"Das Gutachten bestätigt auch die lange bekannte Tatsache, dass die rechtlichen Spielräume des Senats gemäß Paragraf 23 […] Aufenthaltsgesetz 'im Einvernehmen' mit dem Bundesinnenministerium genutzt werden müssen."
Dieses "Müssen" kann man so verstehen, dass das Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium zwingend hergestellt werden muss, wenn der Senat eine solche Anordnung treffen will. Das ist auch korrekt. Diesen Satz kann man aber auch im Kontext Ihres Antrags so verstehen, dass das Gutachten besage, dass der Senat im Fall der Lampedusa-Flüchtlinge die Anordnung nach Paragraf 23 treffen müsse. Und das ist nicht der Fall.
Das Gutachten gibt keine Interpretationen für eine Anwendung der genannten rechtlichen Grundlage auf die Lampedusa-Flüchtlinge her.
Das ist auch logisch, denn es obliegt einzig dem Berliner oder dem Hamburger Senat, eine solche Entscheidung zu treffen. Und das ist a) vor allem eine politische Entscheidung, b) aber auch eine juristische.
Meine Fraktion hat immer die Auffassung vertreten, dass der Paragraf 23 nicht auf die lybischen Flüchtlinge anwendbar ist.
Das eine wurde schon benannt, dass nämlich die Lampedusa-Gruppe offensichtlich keine homogene Gruppe ist. Ob es nun 300 sind, wie einige der lybischen Flüchtlinge behaupten, oder doch viel weniger, es ist nicht bekannt, wer alles dazu gehört, und auch nicht, ob alle gemeinsam aus Italien angereist sind. Zum anderen würde eine solche Anwendung die EU-Regelung Dublin II, inzwischen schon Dublin III, aushebeln. Dazu sage ich später noch mehr.
Nun zur Schriftlichen Kleinen Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Jan van Aken. Sie hat nicht zum Gegenstand gehabt, dass das Bundesinnenministerium eine Gruppenlösung nach Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz befürwortet. Laut Antwort der Bundesregierung hat sich der Bundesminister des Inneren lediglich dafür ausgesprochen, die aufenthaltsrechtliche Situation der Personengruppe zu überprüfen, und, sofern die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, gegebenenfalls sogar aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten. Es wurde erklärt, dass die letzte Entscheidung über den Umgang mit den Flüchtlingen bei den betroffenen Ländern lag und liegt. Die Zuständigkeit für die Erteilung von Aufenthaltstiteln liegt bei den Bundesländern, das ist nichts Neues.
Aus dem Gutachten und der Antwort des Bundesinnenministeriums abzuleiten, dass ein Aufenthaltsrecht nach Paragraf 23 für die LampedusaGruppe machbar ist, so wie Sie es in Ihrem Antrag glauben machen wollen, und Sie, Frau Schneider, es in Ihrer Pressemitteilung vom 25. März vermitteln wollen, ist schlichtweg falsch.
"Der Senat hat das immer geleugnet und behauptet, juristisch sei ein Aufenthaltsrecht nach § 23 Aufenthaltsgesetz nicht machbar. Nun ist es amtlich: Das stimmt nicht. Scholz muss sich jetzt endlich den Fakten stellen."
In Ihrem Antrag schreiben Sie, nun sei es amtlich mit Brief und Siegel, juristisch sei die Gewährung eines Aufenthaltsrechts für die Gruppe "Lampedusa in Hamburg" möglich.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Ich habe den Hinweis verstanden. Es ist in der Tat etwas zu laut. Frau Kaesbach hat jetzt allein das Wort.
Sie vermengen hier jedoch allgemeine Aussagen zu Voraussetzungen und Bedingungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen mit der Anordnung nach Paragraf 23 für die Lampedusa-Gruppe. Sie legen die Drucksachen so aus, wie es Ihnen gerade passt, und führen die Öffentlichkeit damit an der Nase herum. Aber vor allem schüren Sie bei den Flüchtlingen auf fahrlässige Weise Hoffnungen, die nicht zu erfüllen sind. Das ist nicht nur ein politisch schlechter Stil, sondern Sie betreiben damit auch auf fahrlässige Weise Stimmungsmache, wie wir es vorhin hier gesehen haben.
