Protokoll der Sitzung vom 08.10.2014

Unser Fazit: Der Anteil der wirklich großen Containerschiffe, der Hamburg nicht voll beladen anlaufen beziehungsweise aus dem Hafen auslaufen kann, ist verhältnismäßig gering und rechtfertigt Ihre Angstmache nicht. Und eines ist auch klar: Die Schiffbauentwicklung geht weiter. Selbst wenn die Elbe vertieft wird, wird es immer wieder Schiffe geben, die den Hamburger Hafen nicht anlaufen können; auch das ist schon gesagt worden. Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven mit seinen 18 Metern Tiefgang und den circa 657 Millionen Euro Steuergeld, die er gekostet hat, könnte hervorragend für eine Hafenkooperation als Teil des Transshipmentverkehrs in Richtung Ostsee genutzt werden. Das war auch schon einmal so angedacht. Als der Schwarz-Schill-Senat nach einem guten Jahr der Planung zum JadeWeserPort aus der im März 2000 vom rot-grünen Senat vereinbarten Kooperation mit Wilhelmshaven ausstieg, entwickelte sich dann aber wieder der gesamte Subventionswettlauf und jeder arbeitete gegen jeden.

(Olaf Ohlsen CDU: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Das habe ich mir selbst aufgeschrieben, ich kann nämlich selber denken.

Wir reden doch immer so gern von der Metropolregion. Wir als LINKE sehen es so, dass wir auf eine Elbvertiefung verzichten können. Wir sind für eine Hafenkooperation. Die gefährdet weder die Hafenwirtschaft noch Arbeitsplätze und wäre gut für die Umwelt. Wir sollten nicht immer nur in Sonntagsre

den über die Symbiose von Ökonomie und Ökologie philosophieren, wir sollten sie in praktische Politik umsetzen. Und wir sollten die Realität wahrnehmen: Eine Elbvertiefung brauchen wir nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt der fraktionslose Abgeordnete Herr Dr. Scheuerl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrter Herr Bürgermeister! Für einen Juristen ist es interessant, im Rahmen einer Regierungserklärung etwas vom Ersten Bürgermeister zu hören. Vergegenwärtigen wir uns doch einmal, worüber wir heute eigentlich sprechen: Es gibt ein oder mehrere Gerichtsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, die der Erste Bürgermeister quasi als Anwalt der Hamburger verantwortlich führt. Der zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat mitgeteilt, er wolle noch eine Entscheidung des EuGH in einem anderen Verfahren abwarten und deswegen noch nicht im Oktober entscheiden. Allein diese Verzögerung ist dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz so wichtig, dass er eine Regierungserklärung vor dem Hohen Haus abgibt – zu Recht, denn mit der bloßen Verzögerung entstehen der Hamburger Wirtschaft und damit allen Hamburgerinnen und Hamburgern weitere Schäden in Millionenhöhe.

Vor diesem Hintergrund wundert es doch, dass die eigentliche Ursache dieser Verzögerung nur teilweise thematisiert worden ist; Frau Suding hat es für die FDP angesprochen und Herr Kerstan hat es quasi proaktiv umgedreht angesprochen. Der eigentliche Kern und die Ursache der Verzögerung ist das umweltschutzrechtliche Verbandsklagerecht, das von Vereinen – in diesem Fall dem BUND und dem NABU – exzessiv ausgeübt wird. Es ist niemand anderes als der ehemalige Bürgermeister Herr Voscherau gewesen, der gesagt hat, wir hätten mit dem Verbandsklagerecht inzwischen eine Vetokratie statt einer Demokratie, und damit hat er recht. Die Verzögerung der Fahrrinnenanpassung veranschaulicht, dass das Verbandsklagerecht, wie es vom BUND, dort Herrn Braasch, und dem NABU ausgeübt wird, im Kern ein lukratives Beschäftigungsmodell für Vereinsvorstände ist, aber für die Stadt, für die Hamburgerinnen und Hamburger ohne jede Vorteile ist, sondern im Gegenteil sogar erhebliche Schäden verursacht.

