich bekräftigen, damit nicht nur dann etwas passiert, wenn ein Abgeordneter nachfragt, und damit wir nicht ständig erleben müssen, dass Dinge, die eigentlich gelten sollten, nicht gelten. Das ist kein verlässliches Regierungshandeln und schon gar kein ordentliches Regieren, und das kritisieren wir als CDU, wie ich finde, sehr zu Recht.

(Beifall bei der CDU)

Abstrus wird es dann aber, wenn Sie in Ihrem eigenen Hamburger Corporate Governance Kodex von sinnvollen Zielund Leistungsvereinbarungen schreiben und sagen, dazu könne auch der Klimaschutz gehören. Schauen wir einmal in die Schriftliche Kleine Anfrage 20/7368, was denn so in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen steht. Da ergibt sich, dass die Geschäftsführung der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ausschließlich auf Klimaschutzziele festgelegt wird; ich bin begeistert. Entweder hat in der Finanzbehörde keiner den Vertrag gelesen oder es hat sich niemand dafür interessiert, was die Ziele von Filmförderung sein könnten. Irgendetwas stimmt da nicht. Ich glaube, Sie haben diesen ganzen Vertragswust in Ihrem eigenen Hause nicht im Griff, und das finde ich persönlich sehr schade, weil man darüber wirklich gut steuern könnte. Das müssen Sie dringend ändern.

(Beifall bei der CDU)

Auch hier wieder: Handeln nach SKA. Man hat den Kodex schnell angepasst und gesagt, Klimaschutz schreiben wir nicht mehr hinein, wir versuchen es einmal mit betriebswirtschaftlichen Zielen. Super, aber auch das erst wieder, nachdem gefragt wurde, geantwortet wurde, Kritik drohte. Wir würden es anders schön finden: Das Parlament beschließt, die Regeln treten in Kraft, der Senat setzt um. Anders geht es nicht, aber Sie tun das an dieser Stelle nicht, und das ist nach unserer Auffassung kein verantwortungsbewusstes Regierungshandeln.

(Beifall bei der CDU)

Ein letzter Punkt, der bei mir das allergrößte Erstaunen hervorgerufen hat, ist das Thema nachträgliche Änderung von Erfolgszielen. Im Kodex steht, dass Erfolgsziele festzulegen sind, bevor man feststellen kann, ob man sie erreicht hat oder nicht. Wir haben dann wieder einmal nachgefragt, in diesem Fall mit der Schriftlichen Kleinen Anfrage 20/7617 – Sie sehen, man könnte ein sehr amüsantes Buch damit füllen –, und erfahren, dass bei der Hochbahn für den gesamten Vorstand die Boni-Regeln für das Jahr 2012 am 28. März 2013 abgeschlossen oder nachträglich geändert wurden, um den Jahresabschluss 2012 am 12. April unterschreiben zu lassen; vorher hätte man es noch nicht gedurft. Da haben Sie noch rechtzeitig die Notbremse gezogen. Verlässliches Regierungshandeln ist das aber auch nicht und schon wieder ein Verstoß gegen den von Ihnen selbst aufgestellten Kodex. Das könnte man beliebig fortsetzen, aber das erspare ich uns allen, weil es in den Schriftlichen Kleinen Anfragen nachzulesen ist.

Wir glauben, es ist höchste Zeit für unseren Antrag, und ich kann jeden Haushälter, der keine Lust hat, sein Kontrollrecht über Schriftliche Kleine Anfragen auszuüben und der sich lieber auf das verlassen würde, was in diesem Hause beschlossen wird, nur darum bitten, ihm zuzustimmen. Es wür

de mich sehr überraschen, wenn die SPD das nicht täte, denn diesen Kodex und seine Änderungen haben nicht wir uns ausgedacht, das war Ihr Projekt. Es wäre schön, wenn Sie Ihren Senat dazu anhalten würden, dass er sich auch daran hält, und dazu wollen wir Sie mit diesem Antrag auffordern.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Rugbarth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Heintze, Sie versuchen, mit Ihrem Antrag den Eindruck zu erwecken, als brauche der Senat Nachhilfe in puncto Vertragsgestaltung bei Vertragsabschlüssen mit Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern,

(Jörg Hamann CDU: Ja, genau, die braucht er auch!)

besonders hinsichtlich der Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Alle von Ihnen genannten Beispiele entbehren jeglicher Grundlage.

(Dr. Roland Heintze CDU: Haben Sie mal in meine Anfragen geguckt?)

Ich habe die Anfragen sehr sorgfältig gelesen, Herr Heintze.

Es hätten bei Ihren vier Beispielen vier Anrufe bei den jeweiligen Geschäftsführern ausgereicht, um festzustellen, dass das, was Sie hier abgeliefert haben – wir haben eine gestrenge Vizepräsidentin, ich beruhige mich wieder und werde nicht sagen, was mir gerade eingefallen ist, es ist ein böses Wort – ….

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ihre vier Forderungen, die Sie durch die Bürgerschaft bekräftigt haben wollen, sind selbstverständlich völlig in Ordnung. Wir werden aber nichts beschließen, was der Senat ohnehin tut, Herr Heintze.

(Dr. Roland Heintze CDU: Na, das haben wir ja gemerkt!)

Darauf wollen wir einmal im Einzelnen eingehen.

