Protokoll der Sitzung vom 08.06.2011

(Beifall bei der SPD)

Die Veröffentlichungspolitik der Behörde war von Anfang an richtig. Man musste in dem Moment, in dem irgendein begründeter Verdacht bestand, woher die Ursache kommen könnte, unbedingt warnen. Man musste an die Öffentlichkeit gehen, man hätte es niemals verschweigen dürfen. Insofern war auch richtig, dass diese Warnungen ausgesprochen worden sind.

Es gibt keinerlei Anzeichen, dass in irgendeiner Weise Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden könnten, auch nicht, was die spanischen Gurken anbelangt, denn EHEC-Erreger wurden auf ihnen immerhin gefunden. So ist es auch weiterhin richtig, dass jetzt zusätzlich an Stellen gesucht wird, die weit über die bisherigen Untersuchungen hinausgehen. Wir werden alles daran setzen, dass der Grund für diese Epidemie gefunden wird, um dann in Zukunft, gern auch entlang dessen, was Sie gerade angesprochen haben, schauen zu können, wie diese Dinge nach Möglichkeit eingedämmt werden können. Es wird nie gelingen, sämtliche Möglichkeiten im Vorfeld schon zu erkennen, aber wir müssen natürlich analysieren und anschließend sehen, wie in solchen Fällen schnell und wirkungsvoll reagiert werden kann.

Jetzt ist alles das, was getan werden konnte, auch getan worden, davon bin ich überzeugt. Wir sollten deswegen zusammenstehen und in Ruhe und ohne irgendjemanden in Panik zu versetzen, weiterhin versuchen, die Seuche so weit in den Griff zu bekommen, dass die Infektionswelle zurückgeht und der Erreger und die Ursache für die Verbreitung gefunden werden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Stemmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bis heute haben wir in Hamburg über 900 EHEC-Fälle, die Tausendergrenze wird wahrscheinlich noch vor dem Wochenende fallen. Damit übersteigt die Zahl der aktuellen Fälle in unserer Stadt bereits seit gestern die bundesweite Gesamtzahl von 2009. Damals gab es bundesweit 836 Erkrankungen.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Auch die CDU-Fraktion schließt sich natürlich dem Lob an die beteiligten Krankenhäuser, die Ärzte, das Pflegepersonal und die Wissenschaftler an. Dort wird tolle Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU)

Der Dank geht nicht nur an die direkt mit EHECund HUS-Patienten belegten Krankenhäuser, son

dern an alle Hamburger Kliniken, die sich seitdem verstärkt um die übrigen Notfälle kümmern.

Dank auch an die bundesweite Solidarität. So haben allein in dieser Woche am UKE neun Gesundheits- und Krankenpfleger aus Heidelberg und von der Bundeswehr ihre Arbeit aufgenommen. An dieser Stelle sei auch ein Hinweis erlaubt auf die hohen Krankenhausinvestitionen der CDU-geführten Senate. Laut Angaben aus dem UKE haben der Neubau und die elektronische Patientenakte sehr zur schnellen und notwendigen interdisziplinären Zusammenarbeit der verschiedenen Spezialisten geführt.

(Beifall bei der CDU)

Erschreckend ist die rasch wachsende Zunahme an Fällen der lebensbedrohenden Folgeerkrankung HUS, die zu Nierenversagen führt. Daher geht auch ein Lob an die nephrologische Fachgesellschaft, die kurzfristig ein wissenschaftlich abgesichertes Protokoll erstellt hat, um das bereits in der Kinderbehandlung erfolgreich eingesetzte Medikament Eculizumap auch für die Behandlung von diesmal den stärker betroffenen Erwachsenen zu ermöglichen. Am Rande zu erwähnen ist, dass der Hersteller dieses eigentlich sehr teure Medikament kostenfrei für diese Behandlung zur Verfügung stellt.

(Beifall bei Birgit Stöver CDU)

Im Gegensatz zu bisherigen Verläufen ist auffällig, dass die Anzahl der betroffenen Kinder zum Glück nicht mehr so stark ist. Waren 2009 44 Prozent der Betroffenen Kinder unter fünf Jahren, sind es jetzt überwiegend Erwachsene. Aktuell sind im UKE rund 83 Prozent der Erkrankten Erwachsene, davon überproportional viele Frauen, nämlich 60 Prozent an der Gesamtzahl. Bei HUS sind es bereits 70 Prozent Frauen.

Damit komme ich zu einigen wenigen Kritikpunkten. Wenn an dieser Krankheit ungewöhnlich wenige Kinder erkranken, können dann Gurken die Auslöser sein? Starker Gurkenkonsum gerade bei Kleinkindern spricht dann eher für einen anderen Erreger. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe selber zwei Gurken in Massen vertilgende Kinder.

Kam die erste Warnung – ausgesprochen, bevor der Erreger in Münster isoliert werden konnte – zu früh? War die Datenlage ausreichend? Trotz Entlastung gab es keine Entwarnung. Über die Folgen für die landwirtschaftlichen Erzeuger werden wir in einer zweiten Runde zu sprechen haben. Sind die Gesundheitsämter der Bezirke nicht mit dieser Masse an Fällen hoffnungslos überfordert? Allein in Hamburg-Nord waren es in den ersten zwei Wochen 159 Fälle, wie die Antwort auf unsere Kleine Anfrage ergab, gegenüber zehn Fällen im ganzen Jahr 2010. Im Nachhinein wird geklärt werden müssen, ob die Hamburger Strukturen für eine der

(Dr. Martin Schäfer)

artige Epidemie die richtigen sind. Ebenfalls zu klären ist die Zusammenarbeit zwischen den Behörden. Warum weiß die Gesundheitsbehörde offensichtlich nichts von mindestens einem EHEC-Fall an Hamburger Schulen, der bereits im April auftrat?

Wie sieht die länderübergreifende Zusammenarbeit aus? Was ist mit Hamburgern, die in Lüneburg oder Wismar behandelt werden? Wo laufen diese Informationen zusammen? Ich hoffe, dass die Epidemie bald eingedämmt werden kann. Die aktuellen Zahlen deuten, ganz vorsichtig gesprochen, darauf hin. Im Anschluss besteht dann aber die Notwendigkeit, die aktuellen Ereignisse im Gesundheitsausschuss aufzuarbeiten und Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Schmitt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele Hamburgerinnen und Hamburger fürchten sich zurzeit vor dem EHECErreger und angesichts der Komplikationen, die mit einer Infektion einhergehen können, ist diese Reaktion absolut verständlich und völlig nachvollziehbar, vielleicht sogar nützlich, denn Furcht macht wachsam, anders als Panik, die die Urteilsfähigkeit einschränkt. Bisher konnte eine Panikwelle in Hamburg verhindert werden und das ist natürlich insbesondere der guten medizinischen Versorgung und dem medizinischen Personal in den Kliniken und auch der Arbeit der zuständigen Behörde und den beteiligten wissenschaftlichen Instituten zu verdanken.

Die Frage nach Fehlern und Versäumnissen aber ist natürlich trotzdem wichtig zu stellen, gerade um das Vertrauen in die Institutionen langfristig zu sichern. Es geht dabei nicht um Schuldzuweisungen. Wo Menschen unter Hochdruck arbeiten, entstehen Versäumnisse. Es geht darum, funktionierende und unterstützende Strukturen zu schaffen, die allen Beteiligten die Arbeit erleichtern und helfen, Fehler zu vermeiden. Hierzu brauchen wir eine umfassende Analyse aller Abläufe und deren Vernetzung auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Insbesondere muss die schnelle Informationsweiterleitung und Rückverfolgbarkeit der Herkunft von Lebensmitteln gesichert sein. Auch wichtige Maßnahmen zur Prävention wie beispielsweise Hygienestandards in Schulen müssen verbessert werden und in diesem Punkt besteht in Hamburg Nachholbedarf.

