Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

(Dr. Wieland Schinnenburg)

cularwertes. Bisher konnten Studienbewerber, die keinen Studienplatz bekommen hatten, gegebenenfalls einen Studienplatz einklagen. Mit der Einführung dieses Curricularwertes gibt es die Rechtssicherheit nicht mehr, dass Studierende sich einklagen können. Dies war auch das Ziel dieses Gesetzes, nämlich die Anzahl der Klagen zu reduzieren und zu erschweren und zu verhindern, dass man sich überhaupt einklagen kann. Insgesamt ist das gesamte System intransparent und ungerecht. Deshalb stimmen wir dem Antrag der CDU zu, auf jeden Fall mehr Ressourcen in den Hochschulbereich zu geben und die 30 Millionen Euro aus den Bafög-Geldern schleunigst für die Studienbedingungen zu verwenden. Wir fordern den Bürgermeister auf, sich endlich für den Wissenschaftsstandort stark zu machen. Wir glauben, dass es nicht nur an der Wissenschaftssenatorin liegt, wenn hier nichts passiert, sondern dass der Bürgermeister dafür eine sehr große Verantwortung trägt. Er gibt die Leitlinien der Politik aus, und er hat sich verdammt noch mal um gute Bedingungen an den Universitäten und Hochschulen zu kümmern.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Eva Gümbel GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Die Debatte geht weiter, deswegen bitte ich um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Das Wort bekommt nun Frau Senatorin Dr. Stapelfeldt.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor fast einem Jahr, das ist schon gesagt worden, haben wir über das neue Kapazitätsgesetz debattiert. Das Gesetz ist dann mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP beschlossen worden. Heute geht es um die Umsetzung. Mit dem Kapazitätsgesetz haben wir uns bewusst für einen völlig neuen Weg in der Festlegung der Aufnahmekapazitäten an den Hamburger Hochschulen entschieden, indem wir das sogenannte Vereinbarungsmodell gewählt haben. Wir alle wissen, das bisherige rigide System mit Mustercurricula und sogenannten Curricularnormwerten ist kompliziert, es ist fehleranfällig und lässt den Hochschulen kaum Freiräume. Deshalb schaut schon ganz Deutschland auf Hamburg und auf die Erfahrungen, die wir mit diesem Modell sammeln werden, denn wir haben als erstes der 16 Länder das Kapazitätsrecht grundlegend reformiert und mit dem überholten bisherigen System gebrochen. Was sind die wesentlichen Ziele des neuen Kapazitätsrechts?

Erstes Ziel ist es, an den staatlichen Hochschulen qualitativ hochwertige Studienbedingungen zu ge

währleisten, die ein hohes Ausbildungsniveau und einen guten Studienerfolg ermöglichen.

Zweitens soll natürlich zugleich den Hochschulen Gestaltungsraum für autonome Schwerpunktsetzung in der Lehre und auch in der Profilierung der Studienangebote eingeräumt werden. Statt wie bisher die Zulassungszahlen der Hochschulen in den einzelnen Studiengängen einseitig durch Rechtsverordnung festzulegen, werden die hochschul- beziehungsweise fakultätsweiten Gesamtzahlen nun von der Behörde und der jeweiligen Hochschule gemeinsam vereinbart. Die Festlegung in den einzelnen Studiengängen obliegt in diesem Rahmen dann der Hochschule selbst. Das ist eine bedeutende Stärkung der Hochschulautonomie,

(Beifall bei der SPD)

selbstverständlich auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel in dem Rahmen, wie wir sie in den mit den Hochschulen vereinbarten Hochschulvereinbarungen festgelegt haben. Die Hochschulen erhalten im kommenden Jahr 642 Millionen Euro für ihre Grundfinanzierung. Das ist, ich habe das schon vor zwei Wochen hier gesagt, erhebliches Geld, das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dieser Stadt den Hochschulen zur Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben in Lehre und Forschung zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Hochschulen haben bis 2020 Planungssicherheit, und das bedeutet auch, dass sie sich auf die Situation einstellen, dass sie Prioritäten setzen und verantwortungsvoll wirtschaften. Und das haben sie getan. Ich möchte das gern am Beispiel der Universität wie folgt erläutern.

