Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 24. März hat der Abgeordnete Dr. Walter Scheuerl seinen Austritt aus der CDU-Fraktion erklärt. Herr Dr. Scheuerl wird sein Mandat als fraktionsloser Abgeordneter weiter ausüben. Die Fraktionen haben in der vergangenen Ältestenratssitzung festgelegt, dass die Redezeit von Herrn Dr. Scheuerl bei den Debatten 5 Minuten pro Sitzungstag betragen soll.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass die Fraktionen abweichend von der Empfehlung des Ältestenrats übereingekommen sind, sieben weitere Tagesordnungspunkte zu vertagen. Das sind zum einen die Großen Anfragen aus den Drucksachen 20/10597, 20/10649, 20/10791, 20/10812 und 20/10847 und außerdem die Anträge der CDU-Fraktion aus den Drucksachen 20/11010 und 20/11086 einschließlich des FDP-Antrags aus Drucksache 20/11248. Betroffen sind die Tagesordnungspunkte 7 und 8, 12 bis 14 sowie 54 und 61.

Meine Damen und Herren! Jetzt kommen wir zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind fünf Themen angemeldet worden, und zwar von der CDU-Fraktion

G8/G9-Streit: Verantwortung für gute Schulen übernehmen – Schulfrieden sichern – Verhandlungen mit allen Beteiligten aufnehmen!

von der GRÜNEN Fraktion

Konflikt um Gymnasialzeit klug lösen – aber keine Verhandlungslösung um jeden Preis

von der FDP-Fraktion

Mehr Demokratie vor Ort, weniger SPD-Senats-Zentralismus: Hamburg braucht starke Bezirke

von der Fraktion DIE LINKE

Das hat Wilhelmsburg nicht verdient. Behördlichen Lärmterror sofort beenden!

und von der SPD-Fraktion

5-stündige Betreuung in Kitas und Tagespflege beitragsfrei – so geht finanzielle Entlastung für Familien!

Die Fraktionen sind übereingekommen, das erste und zweite Thema gemeinsam debattieren zu wollen, und hierzu rufe ich nun auf. Das Wort bekommt Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen! Die CDU hat sich im Streit um das acht- oder neunjährige Gymnasium als Erstes bewegt, und wir haben die Hand zu Verhandlungen ausgestreckt. Wir haben das gemacht, weil wir überzeugt davon sind, dass ein erneuter jahrelanger Schulstrukturstreit so ziemlich das Letzte ist, was Hamburgs Schulen, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern jetzt gebrauchen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben das auch gemacht, weil wir die G9-Initiative ernst nehmen, weil Volksentscheide verbindlich sind und weil wir alle hier im Hause unsere Erfahrungen mit Volksentscheiden gemacht haben.

(Sören Schumacher SPD: Jeder seine eige- nen!)

Wer aber den Streit, der die Menschen und die Stadt spaltet, und einen neuen Schulkrieg verhindern will, der muss das Gespräch suchen, der muss nach Wegen suchen, die Auseinandersetzung zu vermeiden, und der muss bereit sein zu verhandeln. Dazu sind wir als CDU bereit, und ich habe den Eindruck, dass auch alle Fraktionen des Schulfriedens dazu bereit sind. Drei Grundlagen für solche Verhandlungen sind aber unverzichtbar.

Erstens: Verhandlungen müssen ein Ziel haben, und dieses Ziel kann nur lauten, einen breiten, am Gemeinwohl der Stadt orientierten Konsens zu erreichen. Das Ziel darf nicht die Durchsetzung von Ich-Interessen sein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Zweitens: Wir müssen die Frage klären, wer denn an den Verhandlungen beteiligt werden muss, damit ein solcher stadtweiter Konsens überhaupt möglich wird. Natürlich die G9-Initiative und alle Fraktionen dieses Hauses, die Volksvertreter, aber

es müssen eben auch die demokratisch legitimierten Vertreter der Betroffenen sein. Es kann nicht wieder Entscheidungen über die Köpfe der betroffenen Schulen, Schüler, Lehrer und Eltern hinweg geben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Deswegen haben wir als CDU den Vorschlag gemacht, die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Schüler, Lehrer und Eltern in diese Verhandlungen einzubeziehen, und die SPD hat heute vorgeschlagen, die Schulkonferenzen zu befragen. Auch das finde ich gut und am besten tun wir beides.

Drittens: Was ist unerlässlich für Verhandlungen? Das ist die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Ohne Bereitschaft zum Kompromiss geht es nicht. Deswegen liegt der Schlüssel jetzt nicht mehr bei den Parteien, auch nicht mehr beim Parlament, sondern er liegt bei der Initiative, denn die Fraktionen des Schulfriedens haben sich bewegt. Ich appelliere an die Initiative G9 und an Frau Dr. Kirsch: Bewegen auch Sie sich. Separate Verhandlungen mit unterschiedlichen Partnern können nicht zu einem Konsens in dieser Stadt führen. Das geht nur, wenn wir alle gemeinsam reden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wenn diese drei Grundvoraussetzungen nicht gegeben sind, dann ist ein Konsens nicht möglich und dann machen auch Verhandlungen keinen Sinn. Wer jetzt wie die G9-Initiative fordert, dass sofort und überall jede Schule beides anbieten sollte und die Schüler jederzeit zwischen den beiden Systemen wechseln können sollten, der stürzt die Gymnasien ins Chaos, und nicht nur die Gymnasien, sondern in Wahrheit das gesamte System inklusive der Stadtteilschule.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen sage ich ganz klar an dieser Stelle: In einem dann heraufziehenden Konflikt, falls wir nicht verhandeln und nicht nach dem Konsens suchen, steht die CDU an der Seite starker Gymnasien und starker Stadtteilschulen im bestehenden Zwei-Säulen-Modell. Dann kämpfen wir auch für ein Nein gegen diese chaotische Initiative, die nicht gut für das Hamburger Schulsystem ist.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Was denn jetzt?)