Diese umfassende Auswertung werden wir nach dem Abklingen der Epidemie einfordern und bewerten. Eine solche Krise darf nicht verstreichen, ohne dass Lehren für die Zukunft daraus gezogen werden. Was wir heute bereits beurteilen müssen,

auch weil die Medien sehr stark darauf eingegangen sind, ist die bisherige Informationspolitik der Behörde. Frau Senatorin, ich sage ausdrücklich, dass es richtig war, vor den EHEC-belasteten Gurken aus Spanien zu warnen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Deutlich wurde jedoch auch, dass die Kommunikation dessen, was man noch nicht genau weiß, mindestens genauso wichtig ist wie die Kommunikation gesicherter Erkenntnisse. Hier hat das Verhältnis im Falle der spanischen Gurken nicht gestimmt. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass noch Testergebnisse ausstehen, wäre wichtig gewesen.

(Dirk Kienscherf SPD: Aber da war doch der Erreger drauf! Nicht der, aber es war einer drauf!)

Ja, es war ein anderer Erreger.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, aber das ist auch ein schädlicher Erreger!)

Die eindeutige Identifikation war noch nicht sichergestellt. Der Zusammenhang mit den Erkrankungen wurde vorweggenommen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch trotzdem schädlich!)

Auch der Informationsservice für Bürgerinnen und Bürger sollte dringend verbessert werden. Eine gut auffindbare Hotline der Behörde lässt bis heute noch auf sich warten.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir wissen doch noch gar nicht, welcher Erreger das ist!)

Die politische Aufgabe im Umgang mit Epidemien erschöpft sich nicht im akuten Krisenmanagement, sondern schon die Entstehungsbedingungen von Krankheitserregern müssen in den Blick genommen werden. EHEC-Keime fallen nicht vom Himmel, Herr Kienscherf, sondern sie entstehen im Magen-Darm-Trakt von Wiederkäuern. Es handelt sich bei dem aktuellen EHEC-Erreger um einen multiresistenten Keim. Multiresistente Keime entstehen und vermehren sich unter Selektionsdruck, also dann, wenn vermehrt Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht werden. Der Zusammenhang der Entstehung und Vermehrung von multiresistenten Keimen und der massenhaften Antibiotikagabe in der Tierhaltung ist seit Langem bekannt. Nur eine artgerechte Tierhaltung, die Tiere gesund hält und ohne Antibiotika auskommt, kann vor der Ausbreitung solcher gefährlicher krankmachender Keime schützen, insbesondere dann, wenn, wie im aktuellen Fall, die Ausbreitungswege unbekannt sind.

(Beifall bei der GAL)

Auch wenn diesmal Rohkost oder Salate betroffen sein sollten, weist auch dieser Lebensmittelskandal

(Hjalmar Stemmann)

auf unhaltbare und unverantwortliche Praktiken in der Massentierhaltung hin.

(Andy Grote SPD: Wie, kommt der jetzt aus dem Magen auf die Gurke?)

Die Ausbreitungswege sind unbekannt und deswegen müssen natürlich die Entstehungsbedingungen genau angeschaut werden.

Solange wir an diesen Praktiken festhalten, werden Lebensmittelskandale in diesem Ausmaß an der Tagesordnung bleiben, egal, wie gut wir das Krisenmanagement organisieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn Sie meinen, dass mit Radfahren die Gesundheit verbessert werden könne, dann haben Sie natürlich völlig recht, Herr Kienscherf.

(Beifall bei der FDP, der SPD und bei Katha- rina Fegebank GAL)

Frau Artus, Sie haben angezweifelt, dass die Gesundheit bei der FDP in guten Händen sei. Ich darf Ihnen dazu Folgendes sagen. Ich bin das beste Gegenbeispiel.