Erstens: Das Jahresergebnis der Universität Hamburg ist seit einem Fehlbetrag im Jahr 2010 immer im Plus. Im Durchschnitt sind es jährlich 5,4 Prozent der Gesamterträge, pro Jahr circa 22 Millionen Euro.

Zweitens: Die Liquidität, also die Zahlungsfähigkeit, hat sich seit 2010 von einem bereits hohen Niveau von circa 130 Millionen Euro auf mehr als 200 Millionen Euro Mitte des Jahres 2014 erhöht.

Drittens: Die finanziellen Reserven der Universität sind seit 2010 kontinuierlich gestiegen, in viereinhalb Jahren von rund 61 Millionen Euro auf heute rund 170 Millionen Euro. Eine finanzielle Notlage ist nicht nur nach meinem Verständnis mit deutlich anderen Wirtschaftsdaten verbunden.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe das nur am Beispiel der Universität erläutert, weil insbesondere diese von Ihnen angesprochen worden ist. Die Situation an den anderen Hochschulen ist natürlich differenziert. Wir werden das sicherlich in den Haushaltsberatungen in der

(Dora Heyenn)

nächsten Woche und auch darüber hinaus erörtern.

Natürlich profitieren die Hochschulen nicht nur von diesen Zuweisungen, sondern auch, und zwar sehr erheblich, davon, dass der Investitionsstau überwunden wird und zahlreiche große und kostspielige Bauprojekte für die Hochschulen vorangetrieben werden. Wir haben schon über den Neubau am Geomatikum und auch über das Forschungsgebäude CHYN für die Universität Hamburg mit einem Investitionsvolumen von 240 Millionen Euro gesprochen. Natürlich werden weitere Bauvorhaben hinzukommen. Es geht um das MIN-Forum Hamburg und die Informatik an der Bundesstraße und natürlich auch um die Sanierung des Geomatikums. Es geht um die Innensanierung des Philosophenturms und den Neubau für den Exzellenzcluster in der Physik und natürlich um die Sanierung der Musikhochschule und auch um Sanierung oder Neubauvorhaben für die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in den kommenden Jahren. Die Entlastung durch den Bund wird uns helfen, diese großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu schultern. Dafür können wir tatsächlich dankbar sein.

(Beifall bei der SPD)

Die Diskussion ist im Moment überwiegend nicht sachorientiert; das passiert bisweilen. Trotzdem will ich noch einmal etwas zum Papier über die strategischen Perspektiven für die Hochschulen sagen, das im Juni an die Hochschulen gegangen ist. Es ist eine Diskussionsgrundlage für die Hochschulen, es geht um einen offenen Dialog mit den Hochschulen, wie sich diese in den kommenden Jahren inhaltlich und strategisch entwickeln werden. Und ein Dialog über Inhalte ist mir wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme nun auf das heutige Debattenthema und die Ihnen vorliegende Senatsdrucksache zurück. Die mit den Hochschulen vereinbarten Kapazitäten entsprechen den bisherigen Planungen und auch den im Haushaltsplan-Entwurf 2015/2016 enthaltenen Werten. Dass es dabei in den kommenden Jahren, und zwar insbesondere bei der Universität – bei den anderen sieht es differenziert aus, darauf sollte man bisweilen hinweisen – zu einer moderaten Verringerung kommt, ist nicht neu. 2013, also vor rund eineinhalb Jahren, wurde über die konkreten Planungen der Universität informiert; das haben Sie damals der Presse entnehmen können. Sie sind darüber hinaus im Jahresbericht der Universität zum Jahr 2012, wiederum im März vor eineinhalb Jahren, also 2013, vorgestellt worden, desgleichen im Jahresabschluss 2012 mit dem entsprechenden Lagebericht. Und Sie können die Studienanfängerkapazitäten, die wir planen und mit den Hochschulen verabredet haben in vielen Gesprächen nach dem Abschluss der Hochschulvereinbarung, nachlesen in dem Perspektivpapier,

das wir den Hochschulen vorgelegt haben. Auch da sind sie im Einzelnen enthalten, und es ist mitnichten so, dass mit dieser Drucksache, die Ihnen jetzt vorliegt, zum allerersten Mal über diesen Umstand informiert wird.

