"16- bis 35-jährige Personen in Gruppen (ab drei Personen), die eine Gefahrenneigung erkennen lassen"
Die Kontrolltätigkeit wird also durch Pauschalverdächtigungen geleitet, und infolge davon werden bestimmte Personengruppen, zum Beispiel Drogenkonsumentinnen und –konsumenten, stigmatisiert. Ganze Stadtteile werden als gefährlich stigmatisiert. Weiterhin ist uns zum Beispiel im ehemaligen Gefahrengebiet Bergedorf/Neu-Allermöhe aufgefallen, dass die Kontrollen zu einem überproportional hohen Anteil jugendliche Migranten trafen. Die Gefahr von ethnischer Diskriminierung ist bei dieser Art verdachtsunabhängiger Kontrolle einfach hoch. Dieser Effekt der Stigmatisierung und Diskriminierung ist den verdachtsunabhängigen Kontrollen im Gefahrengebiet eingeschrieben. Auch deshalb muss die Ermächtigungsgrundlage unserer Auffassung nach aus dem Gesetz gestrichen werden.
Drittens werden die Ursachen von Kriminalität durch die Errichtung von Gefahrengebieten nicht behoben. Vielmehr tritt ein bekannter Effekt der sogenannten lageabhängigen Kontrollen auf, Beispiel Ottensen. Mit der Aufnahme verdachtsunabhängiger Kontrollen im zweiten Halbjahr 2005 stieg die Anzahl der in der polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Drogendelikte dort um 57 Prozent – Lagebeurteilung natürlich voll bestätigt. Nach Ende dieser Kontrollen sanken die Zahlen wieder um 49 Prozent. Mit anderen Worten: Die Gefährlichkeit eines Gebiets bestätigt sich durch die Kontrolle – ändern tut sich nichts.
Die Begründung für die gesetzliche Ermächtigung zu verdachtsunabhängigen Kontrollen im Gefahrengebiet hält also der Prüfung nicht stand.
Auch deshalb muss die gesetzliche Ermächtigung zur Errichtung von Gefahrengebieten unserer Meinung nach aus dem Gesetz gestrichen werden.
Wir haben sozusagen hilfsweise – auch wenn man das, glaube ich, im Parlamentarischen eher nicht sagt – unserem Antrag einen zweiten Punkt hinzugefügt. Es ist in der Auseinandersetzung um das letzte riesige Gefahrengebiet sehr deutlich geworden, dass bei diesem sehr weitreichenden Instrument das Prinzip der Gewaltenteilung weitgehend aufgehoben ist. Über den "kleinen Ausnahmezustand", wie Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" die Situation meines Erachtens treffend beschrieb, entscheidet ausschließlich die Polizei. Das erfüllt in unseren Augen nicht einmal die Mindestbedingung von Rechtsstaatlichkeit. Dass gegen Verwaltungsakte Fortsetzungsfeststellungsklagen eingeleitet werden können, ist klar; Frau Möller
hat es schon erwähnt. Das ist wahr, liebe SPD, aber erstens dauert es in der Regel Jahre bis zum Urteil, und zweitens – das will ich hier einmal deutlich sagen – lehrt uns die Erfahrung, dass das Verwaltungsgericht Hamburg in ich weiß nicht wie vielen Fällen von Fortsetzungsfeststellungsklagen Einsätze der Polizei als rechtswidrig beurteilt hat, ohne dass die Hamburger Polizeiführung daraus Konsequenzen gezogen hat.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Worüber diskutieren wir heute? Wir diskutieren über eine gesetzlich klar geregelte polizeiliche Maßnahme, die bei den parlamentarischen Beratungen im April 2005 von den angehörten Sachverständigen in keiner Weise beanstandet wurde, die von der schwarz-grünen Koalition beibehalten wurde – sie war nicht einmal Gegenstand des Koalitionsvertrags – und die vom Verwaltungsgericht Hamburg im Oktober 2012 gebilligt wurde. Ich finde es gut, dass wir eine sehr sachliche Diskussion führen, anders als vielleicht in der Aktuellen Stunde.
