Protokoll der Sitzung vom 24.09.2014

Die Frage müssen Sie sich doch stellen. Im Ausschuss habe ich Herrn Neumann gefragt, warum denn nicht Container aufgestellt werden. Herr Neumann, Sie haben gesagt, Container seien teuer. Was soll das denn heißen? Aufgrund der Schuldenbremse können wir jetzt keine Container aufstellen, weil Zelte günstiger sind?

(Sören Schumacher SPD: Unsinn!)

Sie müssen auf die Massenunterkünfte verzichten; ich habe gerade die Schnackenburgallee genannt.

(Jan Quast SPD: Sind Sie eigentlich in der Realität angekommen?)

Die Stimmung dort ist hochexplosiv, und ich kann Ihnen auch sagen, warum. Weil verschiedene Konflikte der Welt dort aufeinandertreffen. Ich nenne nur einmal die jesidischen Flüchtlinge oder die christlichen Flüchtlinge aus dem Irak und aus Syrien, die dann auch auf muslimische Flüchtlinge treffen, die vielleicht vor Assad geflohen sind. Dazu kommt noch der Unmut über die Standards in der Unterkunft, was zu einer hochexplosiven Stimmung führt, und das darf hier nicht sein. Es darf auch nicht sein, dass Menschen acht bis neun Monate auf ihren Transfer warten müssen. Der Asylkompromiss ist meiner Auffassung nach einfach beschämend.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann nicht sein, dass wir hier von Weltoffenheit sprechen, aber ein solches Zeichen setzen. Asylanträge werden jetzt – ohne Aussicht – einfach abgelehnt. Dann soll sich Deutschland aber auch die Frage stellen, ob wir überhaupt ausreichend Flüchtlinge aufgenommen haben. Schauen Sie sich die Länder wie Malta, Italien oder die Türkei an. Da müssen wir uns doch die Frage stellen, ob wir wirklich genug Flüchtlinge aufgenommen haben und wir uns hier hinstellen und von einem Zustrom sprechen können. Ich weigere mich, diesen Begriff zu benutzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Senator Scheele.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben in der letzten Sitzung der Bürgerschaft die vom Senat vorgelegte Drucksache zu den Mehrbedarfen in der öffentlichen Unterbringung gemeinschaftlich beschlossen. Das war in diesem Haus eine gute Stunde für Flüchtlinge.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe in der Debatte deutlich gemacht, dass wir vor einer schwierigen Situation stehen. Die Flüchtlingszahlen sind in den letzten Monaten immer wieder nach oben korrigiert worden. Erst letzte Woche wurde die Zahl durch das BAMF erneut angehoben, und Hamburg hat künftig mit rund 600 neuen Flüchtlingen im Monat zu rechnen. Nun höre ich die Kritik, wir hätten das alles wissen können. Die nehme ich zur Kenntnis und ich nehme sie auch ernst. Aber es gibt nur das BAMF in Deutschland, das Flüchtlingszahlen prognostiziert, und das hat jetzt zum vierten Mal die Prognose erhöht.

(Birgit Stöver CDU: Aber Nachrichten gucken Sie nicht?)

(Cansu Özdemir)

Demzufolge müssten eigentlich alle Bürgermeister dieses Landes, egal welcher Partei sie angehören, ziemlich doof sein, weil sie immer auf diese Flüchtlingszahlen reagieren und zusätzliche Maßnahmen beschließen. Wir sitzen in einem Boot mit vielen anderen Großstädten Deutschlands und machen es im Verhältnis ganz gut, weil wir es einvernehmlich machen. Aber wir können, Frau Suding, keine Containerdörfer auf Vorrat bauen. Das können wir in Blankenese machen, wenn Sie uns eine Fläche nennen, aber auf Vorrat geht es nicht.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat hat vor 14 Tagen erläutert, wie der Weg aussieht, den hilfesuchenden Menschen in unserer Stadt Obdach und Schutz zu gewähren. Dabei geht es vor allem darum, Verfahren zu beschleunigen und Verwaltungsabläufe zu verschlanken, damit wir schnell – das ist das wichtigste Gebot – zu neuen Flächen und Unterkünften für die bei uns Zuflucht suchenden Menschen finden. Als Erstes möchte ich hier auf das Sofortprogramm für die Erweiterung der Zentralen Erstaufnahme eingehen. Oberstes Ziel dieses Programms ist es, die Unterbringung in Zelten zu vermeiden und die Zentrale Erstaufnahme – Sie haben darauf hingewiesen, wie die Lage in der Schnackenburgallee ist – so zu entlasten, dass die Zelte abgebaut werden können. Dazu haben wir fünf Notunterkünfte im Rahmen der Zentralen Erstaufnahme beschlossen, und zwei weitere werden bis zum Ende dieses Jahres zur Verfügung stehen; dann wird es auch besser. Wir sind da gar nicht auseinander – es muss da besser werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben außerdem kurzfristige Maßnahmen zur Erweiterung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung beschlossen. Wir werden nach den erforderlichen Bauund Umbaumaßnahmen Unterbringungsplätze schaffen, ohne dass zuvor ein Baugenehmigungsverfahren nach der Hamburger Bauordnung oder ein Anhörungsverfahren nach Paragraf 28 Bezirksverwaltungsgesetz durchgeführt wird. Die Unterkünfte selbst, das bitte ich immer zu beachten, werden dem ganz normalen Standard entsprechen. Auch was Notunterkunft heißt, ist nichts anderes als das, was wir immer gebaut haben. Das ist wichtig.

