Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen, den Versuch zu wagen, für die Olympischen Spiele zu werben. Ich bin überzeugt, dass es uns im Interesse unserer Stadt, wenn wir uns gemeinsam engagieren, auch gelingt. Hamburg hat mit der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger eine gute Chance, die Olympischen Sommerspiele in unsere Stadt zu holen. Daran sollten wir alle zusammen auch hier im Parlament arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Herr Kerstan von der GRÜNEN Fraktion hat nun das Wort.

(Olaf Ohlsen CDU: Was nun, ja oder nein?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den Medien dominieren zurzeit Berichte über weltweite Krisen und Kriege, über Bürgerkrieg, Tod und Leid. Und wir diskutieren in Hamburg über Olympische Spiele.

(Olaf Ohlsen CDU: Ja sicher, was spricht denn dagegen?)

Das kann durchaus Sinn machen, denn die ursprüngliche olympische Idee kann die Völker verbinden und Brücken bauen, und nichts brauchen wir mehr in dieser Zeit als das.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb könnte es natürlich im ersten Moment eine verlockende Idee sein, würde Hamburg durch die Austragung von Olympischen Spielen einen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Bau von Brücken leisten, gerade in der heutigen Zeit. Aber aus Sicht von uns GRÜNEN ist dafür eines zwin

gend notwendig: Damit dieser Anspruch erfüllt werden kann, müssen Olympische Spiele anders werden als in der Vergangenheit. Sie müssen kleiner und nachhaltiger werden und stärker die olympische Idee und den Sport in den Mittelpunkt rücken, als es bisher der Fall war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ob eine solche Idee beim Internationalen Olympischen Komitee überhaupt eine Chance hätte, weiß zum heutigen Zeitpunkt niemand. Wenn man sich die Vergabe der Olympischen Spiele in der Vergangenheit anschaut, dann weiß man, dass ein solches Konzept keine Chance haben wird, wenn sich das IOC nicht ändert und die Bedingungen für die Vergabe der Spiele nicht geändert werden, denn bisher haben solche Ideen bei den Olympischen Spielen so gut wie keine Rolle gespielt. Und nun haben wir hier den Senat, der behauptet, ein Hamburger Konzept vorzulegen, das gerade das einlöst: kleiner, nachhaltiger, umweltfreundlicher und nicht so gigantomanisch. Mit Sicherheit sind auch Ideen dabei, die für GRÜNE im ersten Moment interessant klingen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und im zwei- ten?)

aber zum jetzigen Zeitpunkt weiß man noch nicht, ob diese Pläne, die im Wesentlichen die Planungen aus dem Jahr 2002 sind, jetzt wirklich neu sind oder ob sie nicht durchaus einen bestimmten Anteil von Greenwashing alter Konzepte beinhalten. Lassen Sie mich das an einem konkreten Beispiel belegen.

In der parlamentarischen Begleitgruppe warben Herr Dressel und auch Herr Neumann als zuständiger Senator bei uns GRÜNEN dafür, welch große Chance es doch wäre, im Hafen einen neuen, total autofreien Stadtteil für die Olympischen Spiele zu entwickeln und auch danach die Wohnungen im olympischen Dorf nachhaltig autofrei zu betreiben. Wenn man sich jetzt die Fragen des Olympischen Komitees in Deutschland anschaut und die Antworten des Senats liest, dann stellt man eines fest: Das Wort "autofrei" existiert in diesen Antworten nicht. Es gibt einen kleinen Nebensatz, in dem steht, die olympischen Stätten könne man ohne Auto nicht erreichen. Auf eine autofreie Nutzung des olympischen Dorfes auch nach den Olympischen Spielen gibt es keinen Hinweis, das kann man noch nicht einmal zwischen den Zeilen herauslesen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die können Sie mit Auto nicht erreichen!)

Deshalb der Hinweis von uns GRÜNEN: Lassen wir uns nicht wie in der Vergangenheit von schönen Plänen und schönen Bildern blenden und gleich sagen, das wollten wir haben, sondern lassen Sie uns diese Pläne daraufhin überprüfen, ob

(Frank Schira)

sie den Anspruch, den der Senat erhebt, in der Realität auch einlösen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aus unserer Sicht kann gerade die zentrale Idee, einen Stadtteil mitten im Hafen neu zu entwickeln, gleichzeitig auch der größte Pferdefuß sein, denn wir haben Erfahrungen gemacht, was es bedeutet, von Flächen im Hafen Betriebe zu verlagern. Im mittleren Freihafen hat das mehrere Hundert Millionen Euro gekostet – eine riesige Belastung für den Haushalt und bisher ohne jeden Nutzen. Auch bei der HafenCity sind all die schönen Pläne, die doch so schlüssig klangen, nicht aufgegangen, nämlich eine Fläche im Hafen zu entwickeln und an Investoren zu verkaufen und dann habe man so viel Geld übrig, dass man dafür den Containerterminal in Altenwerder bauen und finanzieren könne. Das war der große Plan von Bürgermeister Voscherau, und bis zum heutigen Tag ist dieser Plan nicht aufgegangen, sondern auch mehr als zehn Jahre später müssen wir in regelmäßigen Abständen Hunderte von Millionen in das Sondervermögen Stadt und Land pumpen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Stadt und Ha- fen!)

Es hat sich gezeigt, dass die wunderbaren Pläne, die so gut klangen, leider nicht aufgegangen sind. Lassen Sie uns deshalb diesen Fehler nicht sofort noch einmal machen

(Jan Quast SPD: Das haben wir geändert, das wissen Sie!)

und ohne belastbare Kosten und Risiken hierzu ohne Wenn und Aber Ja sagen, wie ich es bei SPD und CDU heraushöre. Aber zum jetzigen Zeitpunkt wie die LINKEN ohne Wenn und Aber Nein zu sagen, würde bedeuten, voreilig Chancen aus der Hand zu geben, die sich bei vertretbaren Kosten für Hamburg durchaus ergeben könnten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN – André Trepoll CDU: Ja, aber nein!)

Jetzt hat Frau Suding von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! DIE LINKE betitelt ihre heutige Anmeldung zur Aktuellen Stunde mit: "Der Traum von Olympia? Mit diesem IOC ein Albtraum!" Die SPD antwortet mit einem eigenen Titel zum selben Thema: "Olympia in Hamburg – so kann es funktionieren: kompakt, transparent und nachhaltig". Hinter beiden Titeln verbirgt sich ein Teil der Wahrheit, hinter dem einen mehr, hinter dem anderen etwas weniger.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt sind wir auf die Auflösung gespannt!)

Es ist richtig, dass das IOC in den vergangenen Jahren seinem Hang zum Gigantismus freien Lauf gelassen hat. Es ist aber auch richtig, dass IOCPräsident Thomas Bach mit der Agenda 2020 bereits Reformvorschläge in Richtung mehr Nachhaltigkeit gemacht hat, und ich hoffe sehr, dass er sich damit durchsetzen wird. Das Entscheidende aber ist doch, dass ganz Hamburg – wir als Parlament, der Senat und am Ende auch die Bürger – entscheidet, für welche Form von Olympischen Spielen wir uns bewerben wollen; das entscheidet nicht das IOC. Deshalb sollten die Kollegen der LINKEN nicht allein dem IOC den Schwarzen Peter zuschieben. Das wäre zu einfach, denn für unsere Entscheidungen in Hamburg sind wir immer noch selbst verantwortlich.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Andreas Dressel und Hildegard Jürgens, beide SPD)

Das beinhaltet durchaus auch das Risiko, mit Olympia in Hamburg scheitern zu können, denn im Zweifel hieße das, dass wir notfalls der Versuchung widerstehen müssten, noch eine Schippe draufzulegen, sollte das IOC mit unerwarteten oder nachträglichen Forderungen um die Ecke kommen. Wir werden deshalb ganz genau hinsehen, was auf dem Reformkongress des IOC Anfang Dezember in Monte Carlo passiert und ob es dem IOCPräsidenten Thomas Bach gelingt, die Vergaberichtlinien und die Rahmenbedingungen für Olympische Spiele zu überarbeiten und die VorOrt-Bedingungen der Bewerberstädte wesentlich stärker zu berücksichtigen, als es bisher der Fall war. Als Bewerber, und nun komme ich zu dem Aspekt, der sich im Titel der SPD-Fraktion ausdrückt, dürfen wir uns auf dem Weg zu kompakten, transparenten und nachhaltigen Spielen in Hamburg nicht beirren lassen. Alles andere würde meine Fraktion und, da bin ich mir sicher, auch Hamburg nicht akzeptieren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Aber das vorliegende Konzept lässt auch nichts anderes vermuten. Ich finde es gelungen und dafür, auch das muss gesagt werden, ein großes Dankeschön an alle Beteiligten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele wäre für Hamburg insgesamt eine große Chance. Wird das Konzept Realität, wird Hamburg, werden Infrastruktur und weltweiter Ruf unserer Stadt ganz wesentlich profitieren. Notwendige Infrastrukturprojekte – Straßen, Wohnungen, öffentlicher Nahverkehr, Sportstätten – könnten mit externer Unterstützung wesentlich beschleunigt werden. Das Image Hamburgs als Sportstadt würde in die ganze Welt getragen. Die Stadt könnte einen Ruf als Weltstadt erlangen, und zwar nicht nur in den Köpfen der Menschen, die hier leben, sondern in der ganzen

(Jens Kerstan)

Welt und ganz real. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wir stehen noch ganz am Anfang des Projekts. Wir haben aber mit dem vorliegenden Konzept einen großen Schritt getan. Weitere müssen nun folgen. Vor allem wichtige Fragen der Finanzierung gilt es zu klären. Ich gehe davon aus, dass mit der Vorlage der Machbarkeitsstudie, die die Bürgerschaft vom Senat erbeten hat, viele offene Fragen geklärt werden, besonders die, in welchem Umfang sich die Bundesregierung an den zu erwartenden Kosten beteiligen wird. Erst wenn wir einen verlässlichen Finanzrahmen haben, wenn wir wissen, was die Spiele die Stadt kosten, wird ein Referendum im kommenden Frühjahr sinnvoll und erfolgreich sein.

