Protokoll der Sitzung vom 22.06.2011

(Beifall bei der SPD)

Der deutlichste Beleg dafür, dass wir es mit einer soliden Haushaltsführung ernst nehmen, ist die Verwendung der Steuermehreinnahmen, die uns die Maisteuerschätzung im Umfang von 600 bis 700 Millionen Euro jährlich vorhersagt. Davon wird kein einziger Euro zur Steigerung der Ausgaben der Fachbehörden verwendet. Vielmehr werden wir die Steuermehreinnahmen in vollem Umfang nutzen, um den Haushalt für kommende Jahre krisenfest zu machen. Wir werden einen teuren 200-Millionen-Euro-Wohnungsbaukredit des Bundes tilgen. 700 Millionen Euro sollen von 2011 bis 2013 eingesetzt werden, um den Hamburgischen Versorgungsfonds, den Pensionsfonds für frühere Beschäftigte des LBK und anderer verselbstständigter Einheiten wieder ins Lot zu bringen. Damit verhindern wir eine weitere Aufnahme von Schulden in diesem Nebenhaushalt, für den die Stadt in vollem Umfang einstehen muss.

(Beifall bei der SPD)

500 Millionen Euro an Steuermehreinnahmen setzen wir ein, um 2011 und 2012 die Neuverschuldung abzusenken und weniger an Rücklagen einzusetzen, als es der Vorgängersenat geplant hat. Und selbst unter Einrechnung dieser Maßnahmen unterschreiten wir die vorgegebene 1-ProzentGrenze für die Ausgabenentwicklung. Dies sind ein erster Schritt und ein wichtiger Beitrag zu einer neuen, soliden Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Hier geht es um ein Kernelement der Politik dieses Senats. Wir wissen, dass öffentliche Haushalte nicht in der Wirtschaftskrise ruiniert werden, sondern in Zeiten des Aufschwungs und des Booms. Wir wissen, dass sich eine Volkswirtschaft und damit auch die Steuereinnahmen zyklisch entwickeln

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

und dass auf Phasen des Booms regelmäßig auch Phasen der Stagnation oder gar des Rückgangs folgen. Wer im konjunkturellen Aufschwung die Ausgaben unkontrolliert erhöht, der vergrößert das strukturelle Defizit und hat damit das drastische Sparprogramm im nächsten Abschwung vorprogrammiert. Diesen Fehler werden wir nicht wiederholen.

(Beifall bei der SPD)

Der neue Senat hat die Linie seiner Ausgabenpolitik daher unabhängig von schwankenden Steuerprognosen festgelegt. Unsere Ausgabenplanung orientiert sich am langfristigen Trend der Einnahmen. Die Steigerungsraten sind so bemessen, dass im Jahr 2020 Einnahmen und Ausgaben zur Deckung kommen und Hamburg die Schuldenbremse des Grundgesetzes einhält. Wir können nicht ausschließen, dass diese Richtschnur in Zukunft auch einmal neu justiert werden muss. Dies könnte nötig werden, wenn sich die Inflationsrate langfristig über dem bisherigen Zielwert der Europäischen Zentralbank festsetzt oder wenn sich im Steuersystem oder in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen etwas Grundlegendes ändert.

(Dietrich Wersich CDU: Aber Inflation gab's doch immer!)

Solange sich solche Fundamentaldaten nicht ändern, gilt der Ausgabenkorridor, den wir heute zeichnen.

Rahmendaten können sich ändern, Herr Wersich, aber fest steht, 2020 werden Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sein.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Viel zu spät!)

Nun sagt Herr Wersich, das sei viel zu spät. Aus den Reihen der Opposition wird uns vorgeworfen, das Ziel der Einhaltung der Schuldenbremse im Jahr 2020 sei nicht ehrgeizig genug.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Richtig!)

Das geht doch schneller, ruft man uns zu.

(Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wersich?

Ja, wenn das jetzt sein muss.

