Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kamerad Trepoll, der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion wird, das will ich vorwegschicken und es wird niemanden überraschen, vom Senat inhaltlich voll getragen. Mit dem Gesetzesantrag soll der Schutz der Bevölkerung auch weiterhin ermöglicht werden, ein Ziel, bei dem wir uns, so hoffe ich, über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg alle einig sein dürften.
Die Regelung, über die heute debattiert und entschieden wird, ist nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts nun sehr zügig erforderlich geworden, und sie kommt daher aus Sicht des Senats genau zur rechten Zeit. Es liegt in der Verantwortung des Gesetzgebers, mithin der Hamburgischen Bürgerschaft, entsprechende Regelungen zu schaffen, wenn die vorhandenen Vorschriften im Einzelfall notwendige Maßnahmen nicht tragen. Dies ist dem Gesetzgeber auch so vom Verwaltungsgericht aufgegeben worden. Das Hamburger Verwaltungsgericht hat entschieden, dass für die in der Vergangenheit vorgenommene polizeiliche Begleitung ehemals Sicherungsverwahrter eben keine ausreichende Rechtsgrundlage zur Verfügung steht. Hier hat der Senat Rechtsmittel eingelegt, aber die Entscheidung der Bürgerschaft heute führt zur Rechtsklarheit, zur Rechtssicherheit, und dafür bin ich außerordentlich dankbar.
(Beifall bei der SPD und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP – Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)
Ich will auf den Vorhalt, den Zeitpunkt betreffend, eingehen. Bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg hat die bisher bekannt gewordene Rechtsprechung eben keinen Anlass geboten, an der Tragfähigkeit des von der Polizei in Anspruch genommenen Paragrafen 9 des PolDVG als einschlägiger Rechtsgrundlage zu zweifeln. Das Verwaltungsgericht hatte zwar in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2012 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf verfassungsrechtliche Bedenken hingewiesen, dabei indes die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Sinne ausgeführt, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn Verwaltungsgerichte im Eilverfahren bei entsprechenden Zweifeln zumindest die polizeiliche
Generalklausel als noch ausreichende Rechtsgrundlage für die dauerhafte Observation angesehen haben und die endgültige Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. Somit war auch aus Sicht der Exekutive, des Senats, insoweit nichts anderes zu regeln. Diese gerichtlichen Signale legten mithin noch keinen unmittelbaren gesetzlichen Handlungsbedarf nahe. Ferner lag es nicht auf der Hand, dass der Landesgesetzgeber für eine Neuregelung die Gesetzgebungskompetenz für sich in Anspruch nehmen kann, denn schließlich hat auch der Bund im Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebracht, eine entsprechende Regelung für ehemals Sicherungsverwahrte schaffen zu wollen.
Mit der nun vorgelegten Regelung sollen daher Personen, die sich wegen Straftaten gegen Leib und Leben in der Sicherungsverwahrung befunden haben, von der Polizei begleitet werden können, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen schwerste Gewalt oder Sexualstraftaten erneut begehen werden. Hierin liegt unbestritten ein massiver Eingriff in die Grundrechte der Adressaten der Regelung, das ist unstrittig. Aber dieser Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht nur gerechtfertigt, sondern er ist notwendig, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auch zukünftig in Hamburg gewährleisten zu können. Und das steht im Mittelpunkt dieser Rechtsregelung.
Die zuständigen Behörden der Justiz, aber auch des Inneren in Hamburg hatten zur Umsetzung der Vorgaben der Rechtsprechung bereits entsprechende Vorarbeiten getroffen. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass der gewählte Weg das Verfahren der Rechtsetzung verfassungsrechtlich zulässigerweise durch den Bürgerschaftsbeschluss deutlich beschleunigen wird. Das begrüße ich und dafür will ich noch einmal Dank sagen, denn dadurch wird es möglich, sehr schnell und sehr eindeutig Rechtssicherheit zu schaffen. Nicht ohne Grund verlassen sich die Menschen in Moorburg auch auf die Zusagen, die der Senat und mithin fast alle Parteien gemacht haben. Ich finde es gut, dass die Bürgerschaft sich in der Verpflichtung und in der Verantwortung sieht, diesem gegebenen Wort des Senators auf der einen Seite, aber der Politik als Ganzem auf der anderen Seite auch Taten folgen zu lassen. Deshalb geht mein Dank ausdrücklich an die Bürgerschaft, welche die Belange der Menschen in Moorburg, aber auch der Menschen in ganz Hamburg aufgreift und von ihrer Kompetenz, aber auch von ihrer Verantwortung in dieser Weise Gebrauch macht. Ich hoffe, dass Sie dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion heute zustimmen werden. – Herzlichen Dank.
