Protokoll der Sitzung vom 24.09.2014

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ploog hat schon auf die steigende Diskrepanz zwischen der Anzahl der Arbeitsuchenden beziehungsweise ausbildungswilligen Bewerberinnen und Bewerber und der sinkenden Zahl der Ausbildungsplätze hingewiesen. Anstatt eine Verbesserung zu erzielen, gibt es ein weiteres Auseinanderklaffen. Auch das ist kein Grund zum Jubeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch auf die Geburtsfehler der Jugendberufsagentur eingehen, und zwar nicht so, wie sie unter Schwarz-Grün auf die Schiene gesetzt wurde, sondern wie sie von diesem SPD-Senat umgesetzt wurde. Es geht nämlich um die personelle Ausstattung. Bei wesentlichen Unterstützungssystemen in den Quartieren, in den Vierteln, die sehr wichtig sind für Jugendliche mit sehr schwierigen Ausgangslagen, wurde die personelle Ausstattung heruntergefahren und in die Jugendberufsagentur, also in eine Behörde, verlegt. Nun muss man wissen, dass Jugendliche die Arbeit auf der Straße brauchen, sie brauchen niedrigschwellige Angebote. Sie sollen nicht in eine Behörde, in eine Agentur gehen müssen, denn da haben sie häufig schlechte Erfahrungen gemacht. Das heißt, man hat wichtige Unterstützungssysteme abgesenkt, sie in eine Agentur verlagert und die Sozialarbeit auf der Straße geschwächt. So kann eine Jugendberufsagentur nicht funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Friede- rike Föcking CDU)

(Wolfhard Ploog)

Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass zudem 92 Stellen aus den Stadtteilschulen, die eigentlich für die Berufsorientierung vorgesehen und versprochen waren, ebenfalls abgezogen worden sind. Auch so kann keine Berufsorientierung stattfinden, denn es ist auch ein wichtiger Baustein für das Gelingen einer Jugendberufsagentur.

Eines möchte ich noch sagen: Laut der Großen Anfrage findet in Gymnasien Berufsorientierung nicht statt; in Frage 6) wird nur von Stadtteilschulen geredet. Wir wollen doch nicht so tun, als ob in den Gymnasien nicht auch Berufsorientierung im Sinne einer dualen Ausbildung stattfinden sollte. Das ist ein weiterer Geburtsfehler bei der ganzen Ausgestaltung durch den SPD-Senat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir brauchen, um wirklich einen Beweis, den Proof zu finden, ist eine externe Evaluation der Jugendberufsagentur, aber mit Sicherheit keine Gefälligkeits-Große-Anfrage über den Erfolg des Senats, um wirklich herauszufinden, ob diese Jugendberufsagentur erfolgreich ist oder nicht. Für mich und für unsere Fraktion ist der Beweis immer noch schuldig geblieben. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Frau Kaesbach von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich schließe mich, zumindest was die Kritik an dieser Anfrage angeht, Frau Dr. von Berg an. Die Einrichtung der Jugendberufsagentur war ein kleiner, man kann auch sagen, großer Meilenstein, weil sie wichtige strukturelle Verbesserungen auf den Weg gebracht hat. Ob sie nun tatsächlich zu Erfolgen geführt hat, geht aus dieser Großen Anfrage nicht hervor.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Die Dachfunktion für die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit bedeutet für die jungen Erwachsenen und auch deren Eltern einen enormen Vorteil. Es gibt keine Unklarheiten mehr, wer zuständig ist, die Agentur für Arbeit oder Jobcenter, und keine Unklarheiten mehr, was den Standort betrifft. Das hat nicht nur Vorteile für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, das ist auch sehr übersichtlich und klar für die Handwerks- und Handelskammer, die Schulen und die Wirtschaft.

Zudem suchen die Mitarbeiter der Jugendberufsagentur die Jahrgangsstufe 8 der Stadtteilschulen aktiv auf und tätigen sogar Hausbesuche. Keiner soll durch das Netz fallen – so weit, so gut. Diese Verbesserungen wurden jedoch schon in der Debatte im Juni 2012 von der SPD gefeiert, wobei es eher ein Hickhack zwischen CDU und SPD war,

wer nun das Patentrecht auf die JBAs anmelden kann. Das klang eben auch schon wieder durch, als Herr Ploog sprach.

