Protokoll der Sitzung vom 12.02.2014

Ich gehe noch einen Schritt weiter, Herr Kerstan, auch einen Schritt weiter als Sie. Wir brauchen schnelle Entscheidungen, und ich denke, dass die

(Dr. Monika Schaal)

Entscheidungen vorbereitet sind. Wir brauchen keine langen Diskussionen, sondern wir brauchen Entscheidungen noch in diesem Jahr. Das fehlende Wärmekonzept ist ausgiebig diskutiert und auch kritisiert worden, ein Energiekonzept ist schon seit zwei Jahren angekündigt. Erst in diesem Jahr soll es nun ein Wärmekonzept geben. Es ist eindeutig, liebe SPD-Kollegen, dass Sie keinen Plan haben.

Aber wir haben den Masterplan Klimaschutz.

(Jens Kerstan GRÜNE: Da steht ja nix drin!)

Aber das ist doch die Grundlage, die wir im Moment haben, Herr Kerstan, das wissen Sie ganz genau. Sie ist dünn genug, das ist völlig richtig.

Darin steht, dass das total veraltete Kohlekraftwerk in Wedel mit einer Technologie aus den Sechzigerjahren durch ein hochmodernes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk ersetzt werden solle. Das ist eine mehrfach bekräftigte Absicht des Senats und der Mehrheitsfraktion. Doch was ist bei der Pressekonferenz am 15. Januar passiert? Es wurde angekündigt, dass eine Kaufoption für das Fernwärmenetz für das Jahr 2018 oder sogar 2019 besteht. Diese Kaufoption sieht zwei Kaufpreise vor, einen inklusive eines hochmodernen GuD und einen ohne dieses. Was wollen Sie wirklich? Den Klimaschutz in der Stadt verbessern und – wenn wir das GuD bauen – die Co2-Bilanz des Kraftwerks in Wedel nach Ihren eigenen Berechnungen um nahezu 50 Prozent senken? Hierzu sind klare Entscheidungen für das GuD notwendig, ansonsten gefährden Sie nicht nur die Klimaschutzziele, sondern Sie gefährden vor allem die gesamte Wärmeversorgung im Hamburger Westen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Die Entscheidung erst 2015 zu treffen ist objektiv viel zu spät. Die von mir gestellte SKA beschäftigt sich damit, wann eine Entscheidung notwendig ist. Sie fragt alle Optionen ab, wann ein Kraftwerk überhaupt fertig gebaut werden kann. Ein Unternehmen wie Vattenfall wird das Risiko eines Kraftwerkneubaus auch nur eingehen, wenn eine Sicherheit seitens der Stadt besteht, dass sie den Neubau beim Ziehen der Kaufoption übernimmt. Wenn aber die Entscheidung für das GuD Wedel nicht im ersten Halbjahr 2014 fällt, dann kann das neue Kraftwerk bis 2018 gar nicht fertiggestellt werden, denn eine Bauzeit inklusive einer Inbetriebnahmephase unter vier Jahren ist für einen Kraftwerkneubau überhaupt nicht realistisch. Ihre Aussage, die Entscheidung 2015 zu fällen – das bedeutet nach der Bürgerschaftswahl –, ist deutlich fahrlässig und kann eigentlich nur als wahltaktisches Manöver gewertet werden.

(Beifall bei der CDU und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Dieses wahltaktische Manöver macht eines deutlich. Sie wollen wissen, wie die Konstellation nach der Wahl aussieht, wer dann die BSU führt; das könnte auch jemand anderes sein. Das ist hasenfüßig, und damit gefährden Sie – ich sage es ein weiteres Mal – die Wärmeversorgung im Hamburger Westen.

(Beifall bei der CDU – Hans-Detlef Roock CDU: Das ist schlimm genug!)