– Sonst würde ich nicht hier stehen, Herr Senator.

Ich habe eben aufgemerkt. Ist es richtig, dass Sie die durchschnittliche Steigerungsrate der Haushalte auf der Ausgaben- wie Einnahmenseite aufgrund der üblichen, auch inflationären Entwicklung

der vergangenen Jahre errechnet haben und dass es insofern jetzt eine Neuigkeit ist, dass Sie sich nicht mehr an Ihre 1 Prozent gebunden fühlen, falls sich die Inflation so entwickelt, wie es auch in den vergangenen zehn Jahren gewesen ist?

Nein, Herr Wersich, wir mussten für die Berechnung des Projektionspunktes 2020 gewisse Annahmen treffen – wie übrigens auch alle anderen, die solche Modelle entwerfen – und die gehen von einem bestimmten Inflationsniveau und einer bestimmten Entwicklung von Versorgungsleistungen aus. Und unter diesen Annahmen wird das Modell errechnet, das dazu führt, dass wir systematisch zu einem ausgeglichen Haushalt kommen.

Wenn sich diese Rahmendaten nach oben oder unten ändern, beides ist grundsätzlich möglich, müssen Sie den Kurs etwas strammer ziehen oder anders angleichen, als es sich unter den Annahmen, die Sie ursprünglich getroffen haben, ergeben hätte. Wir sollten diese Frage, die auch damit zusammenhängt, wie wir nach der Sommerpause mit einem Finanzrahmengesetz umgehen, sorgfältig im Haushaltsausschuss besprechen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, diese Kalkulationen – wie andere Parteien auch, wie der Steuerzahlerbund und auch der Rechnungshof – einmal für die CDUFraktion vorzunehmen, um sich dann zu fragen, wie realistisch es wirklich ist, die Schuldenbremse des Grundgesetzes schon 2015 oder 2013 einzuhalten.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie uns mit diesen Zwischenfragen, mit Ihren Debattenbeiträgen und Ihren Pressemeldungen in Abgrenzung zur faktischen CDU-Finanzpolitik der letzten zehn Jahre geboten haben, das erinnert mich in der Tat an vergangene Jahre, als ein Finanzsenator mit großer Geste das Ende der Neuverschuldung verkündete. Gleichzeitig wurden die Ausgaben erhöht, und zwar von Ihnen, Herr Wersich. Und wenige Monate nach Beginn eines Wirtschaftsabschwungs musste derselbe Finanzsenator der Bürgerschaft eine Neuverschuldung in Milliardenhöhe vorlegen.

Nun sind wir wieder im Aufschwung. Für einige Zeit sprudeln die Steuerquellen. Aber niemand garantiert uns, dass die jetzt vorgelegten Schätzungen für 2013, 2014, 2015 tatsächlich eintreten. Ich hoffe, dass der aktuelle Aufschwung andauert und dass sich die Risiken nicht verwirklichen, die beispielsweise mit der Schuldenkrise in Griechenland verbunden sind. Aber wir müssen damit rechnen, dass wir auf dem Weg bis 2020 auch wirtschaftlich schwierige Jahre erleben. Deshalb suchen wir keinen kurzzeitigen Scheinerfolg auf dem Gipfel der Konjunkturentwicklung, sondern den nachhaltigen Erfolg eines strukturell sanierten Haushalts bis 2020, wie ihn das Grundgesetz vorschreibt.

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

Wir bieten der Opposition an, bei der Umsetzung der Schuldenbremse in hamburgisches Landesrecht zusammenzuarbeiten und den Konsens zu finden. Aber wir werden uns nicht an einem falschen Wettbewerb um die früheste Jahreszahl beteiligen. Und jeder, der eine schnellere Beseitigung des Defizits fordert, soll gleich sagen, wo wir die hierfür erforderlichen dreistelligen Millionenbeträge zusätzlich einsparen sollen.

