Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

Nach heutigen Erkenntnissen sind Radfahrerinnen und Radfahrer auf der Fahrbahn vielfach sicherer aufgehoben als auf dem gemeinsamen Rad- und Gehweg. Eine Radwegebenutzungspflicht gibt es daher nur noch in besonders gefährlichen Bereichen, wie zum Beispiel an den stark befahrenen Ausfallstraßen oder auch auf Straßen mit einem hohen Lkw-Anteil. Vor allem in Nebenstraßen ist das Radfahren auf der Fahrbahn mit Sicherheit die sicherste Variante. Eine Radwegebenutzungspflicht gibt es dort, sofern Fahrradwege vorhanden sind, in der Regel nicht mehr. Trotzdem kommt es immer wieder zu Konflikten. Radfahrer und Fußgänger kommen sich auf viel zu engen Wegen in die Quere; motorisierte Verkehrsteilnehmer verweisen Radfahrer auf die Radwege in der Annahme, die Radfahrer müssten diese Radwege benutzen. Deshalb wollen wir überall dort, wo Radfahrerinnen und Radfahrer auf der Fahrbahn fahren dürfen und sich dort auch sicher fühlen, die überflüssigen Radwege zurückbauen. Die nicht mehr benutzungspflichtigen und zum Teil kaum noch befahrbaren Fahrradwege nehmen den Fußgängern unnötig Platz weg. Hier kann ihnen wieder mehr Platz zurückgegeben werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Der Rückbau der alten Radwege schafft Klarheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer und bietet zudem die Chance, die Qualität der Gehwege zu verbessern durch einheitliche Bodenbeläge, durch mehr Platz für Sitzbänke, für Abstellflächen für Fahrräder und mehr Platz zum Spazierengehen. Diese Chance, auch für bessere und breitere Gehwege, wollen wir nutzen. Das macht das Radfahren in Hamburg sicherer und bequemer und schafft Anreize, auf das Fahrrad als Alternative zum Auto umzusteigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Hesse.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es passiert mir selten, dass ich bei einem Vortrag so viel mitschreiben muss, dass ich nicht mehr weiß, ob ich das jetzt alles noch hinbekomme,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, wir werden richtig konkret!)

aber wir werden das einmal versuchen, lieber Herr Pochnicht.

Als Sie diese Debatte angemeldet haben, habe ich mir schon gedacht: Was wird das jetzt hier, was plant die SPD mit diesem Antrag? Gleich die geballte Fahrradfahrerkompetenz mit Herrn Pochnicht und Frau Koeppen wird für diese Debatte aufgeboten. Was erwartet uns als Parlament hier?

(Lars Pochnicht)

Ich glaube, Herr Pochnicht, das jetzt nach Ihrem Vortrag beurteilen zu können. Das ist die Abteilung Attacke, die Sie fahren, weil Sie bei Ihrer Radverkehrspolitik nämlich kräftig in der Defensive sind, und Sie denken sich anscheinend, Angriff sei die beste Verteidigung. Da reicht es aber nicht, einfach aus der Radverkehrskonzeption abzuschreiben, die bereits 2007 entwickelt wurde, und das hier als eigene SPD-Politik zu verkaufen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gefragt, warum der Antrag zum jetzigen Zeitpunkt kommt.

(Dirk Kienscherf SPD: Wann soll er sonst kommen?)

Was wollen Sie mit diesem Antrag bezwecken? Ich kann es Ihnen sagen, lieber Herr Pochnicht, und das will ich Ihnen jetzt einmal im Positiven bescheinigen. Sie entziehen Ihrem Senat mit diesem Antrag das Vertrauen für die Radverkehrspolitik.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Wie soll man ansonsten Ihren Antrag verstehen? Wie waren die Grundvoraussetzungen, als Sie 2011 angefangen haben, Radverkehrspolitik zu machen? Wir hatten eine fertige Radverkehrskonzeption, wir hatten einen Haushalt, der ausreichend finanzielle Mittel für die Radverkehrspolitik zur Verfügung stellte, und wir hatten personelle Aufstockungen beim nichtmotorisierten Verkehr vorgenommen.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, ja, ja!)

Und wie ist die Situation jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren? Die Mittel werden zurückgefahren,

(Dirk Kienscherf SPD: Die haben wir aufge- stockt!)

die personellen Ressourcen werden zurückgefahren oder gar aufgelöst, und Sie fordern Selbstverständlichkeiten, die seit zweieinhalb Jahren schon längst von Ihrem Senat hätten gemacht werden können. Das ist die SPD-Radverkehrspolitik, die wir hier seit zweieinhalb Jahren erleben. Das reicht nicht, um auf die Herausforderungen unserer Zeit und auf die steigenden Radfahrerinnen- und Radfahrerzahlen in unserer Stadt zu reagieren.

(Beifall bei der CDU)

Insofern wird es Sie nicht verwundern, dass wir Ihrem Antrag heute natürlich zustimmen,

(Dirk Kienscherf SPD: Ach!)

weil darin Selbstverständlichkeiten stehen. Es ist nichts aufgeführt, was in irgendeiner Form kritisch zu sehen wäre, und das kennen wir von Ihren Anträgen: Am besten stellt man Anträge, mit denen man niemandem wehtut und mit denen man im Endeffekt den Senat auffordert, etwas zu machen, was er eigentlich auch alleine tun müsste.

Aber ich möchte Sie trotzdem nach Ihrem Vortrag um eines bitten, lieber Herr Pochnicht. Wir kennen beim Busbeschleunigungsprogramm den Hang des Senats zu sagen, er mache das so, wie er es für richtig halte. Er fragt keine Bürgerinnen und Bürger, er geht wie ein Bulldozer durch die Stadtteile und entscheidet, dass es so gemacht werde.

(Dirk Kienscherf SPD: Wie war das noch bei der Stadtbahn?)

Wenn ich mir eben richtig angehört habe, lieber Herr Pochnicht, wo Sie überall Maßnahmen ergreifen wollen, insbesondere im Bereich Uhlenhorst an der Alster, dann möchte ich Sie dringend um eines bitten: Ich habe nichts gegen Radfahrer auf der Fahrbahn – das macht Sinn, um das hier gleich festzustellen –, aber es muss sehr genau geprüft werden, wo das geht. Auch Sie wissen, dass wir an einzelnen Straßen gesagt haben, da sei es zum Schutz der Radfahrerinnen und Radfahrer, liebe Frau Sudmann, vielleicht nicht sinnvoll, und da sollte man sich tatsächlich Gedanken machen, ob man dort einen Radweg mit einer entsprechenden Radverkehrspflicht herstellt. Insofern, lieber Herr Pochnicht, beteiligen Sie bitte die Menschen vor Ort an den Maßnahmen, die Sie dort vorhaben, und glauben Sie nicht, wie beim Busbeschleunigungsprogramm von oben herab wieder entscheiden zu müssen, was für die Menschen in dieser Stadt besser ist. Das funktioniert nicht, und das lassen sich die Menschen in der Stadt auch nicht weiter von Ihnen gefallen.

(Beifall bei der CDU)

Betrachten Sie insofern unsere Zustimmung zu Ihrem Antrag heute nicht als Freibrief. Insbesondere wenn ich mir Ihren Punkt 2 anschaue, mit dem der Senat ersucht wird, das bestehende Hamburger Radverkehrsnetz dahingehend zu überprüfen, welche Radwege erhalten bleiben können, um- und ausgebaut werden sollten oder aufgehoben und gegebenenfalls ersatzlos zurückgebaut werden können, dann ist das doch in den letzten Jahren schon längst geschehen. Wenn Sie das fordern, dann sagen Sie doch entweder, Ihr Senat habe das bisher nicht getan und sich damit nicht beschäftigt, oder – was ich noch viel schlimmer finde, Herr Pochnicht – Sie geben dem Senat mit Ihrem Antrag diesen Auftrag, um in den nächsten Wochen und Monaten, wenn es um die konkrete Umsetzung geht, was die Menschen in dieser Stadt brauchen, immer sagen zu können, der Senat müsse erst einmal die Erhebungen durchführen und schauen, wo man was am sinnvollsten mache. Ich habe keine Lust, jetzt anderthalb Jahre bis zum Ende dieser Legislaturperiode von der SPD zu hören, es gebe doch einen Bürgerschaftsantrag von der SPD-Fraktion und sie müssten jetzt erst einmal kräftig untersuchen, bevor sie etwas machten. Die Probleme sind bekannt, die Aufgaben sind gestellt, wir brauchen ausreichend Personal und wir brau

