Protokoll der Sitzung vom 08.10.2014

"Am Hamburger Hafen […]"

das mahnt mit Recht auch Uwe Polkaehn für den Deutschen Gewerkschaftsbund –

"hängen Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der gesamten Region. Angesichts der Gütertransporte auf der Straße hat der Ausbau der Wasserwege auch eine wichtige ökologische Dimension. […] Stillstand wäre nicht gut für den Norden."

(Beifall bei der SPD)

Dem stimme ich zu. Der Hamburger Senat hat alles getan und wird alles tun, um eine Realisierung der Fahrrinnenanpassung so schnell wie noch möglich zu erreichen. Wir müssen aber auch sehen, dass mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie über viele entschieden wird, weit über Hamburg hinaus – über die wirtschaftliche Stärke Hamburgs und die anderer Wirtschaftszentren in Deutschland und in Europa, die am Wasser liegen. Die Weser wird insofern ein Präzedenzfall für die ganze Europäische Union.

Wir müssen die Angelegenheit also richtig einordnen. Es geht um eine schicksalhafte Entscheidung

des Europäischen Gerichtshofs für ganz Europa. Die rechtlichen Grundsätze, die er aus den wenigen Sätzen der Wasserrahmenrichtlinie ableitet, werden überall in Deutschland und Europa Konsequenzen haben. Europas Städte und Kultur, die Industrialisierung und der Handel sind mit und an den Flüssen entstanden. In Deutschland sind schon jetzt viele Flüsse von dieser Frage berührt. Ein Stillstand der Entwicklungsmöglichkeiten würde mit einer jahrtausendealten Entwicklung brechen. Sollte am Ende die Auslegung die sein, dass alle Projekte gegen das Verschlechterungsverbot verstießen, die auch nur marginale Folgen für die Wasserqualität nach sich ziehen könnten, dann wären zahlreiche Infrastrukturvorhaben in allen Mitgliedsländern betroffen. Das führte nicht nur zu einem unverhältnismäßigen Planungs- und Untersuchungsaufwand inklusive Verlängerung und Verteuerung aller Genehmigungsprozesse, sondern es ergäben sich ernstliche Risiken, letztlich auch für ständig notwendige Unterhaltungs- und Hochwasserschutzmaßnahmen. Und sogar für umweltpolitisch eigentlich erwünschte Verkehrskonzepte wie etwa das sehr zu unterstützende, wenngleich am Ende einer Rede zungenbrecherische Short See Shipping Program.

Wir werden intelligente Lösungen suchen und finden müssen. Ich will die französische Lösung nicht verschweigen. Dort ist offenbar die vorhin angesprochene Zustandsklassentheorie ins eigene nationale Umsetzungsgesetz – das auf Französisch hoffentlich einen eleganteren Namen hat – hineingeschrieben worden. Vielleicht müssen wir hin und wieder gemeinsam in Europa und mit der Bundesregierung überlegen, wie wir europäische Vorgaben jeweils national implementieren.

Meine Damen und Herren! Nicht nur für die eigene Konkurrenzfähigkeit, nein, auch als entschiedene Europäer, die wir sind, müssen wir aufpassen, dass wir mit der Anwendung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie den Fisch nicht mit dem Wasser ausschütten. Es darf nicht so weit gehen, dass die Auslegung einer europäischen Umweltrichtlinie für Standorte am Wasser in Deutschland und Europa bedeutet, dass die Industrie dort generell gefährdet ist.

(Beifall bei der SPD)

Vielmehr müssen wir eine Debatte in Deutschland und in Europa darüber führen, wie wir ökologischen Schutz und wirtschaftliches Wachstum in ein Gleichgewicht bringen. Wir können es uns in Zeiten der Globalisierung nicht leisten, bei wichtigen Infrastrukturentscheidungen unnötig Zeit zu verlieren. Damit verhindern wir Investitionen in Standorte in Deutschland und in Europa. Vielen Dank dafür, dass Sie alle das nicht wirklich wollen.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

Das Wort bekommt Herr Wersich von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Anspruch und Wirklichkeit in der Hafenpolitik klafften noch nie so weit auseinander wie beim derzeitig regierenden SPD-Senat.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan und Dr. Anjes Tjarks, beide GRÜNE)

Da hilft auch nicht die Flucht in die große Philosophie des Wassers. Es geht nicht um ewige Menschheitsfragen und es geht nicht um den Untergang des Abendlandes, es geht um das Hier und Jetzt. Es geht um Ihre konkrete Politik für die Menschen in Hamburg und für den Hamburger Hafen.

(Beifall bei der CDU)

Und diese Wirklichkeit sieht anders aus. Es war schon ein denkbar schlechter Start. Erinnern wir uns: Das Hafenentwicklungskonzept der Vorgängerregierung war vorlagefertig. Der neue Senat hat das erst einmal zurückgezogen und anderthalb Jahre gebraucht, um ein Hafenentwicklungspapier vorzulegen, was dann unsinnige Kapazitätsmengen fortgeschrieben hat zu einem Zeitpunkt, wo jeder wusste, das stimmt nicht mehr. Der erste Schritt zur Umsetzung dieses Hafenentwicklungspapiers war es, dass entgegen der dort festgelegten Planung ein Kreuzfahrtterminal am Kronprinzkai geplant worden ist. Das war die Wirklichkeit, mit der Sie misslungen in die Hafenpolitik gestartet sind.

(Beifall bei der CDU)

Die Wirklichkeit ist auch, dass viele Probleme rund um die andauernde maritime Krise ungelöst sind. Wir alle kennen den markigen Spruch im Zusammenhang mit Hapag-Lloyd: I want my money back. Die Einlösung dieses Versprechens steht in den Sternen. Wir haben erlebt, Stichwort HSH Nordbank, wie sich der Erste Bürgermeister erst als Retter des neuen Konzepts in Brüssel hat feiern lassen, und es dann hinterher eine vorschnelle Rücknahme der Garantie gab, die eilig nachgebessert werde musste. Nein, auch die Probleme im maritimen Cluster unserer Stadt sind ungelöst.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Und wie sieht die Wirklichkeit im Hafen aus?

(Sylvia Wowretzko SPD: Die Elbphilharmo- nie liegt auch an der Elbe!)

Täglich Verkehrs- und Stauchaos. Die Hafenwirtschaft und die Hafenspediteure sind auf Zinne, weil sie schlecht informiert werden und weil sie nicht rechtzeitig einbezogen werden, wenn es um die Bauvorhaben rund um die Straßen des Hafens

geht. Das ist die Wirklichkeit: Stauchaos im Hamburger Hafen.

(Beifall bei der CDU)

Die Wirklichkeit sind auch massive Abfertigungsprobleme bei der HHLA, und das zuzeiten des Normalbetriebs. Wir haben noch gar nicht dieses gesteigerte Aufkommen, und trotzdem stauten sich während der Fußball-Weltmeisterschaft die Schienenfahrzeuge bis in den Süden der Republik.

(Zuruf von der SPD: Thema! – Dirk Kien- scherf SPD: Wovon reden Sie eigentlich? Das ist eine Sauerei, was Sie da machen!)

Ich kann verstehen, wenn Sie Probleme mit der Wirklichkeit Ihrer Hafenpolitik haben,

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Dirk Kienscherf SPD: Sie haben Probleme mit dem Thema!)

aber das ist der richtige Ort und das ist der richtige Zeitpunkt, um diese Probleme nach einer Regierungserklärung zum Hamburger Hafen zu besprechen. Das müssen Sie schon noch ertragen.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Fahrrinnenanpassung steht hier!)

Ich kann Ihnen die Wirklichkeit nicht ersparen.

Noch einmal zur HHLA. Ich finde, das Informationsverhalten der HHLA ist inakzeptabel. Wir haben mehrere Schriftliche Kleine Anfragen gestellt, in denen der Senat als Anteilseigner weitergeben lässt, die HHLA werde die Fragen im Rahmen der Jahreshauptversammlung beantworten. Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die dicke Drucksache, die wir nach der Jahreshauptversammlung der HHLA bekommen werden, in der dann all unsere offenen Fragen beantwortet werden. Diese Form, auf Auskunftsersuchen der Bürgerschaft zu reagieren, ist inakzeptabel.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Wolfgang Rose SPD: Sie wollten doch die HHLA ganz verkaufen!)

Die Wirklichkeit zeigt, dass auch der Hafen unsolide finanziert ist.

(Zurufe von der SPD – Glocke)

Sie kündigen seit vier Jahren an,

(Dirk Kienscherf SPD: Reden Sie doch mal zum Thema!)

dass Sie die Hafeninvestitionen auf gesunde Beine stellen wollen. Fakt ist, die gesamte Legislaturperiode über bis heute haben Sie weiter die HHLA-Milliarde zur Finanzierung verwendet, keinen zusätzlichen Euro. Was Sie nun für die nächste Legislaturperiode vorgelegt haben, ist mit 100 Millionen Euro allerdings viel zu wenig, um die tatsächlichen Investitionsvorhaben im Hafen zu finanzieren. Das sind Luftankündigungen, die nicht ausreichen. Alle

Experten und der Senat selbst sprechen von einer Finanzierungslücke von 300 bis 400 Millionen Euro. 100 Millionen Euro sind nicht ausreichend. Das ist die Wirklichkeit Ihrer Hafeninvestitionsfinanzierungspolitik.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Arno Münster SPD)

Nach dieser Reihe von wirklich schwerwiegenden Problemen mit dem Hafen kommt nun noch die Verzögerung bei der Elbvertiefung dazu.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ah! Die Elbver- tiefung!)

Das ist ein Desaster für den Hamburger Hafen und für unsere gesamte Wirtschaft. In einer der wichtigsten Fragen seiner Amtszeit hat Olaf Scholz das Versprechen vom ordentlichen Regieren nicht halten können.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Es ist nicht die böse Opposition,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

sondern Olaf Scholz selbst, der die Messlatte, die er nun reißt, so hoch gelegt hat. Erinnern wir uns doch einmal. Im Wahlkampf, Januar 2011, tönte Olaf Scholz in einem Interview im Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag zur Elbvertiefung:

"Bisher ist das Thema nicht mit dem nötigen Nachdruck vorangetrieben worden."