Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

(Dietrich Wersich CDU: Das ist wie beim Huhn! Das gackert vor dem Eierlegen!)

Zudem wurde auf Antrag der CDU-Fraktion eine Expertenanhörung beschlossen, und zwar einstimmig. Das halten wir für sehr sinnvoll, denn es drängen sich doch eine Menge Fragen auf. Warum wartet die SPD-Fraktion zunächst nicht einmal die Ergebnisse der Expertenanhörung ab? Sollen durch diese Behandlung im Plenum noch vor der Expertenanhörung vielleicht schon Tatsachen geschaffen werden?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das können wir gar nicht!)

Oder rechnen etwa der SPD-Senat und die SPDFraktion mit viel zu vielen kritischen Stimmen seitens der geladenen Experten und möchten sich daher heute etwas Rückenwind für die weitere Debatte verschaffen? Überraschen würde das die CDU wirklich nicht.

Wenn wir uns den Gesetzentwurf einmal genauer anschauen, dann diskutieren wir nicht mehr die Frage, wie viel Mitbestimmung wir in der öffentlichen Verwaltung wollen. Vielmehr drängt sich die Frage auf, wie gut ein Mitbestimmungsgesetz sein muss, oder in diesem Fall eher, wie schlecht ein Gesetz sein darf.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Nicht so schlecht wie Ihr Gesetz!)

Knapp 100 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung wären von dem neuen Personalvertretungsgesetz betroffen. Das ist aus Sicht der CDU-Fraktion Grund genug, höchste qualitative Anforderungen an dieses Gesetz zu stellen.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Wie 2006! – Heike Sudmann DIE LINKE: Das hätten Sie 2006 auch schon gekonnt!)

Ein Expertengutachten aus dem vergangenen Jahr stellt dem hier vorliegenden Gesetzentwurf jedoch ein bedauerlicherweise schlechtes Urteil aus. Der Entwurf sei – ich zitiere einmal –:

"… handwerklich schlecht gemacht. Seine Begrifflichkeiten sind unscharf, seine Regelungen widersprüchlich, seine Begründung gar irreführend. Rechtsstreitigkeiten sind damit vorprogrammiert."

Weiter heißt es in diesem Rechtsgutachten:

"Einzelne Aspekte der Reformen verstoßen außerdem gegen Landes-, Verfassungsund Europarecht."

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Des Weiteren wird ausgeführt – auch das sind Zitate aus dem Gutachten –:

"Es besteht die Gefahr, dass der Entwurf in wichtigen Punkten die verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten hat."

Zusammenfassend heißt es im Gutachten:

"Der Gesetzentwurf kann eine Belastungsprobe für effektive Personalratsbeteiligung werden."

Dass der Gesetzentwurf nach dieser deutlichen Kritik der gutachterlichen Stellungnahme nicht grundlegend verändert wurde, ist im Übrigen bezeichnend für das Selbstverständnis unserer sozialdemokratischen Freundinnen und Freunde und auch des SPD-Senats. Auch diverse Schriftliche Kleine Anfragen an den Senat haben nicht die erhoffte Transparenz gebracht, denn unglücklicherweise waren die Senatsantworten auf meine Schriftlichen Kleinen Anfragen leider von der gleichen handwerklichen Qualität wie der Gesetzentwurf.

Auf Fragen, ob konkrete Sachverhalte künftig der Mitbestimmung unterliegen würden, heißt es beispielsweise, gegebenenfalls könne eine Mitbestimmung in Betracht kommen, oder, hiermit habe sich der Senat bislang auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht befasst. Die aktuelle Senatsantwort stellt dann tatsächlich eine Offenbarung dar: Fragen zur Auslegung des Gesetzentwurfs werden erforderlichenfalls im Vollzug nach Inkrafttreten der Neuregelung zu klären sein; die verbindliche Auslegung des dann geltenden Rechts obliegt im Übrigen der Judikative.

(Dr. Till Steffen GRÜNE: Ja, so ist das in un- serem Staat!)

Aber man kann doch wohl erwarten, dass man sich mit den aufgeworfenen Fragen auch im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens dezidiert auseinandersetzt. Auch Sie als Volljurist müssten das kapiert haben.

Viel klarer kann der Senat auch nicht mehr schreiben, dass er im Übrigen viele Themen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wohl nicht bearbeiten möchte und dann später diese Klärung den Gerichten überlassen will. Das ist auch ein Weg, Regierungspolitik zu machen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wie haben Sie das denn gemacht?)

