Protokoll der Sitzung vom 11.12.2013

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

rung des Flächennutzungsplans und der 117. Änderung des Landschaftsprogramms für die Freie und Hansestadt Hamburg, Eignungsgebiete für Windenergieanlagen in Hamburg sowie der Selbstbefassung zum Thema Windenergie.

[Gemeinsamer Bericht des Stadtentwicklungsausschusses und des Umweltausschusses über die Drucksachen 20/8944 (Neufassung): Windenergieanlagen in den Vier- und Marschlanden – Kompromiss mit den Vertrauensleuten des erfolgreichen Bürgerentscheids im Bezirk Bergedorf finden (Antrag der Fraktionen der FDP und der CDU), 20/9486 (Neufassung) : Energie-Campus verwirklichen und Bergedorfer Bürgerentscheid umsetzen (Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP), 20/9675: Mediation Windenergie Bergedorf (An- trag der GRÜNEN Fraktion), 20/9810: 133. Änderung des Flächennutzungsplans für die Freie und Hansestadt Hamburg (Eignungsgebiete für Windenergieanlagen in Hamburg) und 117. Änderung des Landschaftsprogramms für die Freie und Hansestadt Hamburg (Eignungsgebiete für Windenergieanlagen in Hamburg) (Senatsantrag) und zum Thema: Windenergie (Selbstbefassungsangelegenheit des Umweltausschusses) – Drs 20/10117 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/10268 ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der SPD und der LINKEN vor.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der LINKEN: Energiewende jetzt – Ausbau der Windenergie voranbringen und Bürgerinteressen berücksichtigen – Drs 20/10268 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Schaal, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich begrüße gleichzeitig Mitglieder der Bürgerinitiative aus Bergedorf und Vertreterinnen und Vertreter der Windbranche, alles Gesprächspartner, mit denen wir das Thema im Vorwege sehr intensiv diskutiert haben. Das heißt, in diesem Bereich wurde nicht nur im Parlament, sondern auch nach draußen kommuniziert und gearbeitet.

Wir wollen in Hamburg die Leistung der Windenergie auf circa 100 Megawatt verdoppeln. Mit dem heutigen Beschluss über den Senatsantrag zur Änderung des Flächennutzungsplans und des Landschaftsprogramms schaffen wir dazu die Voraus

setzungen und schließen gleichzeitig einen fast sechs Jahre andauernden Vorgang ab. Mit dem Ausbau der Windenergie kann Hamburg dann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten und auch den Klimaschutz voranbringen.

Es hat in Bergedorf im letzten Sommer einen Bürgerentscheid gegeben. Die Mehrheit der Abstimmenden hatte sich gegen die Senatspläne ausgesprochen. Obwohl die formale Zuständigkeit für die Flächenpläne nicht im Bezirk liegt, sind Senat und Bürgerschaft respektvoll mit den Ergebnissen des Bürgerentscheids umgegangen und haben sich mit den Argumenten der Bürgerinitiative intensiv auseinandergesetzt. Ich möchte auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass viele Einwendungen von Anliegern im Planverfahren bereits berücksichtigt und in die vorliegende Drucksache eingearbeitet wurden. Dafür bedanke ich mich beim Senat und auch bei den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung.

(Beifall bei der SPD)

So wurden Regelungen für die Hinderniskennzeichnung aufgenommen, bei den Abstandsregelungen wurden auch künftige Wohnbebauungen mit berücksichtigt. In Neuengamme wurde der östliche und mittlere Streifen im Eignungsgebiet verschoben, um die Abstände zur Wohnbebauung zu vergrößern. Und im F-Plan wurde eine Höhenbeschränkung der Windenergieanlagen auf maximal 150 Meter beziehungsweise auf 180 Meter in Curslack festgeschrieben. Dazu möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass es in dem seit 1998 gültigen Flächennutzungsplan keine Höhenbeschränkungen gab. Nur in Georgswerder, im Bezirk Hamburg-Mitte, wurde aufgrund der besonderen Lage des Energiebergs weiter auf eine Höhenbeschränkung verzichtet.