(Katja Suding FDP: Warum brauche ich das dann?)

Warum wir das brauchen? Wir müssen schneller werden, Frau Suding.

Wenn 600 Menschen pro Monat kommen, können Sie das einmal durch zwei teilen, dann kommen Sie auf 300, und das heißt, dass wir zwei Containerdörfer pro Monat bauen müssen. Dafür brauchen wir schnellere Verfahren, die keinesfalls dazu führen, dass wir Bürger nicht beteiligen, denn mein Staatsrat hat am Abend vor der Entscheidung der

Senatskommission die Sprecher der Bezirksfraktionen und die Sprecher der Bürgerschaftsfraktionen eingeladen.

(Birgit Stöver CDU: Das ist Beteiligung? Das ist nur Information, keine Beteiligung!)

Langsam, ich bin noch nicht fertig. Lassen Sie mich einmal ausreden.

Er hat alle darüber informiert. Die Bezirke werden weiterhin immer da, wo Containerdörfer oder Unterbringungen entstehen, Informationsveranstaltungen durchführen, und wir als Behörde werden natürlich in einem transparenten Verfahren, wie wir es die ganze Zeit gemacht haben, berichten, was wir vorhaben.

Ich möchte auch mit dem Getue aufräumen, das ehrenamtliche Engagement würde durch dieses Verfahren beschädigt. Wir haben bei "fördern und wohnen" eine zentrale Stelle, die das ehrenamtliche Engagement koordiniert. Da haben wir zurzeit Listen von immer mehr Menschen, die sich engagieren. Vor wenigen Wochen waren es 350, jetzt sind es 450. Ich komme gerade von "Leben mit Behinderung", einem Träger der Behindertenarbeit. Der Geschäftsführer Dr. Peiffer wohnt am Wiesendamm, wo auch eine Unterkunft hinkommt. Er sagte mir, er habe seine Mitbewohner angemailt, dass man etwas mache, und er habe so viele Mails zurückbekommen, wie er überhaupt nicht für möglich gehalten hätte. Es gibt also ein Engagement auch unter den veränderten Verfahrensbedingungen.

(Dietrich Wersich CDU: Das bestreitet kei- ner!)

Doch, Sie haben behauptet…

(Dietrich Wersich CDU: Nein, es haben eini- ge schon wieder das Handtuch geschmis- sen, weil sie nicht informiert waren! – Ge- genrufe von der SPD: Nennen Sie Beispie- le!)

Hier wird gesagt, dieses beschleunigte Verfahren beschädige das ehrenamtliche Engagement. Das ist nicht der Fall. Wir brauchen es und wir werden es wertschätzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in der Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau für 14 bereits in der Planung befindliche Standorte beschleunigte Verfahren beschlossen, und dazu kann ich auch beantworten, was hier gefragt worden ist. Natürlich müssen wir, wenn wir es jetzt wegen Gefahrenabwehr nach SOG beschleunigen, für alle Standorte, die wir dauerhaft haben wollen, die Baugenehmigungsverfahren nachholen. Was denken Sie denn? Diese Antwort hätten Sie sich auch selbst geben können.

(Beifall bei der SPD)

(Senator Detlef Scheele)

Wir können die Zeitaufwände weiter verkürzen, wenn wir auf öffentliche Ausschreibungen verzichten. Das schadet zumindest keinem Anwohner und hilft nur den Flüchtlingen und denen, die Unterkunft suchen. Mit diesen Maßnahmen zusammen werden wir den nicht gedeckten Bedarf von rund 1500 Plätzen bis zum Jahresende insbesondere zur Entlastung der Zentralen Erstaufnahme schaffen. Angesichts der komplizierten Lage in der Schnackenburgallee haben wir da auch einen verbesserten Betreuungsschlüssel von 1:50 und nicht mehr 1:80. Wir sehen doch, was da los ist, und mühen uns nach Kräften, das Aufeinanderprallen ethnisch verschiedener Kulturen so zu regeln, dass nichts passiert, denn auch ich weiß, dass es sozialen Sprengstoff birgt, wenn man 1000 Leute so beengt unterbringt. Das hat doch niemand von uns abgestritten, und wir versuchen es zu lösen.