Herr Senator Neumann, ich weiß nicht, was daran so schwer zu verstehen war. Ich finde, Sie ziehen sich da ein bisschen sehr leicht aus der Affäre. Natürlich – und das hat das Verfassungsgericht eingeräumt – kann man das aufgrund der Generalklausel für eine Übergangszeit machen. Nichts anderes habe ich doch vor einem Jahr bereits gesagt und Sie darauf hingewiesen, dass es nicht trägt – insofern hat Frau Schneider recht in Bezug auf den schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte – und man das nicht beliebig lange fortsetzen kann. Das war mein Einwand vor einem Jahr, und der hat sich offensichtlich als richtig herausgestellt. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Senat kein Initiativrecht für Gesetzentwürfe hat, die er einbringen kann; das kann er selbstverständlich machen. Ich glaube, Sie ziehen sich da ein bisschen sehr einfach aus der Affäre.
Wir haben im Innenausschuss im Dezember, nachdem das Urteil ergangen war, zügig darüber gesprochen. Ich kann mich erinnern, Herr Voet van Vormizeele ebenso, dass wir einen langen Streit darüber hatten, wie wir mit dem Tagesordnungspunkt umgehen, Herr Tabbert. Ihr Wunsch war es doch, diesen Tagesordnungspunkt noch nicht abzuschließen, sondern ihn zu vertagen, damit man sehr schnell und zeitnah die Beratungen dazu im Innenausschuss wieder aufnehmen könne. Ich habe Sie gefragt, ob wir da Zeitdruck hätten. Da wurde mir von Ihnen und vor allen Dingen vom Senat gesagt, nein, wir könnten Berufung einlegen, dann würde das dauern, wir hätten keinen Grund zur Eile. Jetzt gibt es diese plötzliche Umkehr, und das ist natürlich nicht ganz glaubwürdig, Herr Tabbert, das wissen Sie auch. Wir hätten uns dieses komplette Verfahren sparen können und es anständig und richtig machen können, wenn wir eher gestartet wären und der Senat hier eher gehandelt hätte.
denn ich glaube, dass die Menschen in unserer Stadt schon einen Anspruch darauf haben, dass wir für ihre Sicherheit Sorge tragen. Wenn Sie sich mit diesen Menschen befassen, wenn Sie sich mit den Vorfällen befassen und sich die Gutachten
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze Klarstellungen, an denen mir dann doch gelegen ist. Ihre Rede vom Februar 2013, Herr Kollege Trepoll, auf die Sie verwiesen haben, war überschattet von einer Ältestenratssitzung. Jedenfalls haben Sie im Anschluss einen Ordnungsruf erhalten.
Diese Debatte war nicht dazu angetan, eine differenzierte Abwägung über eine neue Gesetzesregelung vorzunehmen. Sie sagten, es sei sowieso schon alles ganz klar gewesen. Ich habe mir die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung, auf die Sie verwiesen haben, natürlich damals schon durchgelesen und auch die entsprechenden Entscheidungen, die es im Eilrechtsschutz vom Verwaltungsgericht genau in diesem Fall schon gab. Im Eilrechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Hamburg gesagt – das ist mir in dem Fall, ehrlich gesagt, dann wichtiger als das Verwaltungsgericht Freiburg, weil es für Hamburg zuständig ist –, dass die Regelung, die es hier gibt, nämlich Paragraf 9 PolDVG – Sie beziehen sich nämlich alle immer auf die polizeiliche Generalklausel –, verfassungskonform auslegbar sei. Wenn das Verwaltungsgericht Hamburg dies sagt, dann war nicht zu erwarten, dass es dann im Hauptsacheverfahren zum entgegengesetzten Ergebnis kommt. Da wir diese Situation hatten – das wollte ich nur noch einmal darstellen –, war für uns nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass wir akuten Handlungsbedarf hatten.
Im Übrigen ist es hilfreich, wenn man so ein Urteil vorliegen hat. Dann kann man auch schauen, was in dem Urteil steht, denn meistens geben die Gerichte auch Hinweise an den Gesetzgeber, was zu beachten sei. Hier wurde gerade gesagt, gewisse Mindeststandards seien nicht eingehalten worden, zum Beispiel würde ein Richtervorbehalt fehlen. Ich habe mir das Urteil des Verwaltungsgerichts genau durchgelesen; deswegen haben wir auch bis Januar gewartet, damit wir uns die Urteilsbegründung anschauen können. Hier steht, dass der Gesetzgeber eine möglichst detaillierte gesetzliche Grundlage schaffen – das haben wir gemacht –
und insbesondere Voraussetzungen und Höchstdauer und verfahrensrechtliche Absicherung wie beispielsweise Überprüfungsfristen – das haben wir gemacht – oder einen Richtervorbehalt vorsehen müsse. Hier werden also zwei Alternativen geboten.