Eine Studie, die im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz über die Erfolgsrate der Verbandsklagen in den letzten zehn Jahren erstellt worden ist, hat ergeben, dass rund 60 Prozent der von Umweltverbänden erhobenen Klagen erfolglos sind, also unbegründet eingereicht wurden. Es muss uns doch allen zu denken geben, wo das eigentli

che Problem bei der jetzt konstatierten Verzögerung der Fahrrinnenanpassung liegt.

Ein weiterer Punkt: Die Kläger, der BUND und der NABU, sind in keiner Weise demokratisch legitimiert. Es sind vergleichsweise kleine Vereine, die diese Klagen eingereicht haben, und nur wegen dieser Klagen haben wir jetzt die Verzögerung.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Dann sollen sich die Behörden endlich mal an Recht und Ge- setz halten!)

Wie kurzsichtig und verantwortungslos diese Klagen sind,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Der Rechtsstaat stinkt Ihnen aber, oder?)

zeigt auch die Gegenrechnung; Herr Dr. Dressel hat es angesprochen. Es wird immer ein wenig irreführend von Elbvertiefung gesprochen. Im Kern geht es vor allem um die Fahrrinnenanpassung, um das Schaffen von mehr Begegnungsstellen, damit der Verkehr auf der Elbe insgesamt mehr fließen kann.

(Dr. Eva Gümbel GRÜNE: Die Größten un- ter sich!)

Wenn nur ein einziges 10 000-TEU-Schiff nicht den Hamburger Hafen anläuft, dann bedeutet das, dass man diese 10 000 Container per Lkw transportieren muss. Stellen wir uns 10 000 Container auf Lkws vor. Wenn die Kolonne fahren, dann macht das bei 50 Meter Straße je Lkw, Sicherheitsabstand eingerechnet, 500 Kilometer für ein 10 000-TEU-Schiff, das Hamburg nicht anläuft, völlig egal, ob es einen Tiefgang von 15 Metern hat oder weniger. 10 000 TEU bedeuten eine entsprechende Kolonne, die von Rotterdam bis Hamburg läuft. Das können wir uns doch auch vor dem Hintergrund der Hamburgischen Verfassung, die betont, dass Hamburg eine Welthafenstadt ist und dass das eine Bedeutung für Hamburg hat, nicht länger gefallen lassen.

Meine Forderung deshalb: Wir müssen endlich an das Verbandsklagerecht herangehen und an die Gemeinnützigkeit dieser Umweltverbände. – Vielen Dank.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wenn der letzte Satz nicht gekommen wäre, hätten wir ge- klatscht!)

Das Wort bekommt Herr Balcke von der SPD-Fraktion für eine Minute. Der Weg zählt aber nicht mit.

(Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was bleibt nach dieser Debatte? Ich brauche nicht einmal eine Minute dazu, es ist offensichtlich: Wir haben eine Opposition, von der

(Dora Heyenn)

bleibt grünes Rumgenöle und linker Staatsinterventionismus. Frau Heyenn, Sie haben schlicht nicht aufgepasst und grundlegende ökonomische Zusammenhänge einfach nicht verstanden. FDP – eigentlich egal. Aber CDU ist entscheidend – ein ungedeckter Scheck von 50 Millionen Euro per anno.

(Dietrich Wersich CDU: Da haben Sie ja Er- fahrung mit!)

Herr Wersich, ich möchte gerne wissen, ob Sie das mit Ihrem haushaltspolitischen Sprecher abgesprochen haben. Das ist unseriös. Gott sei Dank regiert in Hamburg die SPD, und zwar alleine.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jetzt beruhigen Sie sich doch erst einmal. Der Senat hat eine Vielzahl von Beratern im Laufe der vergangenen 14 Jahre gehabt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ihm bescheinigt, dass er sich nicht an Recht und Gesetz gehalten hat. Man muss also konstatieren, dass diese Berater irgendwie nicht so erfolgreich waren. Und weil das so ist, haben sich der Bürgermeister und der Fraktionsvorsitzende der SPD einen weiteren Berater geleistet, nämlich Herrn Drieschner.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Den mussten wir nicht mal bezahlen!)

Den mussten Sie nicht einmal bezahlen, immerhin.

Herr Drieschner hat in der "Zeit" eine Überschlagsrechnung gemacht in voller Kenntnis dessen, dass es eine solche Berechnung der ökologischen Vorteile der Elbvertiefung bereits gibt, und zwar von dem Vorhabenträger, also dem Bürgermeister und der Wasser- und Schifffahrtsdirektion. In dieser Nutzen-Kosten-Rechnung aus dem Jahr 2004 behaupten der Bund und die Freie und Hansestadt Hamburg, die Elbvertiefung würde in Bezug auf die CO2-Emmission einen volkswirtschaftlichen Nutzen von 720 Millionen Euro erbringen. Das Problem an dieser Stelle ist, dass in dieser Rechnung – und das ist die offizielle Rechnung und keine Überschlagsrechnung von Herrn Drieschner – die Tonne CO2 mit einem Satz von 205 Euro bepreist wurde. Momentan wird die Tonne CO2 in Leipzig mit 4,61 Euro gehandelt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Den CO2-Zertifi- katehandel werden wir jetzt nicht lösen!)

Das heißt, in Wahrheit müssen Sie 720 Millionen Euro volkswirtschaftlichen Nutzen durch ungefähr 45 teilen, und dann sind Sie bei 16 Millionen Euro volkswirtschaftlichem Nutzen. Dazu gibt es eine in

teressante Stellungnahme, die ich einmal zitieren möchte:

"Würden beispielsweise die CO2-Emmissionen aller Ausbaumaßnahmen im Hinterland der Seehäfen in ihrer Gesamtheit betrachtet, so müsste festgestellt werden, dass die Emissionsbilanz weit ungünstiger als bei den Einzelprojektbewertungen ausfallen und den Klimaschutzzielen der Bundesregierung entgegenstehen würde.

In diesem Zusammenhang weist auch Planco"

das sind die, die die Nutzen-Kosten-Analyse gemacht haben –

"in seinen Machbarkeitsstudien für die beiden Vertiefungsprojekte Unter- und Außenelbe sowie Außenweser […] auf einen zentralen Schwachpunkt der Nutzen-Kosten-Untersuchungen [hin], nämlich dass es sich um Maßnahmenbewertungen im Hinblick auf die einzelnen Häfen handelt und nicht um die Bewertung der Investitionsmaßnahmen im Kontext eines Gesamthafenkonzepts."

Ich zitiere weiter:

"Insbesondere im Hinblick auf die Bewertung hochkomplexer Wasserstraßen-Vertiefungsprojekte mit weitreichenden Folgen weist das BVWPBewertungsverfahren erhebliche Defizite auf."

Das ist nicht etwas, was die GRÜNEN sagen, sondern das ist eine Studie der Bundesregierung. In Kenntnis dessen hat Herr Drieschner diesen Artikel geschrieben. Wenn Sie den dann als einzigen Berater für dieses Projekt heranziehen können neben all denen, die vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert sind, und ihn in einer Ausführlichkeit bemühen, die kaum zu überbieten ist, dann kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen. Da bewegen Sie sich auf ganz schön dünnem Eis in dieser Frage. So werden Sie unter jeder Hürde hindurchlaufen, das muss man dann wirklich glauben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Der Bürgermeister hat versucht, den Eindruck zu erwecken, es gehe nur noch darum, auf den Europäischen Gerichtshof zu warten, ansonsten würde der Elbvertiefung nichts mehr im Wege stehen; das ist falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist nämlich so, dass der Hinweisbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts – es gibt ihn nur deswegen nicht, weil das Verfahren ausgesetzt ist – gelautet hätte, dass dieser Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollziehbar. Und das, lieber Herr Dressel, ist genau dasselbe Wor

(Jan Balcke)

ding wie bei der Weservertiefung. Da ist kein besonders großer Unterschied.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Gucken wir uns gleich mal zu- sammen an!)

Sie klammern sich an diesen Satz des Bundesverwaltungsgerichts, die Mängel des Planfeststellungsbeschlusses seien behebbar und führten deswegen auch in ihrer Summe nicht zur Aufhebung. Sie wissen aber als Jurist, dass ein Planfeststellungsbeschluss nur dann aufgehoben wird, wenn er auch theoretisch nicht mehr heilbar ist. Die Hürden, das zu heilen, sind extrem hoch. Und wenn Sie nur auf die Beratung von Herrn Drieschner vertrauen, dann werden Sie massiv unter ihnen hindurchlaufen. – Vielen Dank.