Selbstverständlich befinden sich im Musteranstellungsvertrag, nach dem die Stadt Hamburg Verträge mit ihren Angestellten und Vorständen aushandelt, Formulierungen, die den Forderungen des Hamburger Corporate Governance Kodex angepasst sind, ebenso wie diese Offenlegungsklausel. Natürlich laufen manche Altverträge noch – darauf haben Sie hingewiesen –, aber neue Verträge beinhalten prinzipiell diese Offenlegungsklausel und werden selbstverständlich auch mit Ziel- und Leistungsvereinbarungen unterlegt.

Kommen wir einmal zu einem Ihrer Vorwürfe, es geht um HAMBURG WASSER. Da kritisieren Sie, dass eine Geschäftsführerin, die zum 1. Januar 2013 angestellt wurde, nicht sofort die Ziel- und Leistungsvereinbarungen unterzeichnet hat. Sie kennen die technischen Abläufe, ein Beteiligungsmanagement und der Aufsichtsrat müssen das bestätigen. Zum Zeitpunkt der Einstellung wusste die Dame bereits ganz genau, welche Ziel- und Leistungsvereinbarungen in ihrem Vertrag stehen werden, und hat sich dementsprechend orientiert. Dieser Vertrag wurde erst ein paar Monate später im Aufsichtsrat beschlossen, er war ihr aber zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags bekannt.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Heintze?

Ich gestatte Herrn Heintze eine Zwischenfrage.

Das ist nett, Frau Rugbarth.

Finden Sie es nicht auch etwas skurril, dass der Senat angibt, mit den Verhandlungen über die Zielund Leistungsvereinbarungen mit der betroffenen Geschäftsführerin genau an dem Tag zu beginnen, an dem er die Schriftliche Kleine Anfrage ins Netz stellen muss? Das scheint doch sehr auf den Punkt bestellt und spricht deutlich gegen das, was Sie gesagt haben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Thomas Kreuzmann CDU: Hört, hört!)

Herr Heintze, da müssen Sie natürlich das Datum dazusetzen. Da wurde nicht mehr verhandelt, das war bereits der Zeitpunkt, an dem der Vorstand des Beteiligungsmanagements getagt hat; das war ein oder zwei Tage später, wenn ich mich richtig erinnere.

Gehen wir zum zweiten über, der Filmförderung und dem Klimaschutz. Wer weiß, womit sich das Büro der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein beschäftigt, der mag vielleicht im ersten Moment ein wenig irritiert sein und sagen, was kann man schon bei Klimaschutz im Büro großartig machen. Man kann die Glühbirne austauschen.

(Jörg Hamann CDU: Weniger atmen!)

Das wäre auch ein guter Vorschlag für Sie.

Aber nichtsdestotrotz, ein Anruf hätte Klarheit gebracht, worum es da denn eigentlich geht. Natürlich kann man den Klimaschutz fördern, indem man Filmprojekte fördert, die ihrerseits den Fokus auf Klimaschutz haben. Man kann aber darüber

(Dr. Roland Heintze)

hinaus etwas tun, was die Filmförderung auch gemacht hat. Sie hat einen Preis ausgelobt, den "Grünen Drehpass", für Filme, die besonders nachhaltig und umweltbewusst produziert werden.

(Glocke)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Heintze?

– Nein, Herr Heintze, jetzt möchte ich keine Zwischenfrage mehr zulassen.

Dieser ist mittlerweile deutschlandweit gut in der Branche angenommen worden. Bayern und Baden-Württemberg machen das nach. Bully Herbig dürfte Ihnen vielleicht ein Begriff sein; er hat sich mit seinem jüngsten Film für den "Grünen Drehpass" beworben und ist ganz stolz, dass er ihn bekommen hat. Das ist ein Klimaschutzziel, auch wenn einem natürlich erst einmal der Zusammenhang nicht einfallen mag; also auch hier eine Zielund Leistungsvereinbarung, die sich einem vielleicht nicht sofort erschließt, aber vorhanden ist.

Dann haben Sie noch gesagt, dass es Ziel- und Leistungsvereinbarungen gäbe, die erst ein Jahr später geschlossen worden seien – als sei im Nachhinein eine Veränderung der Ziel- und Leistungsvereinbarungen erfolgt. Mein lieber Herr Heintze, hätten Sie einmal bei der Hochbahn angerufen, um die ging es, dann hätten Sie erfahren, dass die Ziel- und Leistungsvereinbarungen sehr wohl am Anfang des Jahres 2012 verhandelt und auch festgelegt wurden, und Sie hätten erfahren, warum die Beschlussfassung im Aufsichtsrat erst so spät erfolgt ist. Es war nämlich so, dass der Aufsichtsrat blockiert war, weil die Arbeitnehmervertreter versucht haben, das als Druckmittel in einer anderen Frage einzusetzen, die mit den Zielund Leistungsvereinbarungen nichts zu tun hatte. Und nur so als Schmankerl nebenbei: Rufen Sie ruhig dieser Tage einmal bei der Hochbahn an und fragen nach, wann Ihr damaliger Finanzsenator Freytag üblicherweise die Ziel- und Leistungsvereinbarungen unterzeichnet hat. Auf diese Frage wird Ihnen der Vorstand antworten, dass das jeweils zum Ende des Jahres erfolgt ist.

(Zurufe von der CDU)

Haben Sie keine Flatrate zum Telefonieren? Dann stelle ich Ihnen gerne meine zur Verfügung.

(Dr. Roland Heintze CDU: Da hat der Senat ja super geantwortet auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage! Das ist eine Frechheit!)