Aber das Verdrehen der Tatsachen nimmt noch kein Ende, denn die 104 Anwältinnen und Anwälte, die DIE LINKE in ihrem Antrag anführt, haben im November vergangenen Jahres nicht die geforderte Rechtsauffassung bestätigt, wie von Ihnen behauptet. Es handelt sich nämlich bei der Erklärung der 104 Anwältinnen und Anwälte eher um ein politisches Pamphlet als eine juristische Expertise. So heißt es im Schreiben der Anwältinnen und Anwälte, sie forderten den Senat auf, hierfür das vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Instrument des Paragrafen 23 Aufenthaltsgesetz zu nutzen. Dies sei der einzige Weg, um den Betroffenen Gewissheit über ihr aufenthaltsrechtliches Schicksal zu verschaffen und klarzumachen, ob ein politischer Wille bestehe, die humanitäre Notlage zu beenden. Das ist eine rein politische Erklärung und keine juristische.
Hätten die Anwältinnen und Anwälte eine juristische Expertise angefertigt, also eine Prüfung des Paragrafen 23 Aufenthaltsgesetz vorgenommen, dann wäre nämlich ein Aspekt zum Tragen gekommen, den ich ausführen möchte.
Sollte der Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz nämlich auf die Lampedusa-Gruppe angewendet werden, sich also auf eine Gruppenlösung geeinigt werden, dann hätte das auch Auswirkungen auf europäischer Ebene. Damit würde man die Dublin-II- beziehungsweise die Dublin-III-Verordnung, die zwischen den Mitgliedsstaaten gilt, außer Kraft setzen, Verordnungen, die unter anderem besagen, dass derjenige EU-Mitgliedsstaat für die Asylbewerber zuständig ist und bleibt, bei dem zuerst ein Asylantrag gestellt wurde. Das ist übrigens eine Verordnung, der sich auch durch Vertrag die NichtEU-Staaten Norwegen, Island und die Schweiz angeschlossen haben. Will man wirklich auf diese Weise der Dublin-Verordnung und den anderen Staaten den Rücken kehren? Sollte man nicht vielmehr das ganze System mit einem europäischen
Verteilerschlüssel reformieren, wie wir, die FDPFraktion, es vorgeschlagen haben, dem übrigens unser Erster Bürgermeister Olaf Scholz auf einmal auch nicht mehr so kritisch gegenübersteht? Er fordert ihn mittlerweile sogar selbst, wie wir auf der Veranstaltung im Thalia Theater hören konnten.
Anlässlich dieser politischen Wende des Ersten Bürgermeisters haben wir jetzt unseren Antrag erneut eingebracht. Die SPD-Fraktion kann sich nun nicht mehr hinter vorgeschobenen Argumenten verstecken. Sie muss sich nach der Erklärung ihres Bürgermeisters für die Einführung eines europäischen Verteilerschlüssels aussprechen. Alles andere wäre jetzt unglaubwürdig.
Die FDP wird sich weiter für eine Reformierung des europäischen Verteilersystems auf Europaebene einsetzen, weil wir uns als FDP zu Europa bekennen und auch auf europäischer Ebene für ein gerechtes Asylsystem kämpfen werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die in Rede stehende Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom 13. März 2014 enthält eine wertfreie Darstellung der rechtlichen Möglichkeiten der Erteilung eines Aufenthaltstitels – ich zitiere – "aus humanitären Gründen" nach dem Aufenthaltsgesetz. Dies gilt insbesondere auch für die Möglichkeit der Anordnung eines Gruppenbleiberechts durch die obersten Landesbehörden nach Paragraf 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz. Das Papier enthält auch den zutreffenden Hinweis, dass die Anordnung zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit nach Paragraf 23 Absatz 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Inneren bedarf.
Auf aus meiner Sicht irreführende Art und Weise suggeriert DIE LINKE unter Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Kleine Anfrage, dass das Bundesinnenministerium einem Einvernehmen mit einem gruppenbezogenen Bleiberecht aufgeschlossen gegenüberstehe. Dieses ist ausdrücklich unzutreffend. In ihrer Antwort stellt die Bundesregierung vielmehr ausdrücklich Folgendes klar – ich zitiere aus der Bundestagsdrucksache die Antwort auf Frage 10 –:
Unter Berufung auf Berichte des Auswärtigen Amtes und des UNHCR sowie auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vertritt die Bundesregierung ausdrücklich die Auffassung – ich zitiere erneut –:
Soweit es mir und auch Ihnen bekannt ist, besteht diese Auffassung des Bundesministeriums des Inneren auch nach der zurückliegenden Bundestagswahl fort. So heißt es beispielsweise in einem aktuellen Antwortschreiben des BMI, bezogen auf ein Gruppenbleiberecht nach der entsprechenden Anordnungsbefugnis des Bundes gemäß Paragraf 23 Absatz 2 – ich zitiere wieder –: