Protokoll der Sitzung vom 26.02.2014

Das Wort bekommt Frau Sudmann.

Jetzt habe ich es endlich testen können und es hat geklappt, das Haus ist voll. Das werde ich öfter machen, vielen Dank.

(Heiterkeit bei der SPD)

Jetzt kann wenigstens die gesamte SPD-Fraktion zuhören.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Vielleicht bewirkt es auch etwas, wenn Sie noch einmal überlegen, weshalb ich zu Anfang gesagt habe, dass das Leihsystem StadtRAD gut ist, der Hamburger Radverkehr aber nicht. Daran hat die SPD leider einen Anteil. Herr Hesse sprach von Müttern und Vätern, und wenn alle Mütter und Väter fürs StadtRAD Unterhalt zahlen und sich zu ihrem Kind bekennen würden, dann sähe es besser aus. Sie sagen selbst, liebe SPD-Fraktion, dass es 2005 Ihre Idee war, ein Leihsystem einzuführen, das Schwarz-Grün nur übernommen und umgesetzt habe. Also tun Sie etwas für Ihr Kind und lassen Sie es nicht auf der Straße stehen – oder besser: fahren.

Wir haben bisher viel zu wenig Wissen über das StadtRAD und wissen überhaupt nicht, warum Leute registriert sind und nicht fahren; Herr Steffen hat es angesprochen. Ich bin für den Notfall auch registriert, aber bisher ist der Notfall nie eingetreten, und ich habe mein eigenes Rad dabei. Ich glaube, viele Leute haben damals gedacht, es kostet nichts, also lasse ich mich registrieren, und irgendwann kann ich es dann nutzen.

(Arno Münster SPD: Ich habe meine PIN vergessen!)

(Dr. Kurt Duwe)

Herr Münster, Sie fahren auch Fahrrad? Es ist hart, wenn jemand seine PIN vergisst.

Wir wissen auch nicht, wie sich das StadtRAD auf die Verteilung der Verkehrsarten ausgewirkt und ob es dazu beigetragen hat, dass wesentlich mehr Menschen sagen, ich lasse mein Auto stehen und fahre jetzt Fahrrad. Bisher gibt es diese Erkenntnis nicht, auch wenn Herr Schmidt heftig nickt. Das fehlt noch, und es fehlt einfach die Möglichkeit, in Hamburg wirklich gut Rad zu fahren. Es reicht nicht, über das StadtRAD zu sprechen und es zu loben wie die SPD, aber im Radverkehr zu wenig zu machen. Und dieses Problem hat Herr Pochnicht eben sehr schön beschrieben. Er hat zu Recht erkannt, dass die GRÜNEN etwas völlig Unsinniges gemacht haben

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)

und etwas beantragen, das den Umweltverbund, sprich den Radverkehr, fördern soll, dafür aber Geld aus dem ÖPNV nehmen wollen. So schlecht kann die Busbeschleunigung gar nicht sein, eine halbe Million Euro herauszunehmen. Es gibt so viele schlechte Straßenprojekte, zum Beispiel "switchh – Hamburg verbunden", wo Sie beim Berliner Tor und an anderen innenstadtnahen U-Bahnund S-Bahn-Stationen für sehr viel Geld Carsharing anbieten wollen. Hier hätte man Geld herausnehmen können, das wäre eine wunderbare Idee gewesen, aber doch nicht aus dem Busbeschleunigungs- und ÖPNV-Programm.

(Beifall bei der LINKEN – Jens Kerstan GRÜNE: Das Busbeschleunigungspro- gramm kann man einstellen, das würde gar keiner merken!)

