Protokoll der Sitzung vom 02.07.2014

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja, haben sie!)

Ich will das auch gerne ausführen. Ich erinnere an die letzte Legislaturperiode. In der letzten Legislaturperiode wurden die verpflichtenden Noten in Klasse 3 zu Recht abgeschafft,

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

"Fördern statt Wiederholen" eingeführt und das strukturierte Sitzenbleiben abgeschafft. In der letzten Legislaturperiode waren die Bildungspläne, die jetzt gültig sind, maßgeblich auf den Weg gebracht. Das sind alles Dinge, von denen sich die CDU jetzt wieder verabschieden will. Das verstehe ich nicht. Außerdem wurde, maßgeblich auch von der CDU, das Zwei-Säulen-Modell eingeführt. Das soll jetzt löchrig werden wie ein Käse, und zwar one way vom Gymnasium zur Stadtteilschule. Die CDU hat vor mehr als zehn Jahren G8 eingeführt, ist jetzt aber nicht bereit, die Konsequenzen zu tragen und Entlastungen für die Kinder in unserer Stadt zu gestatten. Das meine ich, wenn ich sage, die CDU habe ihren bildungspolitischen Kompass komplett verloren.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

(Lars Holster)

Zu dem zweiten Antrag und zu dem, was diese Schulwahlunterstützung anbelangt. Zeugnisnoten sind subjektiv, das wissen wir alle. Dazu muss man nicht Lehrer oder Lehrerin sein. Und was heißt denn Deutsch 3?

(Olaf Ohlsen CDU: Befriedigend!)

Was kann das Kind, was kann es nicht?

Die Eltern haben es mittlerweile verstanden, dass Noten nicht aussagekräftig sind. Wir haben gerade letzte Woche eine Schriftliche Kleine Anfrage bekommen, in der steht, dass zwei Drittel aller Eltern der Schülerinnen und Schüler in Klasse 3 diese Noten ablehnen und sich ganz alleine auf die Lernentwicklungsberichte verlassen. Die Eltern haben das verstanden, die CDU noch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und was soll ein Leitfaden zu den Anforderungen an den Gymnasien bewirken? Glauben Sie nicht, dass die Eltern genau wissen, was im Gymnasium auf ihre Kinder wartet oder auch nicht. Ich bin mir sicher, Sie wissen das ganz genau.

Zum Thema Diagnostik und ob ein Kind für das Gymnasium geeignet ist: Ich gehe mit meinem Kind zum Arzt und lasse eine Diagnostik zum Husten machen, aber ich lasse mein Kind nicht diagnostizieren, um zu sehen, ob es für das Gymnasium geeignet ist. Das ist wirklich eine pädagogische Rumpelkiste.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Fazit kann nur sein, dass wir Entlastung für die Kinder brauchen. Wir haben eine Fürsorgepflicht bezüglich der Hausaufgaben, Klausuren und Wochenstunden. Die Bildungspläne sind kompetenzorientiert, das heißt, wir haben exemplarische Inhalte. Wenn einige Gymnasien immer noch stofforientiert unterrichten, dann ist es ein Problem der Schule und der Unterrichtsentwicklung, aber nicht der Politik. Sitzenbleiben muss eine Ausnahme bleiben, und die Verfahren sind transparent genug. Die Durchlässigkeit – das haben wir hinlänglich debattiert – geht sowieso nur in eine Richtung, da brauchen wir nicht noch weiterzudrehen. Wir brauchen nach wie vor Lernentwicklungsberichte, wir brauchen das zweite Lernentwicklungsgespräch, und die KERMIT-Ergebnisse sind wunderbar geeignet, um den Eltern verlässliche Beratungen anzubieten.