(Beifall bei der SPD)

Eine vorzeitige Festschreibung unrealistischer Konsolidierungsziele ist eine Wette auf die Konjunktur, die wir nicht akzeptieren. Kasinomentalität in der Finanzpolitik wird es mit einem SPD-Senat nicht geben, Herr Wersich.

(Beifall bei der SPD)

Und wir werden auch nicht den Weg gehen, den Kernhaushalt dadurch auszugleichen, indem wir Defizite und Risiken in Nebenhaushalte verlagern. Im Gegenteil, mit der Sanierung des Hamburgischen Versorgungsfonds werden wir bis 2013 einen besonders defizitären Nebenhaushalt in Ordnung bringen. Wir werden auch das Sondervermögen Konjunkturstabilisierungsfonds auflösen, in dem nichts anderes geschieht, als neue Schulden aufzunehmen und sie dann als Rücklagen zu bezeichnen.

(Dietrich Wersich CDU: Nein, ab 2015 zu til- gen!)

Wie ehrgeizig die Vorgabe ist, den jährlichen Ausgabenzuwachs deutlich unter dem Einnahmenzuwachs zu halten, wird erkennbar, wenn man die konkreten Auswirkungen für jedes einzelne Ressort und für jedes einzelne Jahr bis 2020 plant. Diesen anstrengenden Arbeitsprozess hat der Senat begonnen. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für den nächsten Doppelhaushalt 2013/2014 und für den Entwurf eines Finanzrahmengesetzes, den wir der Bürgerschaft noch in diesem Jahr vorlegen werden, um der mittelfristigen Haushaltsplanung erstmals eine hohe Verbindlichkeit mit Gesetzesrang zu geben.

In diesem Haushaltsrahmen große Zuwächse für einzelne Fachaufgaben zu verankern, ist außerordentlich schwierig, weil das jeweils nur zulasten anderer Ressorts erfolgen kann. Ich sage dies ausdrücklich auch mit Blick auf die Hochschulen. Da ist in den letzten Wochen der Eindruck erweckt worden, dass die Mittel für die Hochschulen gekürzt würden; dies trifft nicht zu.

(Beifall bei der SPD)

Wir können zwar nicht alle Kürzungen von CDU und GAL aus den vergangenen Jahren rückgängig machen,

(Dietrich Wersich CDU: Der Hochschuletat ist um 20 Prozent gestiegen!)

wie es zum Teil jetzt nachträglich gefordert wird, aber ab jetzt wachsen die Zuweisungen aus dem Haushalt an die Hochschulen Jahr für Jahr, von 2010 auf 2011 zum Beispiel um 7 Millionen Euro. Mit den zusätzlichen Mitteln des Hochschulpaktes, der vollen Erstattung der Studiengebühren, dem weiteren Ausgleich von Tarifsteigerungen und der Übernahme von Pensionszahlungen wachsen die Mittel für Hochschulen und insbesondere die Universität um zweistellige Millionenbeträge. Es geht also unter einem SPD-Senat nicht um Kürzungen, sondern darum, wie stark der Etat der Hochschulen wachsen kann. Es kommt nicht darauf an, Klamauk auf der Straße zu machen,

(Jens Kerstan GAL: Wie arrogant nach 100 Tagen!)

sondern eine verantwortungsvolle Finanzplanung für die Hochschulen im Rahmen des Gesamthaushalts vorzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Aufgabe, der sich alle stellen müssen, auch und gerade die hauptamtlichen höchsten Vertreter der Universität.

(Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Heyenn?

Frau Heyenn.

Herr Senator, können Sie bitte noch einmal wiederholen, wie hoch die globale Minderausgabe im Haushalt der Universität Hamburg ist?

Frau Heyenn, wenn man – und das ist auch gerade das Problem, das wir mit bestimmten Vertretern der Hochschulen derzeit haben – mit einer Haushaltssystematik argumentiert, sollte man sie verstehen.