Meine Damen und Herren! Abgesehen von informellen Gesprächen mit Fraktionen hatten die Bergedorfer Bürgerinitiativen im Rahmen der Anhörung in der gemeinsamen Sitzung von Stadtentwicklungs- und Umweltausschuss Gelegenheit, ihre Bedenken im Parlament zur Diskussion zu stellen. Darauf reagieren jetzt SPD und LINKE mit ihrer Zwölf-Punkte-Initiative. Wir wollen gemeinsam, dass der Ausbau der Windenergie möglichst anwohnerfreundlich erfolgen kann. Es ist nämlich nicht so, dass künftige Investoren mit der Darstellung von Eignungsgebieten automatisch einen Rechtsanspruch auf den Bau einer Windenergieanlage haben. Der Bau von Anlagen muss selbstverständlich nach den Vorschriften des Bundesemissionsschutzgesetzes von der Behörde erst genehmigt werden. Diese Genehmigungsverfahren sollen nach unserer Meinung für alle Beteiligten transparent sein.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

Auch dazu wollen wir eine Fortsetzung des Bürgerdialogs. In dem Zusammenhang wollen wir uns als Abgeordnete im Fachausschuss in öffentlicher Sitzung erst einmal darstellen lassen, welche generellen Aspekte Gegenstand der Einzelfallgenehmigungen sein sollen und wie sie geregelt werden. Dabei soll es dann um relevante Emissionen und Emissionen beispielsweise von Lärm und Schattenwurf gehen. Die damit zusammenhängenden Fragen werden nicht im Flächennutzungsplan geregelt, sondern erst im Genehmigungsprozess, was immer wieder durcheinander geriet. Auch der neueste Stand zum Thema Infraschall wird uns im Ausschuss dann sicher interessieren.

Bei den erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen, die durchgeführt werden müssen, sollen aus unserer Sicht auch die Wünsche der Gremien vor Ort und die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden. Wir wollen außerdem ein begleitendes, transparentes Monitoring des Betriebs der zukünftigen Anlagen. Zusätzlich sollen sich Anlieger über eine telefonische Hotline und ein OnlineBeschwerdepostfach melden können, wenn es zu Unregelmäßigkeiten oder Belästigungen durch den Betrieb kommt.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Nach dem Repowering sollen Altanlagen selbstverständlich abgebaut werden. Darüber hinaus wollen wir eine Zusammenarbeit mit dem Energie-Campus Bergedorf und dem Pumpspeicherwerk im benachbarten Geesthacht sicherstellen, um die Forschungsmöglichkeiten am Energie-Campus zugunsten der Weiterentwicklung der Energiewende auszuschöpfen. Das wurde in der Debatte auch teilweise infrage gestellt.

Wir wollen, dass in Zusammenarbeit mit den Betreibern finanzielle Beteiligungsmodelle an Windenergieanlagen entwickelt werden. Dadurch sollen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, auch an den Erträgen der Windenergie teilzuhaben.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Damit wir aber auch erfahren, ob sich der Ausbau der Windenergie unseren Forderungen entsprechend entwickelt, wollen wir im Ausschuss mindestens einmal im Jahr einen Bericht über die Entwicklung erhalten. Ich denke, mit dem gemeinsamen Zusatzantrag von SPD und LINKEN haben wir den Bedenken und Einwänden der Bürgerinitiative in Bergedorf und auch in Francop Rechnung getragen. Darüber sollten auch die Kritiker nicht hinwegsehen.