(Beifall bei der SPD)

Auch mit der Universität Hamburg – auf die ist eben eingegangen worden – haben wir natürlich über die hochschulweiten Gesamtkapazitäten gesprochen. Die entsprechenden Zahlen – ich wiederhole das gern noch einmal – sind ebenfalls bereits im Haushaltsplan-Entwurf 2015 und 2016 enthalten und Ihnen damit auch bekannt. Vielmehr ist lediglich die genaue Aufteilung auf die Fakultäten noch nicht verbindlich fixiert, weil die Universität selbst ihre internen Planungen dazu noch nicht abgeschlossen hat. Selbstverständlich werden wir die fehlende Kapazitätsvereinbarung mit der Universität für diese beiden nachfolgenden Jahre nachreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Resümee möchte ich insoweit festhalten, dass wir mit den Kapazitätsvereinbarungen den gesetzlichen Auftrag erfüllt und eine solide Grundlage für die Entwicklung der Hochschulen vorgelegt haben.

Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen und den Hochschulen für den konstruktiven Ablauf der Gespräche und die aktive Mitwirkung beim Erstellen der Kapazitätsvereinbarungen danken, denn ohne diese wäre das in keinem Fall möglich gewesen; und sie sind nicht per Oktroi vorgelegt und unterschrieben, sondern sie sind gemeinsam mit den Hochschulen in einem aufwendigen Prozess erarbeitet worden und liegen Ihnen jetzt vor. Das war auch für die Hochschulen und die Verwaltung mit einigen Anstrengungen verbunden, aber das Ergebnis hat die Mühen gelohnt.

Die Ihnen jetzt vorliegenden Kapazitätsvereinbarungen schaffen eine für die Bundesrepublik einmalige Transparenz in dieser Frage. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält nun erneut Herr Kleibauer von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Stapelfeldt, Sie haben jetzt zweimal hervorgehoben, dass die Diskussion und das, was wir machen, in ganz Deutschland verfolgt werde. Dann nimmt doch ganz Deutschland zur Kenntnis, wie wir unsere Hochschulen ausstatten, und dann wird erst recht eines deutlich: In den Berliner Hochschulverträgen steht etwas von 3 Prozent, Baden-Württemberg bemüht sich jetzt, die Grundfinanzierung zu steigern, und Hessen macht das ebenfalls. Daran wird doch erst recht deutlich, dass wir unsere Hochschulen, im

(Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

Bundesvergleich gesehen, am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Es ist peinlich, das auch noch so prominent darzustellen.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Katja Suding FDP)

Wenn man sich die ganze Diskussion der letzten Monate anschaut, angefangen mit dem Papier von Dohnanyi, Peiner und Maier bis hin zu den vielen Beiträgen, die aus den Hochschulen gekommen sind, und sich dann als Senatorin hinstellt und sagt, das sei alles nicht sachorientiert gewesen, man selbst sei doch die Einzige, die über Inhalte diskutieren wolle, dann kann es das doch nicht sein.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Dr. Walter Scheuerl frakti- onslos – Dr. Andreas Dressel SPD: Sachori- entiert bezog sich auf dich!)

