Protokoll der Sitzung vom 23.01.2014

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU)

(Senator Detlef Scheele)

In den vergangenen Monaten ist in der Öffentlichkeit angesichts der Debatte über die sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge von der Opposition mehrfach und bewusst der Eindruck geschürt worden, die SPD und der Senat würden herzlos und abweisend gegenüber den Flüchtlingen handeln; das ist auch heute von Frau Demirel noch einmal so dargestellt worden.

Der Antrag und auch der Redebeitrag von Kazim Abaci zeigen, dass sich der Senat mit großer Anstrengung darum bemüht, für die inzwischen mehr als 10 000 Flüchtlinge in Hamburg Unterbringung, Versorgung und Akzeptanz herzustellen und ihnen geregelte und faire Anerkennungsverfahren zu bieten. Damit wird ein weiteres Mal deutlich, wie falsch dieses Zerrbild vom herzlosen SPD-Senat ist und wie richtig und wichtig es ist, eine kluge und solidarische Flüchtlingspolitik zu betreiben. Für uns gehören Humanität und Rechtsstaatlichkeit untrennbar zusammen, und zwar im Reden und im Handeln.

(Beifall bei der SPD)

Was wir nicht unterstützen werden, ist eine Instrumentalisierung von Flüchtlingen oder Flüchtlingsgruppen für populistische Ziele. Der Rahmen für eine liberale und humane Flüchtlingspolitik ist unser Rechtsstaat. Es kann nicht nur darum gehen, ein Bleiberecht für alle zu fordern, sondern man muss sich auch darum kümmern, was aus den Menschen wird, wenn sie sich hier über längere Zeit oder sogar für immer aufhalten.

Deshalb haben wir Sozialdemokraten auch im Koalitionsvertrag für den Bund einige zentrale Maßnahmen für mehr und bessere Integration durchgesetzt: den Wegfall des Optionszwangs bei der Staatsbürgerschaft, den Ausbau der Sprach- und Integrationskurse, eine dauerhafte Aufenthaltsregelung für lange hier lebende, geduldete Menschen, einfachere Aufenthaltserlaubnisse für Jugendliche und Heranwachsende, den Vorrang des Jugendhilferechts für jugendliche, unbegleitete Flüchtlinge und den Zugang für Asylbewerber und Geduldete zum Arbeitsmarkt nach bereits drei Monaten.

Mit unserem Antrag wollen wir nun aus Hamburg den Druck dafür aufrechterhalten, dass diese Maßnahmen rasch umgesetzt werden und dass darüber hinaus weitere Verbesserungen kommen, wie etwa die Ausweitung der Integrationskurse auf 600 Stunden.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen die rechtlichen Möglichkeiten extensiv ausnutzen, die zivilgesellschaftlichen Möglichkeiten für humanitäre Solidarität gegenüber den Flüchtlingen unterstützen und fördern und gegenüber der Bundesregierung und der EU Reformen und die Durchsetzung humanitärer Standards einfordern. Das ist unsere demokratische, unsere so

zialdemokratische Flüchtlingspolitik, und die ist nicht herzlos, sondern sie ist menschlich, solidarisch und auch politisch fortschrittlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe in diesem Zusammenhang an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion eine besondere Bitte. Sprechen Sie mit Ihren Abgeordneten in Ihrer Bundestagsfraktion, mit Weinberg, Fischer, Gundelach, Kruse und Klimke. Sie sollen endlich die rechtspopulistische Stimmungsmache ihrer Fraktionskollegen aus Bayern gegen Armutszuwanderung und Sozialtourismus von Bulgaren und Rumänen zurückweisen. Die Parole "Wer betrügt, der fliegt" ist nichts anderes als eine zynische und kalkulierte Parole im Kommunalwahlkampf der CSU. Diese Parole ist ein schwerer Verstoß gegen die Grundsätze der demokratischen Kultur in unserem Land.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Diejenigen, die aus Armut und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit fliehen, kommen hierher auf der Suche nach Arbeit und nicht mit dem Vorsatz, Sozialhilfe einzustreichen.