Als Letztes noch, an den Senat adressiert: Wir GRÜNE fordern nach wie vor eine viel offensivere Schul- und Unterrichtsentwicklung. Da ist wirklich seit der letzten Legislaturperiode vieles auf der Strecke geblieben. Wenn die Unterrichtsqualität und die Fortbildung wieder besser werden, dann werden wir diese Probleme auch nicht mehr haben. Deswegen lehnen wir diese Anträge ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau von Treuenfels von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da jeder die Gelegenheit nutzt, noch einmal einen kleinen Schlenker zur Intensität der Gespräche mit der Volksinitiative zu machen, gibt es auch ein Wort von uns dazu. Ich finde es immer interessant zu hören, wie sowohl die GRÜNEN als auch die CDU sich so ein bisschen wenden und drehen und eigentlich Angst vor einem Volksentscheid haben. Sie wollen das nicht richtig zugeben und fragen, warum denn die anderen nicht mit einem Vorschlag auf sie zukämen, denn der Ball liege doch bei ihnen. Was für ein Vorschlag soll das denn sein, auf was wollen Sie denn da wirklich eingehen? Das ist die entscheidende Frage. Wenn die wirklich mit einem Vorschlag kämen, würden Sie dann auch wieder an Ihren Aussagen rütteln, dass es keine Schulstrukturreform geben solle? Es ist eine interessante Idee, dass Sie immer mit Bällen hin und her spielen. Ich war selbst früher, wie Sie wissen, in einer Volksinitiative, und ich würde nur darüber lachen; jetzt zurück zu Ihrem Antrag.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Das Votum der Schulkonferenzen, das wurde schon klar gesagt, war wirklich eindeutig. Die Gymnasien lehnen die Rückkehr zu G9 so wie wir mit großer Mehrheit ab. Herr Senator Rabe, damit haben die Schulkonferenzen und die Gymnasien aber keineswegs aussagen wollen, dass beim derzeitigen Hamburger G8 alles zum Besten steht. Ganz im Gegenteil, die Stellungnahmen lesen sich wie eine Art Arbeitsauftrag an die Politik, die Probleme endlich einmal anzugehen. Und es sind ganz konkrete Arbeitsaufträge an Sie, Herr Senator Rabe, denn diese große Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation rührt auch daher, dass viele Probleme von Ihnen liegen gelassen wurden.

Meine Fraktion hat sich, wahrscheinlich genau wie die CDU, vor allem aus einem Grund mit den Vorschlägen der Schulkonferenzen wirklich bestätigt gesehen. Darin findet sich vieles, was die FDPFraktion in den vergangenen drei Jahren in ihren Anträgen gefordert hat – von der Durchlässigkeit über die Wiedereinführung der Klassenwiederholung bis hin zur Verstärkung von Verwaltungspersonal an den Schulen. Ich wundere mich, Herr Holster, dass Sie sagen, dies sei überflüssig und wir würden daraus Anträge basteln. Ich würde mich an Ihrer Stelle wundern, denn wir haben das schon vorher gefordert, und die Schulkonferenzen fordern es auch. Ich würde mir ein bisschen Gedanken darüber machen, warum das so zusammenpasst und warum man jetzt nicht langsam,

(Dr. Stefanie von Berg)

aber sicher auch einmal diesen Weg gehen sollte. Die Fraktionen fordern es, die Schulkonferenzen fordern es – auf geht's, machen Sie es einfach.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Die CDU greift diese Vorschläge auf. Wer nun der Erste war und wer welchen Antrag gestellt hat, ist langsam aber sicher egal. Über die Durchlässigkeit haben wir bereits in der letzten Bürgerschaftssitzung ausführlich debattiert. Warum die CDU unserem Antrag nicht so richtig zugestimmt hat und welche andere Regelung ihr da vorschwebt, das verstehe, wer will. Aber zumindest in der Zielrichtung stimmen wir überein.