Es ist etwas merkwürdig, wenn Sie zwei oder drei Zahlen aus dem Zusammenhang des Haushaltsplans und der Universität zitieren. Tatsache ist doch, dass Sie uns eine Vereinbarung vorgelegt haben, die Sie unterschrieben haben und in der wörtlich steht, dass die spürbare Absenkung an der Universität daher komme, dass im Budget die Kostensteigerungen nicht abgebildet werden könnten. Das haben Sie unterschrieben, und dann erzählen Sie uns doch nichts anderes, Frau Stapelfeldt.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Dr. Walter Scheuerl frakti- onslos)

Ich fand es ganz interessant, was Herr Kühn gesagt hat, die 10 Prozent Abbau bei der MIN-Fakultät sei eben Schwerpunktsetzung. Ich würde es aber eher negative Schwerpunktsetzung nennen, Herr Kühn. Da muss man sich doch Folgendes vor Augen führen: Die Fakultät Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften – Frau Gümbel hatte gesagt, das sei die Fakultät, bei der wir die Exzellenzbereiche an der Universität haben – ist sicherlich auch die Fakultät, bei der wir uns anschauen, wo wir in wichtigen Bereichen Fachkräfte von morgen ausbilden und wo wir schauen, was wir da brauchen.

Ich finde es bezeichnend, dass Ihrer Senatorin eingefallen ist, dass man zum Wissenschaftsrat gehen könne. Man lässt den MIN-Bereich der Universität durch den Wissenschaftsrat begutachten, weil er für die strategische Profilbildung so wichtig ist, weil man da einen Schwerpunkt setzen will, weil man da Stärken hat, auf die man aufsetzen kann. Wörtlich hat der Senat gesagt, da sei ein beachtliches Entwicklungspotenzial. Und in diesem Bereich schaffen Sie nun Fakten, bevor der Wissenschaftsrat auf das Begehren überhaupt reagieren kann, und kürzen mal so eben die Kapazitäten um

10 Prozent. Das passt doch vorn und hinten nicht zusammen, Herr Kühn.

(Beifall bei der CDU)

Dann noch ein letzter Punkt. Ich finde es sehr interessant, dass der SPD bei diesem Thema nichts anderes einfällt als zu sagen, wir würden dringend Hochschulpaktmittel aus Berlin brauchen, der Hochschulpakt müsse verlängert werden. Ihre Haushaltspläne sehen vor, dass die 30 Millionen Euro aus den BAföG-Mitteln, die wir an zusätzlichen Bundesmitteln bekommen, 1:1 dazu verwendet werden, im Wissenschaftsbereich die Landesmittel zurückzuführen. Dann zu sagen, wir brauchen aber weitere Bundesmittel, damit wir das Angebot hier finanzieren können, ist doch dreist und dämlich, das kann es doch nicht sein.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Das Wort bekommt nun Frau Dr. Gümbel von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte noch ein Wort zu den Kapazitätsvereinbarungen sagen. Von Hochschulseite aus betrachtet ist das eine Sache, die man sich wünscht. Planbarkeit, Regelbarkeit und die Abwendung dessen, was in der Vergangenheit passiert ist, nämlich dass sich etwa 1000 Studierende an der Universität eingeklagt haben. Das schaffen Sie mit dieser Regelung, für die Sie sich loben und worüber Sie denken, dass sie beispielgebend ist in der ganzen Republik. In einer Welt, in der all die jungen Leute studieren könnten in unserem reichen Land, wäre das auch eine sehr gute Vereinbarung. Da wir aber leider in Hamburg leben, wo Studienplätze abgebaut sind, nehmen Sie diesen jungen Leuten die letzte Chance, nämlich die, sich einzuklagen. Studienplätze, die Sie streichen, sind nämlich nicht da, und deshalb verringert sich die Zahl derer, die studieren können.

Frau Stapelfeldt, 1972, darauf bezieht sich doch diese Regelung, war es die SPD, die gesagt hat, wir wollen mehr Bildung wagen. Frau Stapelfeldt, erinnern Sie sich doch daran, knüpfen Sie daran an und geben Sie den jungen Leuten die Chance, die sie brauchen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Gucken Sie sich auch an, wie viel Bildung wir hier in Ham- burg wagen? Gucken Sie sich alles an?)