(Zuruf von Nikolaus Haufler CDU)

Eine solche Unterstellung verletzt boshaft den Stolz und die Würde dieser Menschen und sie zeigt, dass diejenigen, die so etwas behaupten, keine Ahnung von der Würde und dem Selbstverständnis dieser Menschen haben. Sogar nach einer Studie des arbeitgebernahen Instituts Deutscher Wirtschaft ist die Zuwanderung für Staat und Wirtschaft von Vorteil. Die Arbeitgeber weisen die CSU darauf hin, Immigranten finanzierten unsere Sozialsysteme und seien von daher ein wichtiger Teil für die Zukunft unserer Wirtschaft und unseres Arbeitsmarktes. Unter den zugewanderten Arbeitskräften ist mit rund 42 Prozent ein größerer Teil sozialversicherungspflichtig beschäftigt als unter den in Deutschland Geborenen, bei denen es 35,5 Prozent sind. Das bedeutet, dass die Zuwanderer den deutschen Sozialstaat nicht belasten, sondern im Gegenteil mitfinanzieren und stützen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Ihr Koalitionspartner!)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sollten Sie Ihren Parteifreunden im Bundestag einmal deutlich sagen, damit wir in Deutschland eine Willkommenskultur entwickeln und keine Ausgrenzungskultur. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Haufler.

(Wolfgang Rose)

Sehr geehrter Herr Kollege Rose, Sie sind für Ihre markigen Worte bekannt,

(André Trepoll CDU: Richtig!)

und auch bei einem Antrag, der so wenig Substanz enthält, haben Sie kein Problem damit, sehr starke Begriffe politisch von der Tribüne herunterzuschmettern.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Ich glaube, da haben Sie sich ein ganz klein wenig zu weit herausgewagt.

Erstens: Herzlich willkommen in der Großen Koalition. Die Zeiten, in denen Sie diese Textbausteine verwenden, dass die CDU nach Berlin gehen solle, sind vorbei. Ihre Abgeordneten sind jetzt genauso in der Regierung wie unsere Abgeordneten. Sprechen Sie doch bitte einmal mit Ihren Abgeordneten.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens: Ihre Unterstellung, man könne mit uns keine Politik für Zuwanderer in dieser Stadt machen, kann doch wohl nur ein Scherz sein. Wer hat das Stipendienprogramm, das eben bei Ihnen anklang und ganz zentral steht,

(Finn-Ole Ritter FDP: Das ist ja eine traum- hafte Koalition!)

eingerichtet? Wer hat das Hamburg Welcome Center eingerichtet? Wer hat das Integrationskonzept eingeführt? Das war alles die CDU. Während 40 Jahre SPD-Regierung war Stillstand; wir haben das gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Der einzige substanzielle Punkt, der in Ihrem Antrag wirklich enthalten ist und über den ich deshalb so lange gesprochen habe, bezieht sich gar nicht auf Hamburg. Sie haben keinen Antrag gestellt, in Hamburg einen Rechtsanspruch einzuführen. Darüber hätten wir uns unterhalten können, da hätten wir Für und Wider abwägen können.

(Kazim Abaci SPD: Machen Sie das doch!)

Sie haben einen Antrag im Bund gestellt, wo Sie mitregieren, auf Hamburger Ebene einen Rechtsanspruch einzuführen. Ich kann nicht verstehen, wie das mit unserem Grundgesetz vereinbar sein soll.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Ihr Herz wirklich so für die Zuwanderer brennt, dann gehen Sie doch bitte zurück in die Debatte über den Hamburger Haushalt, die wir schon zweimal geführt haben. Ich habe dort zweimal darum gebeten, den Zuwanderern in dieser Stadt Integrationskurse mit dem Zweck einer Diplom-Anerkennung zu finanzieren und einzurichten. Diese Menschen brauchen diese Kurse. Und

zweimal haben Sie das abgelehnt. Dann kommen Sie aber an und sagen, Ihr Herz brenne für die Zuwanderer und Sie seien nicht kaltherzig. Ich kann das nicht verstehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, können wir zur Abstimmung kommen. Die CDU-Fraktion möchte die Ziffer 1 separat abstimmen lassen.