chen ausreichend Finanzierung. Wir haben mehr und mehr Radfahrer auf der Straße, kümmern Sie sich endlich um diese und stellen Sie keine Showanträge. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist unglaubwürdig und unkreativ zugleich. Warum unglaubwürdig? Wir müssen feststellen, dass eine Menge schiefläuft bei der Radverkehrspolitik, seitdem die SPD hier regiert. Und wenn sich etwas tut, dann tut sich etwas trotz und nicht wegen der SPD-Politik, weil Sie es nicht geschafft haben, wirklich alle vernünftigen Ansätze kaputt zu machen, und weil die Leute tatsächlich sehr gerne Fahrrad fahren wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Was läuft schief? Es läuft schief, dass der Grundsatz gilt – es ist wirklich schon ein Dogma –, man dürfe auf keinen Fall irgendwo dem Autoverkehr Platz entziehen, selbst wenn es dringende Bedarfe für den Radverkehr gibt. Schief läuft auch, dass die SPD das übergeordnete Ziel der Radverkehrsstrategie aufgegeben hat. Es war nämlich das gemeinsame Ziel, dass man es schafft, von seinerzeit 9 Prozent in 2002 auf 18 Prozent in 2015 zu kommen. Das 18-Prozent-Ziel gilt zwar noch, aber es wird nicht mehr gesagt, wann dieses verwirklicht sein soll – vielleicht in 44 Jahren, aber das bleibt vollkommen offen. Die zur Verfügung stehenden Mittel wurden nicht abgerufen. Dazu hat Staatsrat Rieckhof bei der letzten Haushaltsberatung gesagt,

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Landesbetrieb und in den Bezirksämtern sich nicht so sehr um den Radverkehr kümmerten, liege nun einmal daran, dass der Radverkehr kein Investitionsschwerpunkt dieses Senats sei. Das war die Aussage, die der Senatsvertreter zu dieser Frage getroffen hat. Folgerichtig wurden dann gleich auch die Mittel abgesenkt, der Etat wurde eingeschränkt, und deswegen steht, seitdem die SPD regiert, weniger Geld für den Radverkehr zur Verfügung.

(Olaf Ohlsen CDU: Skandal!)

Bei der Frage der Anlage von Radfahr- und Schutzstreifen wurden die Kriterien eingeengt. Es gibt eigentlich bundesweit anerkannte Standards, an welchen Stellen sich Radfahr- und Schutzstreifen eignen. Der SPD-Senat hat das deutlich abge

senkt. Er hat nur noch ganz wenige Straßen für geeignet erklärt, sodass der Anwendungsbereich sehr gering ist. An vielen Stellen, zum Beispiel im Bezirk Hamburg-Nord, gab es fertige Radverkehrsplanungen, die nicht umgesetzt werden können, weil erst einmal die Busbeschleunigung an der Stelle durchgeführt werden muss. Es dauert zwar noch Jahre, bis die Busbeschleunigung sich dieser Straßen dann annimmt, aber solange darf hier auch nichts für den Radverkehr getan werden. Das Personal wurde reduziert, die Abteilung wurde aufgelöst, und die Fahrradstation Dammtor an der Uni steht auch vor dem Aus. An anderer Stelle werden mit viel Mühe Fahrradparkhäuser geschaffen, aber dort wird diese bewährte Einrichtung jetzt geschlossen. Das ist die Bilanz, die die SPD beim Thema Radverkehrspolitik bisher vorgelegt hat.

Jetzt kommt dieser Antrag, und man denkt, dass Sie aufgewacht sind und erkannt haben, dass es so nicht weitergeht, dass Sie so nicht durchkommen und es Ihnen schaden wird. Aber was wird hier vorgelegt? Ein vollkommen unkreativer Antrag, der im Wesentlichen darin besteht, in der Begründung Anträge der GRÜNEN abzuschreiben, um dann im Petitum dem Senat nicht einmal eine klare Handreichung zu geben. Das Petitum ist ausgesprochen verschwiemelt, Herr Hesse hat es eben schon vorgetragen. Da heißt es im Hinblick auf das bestehende Hamburger Radverkehrsnetz, dass man prüfen solle, ob die Radwege, so wie sie eben sind – so negativ, wie Herr Pochnicht sie beschrieben hat –, erhalten bleiben können oder ob sie umgebaut, ausgebaut oder aufgehoben werden sollen.

(Dirk Kienscherf SPD: Typischer GRÜNEN- Antrag!)