Meine Damen und Herren! Abschließend komme ich noch einmal zu den zwei Kaufpreisen des Fernwärmenetzes: mit Gaskraftwerk 1,15 Milliarden Euro, ohne GuD 950 Millionen Euro. Die Differenz zwischen diesen beiden Kaufoptionen beträgt 200 Millionen Euro. Die tatsächlichen Neubaukosten eines GuD-Kraftwerks belaufen sich auf rund 450 Millionen Euro. Auch vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass Vattenfall die Entscheidung für das GuD ohne eine Sicherheit der Stadt trifft, da dieses sonst per se für sie ein Minusgeschäft wäre.

Interessant ist die Tatsache, dass der Bau der Moorburgtrasse von Moorburg nach Altona gut 200 Millionen Euro betragen würde. Ei der Daus, das ist genau die Differenz der beiden Kaufpreisoptionen, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

(Beifall bei der CDU)

Aber Frau Dr. Schaal hat deutlich gesagt, dass die Moorburgtrasse kategorisch abgelehnt wird. Das ist also keine Option, obwohl sie objektiv die wirtschaftlichste und ökologisch die beste Lösung wäre. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie möglicherweise überraschen, dass ausgerechnet ich an dieser Stelle sagen muss: Herr Kollege Kerstan, zum Thema Fernwärme haben Sie wirklich einmal etwas Richtiges gesagt.

(Beifall bei der FDP – Jens Kerstan GRÜNE: Was? Lob von der falschen Seite ist immer gefährlich!)

Herr Kerstan, nicht zu früh freuen.

Natürlich nicht in dem Einbringungsredebeitrag vorhin, Herr Kerstan, das war das Übliche und zu Erwartende. Sie haben im Dezember 2011 im Betreff Ihrer Schriftlichen Kleinen Anfrage eine rhetorische Frage gestellt. Und die war wirklich richtig und lautete:

"Hat Vattenfall in den Verhandlungen mit dem Senat die Fernwärmekunden als Geiseln genommen?"

(Birgit Stöver)

Nun will ich nicht in Begeisterung verfallen, insbesondere nicht über Ihre Redebeiträge, aber wenn ich mir heute die Vereinbarungen anschaue, die Vattenfall und die Stadt zum Thema Fernwärme abgeschlossen haben – der Senat hat uns dazu am 28. Januar eine Drucksache vorgelegt –, dann muss ich schon sagen: Respekt, Herr Kerstan, die damalige Fragestellung war schon fast prophetisch. Vattenfall hat nicht nur den Zeitdruck in Sachen Stromnetzkonzession, sondern vor allen Dingen auch die Plan- und Konzeptionslosigkeit des Senats genutzt, um ein gutes Ergebnis zu verhandeln. Super für Vattenfall – aus Sicht eines Unternehmens ist das auch legitim –, aber im Umkehrschluss zum Schaden der Stadt und der Steuerzahler. Ich meine daher, dass der eigentliche Skandal, den wir heute debattieren müssen, nicht die nur unter dem Mikroskop erkennbare Klimaund Umweltpolitik von Frau Senatorin Blankau ist, sondern das grottenschlechte Verhandlungsergebnis des Senats in Sachen Fernwärme.

(Beifall bei der FDP)

Ich will auch begründen, warum das Verhandlungsergebnis in Sachen Fernwärme grottenschlecht ist.

Punkt 1: Gibt es eigentlich irgendeinen sachlichen Grund dafür, die Vereinbarung zur Übernahme der Stromgesellschaft nur zeitgleich mit dem Optionsvertrag für die Fernwärmegesellschaft abzuschließen? Frau Schaal hat eben selbst gesagt, dass es gar keinen Zeitdruck gegeben habe. Der einzige Grund war die starke Verhandlungsposition von Vattenfall aufgrund des Zeitdrucks beim Konzessionsverfahren Stromnetze. Aber genau diese Verhandlungssituation war für den Fall eines erfolgreichen Volksentscheids völlig absehbar. Der Senat war also offensichtlich nicht genau auf diese Situation vorbereitet. Der Senat hatte keinen Plan B, und das Ergebnis ist eine schlechte Vereinbarung.

