Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Noch einmal wegen der Klarheit: Es geht nicht darum, eine Zeitverlängerung oder eine Zeitverzögerung zu bekommen.

(Zuruf von der SPD: Doch!)

Nein, das ist es nicht.

Es ist eine Verbreiterung der Grundlage, auf der dann das Programm, das Konzept und die hoffentlich greifenden Maßnahmen entstehen können, mehr nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Barbara Nitruch SPD)

(Senator Detlef Scheele)

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte sich zunächst dem Antrag der GRÜNEN aus Drucksache 20/11878 anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit hat der Antrag keine Mehrheit gefunden.

Nun zum FDP-Antrag aus Drucksache 20/11767 in der Neufassung. Mir ist von der GRÜNEN Fraktion mitgeteilt worden, dass keine ziffernweise Abstimmung mehr erbeten wird, insofern lasse ich den Antrag in Gänze abstimmen.

Wer stimmt dem FDP-Antrag zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag einstimmig angenommen bei einigen Enthaltungen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 42 auf, Drucksache 20/11605, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Mindeststandards für die öffentliche Unterbringung von Familien in Hotels.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Mindeststandards für die öffentliche Unterbringung von Familien in Hotels – Drs 20/11605 –]

Wer wünscht hierzu das Wort? – Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist mir noch deutlich zu laut.

Mir ist es auch zu laut, ich bitte um Ruhe. Oder verlassen Sie den Raum, dann können Sie draußen sprechen. Herr Jarchow, Frau Suding, ich bitte wirklich um Ruhe, damit Sie der Rednerin zuhören können. – Frau Özdemir, fahren Sie bitte fort.

– Vielen Dank.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 2012 begann der Senat, wohnungslose Familien in Hotels unterzubringen. 2013 waren es 217 und im laufenden Jahr schon 39 Familien. Außerdem werden über 700 Familien in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, in denen es keine abgeschlossenen Wohneinheiten gibt und in denen sanitäre Anlagen sowie Küchen gemeinsam genutzt werden. Ich möchte Ihnen die Situation in den Hotels schildern. Hotel hört sich zwar komfortabel an, ist es aber nicht, wenn wir uns einmal die Bedingungen anschauen.

Es leben drei bis fünf Familienmitglieder in einem Zimmer. Die Mindestgröße ist hier nicht vorge

schrieben, das heißt also, wir wissen gar nicht, wie klein oder groß das Zimmer ist. In manchen Unterkünften gibt es noch nicht einmal eine Gemeinschaftsküche. Die Familien haben keinen Zugang zu Sozialberatungen im Rahmen des Unterkunftsund Sozialmanagements. Sie haben aber auch keine Ansprechpartner vor Ort. Das heißt, die einzige Person, an die sie sich wenden können, ist die Person, die jeweils an der Rezeption steht.

Hochproblematisch ist aber vor allem die Unterbringung von Kindern, auch von Säuglingen, unter solchen Bedingungen. Man kann ganz deutlich sagen, dass unter solchen Bedingungen die Selbstversorgung von Familien, aber auch die alltagsgerechte Ernährung der Kinder und Babys unmöglich ist. Angemessene Spielräume oder Spielmöglichkeiten gibt es auch nicht. Wir wissen nicht genau, wie die Familien ihre Tage dort verbringen in diesen engen Zimmern. Die Bedingungen sind also mangelhaft und nicht familiengeeignet. Deshalb kann auch davon ausgegangen werden, dass hier das Kindeswohl und auch der Schutz der Familien nicht gewährleistet ist. Das wiederum könnte bedeuten – und das wissen die jugendpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen –, dass eine größere Anzahl von Kindern über die Jugendhilfe fremdplatziert untergebracht werden muss. Dies würde den ohnehin schon ziemlich gefährdeten Zusammenhalt der Familien noch stärker gefährden. Für uns heißt es ganz einfach, dass Familien mit Kindern, die wohnungslos geworden sind, besonderen Schutz erfahren müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Mit diesem Antrag fordern wir Mindeststandards, die sich an den fachlichen Vorgaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe orientieren, die Ihnen wahrscheinlich nicht fremd sind. Da wird zum Beispiel angegeben, dass abgeschlossene Wohneinheiten mit eigenen sanitären Anlagen und eigener Küche vorhanden sein müssen, ebenso getrennte Schlafräume für Eltern und Kinder, und dass die Wohnfläche 15 Quadratmeter pro Person betragen sollte. Dann werden natürlich auch kleinere, dezentrale Unterkünfte gefordert wie in München. Auf dieses Beispiel weisen wir seit drei Jahren hin. Die SPD hat 2010 in ihrem Antrag zum Thema Wohnungslosigkeit das Münchener Modell selber als Vorbild angegeben, uns in den letzten drei Jahren aber immer kritisiert. Selber an der Regierung glauben Sie jetzt auf einmal, dass das Münchener Konzept "Wohnen statt Unterbringung" nicht machbar sei.

