Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

30 Millionen Euro wenigstens ein paar bei den Hochschulen ankommen. Sonst ist das ein solches Armutszeugnis. Indem Sie diese Politik des ständigen In-den-Rücken-Fallens betreiben, führen Sie als Wissenschaftssenatorin diesen Hochschulstandort dazu, dass die Hochschulpräsidenten nicht mehr mit Ihnen reden wollen. Frau Senatorin, Sie sagen in einem Interview, das Frau Gall mit Ihnen geführt hat, dass Sie sich als Rechts- und Fachaufsicht verstehen. Ist das wirklich Ihre Ansicht, dass das die Rolle einer Senatorin für Wissenschaft ist?

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Rechts- und Fachaufsicht, ich finde, Sie missverstehen Ihre Aufgabe bei diesem wichtigen Zukunftsfeld in einer dramatischen Weise. Dass Sie meinen, die Parteiräson einhalten zu müssen, kann ich noch verstehen, aber nicht einen Bürgermeister, der sich in dieser entscheidenden Frage an der Zukunft für Hamburg vergeht, weil er sagt, wo die BAföG-Millionen hingehen und ob die Strategie mit den Hochschulen abgesprochen ist oder nicht, das interessiere niemand und am allerwenigsten die SPD-Wähler. Damit gibt er seine Verantwortung für die gesamte Stadt und ihre Zukunft ab. Frau Senatorin, wenn Sie sich selbst schon nicht daran erinnern, was nötig ist, dann erinnern Sie aber bitte den Bürgermeister daran, dass es um die Zukunft Hamburgs geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Wir, damit meine ich meine GRÜNE Fraktion, werden uns mit den Hochschulpräsidenten zusammensetzen und dann das in die Bürgerschaft einbringen, von dem wir glauben, dass es notwendig ist. Wir brauchen eine Strategieentwicklung für diesen Standort, wir brauchen natürlich eine Nachverhandlung der Hochschulverträge, und wir brauchen selbstverständlich das, was Frau Wanka angeboten hat, nämlich diese 30 Millionen Euro BAföGEntlastung. Sonst kommen wir wissenschaftspolitisch in dieser Stadt nicht voran.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Das Wort bekommt nun Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kühn wies zu Recht darauf hin, dass es sozusagen um den ersten Ausfluss eines neuen Gesetzes geht, das vor einem halben Jahr beschlossen wurde. Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen, dass wir mit dem Gesetz, Drucksache 20/9095, einverstanden waren. Ganz besonders waren wir damit einverstanden – das hat mich sehr gewundert, ich habe das damals im Ausschuss gesagt und tue es hier noch einmal –, dass die SPD-Fraktion in zwei wichtigen Punkten nachgebessert hat. Sie haben nämlich

endlich dafür gesorgt, dass Bandbreiten nicht nur draufsteht, sondern auch drin ist. Noch einmal Ihnen, Herr Kühn, und der gesamten SPD-Fraktion herzlichen Dank. Sie haben bei diesem Gesetz wichtige Dinge geleistet, das wollen wir nicht vergessen.

Ich möchte auch erwähnen, dass wir als FDP zwei weitere Änderungen vorgeschlagen haben, denen Sie nicht zugestimmt haben, und ich befürchte, das wird Ihnen und den Hochschulen noch auf die Füße fallen. Wir hatten beantragt, dass auch eine klare Definition für den Inhalt dieser Vereinbarung, die mit den Hochschulen zu treffen ist, in das Gesetz muss, um der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen. Ich fürchte, das kann noch ein juristisches Problem werden. Der zweite Punkt, den Sie auch nicht übernommen haben, war die Sache mit der Schiedsstelle. Sie haben eine Ersatzvornahme durch die Behörde vorgesehen, wenn man sich nicht einigen kann. Das sind keine Verhandlungen auf Augenhöhe; das nur zu dem, was Sie angesprochen haben. Grundsätzlich ja, wir haben dem zugestimmt und finden das auch immer noch richtig, und ich befürchte, dass diese beiden Punkte, die Sie nicht übernommen haben, noch Probleme machen werden. Dennoch ist das Gesetz als solches richtig.

Nun kommt aber die Frage, was von dieser Drucksache zu halten ist. Wir waren damals froh, dass die SPD-Fraktion eingegriffen hat. Die SPD-Fraktion und vielleicht auch der Bürgermeister müssen wieder eingreifen. Wir stehen hier, das haben Frau Gümbel und Herr Kleibauer schon richtig gesagt, vor einem Dokument der Ehrlichkeit – insofern ist es gut – und einem Dokument des dramatischen Abbaus insbesondere bei der Universität Hamburg. Was Frau Stapelfeldt, Herr Kühn und andere uns immer erzählt haben, das mache alles nichts, es passiere doch nichts und es gehe weiter wie bisher, ist spätestens mit diesem Dokument ad absurdum geführt. Jetzt haben Sie es schwarz auf weiß belegt, dass die Hamburger Hochschulen dank Ihrer Senatorin auf dem Abbaukurs sind. Das geht nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei Thilo Kleibauer CDU)

Die Studienanfängerplätze wurden hier schon genannt. Ich greife einmal die anderen Punkte heraus. Die Sache mit der Lehrleistung ist ein bisschen schwieriger zu verstehen, aber natürlich ebenfalls von Bedeutung. Wenn also weniger Lehrleistung angeboten wird, werden nicht nur Studienplätze abgebaut, sondern auch die Qualität der Lehre lässt nach. Auch hier sind die Zahlen dramatisch. Wir haben mehr als 1000 Lehrveranstaltungsstunden weniger, und auch hier sind es wieder die wichtigen Bereiche WiSo, BWL und MIN, die die stärksten Abbauraten zu verzeichnen haben. Es wird also nicht nur weniger Studienplät

(Dr. Eva Gümbel)

ze geben, sondern die werden auch noch schlechter ausgestattet sein. Die Ausbildung wird auch noch schlechter bei den wenigen verbliebenen Plätzen.

Dann höre ich immer – vorhin vom Finanzsenator, jetzt von Herrn Kühn, vielleicht hören wir es gleich auch von Frau Stapelfeldt wieder –, sie würden doch Hunderte von Millionen Euro für dies und jenes ausgeben.

(Lars Holster SPD: Das tun wir auch!)

Ich warte darauf, Herr Kühn, dass Sie als Nächstes erwähnen, die Gehälter der Hausmeister rechtzeitig zu bezahlen und damit den Studienstandort zu stärken. Ich glaube, dieses wäre Ihnen auch nicht zu schade zu erwähnen. Es ist doch geradezu lächerlich. Sie könnten auch sagen, dass Sie Hunderte Millionen Euro für die Polizei ausgeben und also mit Überfällen auf der Straße nichts zu tun haben. Diese Argumentation geht doch nun wirklich fehl. Es hat keinen Sinn, diese Zahlen einfach so zu nennen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Zu diesen Punkten hatten also meine Vorredner schon einiges gesagt. Ich möchte mich auf einen anderen Punkt konzentrieren, der ebenso bemerkenswert ist. In der Drucksache wird auf Seite 3, glaube ich, so ganz am Rande erwähnt, dass Sie Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Es heißt in Paragraf 4 Absatz 3 dieses Ausbildungskapazitätsgesetzes:

"Die […] Beteiligung der Bürgerschaft soll im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung des Haushaltsplans erfolgen […].

Das genau tun Sie nicht, obwohl Sie von dieser Pflicht genau wissen. Das Gesetz haben Sie selbst auf den Weg gebracht, und zwar am 27. August 2013. Seit gut einem Jahr wissen Sie also, dass zu diesen Haushaltsberatungen auch die Vereinbarungen des Senats mit den Hochschulen für 2015 und 2016 vorliegen müssen, denn genau darüber reden wir jetzt doch. Das ist zunächst einmal ein klarer Fall von "Eine Behörde wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht". Sie halten eine selbstgeschaffene gesetzliche Pflicht nicht ein. Der Senat, die Behörde und die SPD-Fraktion brüskieren damit das Parlament. Sie wollen von uns einen Beschluss über den Einzelplan 3.2, ohne dass wir die entsprechenden Unterlagen bekommen haben. Das heißt doch auf Deutsch: Bezüglich der Universität Hamburg sollen wir die Summe X bewilligen, aber wir wissen gar nicht, was wir dafür bekommen. Sie wollen uns das nicht etwa im Rahmen der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuss nachliefern, nein, Sie schreiben in Ihrer Drucksache, das solle Ende des Jahres geschehen. Das allein zeigt, der Einzelplan 3.2 ist nicht beschlussfähig. Sie wollen vom Parlament, dass wir

sozusagen eine Blackbox bezahlen. Das machen wir selbstverständlich nicht mit. Solange diese Drucksache nicht vollständig vorliegt, die Vereinbarung mit dem Senat Hamburg, ist der Haushaltsplan 3.2 nicht beschlussfähig. Das ist Schlamperei und eine Brüskierung des Parlaments.

(Beifall bei der FDP)

Wenn eine Behörde derart wichtige Unterlagen nicht vorlegt, nämlich zur Frage, was es als Gegenleistung für das bewilligte Geld gibt, dann weckt das natürlich bei einem aufmerksamen Beobachter Misstrauen. Wir haben insgesamt sechs staatliche Hochschulen, fünf davon werden vollständig vorgelegt mit vergleichsweise überschaubar geringen Abwächsen, aber für die einzige Hochschule, bei der drastische Abwächse stattfinden – schon im Plan für 2014 sind die ausgewiesen –, legen Sie die weiteren Zahlen nicht vor. Herr Kühn, Frau Stapelfeldt, ich bitte um Verständnis, das ist für mich ein klarer Hinweis darauf, dass Sie etwas zu verbergen haben. Das ist der tiefere Grund dafür, warum Sie die Unterlagen nicht vorlegen. Ihr vorgebrachtes Argument, es sei sehr kompliziert, greift überhaupt nicht, denn bei der HAW sind die Zustände nicht einfacher als bei der Universität Hamburg, und für die können Sie es vorlegen. Ich bin sicher, Sie legen das deshalb nicht vor, weil die Zahlen so schrecklich sind.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Eva Gümbel GRÜNE)

Das ist wieder ein Fall von politischer Dummheit. Am Ende hilft das der Opposition. Ich verstehe Sie nicht. Wie kann man nur 30 Millionen Euro, die man vom Bund quasi geschenkt bekommen hat, nicht an die Hochschulen weiterleiten? Das ist ein Fall extremer politischer Dummheit. Und nun ist dies ist der zweite Fall politischer Dummheit. Die Zahlen in Ihrer Drucksache werden …

(Glocke – Wolfgang Rose SPD: Nun mal nicht so arrogant!)

(unterbrechend) : Herr Kollege, darf ich Sie an den parlamentarischen Sprachgebrauch erinnern?

– Vielen Dank. Dann war es eine politische Ungeschicklichkeit. Diesen Begriff darf man vielleicht verwenden.

Sie werden laut Ihrer eigenen Ankündigung Ende des Jahres diese Vereinbarung vorlegen, also sechs Wochen vor der Bürgerschaftswahl. Nach allem, was wir wissen, wird diese Vereinbarung mit dramatischen Zahlen bestückt sein, und die werden der Opposition und den Hochschulen weitere Argumente dafür liefern zu zeigen, wie schlecht Ihre Hochschulpolitik ist und wie die Hochschulen in Hamburg ausgetrocknet werden. Das nehmen wir

natürlich gern hin als Opposition, aber ich sage Ihnen ganz offen, als Staatsbürger dieser Stadt bedauere ich es außerordentlich.

Herr Kühn, ich fand es gut, dass Ihre Fraktion seinerzeit bei dieser Gesetzgebung eingegriffen hat. Das haben Sie gut gemacht. Ich erwarte von Ihnen und vom Bürgermeister, dass Sie wieder eingreifen. So kann es mit dieser Stadt im Hochschulbereich nicht weitergehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Von der Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Heyenn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am 10. Dezember 2013 hatten wir eine Expertenanhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Ausbildungskapazitäten an den staatlichen Hamburger Hochschulen, kurz Ausbildungskapazitätsgesetz genannt. Schon in dieser Anhörung wurde deutlich, dass es sich dabei um ein Gesetz handelt, das den Abbau sowohl von Studienplätzen als auch von Lehrveranstaltungen beschleunigen soll, das heißt, die Ressourcen gehen insgesamt herunter. Das wurde damals von unserer Seite kritisiert; im Gegensatz zur FDP haben wir dem nicht zugestimmt. Wie sich nun zeigt, hat sich alles bestätigt. Wir finden in der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft einleitend den schlauen Satz:

"Nach dem Ausbildungskapazitätsgesetz sind zwischen der zuständigen Behörde und den Hochschulen Vereinbarungen über die bereitzustellende Lehrleistung und die bereitzustellenden Aufnahmekapazitäten (Ka- pazitätsvereinbarungen) abzuschließen […]."

