Protokoll der Sitzung vom 11.12.2013

(Olaf Ohlsen CDU: Ja, du bist so ein kleiner Ringer!)

Wenn die Gefahr besteht, dass Demokratie und direkte Demokratie und parlamentarische Demokratie an Ansehen verlieren, dann ist das für unsere Fraktion, die immer für direkte Demokratie gestritten hat, ein Punkt, an dem wir uns schon Sorgen machen. Aber ich möchte Ihnen, Herr Gladiator, gern etwas erwidern. Wir GRÜNE lassen uns nicht gern vorwerfen,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Ach!)

dass wir letztendlich den Bürgerwillen missachten, nicht von einer CDU, die willentlich und wissentlich einen Volksentscheid zur Privatisierung des LBK übergangen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre gegenwärtige Leidenschaft für die Verbindlichkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden finde ich etwas aufgezogen. Wenn man über direkte Demokratie redet, dann muss von Anfang an klar sein, wer was entscheidet und was verbindlich ist und was nicht. Darauf möchte ich einfach noch einmal hinweisen. Ich habe auch mit den Bürgerinnen und Bürgern der Initiative vor dem Bürgerentscheid besprochen, dass der nicht die Entscheidung sein wird, denn wie bei jedem anderen Thema, für das die Bürgerschaft zuständig ist, hat auch hier eine Empfehlung der Bezirksversammlung oder eben dieser Bürgerentscheid keinerlei Verbindlichkeit. Das ist gerade der Punkt, den ich bedauere und wo ich glaube, dass wir uns vielleicht darüber noch Gedanken machen müssen. Ein Prozess, von dem man weiß, dass die Abstimmung der Bürgerinnen und Bürger am Ende gar nicht das bewirkt, wofür sie sich einsetzen, bräuchte vielleicht eine längere Frist für Verhandlungen, bevor Entscheidungen getroffen werden. Erfolgreiche Bürgerbegehren, die am Ende dann ins Leere laufen, führen zu viel Unmut und Frust und Ähnlichem. Deshalb hätte ich mir eben auch mehr Signale gewünscht, dass man sich in der Sache bewegt, gerade wenn man weiß, dass man einen Bürgerentscheid gewonnen hat, der letztendlich nicht verbindlich ist. Ich bin der festen Überzeu

gung, dass man sich in bestimmten Punkten auf bestimmte Dinge hätte einigen können, die den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entgegengekommen wären. Das hätte aber der Bereitschaft auf beiden Seiten bedurft, und die haben wir nicht wirklich erkennen können. Insofern ist das, glaube ich, jetzt eine Entscheidung, die am Ende natürlich für die Menschen vor Ort nicht befriedigend ist. Das bedauere ich sehr, weil es dort in der Tat auch um Belastungen geht. Das sind aber Entscheidungen, die wir in diesem Parlament leider an vielen Stellen treffen müssen. Darum wünsche ich mir einfach, dass wir in Zukunft vielleicht noch etwas mehr darüber nachdenken, wie man diese formalisierten Planungsverfahren und direkte Demokratie besser synchronisiert, damit sich diese Situation, nämlich Unmut, Frustration und Akzeptanzprobleme gegenüber den Entscheidungen der Bürgerschaft, aber auch gegenüber Bürgerentscheiden, nicht wiederholt. Das ist keine gute Situation, und darum sollten wir diese Debatte nicht in dieser Weise weiterführen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und ver- einzelt bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wir beginnen mit dem gemeinsamen Bericht des Stadtentwicklungsausschusses und des Umweltausschusses aus der Drucksache 20/10117.

Wer Ziffer 1 der Ausschussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist Ziffer 1 mit Mehrheit angenommen.

Wer Ziffer 2 der Ausschussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 2 ist mit Mehrheit angenommen.

Wer Ziffer 3 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 3 ist mit Mehrheit angenommen.

Bevor ich jetzt weiter fortfahre, bitte ich die Zuschauer noch einmal, das Transparent einzuräumen. All die Ermahnungen, die ich an diese Seite des Hauses gewandt habe, gelten natürlich auch für Sie. Sie sind schon einmal ermahnt worden, deshalb appelliere ich an Ihre Lernfähigkeit in dieser Frage, das hilft Ihnen jetzt nicht weiter.

