Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

(Beifall bei der FDP und bei Birgit Stöver CDU)

Zum anderen sollten wir versuchen, auf die Bürger zuzugehen und sie zu informieren. Wenn gesagt wird, dass Klagen keine Chancen haben, dann sage ich Ihnen, dass Klagen wahrscheinlich doch Chancen haben werden, weil es sich nicht um ein großes Überschwemmungsgebiet der Elbe oder des Rheins handelt, sondern um ein Gebiet, wo die Stadt Hamburg größtenteils geduldet oder sogar veranlasst hat, dass große Flächen versiegelt

werden und sie damit der Verursacher ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat nun Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um es gleich zu sagen, wir kommen der Forderung der FDP nach, einen umfassenden Informations- und Beteiligungsprozess mit den von den Planungen betroffenen Grundeigentümern und Bewohnern zu starten. Wir stimmen dieser Forderung zu und wir machen das auch schon. Die BSU wird alle Stellungnahmen, die noch bis zum 31. Oktober bei ihr eingehen, in der weiteren Bearbeitung berücksichtigen. Die Frist ist damit verlängert worden, der bisherige Fristablauf war bereits für August festgesetzt worden. Zusätzlich wird es eine Telefonhotline für die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner geben. Und Hinweise, die von Bürgerinnen und Bürgern vor einer Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets gegeben werden, werden genau geprüft und auch mit einbezogen.

Weiter sollen die Betroffenen in ihrem jeweiligen Bezirk noch bis zu Beginn der Herbstferien zu einem Informationsangebot eingeladen werden. Dazu wurden die Bezirksamtsleiter gebeten, jeweils zu Veranstaltungen einzuladen. Die Bezirke werden bei diesen Veranstaltungen auch unterstützt von den Experten und Expertinnen aus den Fachbehörden und natürlich aus dem Bezirksamt. Mit dabei sollen natürlich auch die Bauprüfer aus den Bezirken sein, da sie es sind, die etwaige Ausnahmen im Zusammenhang mit der Ausweisung von Überschwemmungsgebieten genehmigen. Es ist gut so, dass die Behörde auf die Betroffenen zugeht.

(Beifall bei der SPD)

Letztlich werden sich zahlreiche Fragen, Probleme und Lösungen nur in Einzelgesprächen klären lassen, denn jeder Fall ist anders gelagert.

Herr Duwe, ich möchte gern noch auf etwas eingehen. Sie haben der Behörde vorgeworfen, dass nichts getan werde, um die Folgen der Versiegelung, die natürlich in der Stadt auch zum städtischen Leben gehören, zu kompensieren. Sie haben gerade die Kollau angesprochen. Am Kollauverlauf wird vom Bezirk sehr viel gemacht, und auch im Bereich der Alster gibt es das Projekt "Lebendige Alster", wo die Behörde unterstützt wird von den Naturschutzverbänden, die hier eine Menge zur Renaturierung der Gewässer beitragen. Die Entsiegelung der Stadt wird weiter forciert durch neue Abwassergebühren. Das soll gerade dazu beitragen, dass versiegelte Flächen auch im Pri

vatbereich wieder aufgemacht werden, sodass das Wasser dann besser versickern kann.

Es gibt Rückhaltebecken auch im Bereich der Kollau, die Gewässer sind dort weiter geöffnet worden. Es gibt Renaturierungsprojekte, es wird da eine ganze Menge getan. Zu sagen, es passiere nichts, ist nicht gerecht, Herr Duwe.

(Beifall bei der SPD)

Es geht auch nicht, dass wir die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten jetzt aussetzen. Diese Forderung der FDP lehnen wir ab.

Durch die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes ist Hamburg verpflichtet, zusätzlich zu den sechs bereits bestehenden Überschwemmungsgebieten elf weitere festzusetzen. Diese Regelung geht auf die europäische Richtlinie zum Hochwasserrisikomanagement zurück; diese Richtlinie existiert bereits seit 2007 und wurde dann in Bundesrecht übernommen. Ziel ist es, durch die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten die wachsende Gefährdung durch Schadenspotenzial infolge von Starkregenfällen zu verringern. Sie wissen, solche Jahrhundertereignisse sind zum Beispiel 2003 schon im Abstand von wenigen Monaten zweimal in Hamburg aufgetreten, in den folgenden Jahren ebenso. Starkregen kommt zustande im Zuge des Klimawandels und wird auch in Hamburg immer häufiger.

(Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)

Man kann doch nichts dagegen machen, aber Sie können oben mal sagen, er soll es nicht so viel regnen lassen.

(Olaf Ohlsen CDU: An der Kollau regnet es besonders viel!)

Genau, dann müssen Sie auch Bescheid wissen.

Das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes gibt Regeln vor, nach denen die Überschwemmungsgebiete weiter genutzt werden können, aber das muss hochwasserverträglich geschehen. Verboten sind zum Beispiel die Lagerung wassergefährdender Stoffe; auch dazu wird es sicher viele Fragen geben.

In der Öffentlichkeit ist nun der Eindruck entstanden, dass in festgelegten Überschwemmungsgebieten überhaupt keine Veränderungen mehr möglich seien; das ist aber nicht so. Das Wasserhaushaltsgesetz lässt es durchaus zu, dass in festgelegten Überschwemmungsgebieten unter bestimmten Bedingungen sogar die Errichtung baulicher Anlagen und deren Erweiterung genehmigt werden kann. Möglich sind Bauten dann, wenn die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird oder der Verlust von Rückhalteraum ausgeglichen werden kann. Das muss jeweils untersucht und geprüft werden und kann nur im Einzelfall entschieden werden.

(Dr. Kurt Duwe)

(Finn-Ole Ritter FDP: Aber der Wert ist doch erst mal im Keller!)

Ob und wie Festsetzungen änderbar sind, wird jeweils immer ein umfassender Faktencheck ergeben müssen.

Meine Damen und Herren! Wir Abgeordneten, auch die Kolleginnen und Kollegen in den Bezirken, sind und bleiben mit den Betroffenen im Gespräch, sofern sie das wünschen. Der jetzt auch auf unsere Intervention hin gestartete Anwohnerdialog ist ein erster Schritt.

Den Antrag der GRÜNEN lehnen wir ab. Die von den Behörden bereits eingeleiteten Maßnahmen gehen praktisch in die gleiche Richtung, und außerdem kamen die GRÜNEN reichlich spät mit ihrem Antrag.

(Jens Kerstan GRÜNE: Ach Gott, das ist euch ja noch nie passiert!)

Außerdem wurde eine Überweisung beantragt, aber wir lehnen sie ab aus dem einfachen Grunde, dass es keinen Sinn macht, in der nächstmöglichen Ausschusssitzung im November darüber zu sprechen, denn jetzt sind die Maßnahmen wichtig, jetzt handelt die Behörde, und darum brauchen wir keine Überweisung mehr. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Von der CDU-Fraktion hat nun Frau Stöver das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erst nach einer buchstäblichen Überschwemmungsflut von Protesten lenkt der Senat nun ein. Es gibt elf neue Überschwemmungsgebiete, und manch einer mag denken, das schützt die Stadt vor Überschwemmungen. Aber die Betroffenen, deren Zahl zwar im Vergleich gering ist, reagieren alarmiert. Was haben die betroffenen Menschen Ihnen getan, dass man sie quasi enteignet? In Überschwemmungsgebieten gelten nämlich nicht unerhebliche Einschränkungen baulicher Art – es gibt zwar auch Ausnahmen, wie Frau Schaal gesagt hat –, aber selbst im Garten kann man nicht mehr alles das pflanzen, was man gern pflanzen möchte.

Klar ist, dass der Senat die Überschwemmungsgebiete festlegen kann, denn die EU-Richtlinie zur Bewertung des Hochwasserrisikos bietet diese Möglichkeit, ist aber meines Erachtens keine Pflicht. Und das Wasserhaushaltsgesetz gibt der Stadt dazu noch die nötige Ermächtigung, dieses zu tun. Also tut die Stadt einfach mal so. Aber ist das wirklich richtig in dieser Form? Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass der Weg der Entscheidungsfindung doch ziemlich lückenhaft ist.