Ich sage, wenn es nicht zu Verhandlungen und zum Willen zum Konsens kommt, dann muss diese Initiative abgelehnt werden, denn sie würde Hamburgs Gymnasien ins Chaos stürzen.

Wir wollen leistungsorientierte und lernstarke Gymnasien, die zur akademischen Ausbildung führen,

und wir wollen starke Stadtteilschulen, die jedem Schüler den bestmöglichen Lernerfolg ermöglichen, und dazu gehört auch das neunjährige Abitur. Deshalb lehnen wir die Einführung des Gymnasiums als neue Einheitsschule durch die Hintertür ab. Das wäre die Folge, wenn diese G9-Initiative 1:1 radikal umgesetzt werden würde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Farid Müller GRÜNE)

Das Wort hat nun Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand in diesem Hause hat ein Interesse an einem neuen Schulkampf, am wenigsten die SPD-Fraktion und der Senat. Deshalb ist unser Bestreben von Anfang an gewesen, in jedem Fall Schaden von den Schulen abzuwenden und natürlich den Schulfrieden in dieser Stadt zu verteidigen.

(Beifall bei der SPD)

Denn der Schulfrieden ist von zentraler Bedeutung für die Schulentwicklung unserer Stadt, und wir sind auch von seiner Richtigkeit überzeugt. Der Schulfrieden gab und gibt den Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern endlich die Chance, sich in Ruhe auf das zu konzentrieren, was das Wichtigste ist, nämlich guten Unterricht und gute Schulen. Und das ist aus unserer Sicht durchaus viel besser, als jeden Tag eine neue Schulreform durch die Stadt zu treiben. Deshalb muss jede Änderung an der Stelle wohlüberlegt und breit diskutiert sein, und die Voraussetzung dafür muss ein breites Einvernehmen in der Stadt sein.

(Beifall bei der SPD)

Genau darum geht es letztlich an der Stelle: Starren wir bei dieser Volksinitiative wie das Kaninchen auf die Schlange, lassen wir es auf einen finalen Showdown ankommen mit einem Volksentscheid, wo es dann letztlich um Ja oder Nein geht, Kopf gegen Bauch – auch das stelle ich einmal als Frage in den Raum, denn wenn man sich im Moment manche Stellungnahmen anschaut, dann sieht man, in welche Richtungen jetzt schon die unterschiedlichen Auffassungen gehen – oder versuchen wir, vorher Konsensmöglichkeiten auszuloten, um Schaden abzuwenden und den Schulfrieden zu wahren? Wir sind fest davon überzeugt, dass es richtig ist, in einer solchen Situation Gespräche mit der Volksinitiative zu führen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist gut, dass es dazu auch Vorschläge gibt. Deswegen sage ich ausdrücklich in Richtung der CDU und der GRÜNEN, dass wir es sehr positiv

(Dietrich Wersich)

sehen, dass Sie sich in so kurzer Zeit detaillierte Vorschläge überlegt haben, die auch in die Verhandlungen einfließen sollen und müssen. Ich sage das deshalb in Richtung CDU, weil Sie den weitesten Weg haben. Sie haben das G8 – aus unserer Sicht überhastet – eingeführt, und dass Sie jetzt mithelfen wollen, diese Probleme zu beseitigen, finde ich einen anständigen Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Wie geht man nun in dieser Situation weiter vor? Es ist in der Tat so, dass wir in Gesprächen mit der Initiative sind, aber gleichzeitig, wie wir gerade heute sehen, liegen uns Stellungnahmen der Elternkammer und der Gymnasialschulleiter vor, die an Eindeutigkeit nicht zu überbieten sind, und wir haben Umfragen – 70 Prozent heute im "Hamburger Abendblatt" und 78 Prozent in der "Hamburger Morgenpost" –, die auch nicht einfach so vom Himmel fallen und auch relativ eindeutig sind. Was tut man in einer solchen Situation, wenn wir so divergierende Auffassungen in der Stadt haben? Dann muss es unser Ziel sein, hier auch direkt die Betroffenen, die Gymnasien und die Schulkonferenzen, zu Wort kommen zu lassen und in diesen Meinungsbildungsprozess mit einzubeziehen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Das ist der Vorschlag, den der Schulsenator heute in den Gesprächen unterbreitet hat, und er wird sich sicherlich dazu gleich noch äußern. Wir sind in den Gesprächen dazu bereit, die Frage der Beteiligung in dieser Zwischenphase vor dem Volksbegehren so auszugestalten, dass die Interessen der Initiative vernünftig gewahrt werden und zum Beispiel ihr Vorschlag in die Befragung miteingefügt wird. Da sind wir offen für weitere Hinweise. Wir wollen die Gespräche mit der Initiative fortsetzen, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse, die aus einer solchen Befragung kommen.