Sie, lieber Herr Schwieger, betreiben nun aber mit Ihrer Großen Anfrage wirklich billigen Wahlkampf. Frau Dr. von Berg nannte es Gefälligkeitsanfrage, ich kann mich dem nur anschließen. Ich hätte gedacht, Sie wären sich für eine solche Durchsichtigkeit eher zu schade, denn Ihre Anfrage fragt nur Masse ab. Aus den Zahlen zu den stattgefundenen Beratungen lässt sich nicht viel ableiten, da es bei den bezirklichen JBAs jeweils um unterschiedliche Erhebungszeiträume geht, was der stufenweisen Einrichtung in den JBAs geschuldet ist. Die Zahlen lassen sich somit nicht vergleichen. Zudem bleibt verborgen, zu welchem konkreten Ergebnis die Beratungsgespräche geführt haben. Weder sind die quantitativen Zahlen verwertbar, noch gibt es qualitative Ergebnisse, da es keine entsprechenden Parameter gibt.

Ein zweites Beispiel sind die erfassten Bewerber unter Frage 11). Hier waren belastbare Aussagen kaum möglich. Die Große Anfrage wurde im August gestellt, die Vermittlungsbemühungen der Bewerber laufen jedoch naturgemäß bis zum 1. September beziehungsweise 1. Oktober; dann wird üblicherweise eingestellt. Ein besseres Timing der Einreichung der Großen Anfrage hätte zu substanzielleren Aussagen führen können. Vielleicht wollte man dies aber auch gerade verhindern.

Meine Damen und Herren! Was nun wirklich interessant ist, ist der Abschnitt III, Kapitel "Übergang – Schule/Beruf". Dieses Kapitel hat zwar direkt nichts mit der JBA zu tun, es geht dieses Mal auch nicht um Erbsenzählereien, sondern tatsächlich einmal um etwas Aussagekräftiges. Hier wird abgefragt, wie viele Schüler welche Abschlüsse von 2008 bis 2013 absolvierten und vor allem, wie viele der Schüler ohne Hochschulreife nach der Schule in welche Maßnahmen gegangen sind beziehungsweise welche Ausbildung sie aufgenommen haben. Die zweite Tabelle unter III besagt nämlich, dass nur knapp 11 Prozent der Schülerinnen und Schüler ohne Hochschulreife in eine betriebliche Ausbildung, also die klassische Lehre, gegangen sind. Zieht man die Schüler ab, die nach der zehnten Klasse die Schule beziehungsweise eine schulische Maßnahme besucht haben, würden von dieser Gruppe, die einen nicht-schulischen Weg gewählt hat, gut 20 Prozent eine betriebliche Ausbildung durchführen, und das ist immer noch wenig.

Im Juli 2014 gab es in Hamburg 2007 Schüler ohne Ausbildungsplatz. Dem standen 2000 unbesetzte Ausbildungsplätze gegenüber. Wir haben in Hamburg also nach wie vor ein Passungsproblem. Erstens bleibt ein immer höherer Anteil von betrieblichen Ausbildungsplätzen unbesetzt, und zweitens bleiben immer mehr Ausbildungsplatzsu

(Dr. Stefanie von Berg)

chende bei ihrer Suche erfolglos. Genau an dieser Stelle besteht Handlungsbedarf. Insofern sollte der Senat davon absehen, weiter wenig aussagekräftige Auflistungen von Kontakt- und Beratungsgesprächen zu betreiben, sondern er sollte vielmehr auf die Verringerung der Passungsquote hinarbeiten.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Friederike Föcking CDU)