Betrachten wir die Entwicklung der lageabhängigen Kontrollen, dann müssen wir uns die Regelung in Paragraf 4 Absatz 2 des Datenverarbeitungsgesetzes der Polizei vor Augen führen, die es seit 2005 gibt. Wenn wir umgangssprachlich von Gefahrengebieten in der Zeit vor 2005 sprechen, dann handelt es sich um Gebiete, in denen im Zusammenhang mit dem Handlungskonzept St. Georg von 1995 und dem ergänzenden Konzept "Sichere Innenstadt" von 1998 die polizeilichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenkriminalität intensiviert wurden. Das heißt auf gut Deutsch: Diese Befugnisse hat unsere Hamburger Polizei im Bereich St. Georg seit 1995. Ich habe an keiner Stelle, weder in Zeiten von Rot-Grün noch während der Alleinregierung oder der Koalition von Schwarz-Grün Kritik an diesem Gefahrengebiet innerhalb St. Georgs gehört. Ich habe nie davon gehört, dass dort Menschenrechte außer Kraft gesetzt worden seien. Es ist ein Teil der Sicherheitsarchitektur unserer Stadt, die funktioniert, die einen guten Beitrag leistet. Aus meiner Sicht macht das deutlich, dass in den letzten Tagen eine Diskussion geführt wurde, die, wie der Bürgermeister es vorhin gesagt hat, nicht die Realität in unserer Stadt widerspiegelt.
trollen durchzuführen. Das ist eine Gesetzesänderung, die die Kollegen der CDU damals mit ihrer Mehrheit so beschlossen haben.
Verzeihen Sie. Sie waren Justizsenator, Sie wissen, was unter Schwarz-Grün alles möglich war, Herr Steffen. Danke für den Hinweis; es war 2005.
Was heißt das? Das heißt, unsere Polizei kann in solchen Gebieten Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Dinge in Augenschein nehmen. Es darf eben nicht …
(Senator Michael Neumann wendet sich an den Vizepräsidenten – Olaf Ohlsen CDU: Sind das jetzt Zwiegespräche? – Christiane Schneider DIE LINKE: Wollen Sie jetzt auch noch das Präsidium übernehmen? – Zurufe aus dem Plenum)
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Der Senator hat mich darauf hingewiesen, dass nach seinem akustischen Verständnis ein nichtparlamentarisches Wort gefallen ist. Ich habe das selber nicht gehört und darum habe ich es auch nicht gerügt. Ich kann das nicht weiter aufklären. – Herr Senator, fahren Sie bitte fort.
Es darf nicht jede beliebige Person, die in diesem Gebiet angetroffen wird, kontrolliert werden, sondern die Person muss einer zuvor festgelegten, relevanten Gruppe zugerechnet werden – Frau Schneider hat es vorgetragen.
Die konkreten Lageerkenntnisse müssen im Antrag auf Errichtung eines Gefahrengebiets dargelegt und ständig – das ist wichtig – aktualisiert werden. Es handelt sich hier also nicht um eine willkürliche polizeiliche Maßnahme, sondern um nachprüfbare Bewertungen, auch – und das ist wichtig – gerichtlich nachprüfbare Bewertungen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt für die Rechtsstaatlichkeit.
Seit dem Jahr 2005 sind knapp 40 solcher Gebiete eingerichtet und ganz überwiegend natürlich, wenn sie nicht mehr angemessen waren, auch wieder aufgehoben worden. Sie wurden aus verschiedenen Motiven eingerichtet, sei es im Zusammenhang mit Betäubungsmitteldelikten, Gewaltdelikten, Brandstiftungen, aber auch im Zusammenhang mit Fußballspielen wie den Public-Viewing-Veranstaltungen während der Fußballweltmeister
schaft 2006, den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit, der Innenministerkonferenz und wiederholt auch im Zusammenhang mit dem sogenannten Schanzenfest.
Die Maßnahmen wurden und werden mit Augenmaß angewendet und haben sich bewährt. Und ich sehe aus Sicht des Senats keine Veranlassung, die Regelung zu ändern oder gar aufzuheben.
Wenn jetzt der Eindruck erweckt wird, zu Beginn des Jahres sei über ein großes Wohngebiet der Ausnahmezustand verhängt worden, so ist das schlichtweg nicht wahr.