Kurzum: Die FDP-Fraktion unterstützt den eingeschlagenen Weg. Wir sehen in Olympia eine Riesenchance für die Stadt, die wir nutzen sollten. Wir werden Bürgermeister Scholz aber auch immer wieder an sein Versprechen erinnern – ich zitiere –:

"[…] kompakte, nachhaltige Spiele, die frei sind von jedem Gigantismus und hervorragend in die Stadtentwicklung passen".

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält jetzt der Abgeordnete Dr. Scheuerl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrter Herr Bürgermeister Scholz und sehr geehrter Herr Senator Neumann! Hamburg hat eine Chance auf Olympische Spiele, darauf, Austragungsstadt für die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 zu werden, wenn es sich gemeinschaftlich mit Berlin bewirbt. Ich will Ihnen das kurz darlegen.

Es ist im Moment offenbar nicht allen geläufig, wie das Verfahren für eine Bewerbung nach der olympischen Charta aussieht. Es ist nicht so, wie es bei den Vorrednern teilweise durchklang, dass Hamburg und Berlin sich mit jeweils rund 50 Millionen Euro je Bewerbung – so hoch sind die Kosten, die das IOC dafür kalkuliert – bis zur Wahl durch das IOC durch das Verfahren schlängeln und dann am Ende vielleicht den Zuschlag bekommen könnten. So läuft das Verfahren nicht. Das Verfahren nach der IOC-Charta ist klar: Das Nationale Olympische Komitee muss entscheiden, welche Stadt als Bewerberstadt vorgeschlagen wird.

Pro Land darf nur eine Stadt ins eigentliche Verfahren gehen. Das IOC entscheidet erst ganz am Schluss. Wir wissen bis jetzt von Budapest als Bewerber; vielleicht kommen noch weitere Städte hinzu. Aber es wird nicht dazu kommen, dass das IOC sich irgendwann zwischen den Bewerbern

Hamburg und Berlin entscheidet, sondern diese Entscheidung muss vorab getroffen werden. Man müsste also jetzt überlegen, welche Stadt den Vorzug bekommt. Wenn Hamburg sich gemeinsam mit Berlin bewirbt, wäre es auf jeden Fall in der Endentscheidung dabei, denn das NOC würde selbstverständlich eine solche gemeinschaftliche Bewerbung, wie sie in Artikel 34 der olympischen Charta ausdrücklich vorgesehen ist, in das Verfahren des IOC einspielen. Hamburg wäre dabei und könnte am Schluss für viele spannende Wettbewerbe Austragungsort werden.

(Juliane Timmermann SPD: Das ist nicht richtig, Herr Scheuerl!)

Das eigentliche Risiko besteht aber doch in Folgendem: Hamburg hat zurzeit 30 Milliarden Euro Schulden. 30 Milliarden Euro Schulden bedeuten, dass die Hamburger Steuerzahler schon heute und morgen und übermorgen jeden Tag rund 1 Million Euro an Zinsen erwirtschaften müssen. Dieses frohe Fest der Olympischen Spiele kostet nach den überschlägigen Schätzungen, die der Senat in seinem Konzept vorgelegt hat, mindestens 6 Milliarden Euro an operativen Kosten, wenn Hamburg diese Spiele allein austrägt. Da soll ein teures Olympiastadion in der HafenCity gebaut werden, das anschließend wieder auf 20 000 Plätze zurückgebaut werden soll, da soll im Osten der HafenCity für viele Millionen Euro ein olympisches Dorf gebaut werden, das anschließend als Wohnungen dienen soll.

(Arno Münster SPD: Ja, was heißt denn, als Wohnungen dienen soll? Das stimmt doch!)

Aber vor allem werden, vorausgesetzt, die Spiele finden in Hamburg statt, hier Bauten gebaut, die es in Berlin längst gibt. Berlin hat ein Olympiastadion und andere Sportstätten; Hamburg hat wiederum Sportstätten, die Berlin nicht hat. Es ist also in der heutigen Zeit und angesichts der Verschuldung von Hamburg und der noch um ein Vielfaches höheren Verschuldung von Berlin völlig abwegig, zwei hoch verschuldete Städte streitig gegeneinander ins Rennen um die Olympischen Spiele zu schicken, wenn beide zusammen Synergieeffekte heben könnten.