Herr Pochnicht, Sie haben gesagt, dass Sie nicht den Ausbau des einen Verkehrsmittels auf Kosten des anderen betreiben wollen. Genau das ist das Problem der SPD, dass Sie nicht bereit sind, zugunsten des Radverkehrs etwas gegen den Straßenverkehr zu machen, und das hat Ihre Regierung im Mobilitätsprogramm auch beschrieben. Dort steht klar, dass es zu Konflikten zwischen Radverkehr und Autoverkehr komme, aber nicht, dass man diese Konflikte auch zugunsten des Radverkehrs entscheiden werde. Sie sagen, es gebe Konflikte und man müsse schauen, wie das ausgeht. In Hamburg geht es seit 40 Jahren so aus, dass die Straßen gebaut werden und die Radfahrerinnen immer hinterherradeln können. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Finn-Ole Ritter FDP)

Herr Ritter, hier haben Sie leider etwas zu wenig Ahnung. Üben Sie noch ein bisschen.

Sie als SPD-Mehrheitsfraktion sind nicht bereit, im Ausschuss zu diskutieren oder noch einmal zu schauen, wie man das StadtRAD fördern kann. Sie

machen wieder einen Prüfauftrag, der niemandem wehtut, der irgendwann beantwortet wird und bei dem Sie dann nicht mehr in der Pflicht sind, sich in dieser Legislaturperiode zu entscheiden, ob Sie Ja oder Nein sagen. Das ist schlecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer zunächst einer Überweisung der Drucksache 20/10851 an den Verkehrsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Ich lasse über die Anträge in der Sache abstimmen.

Wir beginnen zunächst mit dem Antrag der GRÜNEN aus der Drucksache 20/10851. Hierzu hat die Fraktion DIE LINKE eine ziffernweise Abstimmung beantragt.

Wer sodann die Ziffern 1, 2 und 5 des Antrags annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wer den Ziffern 3 und 4 des Antrags folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch die Ziffern 3 und 4 sind mit Mehrheit abgelehnt.

Nun zum Antrag der SPD-Fraktion aus der Drucksache 20/11011.

Wer sich diesem anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Punkt 57, Drucksache 20/10861, dem Antrag der Fraktionen der CDU, GRÜNEN und FDP: Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vernachlässigung der Kindeswohlsicherung im Fall Yagmur durch staatliche Stellen und zur Erarbeitung von Empfehlungen zur Verbesserung des Kinderschutzes in Hamburg.

[Antrag der Fraktionen der CDU, GRÜNEN und FDP: Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zur Aufklärung der Vernachlässigung der Kindeswohlsicherung im Fall Yagmur durch staatliche Stellen und zur Erarbeitung von Empfehlungen zur Verbesserung des Kinderschutzes in Hamburg – Drs 20/10861 –]

(Heike Sudmann)

Ich stelle fest, dass dieser Antrag mit dem nach Artikel 26 Absatz 1 Satz 1 der Hamburger Verfassung erforderlichen Quorum gestellt worden ist.

Zu diesem Antrag liegt Ihnen als Drucksache 20/ 10980 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Erweiterung des Auftrags zur Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des Todes von Yagmur und der Erarbeitung von Empfehlungen zur Verbesserung des Kinderschutzes in Hamburg – Drs 20/10980 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Ritter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei der Einsetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses geht es uns vor allem um eine umfassende Aufklärung. Das betrifft nicht nur den Todesfall der kleinen Yagmur, sondern auch deren Vorgeschichte. Die Tragik des Falles liegt nicht allein darin, dass ein Kind zu Tode gekommen ist, sondern auch darin, dass das Mädchen schon vorher ein Martyrium erlebt hat und offenbar nichts dagegen unternommen wurde. Im Bericht der Jugendhilfeinspektion, aus dem mittlerweile auch schon öffentlich zitiert wurde, können wir nachlesen, dass allein die äußerlich sichtbaren Verletzungen am Körper und am Fuß in Form von Hämatomen und Quetschungen weit mehr als 80 an der Zahl umfassen.