Eine weitere potenzielle Ursache für Rechtsstreitigkeiten stellt die im Entwurf festgeschriebene Allzuständigkeit des Personalrats dar. Ob diese überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist, ist nicht nur in der Rechtsliteratur hoch umstritten.

Wir erwarten daher von der Expertenanhörung insbesondere Klarheit zu folgenden Fragen: 1995 erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass einige Punkte des Mitbestimmungsgesetzes SchleswigHolsteins gegen das Demokratieprinzip verstoßen; daher war dieses Mitbestimmungsgesetz verfassungswidrig. Herr Rose hat es freundlicherweise schon erwähnt, 2005 hat dann der CDU-geführte Senat eine Neuordnung des Hamburgischen Personalmitbestimmungsrechts veranlasst. Es gab dann eine verfassungskonforme Regelung und eine Beschleunigung von Verwaltungshandeln. Die Frage, die sich also heute wieder stellt, ist, ob sichergestellt ist, dass das Hamburgische Personalvertretungsgesetz in allen Punkten tatsächlich verfassungskonform ist. Das heißt, es betrifft vor allen Dingen die Frage, ob die Einführung einer Allzuständigkeit verfassungskonform ist. Ist die Einführung des umfassenden Initiativrechts des Personalrats verfassungskonform? Ist die vorgesehene Zusammensetzung von Schlichtungsstellen im Übrigen auch verfassungskonform?

Es gibt einen weiteren wichtigen Punkt, der noch gar nicht erwähnt wurde. Sie alle wissen es vielleicht, es gibt einen Arbeitgeberverband der öffentlich-rechtlichen Unternehmen. Spannend wäre es, einmal in diesem Hause und auch im Ausschuss zu hören, welche Meinung der Arbeitgeberverband für die öffentlichen Unternehmen in Bezug auf den vorliegenden Gesetzentwurf vertritt. Da wird sich dann möglicherweise auch wieder ein Sozialdemokrat zu einem sozialdemokratischen Gesetzentwurf äußern. Tatsache ist aber auch, dass das UKE aus genau diesem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberverband ausgetreten ist und einen neuen Arbeitgeberverband für Krankenhäuser gegründet hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie sind nicht richtig informiert!)

Es gibt eine weitere Stellungnahme des ehemaligen Chefs des UKE. Er antwortete auf die Frage, ob die Reform dieses weltbekannten Krankenhauses überhaupt so möglich gewesen sei, wenn es ein Personalvertretungsrecht in der von den Sozialdemokraten geplanten Dimension gegeben hätte, ganz klar mit Nein, dann hätte man das UKE nicht wieder an die Spitze führen können. Das ist zumindest ein Thema, das im Gesetzgebungsverfahren auch dezidiert erörtert werden muss.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das ist ein Ar- beitsrechtler, den Sie gerade zitierten, oder?)

Gibt es drittens die Möglichkeit, innerhalb dieses Gesetzes zwischen unmittelbarer Staatsverwaltung

und marktorientierten, öffentlich-rechtlichen Unternehmen zu differenzieren? Was nämlich auch nicht passieren darf, ist, dass die öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmen, die marktorientiert sind, in irgendeiner Form benachteiligt werden, denn das hätte am Ende auch der Steuerzahler zu finanzieren.

Wie Sie sehen, gibt es eine Vielzahl spannender Fragen, die nicht mit Polemik, sondern inhaltlicher Tiefe beantwortet werden können und beantwortet werden müssen. Dazu soll auch die vorgesehene Expertenanhörung beitragen. Die CDU-Fraktion wird sich im Anschluss an die Expertenanhörung an die Auswertung machen, die gewonnenen Erkenntnisse beraten und dann final eine Festlegung treffen, wie man mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf umzugehen hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Bill.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ersten beiden Debatten haben im Grunde schon deutlich gemacht, dass wir mit dieser Debatte direkt an die Diskussion anknüpfen, die schon einmal 2005, nur mit umgekehrten Rollen, geführt wurde. Und der Senat hat in seiner Drucksache schon ganz klar bekannt, dass der Gesetzentwurf eben nicht vom DGB Nord kommt, sondern von der SPD, die ihn in der 18. Legislaturperiode eingebracht hat, und der Senat hat es dieses Mal schlicht abgeschrieben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, das ist was anderes!)

Wir GRÜNE haben damals die Einschränkung der Mitbestimmungsrechte abgelehnt, und Herr Rose hat es im Grunde auch vorausgesehen. Herr Rose hat recht, natürlich unterstützen wir im Grundsatz den Gesetzentwurf.

Aber ich möchte einmal Details hervorheben, und ein angenehmes habe ich gefunden. So habe ich beispielsweise mit Freude gelesen, dass das aktive Wahlrecht auch auf unter 18-Jährige, auf 16und 17-Jährige ausgeweitet werden soll. Das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die neuen Mitbestimmungsrechte fallen meines Erachtens auch in eine Zeit, die diese wahrscheinlich bitter nötig haben wird. Die angekündigte Haushaltspolitik des Senats wird nämlich in den Behörden starke Personalkürzungen und auch starke Umstrukturierungen auslösen; ich nenne einmal das Stichwort 1-Prozent-Ziel und Abbau von 250 Vollzeitäquivalenten. Wenn man sich die aktuellen Tarifforderungen im kommunalen Bereich

(Ralf Niedmers)

einmal anschaut, dann wird relativ schnell klar, dass dort sehr schnell mehr als 1 Prozent herauskommen kann. Jedes Zehntel Prozent mehr wird nach Ansage des Senats oder auch nach Adam Riese, je nachdem, wie man das sehen möchte, durch Stellenabbau finanziert werden. Und ich denke, da ist ein starker Gegenspieler in den Behörden genau richtig.

(Jan Quast SPD: Ich dachte, Sie wären auch für die Schuldenbremse! – Dr. Andreas Dressel SPD: Und Sie wollten die doch noch viel schneller!)

Wir müssen dabei auch beachten, dass die neue Allzuständigkeit die Möglichkeiten und die Ressourcen der Personalvertretungen nicht übersteigen darf. Die Personalvertretungen müssen mit der Frage umgehen, wie sie den neuen Zuständigkeiten bei personellen, sozialen, organisatorischen und auch bei allen sonstigen Maßnahmen, zum Beispiel bei der Beurteilung komplexer IT-Systeme, überhaupt gerecht werden können. Laut Drucksache stellt der Senat keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung; sämtliche Mehrausgaben müssen aus dem vorhandenen Personalbudget getragen werden. Mehr Rechte machen aber nur dann Sinn, wenn man sie auch wahrnehmen kann. Wir werden daher im Ausschuss und in der Anhörung klären müssen, inwieweit die Pläne umsetzbar sind, damit die erweiterte Mitbestimmung kein zahnloser Papiertiger wird.

Der Teufel steckt natürlich im Detail, denn die Hamburger Verwaltung ist nicht nur äußerst komplex, sie ist auch äußerst vielseitig, und da sind abstrakt-generelle Lösungen in einem Gesetz immer sehr schwierig. Ich habe mir exemplarisch zwei Beispiele herausgesucht. Es ist zunächst das UKE, das wurde eben schon angesprochen. Das Universitätsklinikum Eppendorf steht im nationalen wie auch im internationalen Wettbewerb und konkurriert selbst in Hamburg mit den privaten Krankenhäusern. Im Gegensatz zu den Privaten unterliegt das UKE als staatliche Organisation dem vorliegenden Gesetzentwurf, und die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei den Privaten sind eben wesentlich eingeschränkter. In der Folge dessen befürchtet das UKE zurzeit, im Wettbewerb Nachteile zu erlangen. Diese Frage werden wir sicherlich im Ausschuss erörtern.

Ein weiteres Beispiel ist, dass der Gesetzentwurf vorsieht, dass der Personalrat im Hinblick auf die Referendare, die zwei Jahre in der öffentlich-rechtlichen Ausbildung sind, alle zwei Jahre und nicht alle vier Jahre gewählt wird. Diese Personengruppe wurde also beachtet. In der Wissenschaft ist es jedoch gängige Praxis, dass Doktorandinnen und Doktoranden für drei Jahre eine halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten. Bei einer Wahlperiode von vier Jahren haben Sie diese Besonderheit in dem Gesetzent

wurf nicht berücksichtigt. Die Folge wäre, dass entweder wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter planmäßig nicht die ganze Legislaturperiode eines Personalrats das gewählte Amt bekleiden oder dass sie rein faktisch vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen werden. Auch das wird zu diskutieren sein. Im Hintergrund laufen gerade die Debatten über den Termin der Anhörung. Wir werden dann diese und weitere Fragen wieder aufwerfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Herr Bläsing.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Entwurf geht auf die Drucksache 20/89 vom 24. März 2011 zurück. Ich möchte einmal zitieren, was Sie als SPD seinerzeit beantragt haben: