Protokoll der Sitzung vom 27.08.2014

Jetzt stellt sich heraus, dass die frei werdenden Mittel ausschließlich an die Schulen gehen sollen. Unsere Befürchtungen, die wir in der Debatte im Juni vorgetragen haben, sind leider eingetreten. Dieser Senat setzt die frei werdenden BAföG-Mittel nach Kassenlage ein.

Es ist richtig, dass im Schulsystem finanzielle Mittel fehlen, um die Inklusion so umzusetzen, dass

(Dr. Eva Gümbel)

sie auch funktioniert. Aber diese frei werdenden Mittel sollen ja nicht einmal für Inklusion eingesetzt werden. Davon habe ich nichts gehört, ich höre immer nur Bauten, Bauten, Bauten. Außerdem entfällt auf den Wissenschaftsbereich der größte Anteil der BAföG-Mittel.

Was Sie hier betreiben, ist Haushaltskonsolidierung durch die Hintertür. Anders als in den anderen Bundesländern war im Juni nicht klar, wohin der Senat die BAföG-Millionen fließen lassen wollte. Deswegen haben wir unseren Antrag gestellt. Wir verlangen nach wie vor, dass die frei werdenden BAföG-Mittel in den Bereich Bildung fließen, und zwar im Verhältnis 20:80 aus einem ganz einfachen Grund: Die BAföG-Mittel entfallen zu 20 Prozent auf Schüler-BAföG und zu 80 Prozent auf BAföG für Studierende. In diesem Umfang sollten die frei werdenden Mittel auch in die Schulen und in die Hochschulen einfließen, und zwar on top und nicht irgendwo anders wieder eingespart.

(Beifall bei der LINKEN)

So haben wir eine doppelte Kürzung im Wissenschaftshaushalt und das geht überhaupt nicht.

Als wir im Juni diesen Antrag gestellt haben, haben SPD und FDP dagegen gestimmt. Jetzt meldet die FDP zur Aktuellen Stunde die Zweckentfremdung der BAföG-Mittel an. Ich kann nur sagen, der 15. Februar naht. Das ist ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver und nichts anderes.

(Beifall bei der LINKEN)

Einmal abgesehen davon, dass die letzte Woche vom Bundeskabinett beschlossene BAföG-Erhöhung zu gering ist und deutlich zu spät kommt,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Klar, zu spät, zu wenig!)

kommen die jetzt frei werdenden Mittel aus dem Landeshaushalt nicht dort an, wo sie dringend gebraucht werden. Das Geld kommt aus dem Bildungsbereich und gehört dort auch wieder hin, und zwar im Verhältnis 20:80, wie ich bereits ausgeführt habe. Bei den Hochschulen muss ganz konkret in die Qualitätsverbesserung der Lehre investiert werden.

Und nun kommt Herr Kühn um die Ecke und erklärt, die SPD brauche diese BAföG-Mittel – die Schulbauten haben Sie nicht erwähnt –, um die Universitätsneubauten in der Grindelallee, den Campus für Naturwissenschaften und den Campus Bahrenfeld zu finanzieren. Ich habe im Wissenschaftsausschuss nachgefragt, weil wir diese ÖÖP-Modelle ausgesprochen kritisch sehen. Ich habe gefragt, was denn passiert, wenn die Mieten zum Beispiel in Bahrenfeld erheblich ansteigen und die Universität diese Mieten nicht mehr bezahlen kann oder nicht mehr bezahlen will. Die Antwort war nicht, das komme aus den BAföG-Mitteln, sondern die Antwort war, dann müsse man eben

und das sei wohl ein Klacks – am Standort Bahrenfeld einfach die Drittmittel erhöhen und daraus könne man dann die Miete zahlen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Erst mal werden die Mittel angehoben, und das wird aus BAföG-Mitteln finanziert!)

Sie können es im Protokoll nachlesen, genauso ist es mir gesagt worden. Mehr Drittmittel bedeuten mehr Abhängigkeit von der Wirtschaft, und das geht gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Und zweitens, nachdem ich mehrere Male nachgebohrt habe, kam auch nicht, dass es aus BAföGMitteln kommen müsse, sondern es kam ganz klar, dann werde dieses neu erschaffene Forschungszentrum eben an jemand anderes vermietet. Da sind schon genug, da sind schon DESY und das Max-Planck-Institut, und das wäre dann eine weitere Privatisierung. Aber dass Sie jetzt anfangen, mit den Bauten zu argumentieren, würde im Umkehrschluss bedeuten, dass Sie den Campus Bahrenfeld nicht ausgebaut hätten, wenn der Bund nicht die BAföG-Mittel übernommen hätte. Das ist doch total absurd, was Sie da erzählen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Es geht um die steigenden Mietmit- tel!)

Die Hamburger Hochschulen sehen sich zu Recht von diesem Senat getäuscht. Zu einer bisher konstanten Unterfinanzierung, wie es Professor Lenzen immer gesagt hat, kommt eine neue Unterfinanzierung hinzu. An der Universität Hamburg droht zum Beispiel eine Unterfinanzierung von mindestens 16 Prozent. Die Folge davon sind nicht besetzte Stellen, Massenvorlesungen und eine überbordende Zahl von Lehraufträgen, die auch noch schlecht bezahlt werden. Eine zunehmende prekäre Beschäftigung auch an den Hochschulen ist inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Holster hat in der Debatte im Juni gesagt – ich zitiere –:

"Den Antrag der Fraktion DIE LINKE sehe ich schon viel näher zu unserer Position. […] Wissenschaft und Forschung. Nun will die Fraktion DIE LINKE das Fell des Bären schon jetzt verteilen, aber wir warten lieber in Ruhe ab; vielleicht stellen Sie den Antrag noch einmal nach den Haushaltsberatungen."