Wer sich nun zunächst Ziffer 1 des SPD-Antrags anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit angenommen.

Wer auch die übrigen Ziffern des Antrags annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig passiert.

Punkt 23a, Drucksache 20/10333, Senatsantrag: Stellungnahme des Senats zum Ersuchen der Bürgerschaft vom 27. März 2013: "Hamburg braucht einen Masterplan zur Sanierung von Gehwegen, Radwegen und Straßen", Haushaltsplan 2013/2014, Einzelplan 7 Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, Nachforderung von Haushaltsmitteln in Höhe von 2 Millionen Euro im Jahr 2014 bei dem neu einzurichtenden Titel 7200.741.87: "Erhaltungsmanagement und Instandsetzung Hamburger Straßen, Zweckzuweisung an die Bezirke".

[Senatsantrag: Stellungnahme des Senats zum Ersuchen der Bürgerschaft vom 27. März 2013 "Hamburg braucht einen Masterplan zur Sanierung von Gehwegen, Radwegen und Straßen" (Drucksache 20/6988) Haushaltsplan 2013/2014 Einzelplan 7 Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation Nachforderung von Haushaltsmitteln in Höhe von 2 Mio. Euro im Jahr 2014 bei dem neu einzurichtenden Titel 7200.741.87 "Erhaltungsmanagement und Instandsetzung Hamburger Straßen, Zweckzuweisung an die Bezirke" Erhaltungsmanagementsystem für Hamburgs Straßen (EMS-HH) – Drs 20/10333 –]

Diese Drucksache ist bereits am 7. Januar 2014 im Vorwege federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an den Verkehrsausschuss überwiesen worden.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Frau Koeppen, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Stellungnahme des Senats wird die Grundlage für die Einführung eines systematischen Erhaltungsmanagements gelegt, und damit wird die Forderung aus unserem Ersuchen aus dem März 2013 umgesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Aber warum ist ein Erhaltungsmanagement dringend notwendig? Reicht es nicht einfach aus, mehr Geld in die Hand zu nehmen und es sinnlos auf die Straße zu bringen? Nein, das primäre Ziel eines sogenannten "Pavement Management Systems" ist es, dem zunehmendem Werteverlust des Anlagevermögens der Freien und Hansestadt Hamburg entgegenzuwirken. Straßen, Fußwege und Radwege sind unter dem Einfluss von Klima und Verkehr einem Ermüdungs- und Verschleißprozess ausgesetzt, der langfristig zu einem vollständigen Verlust dieses Anlagevermögens führen wird. Dies machen auch die aktuellen Zahlen deutlich. Die im Jahre 2012 durchgeführte Zustandserfassung der Hauptverkehrsstraßen zeigte eine deutliche Verschlechterung des Zustands gegenüber den Werten von 2003 und 2008. Der Anteil der als sanierungsbedürftig einzustufenden Straßen hat sich von 2008 bis 2012 von 30,8 Prozent auf 35 Prozent erhöht. Das ist eine alarmierende Zahl.

Alarmierend war auch die Höhe der Haushaltsmittel, die unter Schwarz-Grün für die Unterhaltung und die Investitionen in die Infrastruktur bereitgestellt wurden. So standen hierfür im Haushaltsjahr 2010 lediglich rund 46 Millionen Euro zur Verfügung. Als Sofortmaßnahme wurden diese Mittel im Haushaltsjahr 2011 vom SPD-Senat um mehr als 20 Millionen Euro erhöht.