Ich möchte aber aus Ihrer damaligen Großen Anfrage von Herrn Kienscherf zu den Lebensbedingungen in den Unterkünften zitieren:

"Im Fachdiskurs ist unumstritten, dass soziale Hilfen für Wohnungslose dann am wirksamsten eine Normalisierung der Lebenssi

tuation erreichen können, wenn eine zumindest minimale Stabilisierung der Lebensbedingungen erreicht werden kann, hierzu gehört vor allem eine Unterkunft, die eine Privatsphäre bietet und eine Regeneration der Kräfte erlaubt."

(Beifall bei der LINKEN)

Das würde ich so unterschreiben. Aber schauen wir uns die jetzigen Bedingungen einmal an: Eine Regeneration der Kräfte erlauben solche Unterbringungen, wie wir sie zurzeit in Hamburg haben, leider nicht, ganz zu schweigen von Privatsphäre, denn von abgeschlossenen Wohneinheiten kann nicht die Rede sein.

Außerdem fordern wir in unserem Antrag eine Evaluation. Wir möchten gerne wissen, warum in Hamburg immer mehr Familien wohnungslos werden, warum immer mehr Familien mit Kindern untergebracht werden müssen. Wir brauchen diese Evaluation, um zu schauen, wie man hier präventive Maßnahmen ergreifen kann, um zu verhindern, dass Familien überhaupt wohnungslos werden. Das wichtigste Ziel sollte der Senat eigentlich immer vor Augen haben, nämlich dass wohnungslose Menschen, vor allem Familien mit Kindern, wieder in gesicherte Wohnverhältnisse integriert werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen dafür Sorge tragen, dass Familien nicht wohnungslos werden; dazu komme ich noch in der zweiten Runde.

(Finn-Ole Ritter FDP: Zweite Runde?)

Ich habe mir das Interview von Herrn Scheele in der letzten Ausgabe von "Hinz&Kunzt" durchgelesen. Da sah Herr Scheele ziemlich verzweifelt aus. Sie sagten etwas in der Art, dass Sie nicht weiter wüssten bei der öffentlichen Unterbringung. Das bereitet mir viele Sorgen. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, wie Sie jetzt weiter vorgehen möchten mit einem Konzept, das Sie gar nicht haben.

(Beifall bei der LINKEN – Ksenija Bekeris SPD: Vielleicht hat DIE LINKE ja einen Vor- schlag!)

Herr Lohmann von der SPD-Fraktion hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Irgendwie ist es immer das Gleiche. Man muss jetzt schon aufpassen, welche Rede man mitnimmt zum Thema öffentliche Unterbringung. Es kommt immer das Gleiche dabei heraus: Viele Forderungen und nicht ein einziger konstruktiver Vorschlag zur Umsetzung der ganzen Geschichte.

(Beifall bei der SPD und bei Ralf Niedmers und Wolfhard Ploog, beide CDU)

Das Thema öffentliche Unterbringung ist zum wiederholten Male zur Debatte in der Bürgerschaft angemeldet worden. Wir haben im Sozialausschuss das Thema öffentliche Unterbringung diverse Male ausführlich und konstruktiv bearbeitet.

(Glocke)

Herr Lohmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?

Sehr gerne.

