Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Katja Suding FDP: Sie haben nichts ver- standen!)

dann müssen wir die soziale Spaltung überwinden. Das ist eine vordringliche Aufgabe. Darüber müssen wir uns Sorgen machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die "Hamburger Morgenpost" Online-Umfragen macht und zum Beispiel die Frage stellt, wo Hamburg im Vergleich mit anderen deutschen Städten und Regionen hinterherhinkt, dann muss ich Ihnen sagen, dass es viele Jugendliche in dieser Stadt gibt, die noch nicht einmal die Elbe gesehen haben, weil sie das Fahrgeld dafür nicht haben.

(Heiterkeit bei der CDU)

Woher sollen die bitte schön wissen, wie Düsseldorf, Berlin, Stuttgart und München aussehen? Das ist eine Art und Weise der Betrachtung, das ist eine Ausgrenzung.

(Glocke)

Frau Heyenn hat das Wort, meine Damen und Herren.

Nun haben Peiner, Maier, von Dohnanyi und auch Ole von Beust gesagt, die einzige Chance, Anschluss zu finden, sei Bildung. Und nun sage ich Ihnen einmal, was das Schulsystem in Hamburg ausmacht.

(Finn-Ole Ritter FDP: Einheitsschule!)

Die Schule in Hamburg macht eines: Sie verschärft die sozialen Ungleichheiten, und das darf nicht die Aufgabe des Schulsystems sein. Auch da müssen wir die soziale Ungleichheit überwinden.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Berufsbildung haben wir immer noch die Situation, dass nur 16 Prozent aller Schüler, die nach der 9. und 10. Klasse die Schulen verlassen, eine Ausbildung bekommen. Inzwischen gehen über 40 Prozent der Ausbildungsverträge an Abiturienten. Es bleiben einfach zu viele auf der Strecke, trotz Übergang Schule/Beruf und trotz Jugendberufsagentur. Auch da müssen wir die soziale Spaltung überwinden; das ist die Aufgabe.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie sich genau anschauen, was Maier, Peiner, von Dohnanyi und von Beust schreiben, dann

sagen die auch, die Idee, die Uni im Hafen zu versenken, sei doch toll gewesen, und es sei schade, dass wir sie nicht umgesetzt haben. Irgendwie dachte ich, wir hätten dieses Thema schon lange überwunden. Und wenn Sie sich genau angucken, was dort für die Hochschule gefordert wird, dann sind das Führung, Wirtschaftsorientierung und mehr Stiftungen, das heißt Privatisierung, und es wird der Hinweis auf die Bucerius Law School gegeben.

(Finn-Ole Ritter FDP: Pfui!)

Das ist eine private Hochschule, die pro Trimester 3000 Euro Studiengebühren nimmt. Wir haben gerade die Studiengebühren abgeschafft. Was die Herren machen, ist, nach hinten zu schauen. Das kann ich in keiner Weise als Sorge um Hamburg verstehen, sondern das ist genau der falsche Ansatz.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben überhaupt nichts gegen Exzellenz, auch nicht im Studium. Wenn das Studium in der Breite so angelegt ist und die Studienbedingungen so sind, dass alle, die als Studierende dort ankommen, eine gute Ausbildung bekommen und sie auch zu Ende machen können, dann können wir gerne über Exzellenz reden. Aber was wir auch bemängeln – und das ist der einzige Punkt, wo ich mit den Herren übereinstimme –, ist die Unterfinanzierung der Hochschulen. Da muss viel mehr Geld hinein, wie es auch in anderen Ländern der Fall ist. Aber solange wir in der Breite keine guten Studienbedingungen haben, brauchen wir über Exzellenz nicht zu reden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Senatorin Dr. Stapelfeldt.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Klaus von Dohnanyi, Wolfgang Peiner und Willfried Maier haben eine Initiative ergriffen und uns alle aufgefordert, die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für die Entwicklung und die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt stärker zu erkennen.

(Dr. Roland Heintze CDU: Das sollten wir ernst nehmen!)

Angesprochen sind Bürgerschaft und Senat, die Parteien, aber natürlich auch die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und ebenso die Öffentlichkeit, also die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, und – da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Heyenn – das betrifft nicht nur einen kleinen Teil, sondern das muss alle angehen. Ich bin mir mit dem Bürgermeister einig, dass dies eine sehr gute und wichtige Initiative ist,

(Dora Heyenn)

(Dietrich Wersich CDU: Sie haben gesagt, zur Chefsache machen!)

eine Initiative, mit der die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung stärker in das Bewusstsein unserer Stadt gerückt werden kann. Gefragt ist eine gemeinsame Anstrengung, und Hamburg muss eine positive Haltung zu Wissenschaft und Forschung entwickeln. Der zentrale Stellenwert von Wissenschaft und Forschung für die Perspektive einer Metropole wie Hamburg ist in diesem Haus sicherlich unstrittig. Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und die Bewältigung der wichtigen Zukunftsaufgaben Hamburgs hängen entscheidend von der Entwicklung der Hochschulen und der Forschungseinrichtungen in dieser Stadt ab.

Die Akademisierung des Arbeitsmarktes schreitet voran. Wir brauchen deshalb gut gebildete und ausgebildete junge qualifizierte Hochschulabsolventen. Mittlerweile erlangen mehr als 50 Prozent eines Jahrgangs die Hochschulreife, und in Großstädten wie Hamburg ist der Wunsch zu studieren besonders hoch. Gute Lehre für eine große Zahl an Studierenden, in Hamburg sind es über 91 000, ist deshalb eine vordringliche Aufgabe der Hochschulen. Diese Leistung für die Gesellschaft wird doch von den Hamburger Hochschulen – und ich sage hier ausdrücklich, von öffentlichen und privaten Hochschulen – ganz überwiegend gut erbracht. Das Profil der Hochschulen muss sich zukünftig nicht nur über ihre Forschung, sondern auch über die Exzellenz ihrer Lehre definieren. Das ist ganz wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Der Appell, den die drei Autoren verfasst haben, sollte im Prinzip parteiübergreifend sein – so habe ich das jedenfalls gelesen. Das heißt, die Initiative ist parteiübergreifend und auf die Stadt bezogen. Deswegen macht es für Sie in der Aktuellen Stunde sicherlich ab und zu Sinn, aber nicht für die Stadt, manchmal auch zu verschiedenen Formen von – wie soll ich sagen? – Klamauk zu greifen. Ich würde davon allerdings absehen.

Man muss eine Sache wirklich einmal festhalten. Das politische Kurzzeitgedächtnis ist, wie wir wissen, weit ausgeprägt. Dass es aber permanent so weit ausgeprägt ist, dass Sie vollständig hintenangestellt haben, was für den Jahreswechsel 2010/ 2011 hier in der Stadt vorhanden war, das finde ich schon beachtlich. Erinnern wir uns daran, dass über 470 Millionen Euro an Aufgaben im Haushalt nicht ausfinanziert waren und davon auch ein Teil im Bereich von Wissenschaft und Forschung. Natürlich haben wir das übernommen und natürlich haben wir dafür gesorgt, dass die Exzellenzcluster ausfinanziert werden, und das hat dann zu den Konsequenzen geführt, über die Sie, Frau Gümbel, gerade gesprochen haben, und zwar kritisch. Ich darf vielleicht auch festhalten und das dann auch darauf begrenzen: Was war zufällig mit den Hoch

schulen in dieser Zeit? Was hat Schwarz-Grün in den Hochschulhaushalten gemacht in diesem Haushaltsjahr 2010/2011? Für 2012 war schon der Voranschlag da. Wo waren denn die Steigerungsraten? Genau das Gegenteil war der Fall.

(Dietrich Wersich CDU: Das stimmt doch nicht! – Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir konnten noch nicht einmal alle Kürzungen, die Sie wollten, zurücknehmen. Nichtsdestotrotz haben wir mit den Hochschulvereinbarungen dafür gesorgt, dass die Hochschulen eine verlässliche Perspektive, Planungssicherheit und einen moderaten Aufwuchs haben.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD – Glocke)

Frau Senatorin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wersich?

Frau Senatorin, ich glaube, das ist eine Milchmädchenrechnung. Sie wissen genau, dass die Tarifsteigerungen in den von Ihnen genannten Haushalten nicht auf die Hochschulen umgelegt worden sind, sondern dass es dafür einen zentralen Titel gab, und zwar in voller Höhe. Sie dagegen haben mit Ihren 0,88 Prozent nominell die Etats erhöht und damit in Wahrheit nicht den Tarifausgleich gegeben, der all die Jahre galt. Was halten Sie da der Opposition vor und wie wollen Sie sicherstellen, dass der Tarifausgleich wie zu unserer Zeit auch an die Hochschulen fließt?

(Gabi Dobusch SPD: Wie wollten Sie noch schneller sparen?)

Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapelfeldt (fortfahrend): Lieber Herr Kollege Wersich, ich bin gerne bereit, noch einmal mit Ihnen darüber zu reden, was tatsächlich in den Haushalten 2010/2011 und 2012 drin war, auch was den Tarifausgleich angeht und was wir wiederhergestellt haben, was Sie nämlich schon längst begraben hatten.

(Dietrich Wersich CDU: Das stimmt doch nicht!)

Insofern macht dieser Vergleich, den Sie jetzt angeführt haben, überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GRÜNE: Warum sagen Sie es jetzt nicht? Machen Sie es jetzt!)

Einigkeit unterstelle ich in den folgenden Punkten.

(Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

Erstens: Wir brauchen gut ausgebildete, akademisch qualifizierte junge Menschen.

Zweitens: In der Forschung gilt es, die vorhandenen Potenziale auszuschöpfen und national und möglichst auch international deutlich sichtbar zu sein.

Drittens: Die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten, die Innovationen, müssen in die gesellschaftliche Entwicklung einfließen. Deswegen brauchen wir auch die richtigen Instrumente für diesen Wissenstransfer und Technologietransfer, und darüber haben wir uns auch in der Innovationsallianz hier in der Stadt verständigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe den Appell der drei ehemaligen Senatsmitglieder als Anstoß für eine breite Diskussion, wie wir die Wissenschaftsmetropole Hamburg weiter voranbringen können, weil eben Wissenschaft eine notwendige Voraussetzung für die zukünftige Prosperität in unserer Stadt ist. Deshalb habe ich Klaus von Dohnanyi, Willfried Maier und Wolfgang Peiner auch zu einem Gespräch und Gedankenaustausch eingeladen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Aber das ist doch kei- ne Volksinitiative!)