Protokoll der Sitzung vom 27.08.2014

(Martina Kaesbach)

Kurden in ihrem Kampf gegen ISIS zu verbessern. In den kommenden Tagen wird unsere Bundeswehr unter anderem Schutzwesten und Helme auf den Weg bringen. In einem zweiten Schritt werden Fahrzeuge zur Verfügung gestellt werden, und drittens soll eine weitere Ausrüstungshilfe auch in Form von Bewaffnung geleistet werden.

Klar ist dabei aber: Militärische Aufrüstung und Ausrüstung ist keine Strategie. Auf längere Sicht kommt es darauf an, den Mörderbanden von ISIS den Nährboden zu entziehen. Das erfordert mindestens dreierlei: erstens eine Zentralregierung in Bagdad, die alle Gruppen des Landes repräsentiert, zweitens die politische Stabilisierung von Syrien und drittens, den Zufluss von Geld und Kämpfern an ISIS aus dem Ausland zu stoppen.

Die fürchterliche Krise im Irak zeigt erneut, dass der Irakkrieg der USA falsch war. Er hat zum Gegenteil des Gewünschten geführt, er hat die Spannung in der Region erhöht. Deshalb war unser damaliges Nein, das deutsche Nein zu diesem völkerrechtswidrigen Krieg, richtig.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Cansu Özdemir DIE LINKE)

Wir dürfen es uns aber in dieser Haltung nicht bequem machen. Wir dürfen nicht zusehen, wenn Bevölkerungsgruppen von fanatischen Terroristen brutal unterdrückt, vertrieben und ermordet werden. Hierbei sind auch wir Hamburgerinnen und Hamburger gefordert. Wir wollen Flüchtlingen helfen, sei es vor Ort oder in unserer Stadt. Und hier hat Hamburg bisher außerordentliches geleistet und will es auch in Zukunft tun. Die Erstaufnahmekapazitäten sind in den letzten 30 Monaten von 70 auf mehr als 2000 Plätze ausgebaut worden. Die Unterstützung vor Ort ist, bei aller Kritik, immer wieder beeindruckend. Besonders ältere Menschen, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg selbst Opfer von Krieg und Vertreibung wurden, können sich noch sehr gut erinnern, wie sie in Hamburg Aufnahme und eine neue Heimat gefunden haben. Auch deshalb packen sie mit an und helfen bei der Aufnahme und der Integration von Flüchtlingen in unserer Stadt. Dafür zolle ich, dafür zollt der Senat diesen Menschen großen Respekt, und ich sage Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wir müssen aber darüber hinaus auch dafür Sorge tragen, dass nicht weiter Menschen aus unserem Land in unserem Land radikalisiert werden und den Weg über die Türkei nach Syrien und in den Irak suchen und finden, um dort als Kämpfer oder, wie "DER SPIEGEL" schreibt, als Selbstmordattentäter ihr Ende zu finden. Hier werden wir alle rechtlich möglichen und zulässigen Wege zur Ausreiseverhinderung beschreiten. Wir werden die Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden weiter intensi

vieren und jede Möglichkeit nutzen, Ausreisen zu verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn ich sage, alles rechtlich zu Gebot Stehende und alles, was unser Rechtsstaat möglich macht, dann gilt das natürlich auch für die Verbotsmöglichkeiten von Organisationen und Organisationsstrukturen, sei es in Hamburg, sei es in unserer Republik. Wir nehmen diesen Kampf im Rechtsstaat mit rechtsstaatlichen Mitteln auf und werden ihn auch erfolgreich zu Ende führen.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig haben wir das Beratungsnetzwerk Islamismus in der Federführung der Sozialbehörde initiiert, um präventiv Radikalisierung zu bekämpfen. Natürlich sind alle Organisationen, alle Communities herzlich eingeladen, daran mitzutun, denn es ist eine gemeinsame Hamburger Aufgabe, dieser Herausforderung zu begegnen.

Wir müssen aber auch selbst eine friedliche Gesellschaft bleiben, auch und gerade im Angesicht solcher Bedrohungen und Gewaltexzesse. Das bedeutet für mich, dass wir bei allen unterschiedlichen politischen und religiösen Vorstellungen respektvoll und würdig miteinander umgehen, genauso wie wir die Flüchtlinge in unserer Stadt vor Anfeindungen und Übergriffen schützen müssen. Auch hier werden wir mit aller Konsequenz gegen diejenigen, die unser Recht brechen, vorgehen. Dazu gehört auch, dass wir entschlossen und entschieden jedweder Form von Antisemitismus, Antiislamismus oder Antiziganismus als Gesellschaft, aber auch jeder Einzelne von uns, entgegentreten werden, denn das Privileg, in einer sicheren, sozialen und demokratischen Gesellschaft leben zu dürfen, wird uns vielleicht gerade in Zeiten solcher Konflikte erst richtig bewusst. Bewusst wird uns aber auch, dass wir tagtäglich dafür arbeiten müssen, diesen guten Weg beizubehalten, und dass diese Werte und Überzeugungen es auch wert sind, verteidigt zu werden. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Jetzt haben alle Fraktionen die Möglichkeit, noch einen Beitrag zu leisten. Frau Scheider von der LINKEN hatte sich gemeldet. Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Hamburg, und das heißt, wir alle müssen das friedliche Zusammenleben in dieser Stadt gewährleisten. Das ist das grundlegende Anliegen, das Frau Özdemir für DIE LINKE dargelegt hat.

(Kazim Abaci SPD: Wir auch!)

Ja, andere auch.

(Senator Michael Neumann)

Ich wollte gerade sagen: Das Thema entzieht sich eigentlich der Polemik. Ich glaube nicht, dass wir wetteifern sollten, wer am meisten fordert oder schon am meisten gemacht hat. Wir bestreiten auch gar nicht, dass es Beratungsangebote gibt. Aber wenn ich innerhalb weniger Wochen mehrfach angerufen werde von Angehörigen, die sagen, ihre Kinder seien in Gefahr oder schon weg, und die fragen, was sie denn machen können, dann bin ich, ehrlich gesagt, als Person überfordert. Das heißt, wir brauchen auch eine Stärkung der Selbstorganisation der Communities. Wir brauchen Prävention, aber wir brauchen natürlich auch Ansprechpartner, wenn die Situation schon weit fortgeschritten ist. Da muss mehr Öffentlichkeitsarbeit passieren. Ich muss zum Beispiel wissen, wo ich die Leute hinschicken kann, sodass ich nicht völlig damit alleingelassen bin. Diese Probleme gibt es, und deshalb müssen wir da noch mehr tun. Wir bestreiten nicht, dass etwas getan wird, aber wir glauben, dass wir mehr tun müssen.

Ich will hier keine außenpolitische Debatte führen, aber doch auf einige Punkte eingehen, die gesagt worden sind und die uns am Herzen liegen.

Erstens: Die elementarste Forderung ist humanitäre Hilfe. Die humanitäre Hilfe für die von Terror bedrohten Menschen muss absolute Priorität haben. Den Flüchtlingen, das ist schon gesagt worden, fehlt es an allem, an Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Zelten. In der kurdischen Autonomieregion des Irak gibt es zurzeit bis zu 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Die Region ist mit der Versorgung überfordert. Noch prekärer ist die Situation der Zehntausende, die in das kurdische Selbstverwaltungsgebiet in Syrien, nach Rojava, entkommen sind. Die Leute sind extrem erschöpft und traumatisiert. Die Region ist jedoch einem Embargo durch die Türkei und auch durch die kurdische Autonomieregierung im Nordirak ausgesetzt und wird von der syrischen Seite her durch ISIS bedroht, sodass die gesamte Bevölkerung Mangel leidet und dennoch mit großer Solidarität den Flüchtlingen hilft. Die internationale Hilfe läuft jedoch erst langsam an.

In Hamburg leben viele Menschen, die von der großen Katastrophe direkt betroffen sind: aramäische Christen, Jesiden, Kurden – eine Delegation hat ja auch die Bürgerschaftsfraktionen besucht. Deswegen ist auch Hamburg gefordert; da möchte ich mich dem Appell von Frau Möller ausdrücklich anschließen. Es würde uns gut zu Gesicht stehen, gemeinsam und in Zusammenarbeit mit den Communities einen Aufruf zur humanitären Hilfe für diese Region und für die Flüchtlinge zu machen. Ich bin gewiss, dass es in der Stadt eine große Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft gibt.

Zweitens – das ist schon gesagt worden und ich habe es auch sehr wohl gehört –: Hamburg soll sich bundesweit dafür einsetzen und auch selber

bereit erklären, Menschen aufzunehmen, die hier Zuflucht suchen.