Wir haben uns für die erste Alternative entschieden, weil wir uns jetzt an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts orientieren können. Das hätten wir im letzten Jahr logischerweise gar nicht tun können, weil wir gar nicht wussten, was genau das Verwaltungsgericht von uns verlangt. Ich halte diesen Weg, den wir jetzt gehen, für durchaus verantwortbar. Wir ermöglichen ausdrücklich die nachträgliche Beratung im Innenausschuss, sodass wir das Ganze noch einmal auf der Ebene einer Fachdebatte führen können. Sollten dann – ich habe bisher nichts gehört – Argumente vorgetragen werden, die noch einmal Anlass zur Beratung geben, dann haben wir diese Möglichkeit. Aber jetzt ist es meiner Fraktion erst einmal wichtig, dass es nicht etwa durch eine Eilrechtsentscheidung dazu kommt – es ist in Wahrheit im Moment nur eine betroffene Person –, dass diese Person zum ersten Mal mehrere Wochen unbeaufsichtigt ist. Das wollen wir nicht riskieren. Frau Schneider, Sie würden eine andere Abwägung treffen, darüber kann man sich auch politisch streiten. Aber unsere Entscheidung ist so, und deswegen bitte ich hierfür um Zustimmung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tabbert, wenn Sie sich diese Peinlichkeit nachträglich nach der Ausschussbefassung und nach einer Anhörung von Fachleuten zumuten wollen, dass vielleicht ein neuer Gesetzentwurf vorgelegt werden muss, dann ist das zumindest ein Angebot.
(Urs Tabbert SPD: Sie haben doch keine Vorschläge gemacht! – Dr. Andreas Dressel SPD: Es geht nicht um Peinlichkeit, es geht um Sicherheit!)
Es geht aber auch darum, warum unsere parlamentarischen Gremien nicht in der gleichen Frist, mit der wir heute besprechen und verabschieden, hätten tagen können. Dann hätten Sie das Verfahren gehabt, das aus unserer Sicht notwendig gewesen wäre, um die vielen Fragen zu beantworten, die hier aufgeworfen worden sind und die Sie selbst auch kennen, weil es mitnichten nur ein Urteil zu diesem Thema gibt, sondern ich mindestens vier Urteile gelesen habe, die sich alle darum rangeln und damit beschäftigen, weil alle Bundeslän
der im Moment nach einem Verfahren suchen, das auch auf europäischer Ebene Bestand hat. Aber wir gehen hier den Weg, schnell etwas aufzuschreiben. Es wird nicht im Ausschuss diskutiert und nicht angehört, was Fachleute dazu zu sagen haben. Das halten wir schlicht und einfach für keine kluge Entscheidung.
Mir ist etwas bei der Rede des Senators klargeworden, und ich muss meinen leichten Unmut darüber loswerden. Wenn es nämlich fachliche Kritik an einer Vorlage der SPD-Fraktion gibt, die wir meiner Meinung nach sehr sachlich vorgebracht haben, dann wird sofort gesagt, dass man beim Schreiben der Rede gedacht hätte, das Plenum sei sich einig darüber. Da hofften Sie, wir wären uns bezüglich des Schutzes der Bevölkerung einig. Ich finde es eine völlig unangemessene Unterstellung, die Sie formuliert haben.
Sie sind dann aber in Ihrer weiteren Rede mit keinem einzigen Argument auf die fachlichen Argumente, die vorgetragen wurden, eingegangen. Das betrifft beispielsweise den feinen, aber wichtigen Unterschied zwischen einer angenommenen konkreten Gefahr oder schlicht einer Tatsache, die die Annahme rechtfertigt. Das gehört vielleicht auch in eine Ausschussdebatte, wenn wir es hier nicht besprechen wollen. Aber dann sollten wir vor einer Entscheidung über so ein Gesetz im Ausschuss debattieren können.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, dann können wir zu den Abstimmungen kommen. Zunächst zum Überweisungsbegehren.
Wer die Drucksache 20/10581 an den Innenausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist überwiesen worden.
Wer einer Überweisung der Drucksache 20/10443 in der Neufassung ebenfalls an den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist abgelehnt worden.
Dann können wir dazu in der Sache abstimmen, und zwar über den SPD-Antrag aus der Drucksache 20/10443 in der Neufassung.
Wer diesem Antrag folgen und das darin aufgeführte Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist angenommen worden.