Wir werden den Antrag stellen, und wir werden nicht zulassen, dass Sie das Fell des Bären dahin verteilen, wo es nicht hingehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat Frau Senatorin Dr. Stapelfeldt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über die Verwendung von über 30 Millionen Euro, um die Hamburg vom Bund entlastet wird. Nicht von ungefähr ist der entsprechende Passus im Koalitionsvertrag des Bundes nicht im Bereich Wissenschaft verortet, denn es handelt sich zunächst einmal um eine finanzielle Entlastung der Länder um 6 Milliarden Euro bis 2017, damit sie ihre Aufgaben in Bildung und Wissenschaft ordentlich wahrnehmen können. Diese 6 Milliarden Euro werden selbstverständlich dazu genutzt, um Hochschulen, Schulen und Kitas zusätzlich zu stärken. Und wir wissen alle, dass diesen Passus des Koalitionsvertrags und vor allen Dingen auch die weitere konkrete Umsetzung dieses Auftrags aus der Koalitionsvereinbarung ganz wesentlich Bürgermeister Scholz ausverhandelt hat.

(Beifall bei der SPD)

Das ist mehrfach gut für Hamburg. Das ist gut für die Schulen, für die Wissenschaft und für die Kindertagesbetreuung. Hamburg hat dadurch Spielräume bekommen, um genau in diesen wichtigen Zukunftsfeldern zusätzliche Prioritäten zu setzen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es nicht bei einer Entlastung in der bisherigen Höhe des Hamburger Anteils an den BAföG-Kosten bleiben wird. Vielmehr impliziert diese Vereinbarung, dass künftige BAföG-Erhöhungen, wie sie zum Beispiel zum Wintersemester 2016/2017 geplant sind, ebenfalls nicht mehr durch die Länderhaushalte aufzubringen sind. Auch dies ist eine Entlastung der Länderhaushalte und insoweit ein sehr positiver Effekt für die zukünftigen Etats von Wissenschaft und Bildung.

(Beifall bei der SPD)

Es ist gut, Herr Wersich, dass die Große Koalition in Berlin zu den prioritären Themen unserer Gesellschaft, wie Menschen an Bildung teilhaben können, Fortschritte erzielt hat. Studierende werden eine höhere BAföG-Förderung erhalten, die Länder haben mehr Luft für ihre Aufgaben in Bildung und Wissenschaft, und weitere Spielräume entstehen durch die geplante Änderung von Artikel 91b des Grundgesetzes. Zukünftig können Bund und Länder aufgrund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken. Die Grundgesetzänderung ermöglicht es, die Hochschulen künftig durch Bundesmittel auch institutionell zu fördern, während dies derzeit nur über befristete Programme wie den Hochschulpakt oder die Exzellenzinitiative möglich ist, und auch dies ist ein guter und ein wichtiger Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern sieht vor, die durch die vollständige Übernahme der BAföG-Leistungen durch den Bund frei werdenden Mittel – ich zitiere –

"[…] zur Finanzierung von Bildungsausgaben im Bereich Hochschule und Schule [zu] verwenden."

Der Senat hat entschieden, genau dies so umzusetzen für Bildung und Wissenschaft in unserer Stadt für die kommenden Generationen.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Prioritäten stehen. Unser Horizont geht über tagesaktuelle Debatten hinaus, was nicht bei allen Akteuren in diesem Zusammenhang der Fall ist

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, das kann man wohl sagen!)

außerhalb des Parlaments.

(Beifall bei der SPD)

Aber die Verantwortung für Bildung ist eine Zukunftsaufgabe, die Weitblick und Nachhaltigkeit braucht und nicht das schnelle reflexartige Heischen nach Schlagzeilen.

In den nächsten Jahren werden die frei werdenden Mittel nicht nur für die Erfordernisse der Bildung in den Schulen, sondern auch für die Finanzierung der dringend erforderlichen Verbesserungen der baulichen Infrastruktur an den Hochschulen verwendet. Sie wissen, dass wir den fahrlässig zugelassenen baulichen Stillstand an der Universität aufgelöst und den Neubau am Geomatikum für die Geowissenschaften und die Klimaforschung sowie den Forschungsbau für die Physik in Bahrenfeld, das CHYN, auf den Weg gebracht haben.

(Dietrich Wersich CDU: Seit der BAföG-Ent- scheidung! – Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Das allein sind Investitionen von rund 240 Millionen Euro.

(Beifall bei der SPD)

Und wir übernehmen noch mehr Verantwortung für die Hochschulen und nicht nur für die außeruniversitäre Forschungsförderung wie zum Beispiel mit dem Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie oder dem CSSB: die Neubauten für das MIN-Forum und die Informatik an der Bundesstraße, die Modernisierung des Geomatikums und die des Philosophenturms oder auch die Verbesserung der räumlichen Situation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften durch Anmietung, Neubauten oder Sanierung, um nur einige Beispiele zu nennen. Nach dem Beschluss über den Neu

bau der Kinderklinik am UKE gibt es weitere notwendige Bauvorhaben, die wir finanzieren werden,

(Dr. Eva Gümbel GRÜNE: Sanierungsstau von 630 Millionen Euro sage ich nur!)

und mit einem großen Vorhaben beginnen wir im nächsten Doppelhaushalt.

Um die bauliche Infrastruktur unserer Hochschulen massiv voranzutreiben, werden uns die Entlastungen des Bundes helfen. Auch das ist ein positiver Effekt einer klugen Entscheidung der Großen Koalition in Berlin, lieber Herr Kollege Wersich.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Mitnahmeeffekte!)