Das stimmt, es gibt eine ganze Menge Vereinbarungen zwischen den staatlichen Hochschulen und dem Senat. Nach anfänglicher Diskussion und Kritik haben auch alle Hochschulpräsidenten unterschrieben, aber alle haben das mit dem klaren Hinweis auf die völlige Unterfinanzierung des Hochschulbereichs getan. Sie mussten nur irgendwie sehen, dass sie überhaupt Finanzmittel bekommen, deswegen haben sie das unterschrieben, aber es ist komplett unterfinanziert.

Dann reden Sie in Ihrer Drucksache davon, dass es Ziel des Gesetzes sei, an den staatlichen Hochschulen qualitativ hochwertige Studienbedingungen zu gewährleisten. Was wir in den Medien lesen und was wir vor Ort in den Hörsälen sehen, lässt uns alles Mögliche feststellen, aber garantiert nicht, dass es qualitativ hochwertige Studienbedingungen gibt.

Nun kommen wir zu den eingesparten BAföG-Geldern. Es wird immer erzählt, der Senat gebe Geld

in dreistelliger Millionenhöhe für Bauten aus. Das macht er aber über städtische Unternehmen, das macht er in einer öffentlich-öffentlichen Partnerschaft, das macht er über ein Mieter-Vermieter-Modell. Nun wird argumentiert, diese 30 Millionen Euro, die netto eingespart werden, würden gebraucht, um die Mietzahlungen für das Geomatikum und all diese Sachen, die gerade gemacht werden, leisten zu können. Sie werden also nicht den Hochschulen gegeben, was absolut nötig wäre, um qualitativ hochwertige Studienbedingungen auch nur ansatzweise herzustellen; und 20 Prozent von diesem Geld sollten an die Schulen gehen. Ihr Argument würde doch im Umkehrschluss bedeuten, dass dieser Senat diese Baumaßnahmen nicht vorgenommen haben würde, hätte er nicht gewusst, dass er diese 30 Millionen Euro BAföG-Mittel einspart. Das ist falsch und das ist irreführend. Es wird allerhöchste Zeit, dass diese 30 Millionen Euro dahin fließen, wofür die Bundesbildungsministerin sie gegeben hat. Es muss in die Studienbedingungen, es muss in die Schulen, es muss in die Bildung fließen und nicht in die Mieten. Das geht auf keinen Fall.

(Beifall bei der LINKEN)

Weiter schreiben Sie in der Drucksache, Sie wollten mit diesem Gesetz dafür sorgen, dass die Nachfrage nach Studienplätzen angemessen befriedigt wird. Nun frage ich mich natürlich, wenn es, wie im August veröffentlicht wurde, 40 477 Studienanfänger im Wintersemester und insgesamt 5596 Plätze gibt, wo denn da die ausreichenden Studienplätze sind. Das heißt, 9,36 Prozent aller Bewerber bekommen einen Studienplatz. Das kann man alles nennen, aber bestimmt nicht eine angemessene Befriedigung der Nachfrage nach Studienplätzen. Hier muss mehr getan werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Eva Gümbel GRÜNE)

Mein Lieblingssatz in der Drucksache ist – ich zitiere –:

"Wegen einer Umstellung der Systematik ist jedoch keine numerische Vergleichbarkeit mit den Zahlenangaben im Haushaltsplan 2013/2014 gegeben."

Dann kommt der Satz.

"An den realen Quantitäten ändert sich nichts."

Zuerst einmal hat es System, dass es nie vergleichbar ist – das kennen wir schon –, und zweitens kann man das glauben, aber auch nicht. Wir wissen aber aus der öffentlichen Diskussion, dass die Hochschulpräsidenten nicht glauben, dass sich die Quantitäten nicht geändert haben. Sie haben sich gewaltig geändert, und zwar nach unten.

Das sehr große Problem, das wir in diesem Gesetz sehen, ist die Einführung des sogenannten Curri

(Dr. Wieland Schinnenburg)