Herzlichen Dank, Herr Lohmann. – Sie sagten gerade: kein einziger konstruktiver Vorschlag. Meine Kollegin hat auch Herrn Kienscherf und die SPD aus der letzten Legislaturperiode zitiert. War das auch nicht konstruktiv?

Ich habe keinen einzigen Vorschlag von Ihnen gehört als LinksFraktion. Sie haben Herrn Kienscherf zitiert, genau.

Mein Eindruck ist, dass sich alle vier Oppositionsfraktionen mit dem Thema intensiv und sehr ernsthaft auseinandergesetzt haben. Viele Ihrer Anregungen wurden von uns aufgenommen. Aber die Situation in der öffentlichen Unterbringung hat sich in der Zwischenzeit leider nicht entspannt, sondern sie hat sich weiter zugespitzt. Wenn die Prognosen stimmen und in diesem Jahr 3000 Flüchtlinge nach Hamburg kommen, mehr als im letzten Jahr, dann bedeutet das, dass wir eigentlich jeden Monat 250 neue Plätze in der öffentlichen Unterbringung in dieser Stadt schaffen müssen. Das ist eine gewaltige Aufgabe, vor der wir stehen. Der Senat und wir als SPD-Fraktion unternehmen große Anstrengungen, um diese Aufgabe zu bewältigen. Hierbei sollten Sie uns unterstützen und nicht immer nur Forderungen stellen. Im letzten Jahr sind die Mittel für die öffentliche Unterbringung um 25,5 Millionen Euro aufgestockt worden und in diesem Jahr um 45 Millionen Euro.

Nun zu Ihrem Antrag, zunächst zu Ziffer 1: Wegen der hohen Auslastung der Unterkünfte werden als Notlösung seit dem Jahr 2012 einzelne Familien in Hotels untergebracht. Hierbei soll vorrangig die Obdachlosigkeit von Kindern verhindert werden. Es gibt hierzu aktuell in Hamburg keine Alternative. Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle bemühen sich sehr, geeignete Hotels für diese Unterbringung zu finden. Sie möchten die Unterbringung von Familien in ausreichend ausgestatteten Apartments. DIE LINKE verkennt jedoch grundlegend die Situation in der öffentlichen Unterbringung; die

(Cansu Özdemir)

se ausreichend ausgestatteten Apartments sind tatsächlich nicht verfügbar. Ihre Forderung, die für Wohnraum zuständige BASFI müsse dringend familiengerechte Unterkünfte in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen, formuliert das fachliche Ziel zutreffend. Alle Beteiligten arbeiten daran. Wir sind dabei, dieses Ziel in absehbarer Zeit zu verwirklichen.

(Beifall bei der SPD – Christiane Schneider DIE LINKE: Wie denn?)

Zu Ziffer 2: Von insgesamt 1608 Familien sind zurzeit 846 in abgeschlossenen Wohneinheiten untergebracht. Es wird versucht, möglichst allen Haushalten eine sozialverträgliche Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Auslastung in der öffentlichen Unterbringung und der dringend erforderlichen Erweiterung der Kapazitäten ist an eine Erhöhung des Mindeststandards in absehbarer Zeit aber nicht zu denken. Alle Beteiligten stehen vor einer großen und verdammt schwierigen Aufgabe. Hier ist die Unterstützung aller gefragt. Wir als SPD-Fraktion stehen zu dieser Aufgabe.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu Ziffer 3: Die aktuell in Hotels untergebrachten Familien haben in den wenigsten Fällen in Hamburg ihre Wohnungen verloren; ich nenne als Stichworte Trennungen, vorrübergehendes Wohnen bei Freunden oder Zuzug aus anderen Städten und Ländern. Diese Evaluation wäre also keine geeignete Grundlage, um aus ihr Maßnahmen abzuleiten, die Wohnverlust vermeiden können.

Auch wir als SPD-Fraktion haben die Vision kleiner, dezentraler Einrichtungen, gleichmäßig über die Stadt verteilt und integriert in die jeweiligen Stadtteile. Aber dafür brauchen wir Wohnungen, damit die Menschen aus der öffentlichen Unterbringung in Wohnraum umziehen können.