Meine Damen und Herren! Ein kleines Mädchen hat zum Zeitpunkt seines Todes mehr als 80 sichtbare Verletzungen. Schon in den Jahren zuvor hat es immer wieder massive Verletzungen gegeben, und dennoch ist das Wohlergehen des Mädchens im Laufe der Zeit aus dem Blick geraten. Dabei hat der Staat in solchen Fällen ein grundgesetzlich vorgeschriebenes Wächteramt, das hier offenbar nicht wahrgenommen wurde. Es ist absolut unverständlich, warum die notwendige Sensibilität aller Akteure nach mehreren Todesfällen von Kindern in Hamburg dennoch fehlte. An dieser Tatsache hätte auch eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz nichts, aber auch gar nichts geändert.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Statt sich um die wirklich drängenden Fragen zu kümmern, wird zum wiederholten Male eine Verfassungsdebatte aufgewärmt, und so entsteht der Eindruck, dass es sich um ein reines Ablenkungsmanöver der SPD handelt. Wir müssen die Probleme in Hamburg an den Wurzeln angehen, und das schafft aus unserer Sicht nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss.

Der PUA muss zweierlei leisten, zum einen die Aufklärung des konkreten Falls und die Aufarbeitung der Vorgeschichte, zum anderen aber auch die Aufklärung hinsichtlich der Rahmenbedingungen, denn nach allem, was wir bisher wissen, war es gerade nicht das individuelle Versagen einer einzelnen Fachkraft, sondern eine Verkettung von Fehlern, Fehleinschätzungen, Schnittstellenproblematiken und Kommunikationsdefiziten zwischen allen beteiligten Akteuren.

Der Auftrag des PUA beinhaltet deshalb gerade nicht nur die Befassung mit dem ASD beziehungsweise dem Jugendhilfesystem,

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

sondern auch andere Beteiligte und ihre Rollen sollen in den Blick genommen werden. Das ist ein entscheidender Vorteil eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gegenüber einer Enquetekommission.

Die Entscheidung für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss liegt aber nicht nur im Auftrag begründet, sondern auch im Verhalten der Behörden. Aus unserer Sicht wurden seitens des Senats und der zuständigen Bezirksämter voreilige Schlüsse gezogen. Herr Senator, selbstverständlich gibt es eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern, aber dennoch muss die Arbeit im ASD und in der Justiz ergebnisoffen einer kritischen Überprüfung unterzogen werden, statt den Schwarzen Peter von einem zum Nächsten zu schieben.

Meine Damen und Herren! Das Ziel ist nicht die Suche nach individueller Schuld; dies zu bewerten wird Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der Gerichte sein. Das Ziel ist hingegen, Hintergründe aufzuarbeiten, Handlungsweisen zu hinterfragen und den Kinderschutz in Hamburg zu verbessern. Dabei müssen und werden auch diejenigen zu Wort kommen, die tagtäglich diese verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen. Insofern ist die Kritik der SPD und der LINKEN verfehlt, wir würden keine externen Experten miteinbeziehen wollen. Zum einen werden wir genau solche Experten einladen, und zum anderen sind die Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste ebenfalls Experten – Experten, denen viel zu selten Gehör geschenkt wird. Wie sonst kann die große Diskrepanz in der Wahrnehmung der Behördenleitung und der Mitarbeiter der Basis erklärt werden?

Mit dem Untersuchungsausschuss haben wir die Möglichkeit, die am Fall beteiligten Fachkräfte zu befragen, nicht nur zum konkreten Fall Yagmur, sondern auch zu den Rahmenbedingungen. Für die Rahmenbedingungen ist nun einmal der Senat verantwortlich. Dass er dieser Verantwortung ausreichend nachgekommen ist, bezweifeln wir – mir fehlt ein Wort.

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

(Vereinzelter Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Kleiner Test, ob Sie noch dabei sind. Sie haben alle verstanden, was ich sagen wollte.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zum Zusatzantrag der Links-Fraktion sagen. Sie wollen mit Ihrem Antrag den Auftrag des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ausweiten, überfrachten ihn damit, nehmen das Ergebnis implizit vorweg und verheddern sich dabei in Widersprüche. Sie möchten die Jugendhilfe am liebsten rekommunalisieren, sprechen aber den Jugendämtern, also einem Teil der kommunalen Jugendhilfe, gleichzeitig Ihr Misstrauen aus und stellen ihnen ein schlechtes Zeugnis für den Umgang mit Eltern aus. Das verstehe, wer will, wir tun es auf jeden Fall nicht und lehnen den Antrag deswegen komplett ab.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)