Aber eines ist auch klar: Ohne Ausbau und Repowering von Windenergieanlagen in Hamburg hätte Windkraft hier keine Zukunft mehr. Das passt aber nicht zum Standort Hamburg als Hauptstadt

der Windenergie. Schließlich verdienen hier 15 000 Menschen ihr Geld in Unternehmen, die sich mit erneuerbaren Energien, vor allen Dingen aber mit der Windenergie beschäftigen. Die CDU, die 2008 die Ausbauplanungen und Flächensuche für Windenergie vorbereitet hatte, hat offensichtlich das wirtschaftliche Potenzial der erneuerbaren Energien aus den Augen verloren und sich von einem möglichen, maßvollen Ausbau der Windenergieanlagen in Hamburg verabschiedet. Das finden wir nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! In Bergedorf und Francop haben sich die Bürgerinitiativen für eine Höhenbegrenzung der Windenergieanlagen auf 100 Meter ausgesprochen.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Dieser Forderung kann und will sich die Mehrheit in diesem Haus nicht anschließen. Aus Expertenanhörungen und Senatsbefragungen wissen wir, dass die Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von unter 100 Metern vor dem Hintergrund weiter sinkender Einspeisevergütungen nicht mehr zu finanzieren und auch nicht wirtschaftlich zu betreiben sind. Darum halten wir nach Abwägung aller Argumente an der Höhenbegrenzung der Windenergieanlagen auf 150 Meter beziehungsweise 180 Meter in Curslack fest. Die Begrenzung der Windenergieanlagen auf 100 Meter inklusive Rotor würde bedeuten, dass Windkraft in Hamburg mittelfristig vor dem Aus steht. Das wollen wir auch angesichts der Herausforderungen der Energiewende nicht verantworten.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Eine zentrale Bedeutung für Hamburg hat auch der geplante EnergieCampus. Er wird gebaut vom Competence Center für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz der Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Seine Zielsetzung ist die Vernetzung zwischen Unternehmen, Hochschule und Forschungseinrichtungen bei der Erarbeitung und Erforschung anwendungsnaher Lösungen beziehungsweise Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien. So arbeitet ein HAW-Forschungsteam schon jetzt daran, die Energieeffizienz von Windenergieanlagen zu erhöhen und gleichzeitig die Geräuschemissionen der Rotoren zu reduzieren. Solche Projekte sind von zentraler Bedeutung, weil sie auch die Windenergie nachbarschaftsverträglicher machen, und das brauchen wir.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

In Bergedorf wird am Energie-Campus auch ein Bürgerinformationszentrum entstehen und damit ein Raum vor Ort geschaffen, wo Bürgerinnen und Bürger sich informieren können und wo man ins Gespräch kommt. Das halten wir für sehr wichtig. Für die Finanzierung des Energie-Campus hat der Senat EFRE-Mittel eingeworben. Sie verfallen, wenn es zu weiteren Verzögerungen käme. Jede weitere Änderung, die jetzt noch an den Plänen vorgenommen werden sollte, tragen wir deswegen nicht mit, denn jede weitere Änderung bringt neue Zwänge zur Auslegung mit sich, und das kostet wiederum Zeit. Das wollen wir nicht, uns ist daran gelegen, dass der Energie-Campus jetzt umgesetzt wird. Wir wollen zwar die Windenergie im Hafen ausbauen, aber für ein Forschungszentrum ist dort kein Platz. Und Forschung lässt sich dort auch nicht so ohne Weiteres mit Studenten realisieren, denn der Hafen unterliegt gewissen Sicherheitsbeschränkungen.

Wir wollen in Hamburg einen Beitrag zur Umsetzung der Energiewende leisten, indem wir die Windenergie landschafts- und nachbarschaftsverträglich ausbauen. Wir bieten aber den Anliegern in Bergedorf und auch in Francop weiter einen fairen Dialog an. Wir wollen weiter an einem Interessenausgleich arbeiten und bitten daher in diesem Hause um die Zustimmung zum gemeinsamen Bericht, der Ihnen vorliegt, mit den dazugehörigen Drucksachen, vor allem dem Senatsantrag und dem Zusatzantrag der SPD und der LINKEN. Alle weiteren Anträge werden wir ablehnen. Ich bin aber überzeugt, dass es zum Schluss eine breite Mehrheit in diesem Haus gibt, die für den Ausbau der Windenergie eintritt und gleichzeitig den Bürgerinteressen entgegenkommen will. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Das Wort bekommt Frau Stöver.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Ziel, die Leistung der Windenergie in Hamburg zu verdoppeln, ist ehrenwert, und es war auch Ziel der schwarz-grünen Regierung – das sage ich in aller Deutlichkeit. Doch es hat Veränderungen gegeben, die wir nicht mittragen können.