Weniger unbesetzte Ausbildungsstellen und mehr vermittelte Hamburger Jugendliche von der Schule in die Ausbildung wären die relevanten Erfolgsparameter. Meine Fraktion appelliert insofern an den Senat, sich einmal Gedanken über die Einrichtung von mehr qualitativen statt rein quantitativen Parametern bei der Dokumentation der Maßnahmen der Jugendberufsagentur zu machen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt nun Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schwieger, ich teile Ihre Auffassung, es sollten sich mehr Abgeordnete für dieses Thema interessieren, als hier zurzeit anwesend sind.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich teile nicht Ihre Auffassung, dass Sie als SPD dem Ziel, eine Ausbildungsgarantie herzustellen, einen bedeutenden Schritt nähergekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Frau Dr. von Berg: Ich esse wahnsinnig gern Pudding und muss feststellen, dass ich nach dieser Großen Anfrage nicht satt geworden bin, wirklich nicht. DIE LINKE hat vor der Sommerpause den Antrag "Ausbildungsgarantie jetzt" in die Bürgerschaft eingebracht, und darüber haben sich damals die Sozialdemokraten sehr geärgert. Wir haben Ihnen nämlich Wahlbetrug vorgeworfen. Man kann natürlich auch sagen, Sie haben Ihr Versprechen gebrochen, denn Sie haben in Ihrem Programm 2011 geschrieben – ich zitiere –:

"Alle Schülerinnen und Schüler haben nach Abschluss der allgemeinbildenden Schulzeit ein Recht auf eine berufliche Ausbildung."

(Zuruf von der SPD: Haben sie auch!)

Das Recht wollten Sie aber umsetzen, das haben Sie klar versprochen, und das ist nicht eingetroffen.

Selbst Senator Rabe hat vor Kurzem in einer Pressekonferenz eingestanden, dass nur 30 bis 40 Prozent aller Schulabgänger und Schulabgängerinnen

einen Ausbildungsplatz finden, wobei wir glauben, dass diese Zahl noch geschönt ist.

Wir haben jetzt Erfolgsmeldungen, und diese Erfolgsmeldungen sollen in Form der Großen Anfrage der SPD daherkommen. Ich will auf die Argumente der SPD eingehen, die für eine Jugendberufsagentur votieren. Das Erste ist, dass Sie meinen, der entscheidende Beweis für den Erfolg der Jugendberufsagentur finde sich darin, dass Sie bundesweit vorbildlich seien. Und Sie argumentieren damit, dass sich allein im laufenden Jahr 25 Fachbesuchergruppen vor Ort über das Konzept der Jugendberufsagentur informiert hätten. Eine Gruppe davon war die Bundestagsfraktion der LINKEN aus Berlin. Aber es ist natürlich keine Evaluation, wenn sehr viele kommen und sich ansehen wollen, was da eigentlich passiert. Es wäre für mich ein ganz neuer Indikator für Erfolg, wenn man feststellt, dass es gut sein muss, wenn sich das viele Leute anschauen. Wir verstehen unter Evaluation etwas ganz anderes. In der Tat ist es so, dass jetzt erst die Ausschreibung zur Evaluation der Jugendberufsagentur vorbereitet wird. Das heißt, es ist noch gar nicht richtig mit Ziffern und Kriterien belegt, was die Berufsagentur will, mit welchen Mitteln sie arbeitet und welchen Erfolg sie hat. Trotzdem wissen SPD und Senat aber schon, bevor es überhaupt in seinen Umrissen fertiggestellt wurde, dass die Jugendberufsagenturen vorbildlich sind. Wenn Sie das alle schon wissen, dann brauchen Sie kein Geld mehr auszugeben für eine Evaluation. So kann man damit nicht umgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zweite wichtige Argument, und das hat auch einiges für sich, Herr Schwieger, ist dieses "Alles unter einem Dach". Das ist auch in Ordnung, das haben wir uns schon mehrfach angesehen. Nur muss man sich einmal die Mitarbeiterzahlen in den Hamburger Jugendberufsagenturen genauer anschauen. Wenn wir uns das anschauen, dann sehen wir, dass von den 318 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 35 Prozent von der Arbeitsagentur, 54 Prozent vom Jobcenter, 4 Prozent von den jeweiligen Bezirksämtern und 7 Prozent von der Schulbehörde kommen. Zusammengefasst kann man sagen, dass fast 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem früheren Arbeitsamt entstammen, das durch Ihre Agenda-Politik in zwei unterschiedliche Behörden aufgespalten wurde. Das heißt, Sie verkaufen jetzt einen Erfolg, etwas zusammengefasst zu haben, was Sie vorher selbst getrennt haben. Sie beseitigen also Ihren eigenen Missstand.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben zur Jugendberufsagentur fünf Anfragen gestellt, wir haben immer nach den Vermittlungserfolgen gefragt und wollten Folgendes wissen: Im Schuljahr 2012/2013 gab es 808 Schulabgängerin

(Martina Kaesbach)

nen und Schulabgänger, die einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Und nun wollten wir wissen, bei wie vielen dieser 808 Schulabgänger es der Jugendberufsagentur gelungen ist, ihnen Ausbildungsplätze zu vermitteln, denn das ist doch der eigentliche Punkt. Die Antwort war: Wissen wir nicht. Wir haben keine Antwort bekommen.

Man muss sich doch fragen, wozu eine Jugendberufsagentur eigentlich da ist. Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jugendberufsagenturen leisten, die Kontakte, die Beratungen und die aufsuchende Beratung, ist eine hervorragende Arbeit. Die Kolleginnen und Kollegen aus diesen Jugendberufsagenturen können jedoch nur eines machen, sie können nur Ausbildungsplätze vermitteln, und genau davon gibt es zu wenige. Insofern muss man sich überlegen, ob das Konzept der Jugendberufsagenturen so richtig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt noch ein Wort zu den Warteschleifen. Frau Dr. von Berg hat darauf hingewiesen, dass immer noch knapp 40 Prozent in den Warteschleifen landen. Wir haben 2011 nach sehr, sehr vielen Magenschmerzen und sehr, sehr vielen Diskussionen der Reform der beruflichen Bildung zugestimmt und hatten darauf vertraut, dass es auch wirklich erheblich besser wird. Nun wird in der Großen Anfrage der SPD-Fraktion eine Frage vom Senat beantwortet, und darin steht, dass im Schuljahr 2013/2014 sogar über 47 Prozent aus der Warteschleife, aus der Ausbildungsvorbereitung direkt in die Beschäftigung übergingen. Da haben wir uns gefragt, was denn "in die Beschäftigung" bedeutet, denn das heißt nicht zwingend in eine Ausbildung. Und so war es denn auch. Herr Rabe hat im August in seiner Pressekonferenz die Zahlen ein bisschen deutlicher gemacht und festgestellt, dass aus der Ausbildungsvorbereitung 40 Prozent einen Ausbildungsvertrag gefunden und 7 Prozent dann einen Job aufgenommen haben. Das ist immerhin besser als gar nichts, aber das ist nicht das, was wir eigentlich anstreben. Und selbst bei diesen 40 Prozent wissen wir bis heute nicht, woher Herr Rabe sie geholt hat. Wir hatten nämlich in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage genau das abgefragt. Da waren es nur noch 23 Prozent, die aus der Ausbildungsvorbereitung kamen, und 6 Prozent, die dann in der außerbetrieblichen Ausbildung gelandet sind. Es waren nur 30 Prozent und keine 40. Woher er die Zahl hat, wissen wir nicht.

Wir sagen nur eines: Es besteht nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf, wenn wir wirklich wollen, dass alle Jugendlichen nach einem Schulabschluss oder auch ohne Schulabschluss eine Ausbildung bekommen. Es muss noch sehr, sehr viel getan werden. Wir sind noch sehr weit entfernt von der Ausbildungsgarantie.

Wir haben vor der Sommerpause drei Vorschläge gemacht. Der zentrale Punkt ist, dass es zu weni

ge Ausbildungsplätze im dualen System gibt. Das mag uns passen oder nicht, wir werden da einiges tun müssen. Und wir kommen nicht an einer Ausbildungsumlage vorbei, das sind wir den jungen Leuten schuldig.