(Olaf Ohlsen CDU: Genau!)

Bereits 2009 hat der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer gefordert, die Wirkungsweisen der Rückhaltebecken zu optimieren. Was ist geschehen? Nichts. Und das ist nicht gut.

(Beifall bei der CDU – Erster Vizepräsident Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Zusätzlich wird seit Jahren die Pflege der Gräben, Bäche und Uferrandstreifen von der Stadt vernachlässigt. Man überlässt dieses gern den Anwohnern oder man widmet es Schulprojekten als Anschauungsobjekt. Damit vernachlässigt der Senat seine Pflicht gegenüber der Sicherheit der Bürger.

(Olaf Ohlsen CDU: Skandal ist das!)

Jetzt wird ein Faktencheck gemacht. Die Gründe für Überschwemmungen sollten doch zuvor analysiert werden. Was ist passiert? Nichts ist geschehen, wie man am Beispiel Berner Au sieht. Tatsächlich darf erst am Ende der Kette eine Ausweisung von Überschwemmungsgebieten stehen, denn am Ende geschieht dieses zu Recht zum Wohle der Allgemeinheit. Es darf aber natürlich erst nach wirklich reiflicher Abwägung erfolgen. Man muss dabei ganz deutlich berücksichtigen, dass betroffene Anwohner nachhaltig geschädigt werden. Und die Anzahl von nachhaltig Geschädigten ist selbstverständlich so gering wie möglich zu halten, das halte ich für eine Selbstverständlichkeit.

(Olaf Ohlsen CDU: Wir auch!)

Der Senat offensichtlich nicht, denn auch in den Antworten auf mehrere Schriftliche Kleine Anfragen von Abgeordneten meiner Fraktion konnte der Senat nicht einmal die Anzahl betroffener Wohneinheiten, geschweige denn die Anzahl der betroffenen Personen beziffern.

(Olaf Ohlsen CDU: Wollte er nicht!)

Das Wasserhaushaltsgesetz sieht eine Bürgerbeteiligung vor, und auch eine Verhältnismäßigkeit soll dort gewahrt sein. Der Beitrag von Frau Dr. Schaal macht das bisherige bürgerunfreundliche Agieren noch einmal besonders deutlich. Die Anhörungen hätten vor der Ausweisung, vor der Festlegung der Überschwemmungsgebiete erfolgen sollen; das geht einfach nicht so per Verordnung.

Die Verlängerung der Frist für die Einwendungen ist endlich einmal ein erster Schritt in die richtige Richtung in puncto Bürgerfreundlichkeit des SPDSenats. Aber eine Telefonhotline, die dreimal die Woche für eine Stunde geöffnet ist – ist das wirklich ausreichend? Ich sage nein.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Kurt Duwe FDP)

Zur Verwunderung über den Faktencheck: So etwas tut ein verantwortlicher Senat doch, bevor er Überschwemmungsgebiete ausweist, die mit erheblichen Nachteilen für betroffene Bürger verbun

(Dr. Monika Schaal)

den sind. Die Forderungen der SPD, die sich nun so bürgerfreundlich gibt, entlarven einfach die Wahrheit, nur, dass der Senat in dieser Sache bisher die Interessen der Bürger mit Füßen getreten hat. Sollte dieser Faktencheck, der offensichtlich bisher nicht erfolgt ist, ergeben, dass es andere Mittel gegeben hätte, um die Hamburger vor Überschwemmungen zu schützen und die drastischen Maßnahmen zulasten einzelner Bürger gar nicht notwendig gewesen wären, kann sich der Senat schon einmal warm anziehen. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion unterstützt ein solch bürgerunfreundliches Regierungshandeln in keiner Weise.

(Beifall bei der CDU)

Zum Abschluss: Wir werden dem FDP-Antrag auf Aussetzung der Verordnung zustimmen und den Senat damit auffordern, nicht nur eine Anhörung der Bürger vorzunehmen, sondern die versäumte Bürgerbeteiligung ergebnisoffen nachzuziehen. Der GRÜNEN-Antrag ist uns zu wenig konkret, den werden wir ablehnen.

(Beifall bei der CDU)