Die Polizei hat vom 4. bis zum 12. Januar weniger als 1000 Personenüberprüfungen durchgeführt und in etwa 300 Fällen die mitgeführten Sachen in Augenschein genommen. Wurden Personen dabei mehrfach kontrolliert, was nicht auszuschließen ist, so zählen die Überprüfungen entsprechend mehrfach. Zum Vergleich: Im Zuge der an Wochenendnächten üblichen verstärkten Präsenzmaßnahmen der Polizei in dem seit 2005 eingerichteten Gefahrengebiet Vergnügungsviertel St. Pauli werden erfahrungsgemäß rund 100 Personen überprüft. Da wird vielleicht noch einmal die Relation deutlich.
Rufen wir uns in Erinnerung – und das ist auch wichtig –, was der Einrichtung des Gefahrengebiets vorangegangen war. Ich habe darüber in der Aktuellen Stunde schon berichtet und will es nur stichwortartig noch einmal nennen: Der Angriff mit dem aus dem Boden gerissenen Straßenverkehrsschild am 17. Dezember auf eine Streifenwagenbesatzung, bei dem dieses Straßenschild als Rammbock genutzt wurde, um einen Streifenwagen zu attackieren; die beiden Kollegen wurden erheblich verletzt. Am 20. Dezember hat eine Gruppe von Störern die Davidwache angegriffen, die Fahrzeuge zerstört und beträchtlichen Schaden am Dienstgebäude und an Einsatzfahrzeugen verursacht. Darüber hinaus wurden auch an Geschäftsgebäuden und Privatfahrzeugen erhebliche Sachschäden verursacht. Über die Ereignisse und die mehr als 160 verletzten Beamtinnen und Beamten im Zuge der sogenannten Demonstration vom 21. Dezember haben wir heute in der Aktuellen Stunde schon ausführlich gesprochen. Am 28. Dezember wurden Polizeibeamte angegriffen, und in diesem Zusammenhang erlitt ein Polizeibeamter einen Kiefer- und Nasenbeinbruch. Deswegen will ich auch hier noch einmal deutlich sagen – ich habe es in der Aktuellen Stunde schon einmal gesagt, weil Herr Kerstan den Bürgermeister noch einmal danach fragte –: Ich glaube, dass es richtig ist, dass es klug ist, dass die Staatsanwaltschaft diesen kompletten Komplex durchermittelt und
dann ihre Ermittlungsergebnisse vorstellt. Es macht wenig Sinn, in einem laufenden Ermittlungsverfahren politische Bewertungen des Senats abzufragen. Ich bin der Auffassung, dass die beste Instanz, die das zweifelsfrei klären kann, die Staatsanwaltschaft ist. Sie ist Herrin des Verfahrens, sie soll das machen, und dann werden wir uns gewiss auch politisch mit den Bewertungen der Staatsanwaltschaft auseinandersetzen. Das habe ich heute Mittag in der Aktuellen Stunde gesagt, Sie haben danach noch einmal den Bürgermeister gefragt, und ich hoffe, Sie haben jetzt zumindest von mir die Antwort so wahrgenommen.
Neben diesen Angriffen hatte es seit November 2013 verschiedene Ereignisse gegeben, bei denen Personen aus der linksextremistischen oder autonomen Szene Polizeibeamte, polizeiliche oder andere staatliche Einrichtungen sowie Wohngebäude von Vertretern des Hamburger Senats oder der Bürgerschaft angegriffen haben. Viele der heute hier an der Debatte teilnehmenden Abgeordneten waren selbst Ziel und Opfer dieser feigen Straftaten.
Da aufgrund von Lageerkenntnissen von einem weiterhin bestehenden erheblichen Aggressionspotenzial gegenüber Polizeikräften und polizeilichen beziehungsweise staatlichen Einrichtungen auszugehen war, wurde die Einrichtung des Gefahrengebiets beschlossen. Und wenn ich sage beschlossen, dann wurde dieser Vorschlag von der Polizeiführung inklusive des Polizeipräsidenten erarbeitet und der Leitung der Innenbehörde – erst dem Staatsrat und dann mir – vorgestellt. Das ständige Wiederholen, dass ich nicht daran beteiligt gewesen wäre, macht den Sachverhalt nicht richtiger. Ich habe diese Entscheidung getroffen, und wenn Sie, Herr van Vormizeele, gerade gesagt haben, dass es weder unter Herrn Ahlhaus noch unter Herrn Vahldieck Entscheidungen gegeben habe, in die die Behördenleitung nicht eingebunden war, dann ist das eine der wenigen Traditionen, die ich in der Behörde fortgesetzt habe.