Gleiches gilt für die Wiedereinführung der Klassenwiederholung. Im Grundsatz Zustimmung, aber – und das möchte ich noch einmal betonen – wir möchten keine Regelung, die zurück in die Steinzeit führt. Im Gegenteil, wir möchten eine Regelung – das haben wir schon einmal sehr deutlich gemacht –, die die Eltern und vor allem die betroffenen Schüler ernst nimmt, sie einbezieht und an der Entscheidung beteiligt. Das ist ein Unterschied.

Dass die Klassenwiederholung an sich ein wichtiges Instrument ist, zeigt auch die Auswertung der Lernförderung, die Senator Rabe am Montag vorgestellt hat. Die Qualität der Angebote ist nach wie vor fraglich und der nachhaltige Effekt ungewiss, denn eine Evaluation hierzu findet nicht statt. Man fragt sich, warum eigentlich? Dabei ist doch gerade sie angesichts der Kosten von 11 Millionen Euro dringend notwendig.

Mit ihrer Forderung nach einer Überarbeitung der Bildungspläne scheint die CDU allerdings die eierlegende Wollmilchsau zu suchen. Die Bildungspläne sollen verschlankt werden, gleichzeitig soll das Niveau aber nicht weiter abgesenkt werden. Ich frage mich, wie das zum einen eigentlich funktionieren soll und zum anderen, wie denn die jetzt schon ausgedünnten Bildungspläne immer noch dünner und dünner gemacht werden sollen? Es gibt hier augenscheinlich viel eher ein Umsetzungsproblem. Statt einer weiteren Verschlankung braucht es viel mehr konkrete Vorgaben in den Bildungsplänen und eine bessere Hilfestellung für die Gymnasien bei der Umsetzung.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Auch die FDP-Fraktion wünscht sich eine bessere Beratung bei der Wahl einer weiterführenden Schule. Der Antrag der CDU ist in diesen Punkten aber halbherzig. Zwischen den Zeilen steht – ich denke, das kann man ziemlich deutlich herauslesen –, dass Sie das Elternwahlrecht doch gern einschränken wollen. Erklären Sie mir bitte das Gegenteil. Aber ich habe den Eindruck, Sie trauen sich das vielleicht nicht so richtig, denn diese Forderung – ich weiß nicht, ob Sie sie nun ausgespro

chen haben oder nicht –, wurde doch schon einmal über die Presse zugespielt. Ich glaube, da wollte man an den Gymnasien Zusatzprüfungen einführen. Ich habe den Eindruck, jetzt versuchen Sie es durch die Hintertür, nämlich durch eine größtmögliche Abschreckung. Mit dem Leitfaden und vor allem einem diagnostischen Verfahren möchten Sie genau das erreichen.

Was soll denn die Konsequenz aus einem solchen diagnostischen Verfahren sein? Eltern, die ihr Elternwahlrecht – was wir alle wollen – in Anspruch nehmen möchten, sollen dann mit dem diagnostischen Verfahren zur Räson gebracht werden. Sie möchten durch die Hintertür das Elternwahlrecht einschränken, sagen Sie es doch einfach. Und was erreichen Sie damit? Das ist das, was ich so prekär finde, denn Sie werten auf eine bestimmte Art und Weise die Stadtteilschule damit auch ein bisschen ab. Dem Kind wird nämlich gesagt, es sei nicht gut genug für das Gymnasium, es solle lieber in die Stadtteilschule gehen. Das ist dann die Diagnose, und das finde ich etwas abwertend.

Stattdessen wäre es doch viel sinnvoller, wenn den Eltern in den Beratungsgesprächen die Stärken und die Vorteile der Stadtteilschule aufgezeigt würden. Das würde ich als positiv verkaufen und für sinnvoller für alle Beteiligten halten.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Auch wenn wir in den Details unterschiedliche Ansichten haben – und so soll es auch sein –, wäre es doch nun endlich an der Zeit, werte Kollegen von der SPD und Herr Senator Rabe, die Anregungen aus der Praxis endlich einmal ernst zu nehmen. Auch wenn sich die Fraktionen gemeinsam gegen eine Schulstrukturreform aussprechen, heißt das nicht, dass alles so bleiben kann wie es ist, im Gegenteil. Über Verbesserungen beim G8 müssen wir dringend sprechen, ganz im Sinne der Stellungnahmen der Schulkonferenzen und im Sinne dessen, was wir Ihnen sagen.