Punkt 2: Der Kaufpreis für die Wärmegesellschaft soll bei Ausübung der Kaufoption durch einen Wirtschaftsprüfer nach dem Unternehmenswert ermittelt werden. IDW S 1. Hört sich zunächst fair oder objektiv an, stimmt nur leider nicht. Wenn Sie die Drucksache sorgfältig lesen, dann werden Sie feststellen, wie es tatsächlich ist. Vattenfall und der Senat haben Mindestkaufpreise vereinbart – das finden Sie auf Seite 12 der Umsetzungsdrucksache –: mit GuD-Kraftwerk 1,15 Milliarden Euro, ohne 950 Millionen Euro; Frau Stöver hat das eben schon ausgeführt. Der Kaufpreis wird also eben nicht durch eine Unternehmensbewertung ermittelt; der Mindestkaufpreis steht fest. Ermittelt wird allenfalls das, was noch obendrauf kommt. Wenn das Unternehmen aber 2017 weniger wert sein sollte als die vereinbarten Mindestpreise – und es gibt gute Gründe dafür, dass es so sein könnte, wie höhere Investitionen, schärferer Wettbewerb, neue gesetzliche Regelungen –, dann gibt es keinen Ab

schlag. Selbst für den Fall, dass der Wirtschaftsprüfer einen Unternehmenswert unterhalb der vereinbarten Mindestkaufpreise feststellt, gibt es keinen Abschlag. Dann gelten die Mindestpreise und nicht der durch den Wirtschaftsprüfer ermittelte Unternehmenswert. Meine Damen und Herren, das ist kein fairer Deal für die Stadt.

(Beifall bei der FDP)

Punkt 3: Was passiert aber, wenn genau das Gegenteil eintreten sollte, also der ermittelte Unternehmenswert höher als erwartet ist und die Stadt deshalb die Option nicht ausübt? Das können Sie ebenfalls auf Seite 12 der Drucksache nachlesen. Dann wird Vattenfall die Nachbewertungsklausel aus den ursprünglichen Beteiligungsverträgen 2012 ziehen und für die 25,1 Prozent eine nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises um weitere bis zu 32,5 Millionen Euro verlangen. Wiederum ist festzustellen: Das ist ein schlechter Deal für die Stadt.

(Beifall bei der FDP)

Punkt 4: Wie steht es mit dem Inhalt der VattenfallVereinbarung? Hat der Senat mit der Vereinbarung zumindest etwas für den Klimaschutz erreicht oder für die Umwelt oder für verbraucherfreundliche Preise? Auch hier Fehlanzeige. Das Gegenteil ist der Fall, denn nach dem Kooperationsvertrag mit Vattenfall vom November 2011 war die Wärmegesellschaft damals in der Tat unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit verpflichtet, ein GuD-Kraftwerk in Wedel zu bauen. Das ist jetzt in weite Ferne gerückt. Die Gesellschafter wollen hierüber bis Ende 2015 endgültig entscheiden. Was bedeutet denn diese Regelung? Das stärkt doch erneut die Verhandlungsposition von Vattenfall, weil die Betriebsgenehmigung des alten Heizkraftwerks in Wedel abläuft. Ob das mit der alternativ gedachten – in Anführungsstrichen – Ertüchtigung klappt, steht deshalb in den Sternen, weil das weder der Senat zu entscheiden hat noch Vattenfall, sondern die zuständige Genehmigungsbehörde in Schleswig-Holstein. Also auch hier hat der Senat schlecht verhandelt.

(Beifall bei der FDP)

Ein anderes Beispiel: Warum hat der Senat eigentlich mit Vattenfall nicht vereinbart, das Fernwärmenetz zu öffnen, um dezentral Energie einzuspeisen und dort zu speichern, etwa Prozesswärme aus Industrie- oder Produktionsbetrieben, genau so, wie es im Kooperationsvertrag mit E.ON vereinbart worden ist? Das wäre klimafreundlich, das schafft mehr Wettbewerb und ist auch innovativ. Davon würden gleichermaßen Verbraucher wie Grundeigentümer und ihre Mieter profitieren. Aber auch in diesem Punkt Fehlanzeige. Es stellt sich schon die Frage, warum das eigentlich mit E.ON geht, aber nicht mit Vattenfall. Antwort: Weil sich dieser Senat