Drittens: Wir haben, und da bin ich anderer Auffassung als der Innensenator, am 26. Februar in diesem Haus über die Problematik deutscher Waffenexporte und über die Bedeutung des Hafens als Waffenumschlagsplatz diskutiert. Es gab viel Kritik an der deutschen Rüstungsexportpolitik. Die Bundesrepublik Deutschland beliefert seit Jahren Saudi-Arabien mit Kriegs- und Kleinwaffen. Darüber hinaus werden in Saudi-Arabien seit Langem Sturmgewehre des Waffenbauers Heckler & Koch in Lizenz produziert – übrigens auch in der Türkei, die bisher eine mehr als problematische Rolle in dem Konflikt spielt. Saudi-Arabien und Katar finanzieren und bewaffnen die ISIS. Unter den Gewehren, die man bei den Dschihadisten hat feststellen können, sind auch G3- und G36-Gewehre von Heckler & Koch. Es ist das Gebot der Stunde zu verhindern, dass auch mit deutschen Waffen Völkermord begangen wird.

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GRÜNE)

Deutsche Waffenexporte in den Mittleren Osten müssen sofort gestoppt, die Lizenzproduktion dort mit allen Mitteln beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür soll sich Hamburg auf Bundesebene einsetzen, und nicht dafür, Waffen an die Regierung der kurdischen Autonomieregion des Irak zu liefern. Die Peschmerga verfügen in der Tat über moderne Waffen, sie sind gut ausgerüstet. Das Problem ist doch eher, dass die Waffen, die an die Peschmerga geliefert werden, allzu leicht in die Hände der Dschihadisten fallen können. Wir sind gegen deutsche Waffenlieferungen in die Region.

Viertens: Es kann nach allen Berichten überhaupt kein Zweifel bestehen, dass es die PKK und die Verteidigungskräfte des kurdischen Selbstverwaltungsgebiets in Syrien sind, die die Hauptlast des Kampfes tragen. Wir sind der Meinung, dass die Bundesregierung mit diesen Kräften bei der Organisierung humanitärer Hilfe zusammenarbeiten muss, auch hier, und deshalb sind wir dafür, dass das Verbot der PKK endlich aufgehoben wird, damit die Hilfe optimal organisiert werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Wird weiterhin das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Dann ist die Aktuelle Stunde für heute beendet, und wir werden sie morgen mit dem dritten und fünften Thema fortsetzten.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 2, Drucksache 20/12463, Unterrichtung durch die Präsidentin:

(Christiane Schneider)

Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation – Drs 20/12463 –]

Der Stimmzettel für diese Wahl liegt Ihnen vor. Er enthält je ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich bitte Sie, den Stimmzettel nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig.

Bitte nehmen Sie jetzt Ihre Wahlentscheidung vor.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Ich darf Frau Timmermann und Herrn Wankum bitten, die Stimmzettel einzusammeln.

Sind alle Stimmzettel eingesammelt? – Das ist der Fall. Dann ist der Wahlgang geschlossen.

Das Wahlergebnis wird ermittelt und im Laufe der Sitzung bekannt gegeben.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 78, Drucksache 20/12389, Bericht des Verkehrsausschusses: Verkehrsleit- und Informationskonzept für den Ausbau der A 7.

[Bericht des Verkehrsausschusses zum Thema: Verkehrsleit- und Informationskonzept (VLIK) für den Ausbau der A 7 (Selbstbefassungsan- gelegenheit gemäß § 53 Absatz 2 der Ge- schäftsordnung der Hamburgischen Bürger- schaft (GO)) – Drs 20/12389 –]

Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass es mir nicht ganz leicht fällt, nach dieser Debatte zur Verkehrspolitik zu sprechen, insbesondere nicht nach dem, was Herr Erkalp berichtet hat. Es ist sicher wichtig, sich mit Hamburger Verkehrsproblemen zu beschäftigen, aber wenn wir das hören, dann sind das, verglichen mit dem Los der Jesiden und anderer, natürlich Luxusprobleme, die wir haben. Dennoch, wir haben die Debatte angemeldet, und ich finde es auch richtig, darüber zu diskutieren. Ich wollte aber schon gesagt haben, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen der Frage, wie es den Jesiden und anderen geht, und der Frage, wie die Stau-Lage auf der A 7 ist.

Trotz alledem möchte ich Ihnen meinen Vortrag nicht vorenthalten.

Das Problem ist, dass sich der Senat konsequent nicht mit Staus beschäftigt. Wir haben mehrfach angefragt, wo denn Staus seien.

(Birgit Stöver CDU: Überall!)