(Beifall bei der SPD)

Mir wäre es natürlich auch lieber gewesen, wenn wir eine gleichmäßigere Verteilung der neuen Unterkünfte über alle Stadtteile hin geschafft hätten und noch stärker in wohlhabenden Stadtteilen neue Unterkünfte hätten errichten können. Aber die Verteilung ist besser gelungen, als hier gerade der Eindruck erweckt wird, denn wir haben Unterkünfte am Waldweg seit vielen Jahren, wir haben Unterkünfte am Volksdorfer Grenzweg, in Poppenbüttel, in Fuhlsbüttel, in Lokstedt, in Rissen, in Marienthal und in guten Gegenden Wandsbeks. Da haben wir etwas getan, und wir bemühen uns weiter. Wir haben keine Fläche abgelehnt, die uns vielleicht aus Blankenese genannt worden wäre. Wie kämen wir denn dazu? Nennen Sie doch bitte eine, dann nehmen wir sie, da bin ich ganz sicher.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in der letzten Woche wichtige Entscheidungen getroffen. Er hat auch eine Hamburger Vorlage beschlossen, die im Bauplanungsrecht die Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften erleichtern soll. Das gilt sowohl für unbeplante Innenbereiche, für Außenbereichsinseln als auch für die Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften in Gewerbegebieten. Wir wollen erreichen, dass mehr Flächen für die Nutzung als Unterkunft in Betracht kommen, denn wir können nicht große Teile von Flächen von vornherein ausschließen. Gelingt es uns hier, Entspannung zu schaffen, kann es noch gerechter zugehen. Vielleicht können wir dann auch – ich sage es mit aller Vorsicht – zum Beispiel in Billstedt wieder etwas kleiner werden. Das wäre selbstverständlich mein Wunsch.

(Beifall bei der SPD – David Erkalp CDU: Auch unser Wunsch!)

Ich möchte auf die Entscheidung des Bundesrats zu sprechen kommen, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die drei Balkanländer Serbien,

Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu erweitern. Ich halte diese Entscheidung für richtig. Ich habe dafür geworben, dass sie so kommt, und bin froh, dass sie trotz der schwierigen Verhandlungen so getroffen wurde.

(Beifall bei der SPD)

Die Situation der Menschen in diesen Staaten ist in keiner Weise mit der im Irak vergleichbar.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Was ist das für ein Vergleich?)

Die Anerkennungsquote im Asylverfahren liegt bei nahezu 0 Prozent. Tatsächlich ändert sich für diese Menschen relativ wenig, aber die Verwaltungsverfahren werden beschleunigt und auch Rückführungen können dadurch schneller durchgesetzt werden. Diejenigen aber, die tatsächlich verfolgt werden, werden auch weiterhin den Schutz des individuellen Asylrechts in Deutschland genießen.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde diese Entscheidung auch deshalb richtig, weil wir uns jetzt um die wirklich Schutzbedürftigen kümmern müssen. Wir müssen die Ressourcen dort bündeln, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Armut ist ohne Zweifel schlimm, aber Armut ist in Deutschland kein Asylgrund. Wenn die Länder des westlichen Balkans perspektivisch in die EU streben, dann müssen sie zunächst im eigenen Land alle möglichen Fluchtursachen abstellen. Wir brauchen also Programme, die die wirtschaftliche Entwicklung dort befördern.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Mit dem Bundesratsbeschluss vom Freitag wurden außerdem klare Verbesserungen für die Situation von Flüchtlingen in Deutschland beschlossen. So wird die Residenzpflicht ab dem vierten Monat nach Beginn des Aufenthalts in Deutschland abgeschafft. Das ist eine seit Langem erhobene Forderung aus der Flüchtlingsbewegung. Verwandtenund Arztbesuche werden erleichtert und der bürokratische Aufwand reduziert. Gleichzeitig wird sichergestellt – ich hoffe, dass es auch tatsächlich gelingt –, dass die größeren Städte, die aufgrund ihrer Wirtschaftskraft eine große Anziehungskraft ausüben, nicht in höherem Maße belastet werden. So werden die Sozialleistungen weiterhin nur an dem in der Wohnsitzauflage festgelegten Wohnsitz erbracht. Das muss einer Stadt wie Hamburg wichtig sein.