über den Tisch hat ziehen lassen – schlecht für die Stadt, schlecht für die Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP)

Punkt 5: Für dieses magere Verhandlungsergebnis hat der Senat einseitig und unabhängig von der Ausübung der Kaufoption seine Rechte aus der Endschaftsklausel nach dem Konzessionsvertrag 1994 aufgegeben, auf diese Rechte unwiderruflich verzichtet, also eigentlich auf den zentralen Hebel zur Umsetzung des Volksentscheids. Das ist nachzulesen auf Seite 11 der Drucksache. Im Ergebnis ist das also schlecht verhandelt und ein schlechter Deal für die Stadt.

Es gibt viel zu diskutieren. Wir finden die Initiative eines Wärmekonzepts grundsätzlich diskutabel. Wir haben die Überweisung an den zuständigen Ausschuss beantragt und freuen uns, dass sich dafür offensichtlich eine Mehrheit abzeichnet. Wir freuen uns auf spannende Diskussionen. – Vielen Dank.

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GRÜNEN haben einen Antrag vorgelegt, mit dem sie ein Wärmekonzept für Hamburg fordern. Das unterstützen wir. Wir stellen jedoch die Frage, wie man zu einem solchen Wärmekonzept kommt. Wir sehen den Entstehungsprozess nicht in der Art, dass es eine Vorlage vom Senat gibt, dass wir in den Fachausschüssen diskutieren, schließlich in der Bürgerschaft abstimmen, und dann haben wir ein Konzept. Frau Dr. Schaal hat in ihrer Presseerklärung einen bemerkenswerten Satz geschrieben. Im ersten Absatz steht – ich zitiere –:

"Es muss aber auch den Anforderungen des Volksentscheides nach einer 'sozial gerechten, klimaverträglichen und demokratisch kontrollierten Energieversorgung mit erneuerbaren Energien' gerecht werden."

Wir unterstützen sehr, dass dieser Satz in den Mittelpunkt rückt. Wenn wir uns ansehen, was Sie geschrieben und nun auch mehrfach gesagt haben, dann taucht immer wieder das Wort "wir" auf. Sie haben darauf hingewiesen, dass wir Klarheit darüber haben müssen, ob es ein GuD-Kraftwerk gibt oder nicht, dass wir CO2 senken müssen, dass wir erneuerbare Energien heraufsetzen müssen. Die Frage ist, wer mit "wir" gemeint ist. Für uns sind es nicht nur die Abgeordneten und die Senatorinnen und Senatoren und Staatsräte, sondern wir heißt für uns alle Hamburgerinnen und Hamburger. Deshalb werden wir auch fordern, dass die Verträge nicht nur uns Abgeordneten ordentlich vorgelegt werden, sondern auch der Initiative und allen Ham

burgerinnen und Hamburgern. Wir wollen, dass die Verträge öffentlich sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen ein Wärmekonzept und möchten, dass in der Stadt organisiert diskutiert wird, wie man dorthin kommt. Dann muss auch die Frage geklärt werden, ob es ein GuD geben soll, ob es dezentrale Einrichtungen geben soll. Das muss lang und breit diskutiert werden. Schließlich haben wir einen Volksentscheid gehabt. Wir nennen das Fernwärmedialog, und daher beschäftigt sich unser Antrag damit, dass wir diesen Fernwärmedialog bekommen. Frau Dr. Schaal, Sie haben im Zeichen von Olympia davon gesprochen, das die Drucksache 20/10666 die Goldmedaille verdient hätte.

(Dr. Monika Schaal SPD: Nein, der Senat!)

Dass der Senat die Goldmedaille verdient hätte, das wird ja immer schlimmer.

Ich möchte einmal darauf hinweisen, dass in dieser Drucksache schon unter "Anlass und Zielsetzung" steht: "unter anderem" eine "hundertprozentige Rekommunalisierung". Von Ihrem Satz in der Presseerklärung bezüglich demokratischer Kontrolle ist überhaupt nicht mehr die Rede.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Doch, da steht "unter anderem"!)