Zum einen ist es die Ausgestaltung. Mit Repowering ist allgemeinhin eine Reduzierung der Windenergieanlagen zugunsten leistungsstärkerer Anlagen einhergehend. Und damit geht auch eine Reduzierung der Beeinträchtigung der Anwohner einher.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Aber nicht an dem Standort!)

Aber die Zahl der Windenergieanlagen wird offensichtlich nicht reduziert, denn der Zusatzantrag der SPD und der LINKEN spricht sogar von einem Ausbau der Anzahl an Windenergieanlagen.

Zweitens geht es um den Bürgerentscheid. Frau Dr. Schaal hat die Vertreter der Bürgerinitiative aus Bergedorf begrüßt, das möchte ich auch gern tun. Aber, Frau Dr. Schaal, das ist ein Hohn, denn der Bürgerentscheid ist in Bergedorf erfolgreich gewesen, und das gilt es zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das geschieht jedoch offensichtlich nicht. Noch nicht einmal einem Mediationsverfahren wird gefolgt, und auch der sechsseitige Zusatzantrag ändert an dieser Tatsache nichts.

Mit dem vorliegenden Flächennutzungsplan wäre eventuell sogar eine Verdreifachung der Leistung möglich. Aber ist das wirklich der richtige Weg für Hamburg, ist das wirklich der einzig mögliche Beitrag zur Energiewende, auf den Hamburg sich stürzen sollte? Die CDU-Fraktion sagt ganz deutlich nein zu einer ausschließlich von wirtschaftlichen Gründen getriebenen Zielrichtung. Und vor allen Dingen sagen wir nein zu einer Durchsetzung am Willen der Bürger vorbei.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte Sie alle in diesem Hause bitten, sich in die Lage der Anwohner hineinzuversetzen. Seit Jahrzehnten stehen in Hamburg Windräder zur Stromerzeugung, zuletzt knapp 60 Stück. Diese stehen vor allen Dingen im Bezirk Bergedorf und in Harburg-Francop. Die Anwohner leben seit Jahrzehnten mit den 80 Meter hohen Riesen vor ihrer Tür, ohne auf die Straße zu gehen und ohne zu protestieren. Das finde ich sehr wichtig festzuhalten. Dabei sind die Francoper nicht nur durch Windräder beeinträchtigt, denn diverse Infrastrukturprojekte schränken ihren Alltag ein. Eine Berücksichtigung der Vielzahl an Einschränkungen in Francop erfolgte auch in diesem Fall nicht.

Ich möchte Sie noch einmal bitten, sich in die Lage der Anwohner hineinzuversetzen, denn nun sollen diese 80 Meter hohen Riesen von der Höhe her nahezu verdoppelt werden auf 150 Meter und sogar auf 180 Meter. Die Rotoren ragen dabei so weit in den Himmel, dass eine Befeuerung für den Flugverkehr erforderlich wird. Die Abstände zur Wohnbebauung werden nicht angepasst. Daraus folgen die verschiedensten Beeinträchtigungen, die sich für die Anwohner summieren. Ich führe sie auf.

Erstens: die Bedrängung durch die Anlagenhöhe. Einzelne Häuser sind sogar nur 300 Meter von den Windriesen entfernt. Damit hat Hamburg die geringsten Abstandsflächen im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Eine Höhenbegrenzung

(Dr. Monika Schaal)

kann allen Ernstes hier nicht als Schutz der Bevölkerung gewertet werden.

(Beifall bei der CDU)