Wenn die Bürgerschaft Prüfaufträge stellt, dann macht sie das normalerweise, weil sie in eine bestimmte Richtung will und nicht im Detail sagen kann, wie man das macht, weil man dafür die Kompetenz der Behörden braucht, aber sie bittet den Senat, in eine bestimmte Richtung zu prüfen. Hier ist es aber so, dass man eine Prüfung in Auftrag gibt, jedoch dem Senat alles offenlässt. Entweder bleibt das Netz so, wie es seit den Sechzigerjahren besteht, oder man macht es ganz anders. Es bleibt vollkommen offen, was eigentlich passieren soll nach dem Motto "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist". Offenbar ist es der SPD ziemlich egal, was hier eigentlich passieren soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss dann in die Begründung schauen, um eine Ahnung zu bekommen, was vielleicht gemeint sein könnte. Einige Dinge klingen ganz vernünftig, auch deswegen, weil wir sie in ähnlicher Weise bereits beantragt haben. Beispielsweise haben wir im August 2011, das ist schon eine Weile her, einen Antrag vorgelegt, mit dem wir das Radfahren rund

(Klaus-Peter Hesse)

um die Alster erleichtern wollten. Inlineskaten und Radfahren sind sehr populär und nehmen sehr viel Platz in Anspruch. Dafür wollten wir Platz schaffen, das muss unter Umständen auch zulasten des Autoverkehrs gehen. Sie wollten damals sehr zurückhaltend sein und an der Straße An der Alster, wo es sich wirklich knubbelt, weil dort die Platzverhältnisse besonders eng sind, nur am Wochenende in den Sommermonaten eine Fahrspur sperren lassen und dort dem Radverkehr Platz schaffen, sodass das Zufußgehen auch in bequemer Weise möglich ist. Dann hieß es damals, das wolle man nicht, das sei zu aufwendig an einer Stelle, wo jeden Tag kleine Hütchen umgestellt werden müssten, um dem Straßenverkehr jeweils in der richtigen Richtung Platz zu verschaffen. Daraufhin sagten wir, dass man sich doch diese Praxis zu eigen machen könne und am Wochenende ein wenig Platz für den Radverkehr schaffen könne. Das wurde abgelehnt. Nun bleibt dieser Antrag der SPD weit dahinter zurück, gestrickt nach dem Muster, dass man auf keinen Fall irgendwo dem Autoverkehr Platz entziehen solle.

Das zweite Thema sind die Fahrradstreifen. Die SPD schreibt in ihrem Antrag, man könne doch vielleicht auf die Idee kommen, wenn jetzt ohnehin Straßen saniert würden, dann etwas für den Radverkehr zu tun. Das ist die Idee, die die SPD präsentiert. Es ist in der Tat ein Thema, das ich sehr intensiv mit Schriftlichen Kleinen Anfragen beackert habe. Zunächst habe ich gefragt, bei wie vielen Straßen angesichts der großen Sanierungen eigentlich überprüft wurde, ob sich die Anlage eines Fahrradstreifens anbieten würde. Heraus kam, dass es bei genau einer Straße von 130 Straßen gemacht worden war. Das war die Bilanz des ersten Jahres. Das ist dann aufgefallen und war Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung und einer Veranstaltung, bei der Herr Pochnicht mit auf dem Podium saß.

Im nächsten Jahr war es schon viel besser, denn da gab es eine ganze Reihe von Straßen, bei denen das überprüft wurde. Die SPD hat jetzt auch erkannt, dass es sinnvoll wäre, solche Überprüfungen durchzuführen. Der Senat ist bei diesem konkreten Punkt, der im Antrag beschrieben wird, wirklich schon weiter. Nun gibt es aber das Problem, das ich vorhin beschrieben habe.

(Olaf Ohlsen CDU: Welches denn?)

Wenn man nämlich nur sagt, es solle überprüft werden, gleichzeitig jedoch die Kriterien für die Anlage von Fahrradstreifen entgegen der bundesweiten Praxis so drastisch einengt, wie das der SPDSenat nach der Wahl getan hat, dann ist das Ergebnis dieser Überprüfung natürlich klar. Das Ergebnis wird sein, dass man an ganz vielen Stellen von der Anlage der Fahrradstreifen absieht. Das ist nicht zu Ende gedacht, und daraus wird sich kein klarer Impuls ergeben.