Hierüber wird nach der Überweisung in den zuständigen Ausschüssen noch zu reden sein. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kienscherf, Ihnen möchte ich vorweg ein Zitat von Christoph Martin Wieland mitgeben, der gesagt hat:
So geht es Ihnen, wenn Sie hier die Wohnungsbauzahlen herauf- und herunterrechnen und die Entwicklung von Stadtteilen dabei aus dem Blick verlieren. Zahlenversessenheit, Baugenehmigungen, die beantragt worden sind – vor lauter Zahlen übersieht der Senat, dass die Förderung des Wohnungsbaus eben mehr als nur Wohnungsbau in den Stadtteilen ist. Es geht ganz wesentlich um die
Entwicklung von Qualität von Nachbarschaften und von Freiräumen, kurz gesagt eben von sozialen Stadtteilqualitäten.
Der Senat legt den Fokus nur auf die Wohnungsbauzahlen, also auf die Genehmigungen, die bei Weitem noch keine fertiggestellten Wohnungen sind. Ich erinnere daran, dass wir in den Jahren 2011 und 2012 zwischen 3700 und 3800 fertiggestellte Wohnungen hatten. Das ist deutlich unter 6000 und eigentlich müssten es 4500 mehr sein. Ich hoffe inständig, dass das geschafft wird, aber es ist weit von dem entfernt, was der Senat vor der Wahl versprochen hat und welches Ziel er sich selbst gesetzt hat.
Wir sollten nicht vergessen, dass in den Stadtteilen die Menschen wohnen und dass das keine leeren Felder sind. Dass dann natürlich Konflikte entstehen, muss nicht verwundern. Es kommt dabei insbesondere zu Verdrängungsprozessen, ob in den Esso-Häusern, ob Am Elisabethgehölz oder jetzt in Eilbek.
Ob in der Papenstraße in Eilbek oder in der Wulffschen Siedlung in Langenhorn: Der Senat zeigt bei all diesen Sachen eine Unbeholfenheit, Herr Kienscherf, die nicht einmal einen Hauch von Empathie erkennen lässt.
Stattdessen verstecken Sie sich hinter Zahlenfassaden, Verträgen und Verordnungen. Übrigens machen Sie das nicht nur in der Wohnungsbaupolitik, das gelingt Ihnen auch bei anderen Themen.
Was erleben wir stattdessen? Dieses Versteckspiel und sozialdemokratische Besserwisseritis bis hin zur Basta-Politik des Senats. Das ist leider ein Thema, das in der Stadt zunehmend Unruhe hervorruft. Und der Senat ist nicht in der Lage, Beteiligung in den Quartieren ernsthaft aufzunehmen und mit den Betroffenen weiterzuentwickeln. Ich will Ihnen ein Beispiel geben, damit Ihnen das vielleicht etwas klarer wird. Während im Bezirk Wandsbek in der rot-grünen Koalition Bürgerinnen und Bürger mit zahlreichen Konflikten aus den letzten Legislaturperioden, beispielsweise in der Matthias-Strenge-Siedlung,
(Dr. Andreas Dressel SPD: Haben wir das nicht gut hingekriegt zusammen? Alles in unserem Wahlkreis!)
am Spechtort oder am Concordia-Platz in Marienthal, fertig geworden sind, und zwar immer mit Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, fällt dem Senat nichts anderes an, als in der Dreiecksfläche Papenstraße mit Weisung aus der Senatskommission dem Ganzen den Garaus zu machen, was die Aussage des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Bezirksversammlung, Herrn Schünemann, der selbst meint, dass wir einen Entschleunigungsprozess bräuchten und mit den Leuten reden müssten, ad absurdum führt. Das kann so nicht weitergehen, und ich hoffe, dass Sie davon wegkommen, nur die Wohnungsbaugenehmigungszahlen hochzujubeln, sondern endlich einmal in die Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort bei der Gestaltung gehen. Es ist nicht so, dass die Bezirke die Wohnungsbauzahlen, die im Vertrag für Hamburg vereinbart wurden, nicht erfüllen. Ganz im Gegenteil: Sie übererfüllen sie.
Der Senat hält sich aber nicht an den Vertrag für Hamburg und an die vereinbarten Regelungen zur Konfliktlösung – Sie müssen einmal Punkt 7 nachlesen, Herr Quast –, sondern er greift zur Brechstange.
Das erinnert mich an die frühen Zeiten des Bürgermeisters als Innensenator. Auch damals hat er schon ähnlich reagiert, und der Beschluss der Senatskommission zu Eilbek 15 ist derselbe untaugliche Versuch, soziale Probleme durch dirigistische Maßnahmen zu lösen. Das kann nicht funktionieren. Das Gegenteil passiert: Sie verschärfen mit diesen Maßnahmen die Konflikte in den Bezirken trotz starker Belastungen und konstruktiver Impulse auch aus den Quartieren im Rahmen von Nachverdichtungen.
Ich frage Sie – auch Sie, Herr Kienscherf –: Warum lassen Sie im wohlbetuchten Marienthal die Senkung von 60 auf 21 Wohneinheiten auf dem Concordia-Sportplatz neben dem Wandsbeker Gehölz zu, verfügen aber im bescheideneren Eilbek mit weisenden Beschlüssen der Senatskommission, dass die Bevölkerung hier nicht mehr über Art und Umfang des Bauvorhabens beteiligt werden soll?
Der Bürgermeister hat in der "Zeit" vom 16. Januar ein Interview gegeben, aus dem ich zitieren möchte.
"Und ich werde mich jeden Tag dieser Frage widmen, weil ich mit einer sozialen Spaltung in der Stadt nicht leben will."
Bravo. Jetzt frage ich, wie viele Sozialwohnungen denn bei dem ursprünglichen Projekt in Marienthal mit 60 Wohneinheiten, die auf 21 schrumpften, gefördert werden. Und ich frage Sie, wie viele Wohnungen in Eilbek beim Wohnungsbauvorhaben Papenstraße gefördert werden. Da sind es die 30 Prozent, aber in Marienthal passiert nichts.
Dort geht das leer aus, das ist eine ungleiche Behandlung. Das ist die Förderung ungleicher Behandlung und sozialer Diskriminierung. Bestimmte Stadtteile dürfen mitreden, während Sie andere ausschließen.
Sie werden dieser Probleme nicht Herr und reagieren, weil Ihnen nichts anderes mehr einfällt, mit diesen Maßnahmen.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kienscherf?
Zur Bindungsdauer möchte ich noch eines sagen: Wenn sie nicht endlich deutlich erhöht wird – wir haben schon einen Antrag dazu gestellt –, insbesondere was die SAGA betrifft, dann kommen wir in eine Versorgungslücke hinein. Im Jahr 2000 hatten wir noch über 100 000 Sozialwohnungen. Derzeit liegen wir bei etwas über 90 000,
Für Wohnungslose und Dringlichkeitsscheininhaber beträgt die Versorgungsquote nur noch 30 bis 40 Prozent. Selbst die Drittelmixregelung bei Neubauten reicht nicht mehr aus, um dem Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum nachzukommen. Hier muss deutlich mehr getan werden.
Die Bindungsdauer muss auf 20 oder 25 Jahre erhöht werden, sonst entsteht hier eine Sintflut von Wohnungsproblemen, und der Bürgermeister hat keine Arche Noah, wo er die Leute dann unterbringen kann.