(Von der Zuhörertribüne werden Zurufe skandiert.)

Ich bitte darum, dass Sie uns freiwillig verlassen.

Wer nunmehr Ziffer 4 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltun

(Dr. Monika Schaal)

gen? – Auch Ziffer 4 ist mit Mehrheit angenommen.

Im Übrigen hat die Bürgerschaft Kenntnis genommen.

Nun kommen wir zum gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und der LINKEN aus der Drucksache 20/10268.

Wer diesem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Punkt 61 unserer Tagesordnung, Drucksache 20/10120, dem Antrag der SPD-Fraktion: Versorgung mit Arztpraxen in den Stadtteilen – Planung auf der Grundlage des Hamburger Morbiditätsatlasses vorantreiben.

[Antrag der SPD-Fraktion: Versorgung mit Arztpraxen in den Stadtteilen – Planung auf der Grundlage des Hamburger Morbiditätsatlasses vorantreiben – Drs 20/10120 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/10207 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Eine bessere ärztliche Versorgung gewährleisten – Drs 20/10207 –]

Diesen möchte die SPD-Fraktion an den Gesundheitsausschuss überweisen. Vonseiten der FDPFraktion liegt ein Antrag auf Überweisung der Drucksache 20/10120 ebenfalls an den Gesundheitsausschuss vor.

Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Vértes-Schütter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der Gesundheitsbehörde in Auftrag gegebene und im November vorgestellte Morbiditätsatlas Hamburg liefert erstmals differenzierte Erkenntnisse zum Behandlungsbedarf der gesetzlich Krankenversicherten in verschiedenen Regionen unserer Stadt. Eine ganze Reihe von Vermutungen und Thesen zu Defiziten der kleinräumigen Versorgung finden sich hierin bestätigt.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

So zeigt schon eine erste Durchsicht des Gutachtens, dass die ärztlichen Leistungen nicht immer dort erbracht werden, wo die größten Bedarfe bestehen. Ich gehe davon aus, dass Sie mit mir zu dem Ergebnis kommen, dass es richtig war, eine

solche Arbeit in Auftrag zu geben. Niemand kann so schnell an den Ergebnissen der Studie vorbeigehen.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Morbiditätsatlas Hamburg ist nicht nur die Politik aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten, alle Akteure des Hamburger Gesundheitswesens müssen sich mit diesen Ergebnissen auseinandersetzen und zur Problemlösung beitragen. Der Morbiditätsatlas bietet die Chance, die tatsächlichen Versorgungsbedarfe auf Basis wissenschaftlicher Expertise klar zu benennen und in die Bedarfsplanung einfließen zu lassen. An dieser Stelle dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass Hamburg über Mitwirkungsmöglichkeiten hinsichtlich der regionalen Bedarfsplanung verfügt und diese endlich auch nutzt. Wir sollten aber nicht den Eindruck erwecken, als könnten Senat und Bürgerschaft die Bedarfsplanung eigenverantwortlich und unmittelbar vorantreiben, wie es meines Erachtens im Antrag der Fraktion DIE LINKE suggeriert wird. Auch wenn Einigkeit im Hinblick auf das Ziel einer auch in der Fläche bedarfsgerechten Versorgung besteht, können wir diesem daher nicht ohne Weiteres zustimmen.

Die Studie bestätigt einen Handlungsbedarf, und wir halten es für richtig, jede Chance zu nutzen, um eine adäquate Gesundheitsversorgung in unserer Stadt zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD)

Daher macht es auch Sinn, beide hierzu vorliegenden Anträge im Gesundheitsausschuss erneut aufzurufen.

Unsere Zielsetzung ist klar: Wir brauchen laufend Transparenz über die ambulante Versorgung in den Stadtteilen und über mögliche Defizite. Regionale Gesichtspunkte sind bei der Entwicklung ambulanter Angebote zu berücksichtigen. Besonderheiten in der Demografie und Sozialstruktur müssen in die künftige Bedarfsplanung einfließen. Und schließlich: Wir wollen eine haus- und kinderärztliche Versorgung, die wohnortnah und bedarfsgerecht ist.