Deshalb stimmt meine Fraktion einer Überweisung dieses Antrags an den Schulausschuss zu. Wir hoffen, dass wir sie da auch wirklich debattieren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Das Wort bekommt Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten über drei vorliegende Anträge, und Frau Prien hat angefangen mit einem Hinweis auf das Volksbegehren. Sie sagte dann, die Zeit der taktischen Spielchen sei vorbei. Aber nicht für die CDU, habe ich den Eindruck. Wenn Sie nämlich die Antworten der

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

60 staatlichen und 11 privaten Gymnasien der Schulkonferenzen lesen, dann sehen Sie, dass diese der SPD sagen, sie solle sich nicht heraussuchen, was ihr passe; aber genau das tun Sie. Genau an der Stelle nämlich, wo aus den Schulen zurückkommt, dass es toll wäre, wenn es Zugangsbeschränkungen für das Gymnasium, wenn es Notenschwellen und Prüfungen gäbe, erinnern Sie sich dunkel daran, dass Sie einmal an der Speerspitze einer Bewegung waren, die gegen die Primarschule war. Und da fällt Ihnen plötzlich wieder ein, dass doch der Elternwille dagegen stehe. Dann sagen Sie, das gehe nicht. Auch Sie picken sich nur das heraus, was Ihnen gefällt, und das sind Spielchen und nichts anderes.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Interpretation der Antworten und Rückmeldungen aus den Schulen ist wirklich abenteuerlich. Man könnte auch sagen, Sie verfahren nach dem Motto: Die Geister, die ich rief, oh Gott, ich werde sie nicht mehr los, was mache ich jetzt?

Und wenn Sie, Frau von Berg, sagen, wir aus dem Schulausschuss hätten der Initiative einen Ball hinübergeschossen, dann kann ich nur sagen, dass wir gar keinen Ball hatten.

(Olaf Ohlsen CDU: Da war auch keine Luft drin!)

Wir hatten auch überhaupt kein Gesprächsangebot, wir wussten gar nicht, worüber wir reden sollten. Von daher ist natürlich die Antwort der Initiative, dass sie ein Gespräch nicht annehme, weil sie gar nicht wisse, worüber man reden solle, nur konsequent. Da muss man nicht die Initiative beschimpfen, das bringt gar nichts.

(Beifall bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP und Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Ich wollte mich gern auf den Antrag "Eltern bei der Schulwahl stärker unterstützen" beziehen. Im ersten Absatz bekräftigt die CDU noch einmal sehr stark, dass der Elternwille doch erhalten bleiben müsse. Sie waren die Speerspitze damals, insbesondere Sie, Frau Prien, für die Abschaffung der Primarschule und dafür, dass nach der vierten Klasse alle Eltern entscheiden können, ob ihr Kind auf das Gymnasium kommt oder nicht. Und dann kommt ein Zurück in die Steinzeit, wie Frau von Treuenfels sagte. Ich selbst hätte es gar nicht so hart ausgedrückt, da haben Sie mich echt getoppt, ich hätte gesagt, 19. Jahrhundert, aber Steinzeit trifft es besser, da haben Sie wirklich recht. Ich lese einmal diesen Satz vor, der im zweiten Absatz dieses Antrags steht. Da schreibt die CDU – ich zitiere –:

"Die Stadtteilschulen als noch junge Schulform haben die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler mit sehr unterschiedlichem Leis

tungsvermögen und Ausgangsvoraussetzungen individuell auf den jeweils bestmöglichen Abschluss vorzubereiten."