(Beifall bei der SPD)

Derzeit sind es neben Faktoren wie Alter und Geschlecht vor allem die sozialen Faktoren, die Einfluss auf Bedarfe, Nachfrage und die Art der Versorgung haben, wie die Untersuchung zeigt. Eigentlich ist bei der Betrachtung von Stadtteilen mit starker sozialer Belastung auch von einer stärkeren Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen auszugehen. Das Gutachten zeigt aber, dass dort relativ zur Häufigkeit der Erkrankungen weniger ärztliche Leistungen in Anspruch genommen werden und sich diese auch in ihrer Struktur von denen in den bessergestellten Stadtteilen unterscheiden. Diesen Trend gilt es zu wenden. Das ist nicht

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

zwingend mit Mehrkosten verbunden. So gibt die Studie einen Hinweis auf einen Substitutionseffekt. Das heißt, dass bei einer im Verhältnis zur Krankheitslast geringeren Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen in der Tendenz mehr stationäre Leistungen in Anspruch genommen werden. Das kann niemand wollen, nicht im Hinblick auf die Gesundheit der Menschen und nicht im Hinblick auf die Kosten für die Versichertengemeinschaft.

Diese Fragen sind es wert, noch einmal sorgfältig im Gesundheitsausschuss erörtert zu werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie unserem Antrag und unserem Überweisungsbegehren folgen würden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Stöver.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das, was die SPD mit dem vorliegenden Antrag aufführt, ist eine Tragödie in drei Akten, und wir gehen weder mit Ihren Schlussfolgerungen noch mit Ihrem Verfahren konform.

Der erste Akt wurde bereits in der Sitzung des Gesundheitsausschusses vom 25. Oktober dieses Jahres aufgeführt. Dort wurden Sie, liebe Frau Prüfer-Storcks, nach dem Stand zweier Gutachten, die in Ihrem Haus in Auftrag gegeben wurden, gefragt. Eines davon war jenes mit dem Titel "Gutachten zum kleinräumigen Versorgungsbedarf in Hamburg", besser bekannt als Morbiditätsatlas. Sie sagten, dass dieses Gutachten bereits vorliege, von der Gesundheitsbehörde aber noch ausgewertet werde. Obwohl die Auswertung zu jener Zeit noch nicht abgeschlossen war, wussten Sie interessanterweise bereits, wo die Probleme liegen und welche Schlüsse Sie daraus ziehen wollen. Als vermeintliches Problem hatten Sie nämlich damals schon die haus- und kinderärztliche Versorgung ausgemacht, und mit der Idee von der Sonderbedarfszulassung hatten Sie auch bereits einen scheinbar plausiblen Lösungsansatz gefunden.

Der zweite Akt folgte dann am 11. November dieses Jahres, als Sie den Morbiditätsatlas mit viel Presse und Brimborium vorstellten. Auch dort stießen Sie, Frau Senatorin, ins gleiche Horn und sagten – ich zitiere –:

"Was wir in einer ersten Analyse des Gutachtens sehen, ist, dass die hausärztlichen und kinderärztlichen Leistungen nicht immer in den Stadtteilen erbracht werden, in denen die Menschen den größten Bedarf haben. Hier besteht offensichtlich Handlungsbedarf."

Zitatende.

Meine Damen und Herren! Handlungsbedarf hört sich aus politischem Mund immer sehr wichtig an, vor allem, wenn es um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geht. Es ist also wenig überraschend gewesen, dass in der Presse am Folgetag unter anderem zu lesen war, dass es in Hamburg "Zu wenige Kinderärzte in armen Stadtteilen" gebe, um stellvertretend für andere Zeitungen eine Schlagzeile aus "DER WELT" vom 12. November zu zitieren. Interessant an Ihrer Pressemitteilung vom 11. November war aber nicht nur ihr Inhalt und welche Wellen sie schlug, sondern dass die Verfasser des Gutachtens, also die Vertreter des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, kurz ZI, scheinbar gar nichts dazu zu sagen hatten, zumindest tauchte kein Statement von ihnen in ihrer Pressemitteilung auf. Die interessierte Öffentlichkeit musste also mit Ihrer Lesart Vorlieb nehmen.