Protokoll der Sitzung vom 05.11.2014

Bei uns war es light, weil wir Dinge ordentlich ausprobieren, ordentlich evaluieren und erst dann umsetzen, Herr Dressel, und das hätten Sie auch besser getan.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Aber dass Ihnen die Eltern, die für ihre Kinder eine Betreuung am Nachmittag suchen, die Bude einrennen – sie hatten in Ihrem System auch gar keine andere Chance, weil Sie die Horte parallel abgeschafft haben –, hätten Sie bei besserer Planung und einem vorsichtigeren und vernünftigeren Aufsetzen von GBS verhindern können. Wir haben Sie häufig genug davor gewarnt.

Ihr eigener Bericht sagt, die 15 Minuten Schnittstellenzeit am Tag – gerade einmal eine Stunde pro Woche – brächten eine erhebliche Verbesserung für die Verzahnung von Vor- und Nachmittag. Wenn Sie nicht bereit und in der Lage sind zu erkennen, wie es wirklich ist, und entsprechende Maßnahmen umsetzen, dann fehlt mir dafür jegliches Verständnis.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Und wenn Sie die offensichtlichen Mängel im Zusammenhang mit der Einnahme des Mittagessens einfach nicht wahrnehmen und nicht sehen wollen, dass es für fünf, sechs oder sieben Jahre alte Kinder wichtig ist, in Begleitung ihres Lehrers oder ihrer ständigen Bezugsperson und gemeinsam im Klassenverband das Essen einzunehmen, wenn Sie hier also nichts ändern, Herr Senator, dann vermag ich auch das nicht zu verstehen.

Meine Damen und Herren! Die Forderung nach Ganztagskoordinatoren für alle GBS-Schulen ist so einleuchtend und so naheliegend, dass wir auch da Ihre Verweigerung nicht verstehen. Das grundsätzliche Problem ist aber, dass Sie durch den Krippenausbau einerseits und den GBS-Ausbau andererseits im Hinblick auf das Erziehungspersonal am Nachmittag natürlich massiv an Ihre Grenzen kommen. Da haben Sie wieder einmal etwas geplant, ohne zu überlegen, ob Sie auch tatsächlich das richtige und vor allem im richtigen Maße qualifizierte Personal gewinnen können. Das können Sie nicht, und deshalb leidet die Qualität der GBS am Nachmittag massiv unter diesem Personalmangel beziehungsweise der Qualität des Personals. Sie haben im Übrigen bisher noch nicht einmal im Ansatz den Versuch unternommen, die Parallelwelten Schule am Vormittag und Erzieher am Nachmittag weiter miteinander zu verzahnen und einen Abbau der Hemmnisse voranzubringen. Da müssen Sie ran, davor können Sie sich auf Dauer nicht drücken.

Was ich aber nun gar nicht mehr verstehen kann, ist, dass Sie die Einwendungen und die wirklich konstruktive Kritik des LEA irgendwie so überhaupt

nicht wahrnehmen wollen und nicht ernst nehmen. Der LEA hat eine Elternumfrage durchgeführt, die zu ganz anderen Ergebnissen kommt als Ihre Begehungen. Da sind es mehr als 50 Prozent der Eltern, die die Rahmenbedingungen in der GBS negativ bewerten. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hat Ihnen gute Vorschläge unterbreitet, wie man GBS besser machen könnte. Aber es scheint so zu sein wie in fast allen schulpolitischen Bereichen: Sie sehen keinerlei Notwendigkeit, irgendetwas zu ändern, weil alles ganz toll ist. Ich kann Ihnen nur sagen, dass unsere Wahrnehmung da eine ganz andere ist, und die Wahrnehmung der Eltern, der Lehrer und der Erzieher in dieser Stadt auch. Tun Sie etwas, Herr Senator, arbeiten Sie endlich an der Umsetzung von besserer Qualität – Sie haben selber gesagt, dass das Ihr großes Ziel ist –, sonst ist Ihre GBS kein Erfolgsmodell für diese Stadt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Sachstandsbericht ist bemerkenswert, ich möchte es einmal so euphemistisch formulieren. Er ist ein einziger Lobgesang auf die Großartigkeit des Systems und auf die Großartigkeit des Senats. Er atmet Selbstzufriedenheit. Ich habe den Eindruck von einem Senat, der betrunken ist von sich selbst und den guten Dingen, die er aus seinem Füllhorn über die Stadt ausgießt. Und das Beste ist, dass der Senat auch noch selber glaubt, was er da schreibt.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das glaube ich noch nicht mal!)

Dabei hat der Sachstandsbericht schon im Design große Defizite. Was er nämlich komplett ausblendet, ist der ganze Bereich der Inklusion, obwohl unsere Anfragen gezeigt haben, dass es an den GBS-Schulen keine Konzepte für die Inklusion gibt, jedenfalls bei Weitem nicht an allen Schulen, und die Teilnahmequoten wirklich minimal sind. Für einen Senat, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, Inklusion nach vorne zu bringen, ist das ein Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was der Sachstandsbericht auch völlig ausblendet, ist die Lage der Erzieherinnen und Erzieher. Es gibt ein hohes Maß an Fluktuation. Ihr SPD-Kollege aus Schleswig-Holstein, Herr Stegner, hat noch einmal deutlich gemacht, dass die Arbeitssituation aufgrund der paar Stunden, die die Erzieherinnen und Erzieher da arbeiten müssen, prekär ist. Das ist ganz klassisch eine Armutsfalle für Frauen. Das haben Sie in Ihrem Sachstandsbericht total ausge

blendet. Auch das ist für diesen Senat wirklich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Fehler im Design ist auch, dass diese Begehungen tatsächlich nur eine Momentaufnahme sind. Ich habe sofort an die Feuerzangenbowle gedacht, wo jemand kommt und sich den Unterricht anschaut, oder an diese Geschichte, wo der Inspektor kommt. Das sind Momentaufnahmen, und die sind jetzt die Basis für diesen Senatsbericht. Das ist ein Riesenfehler im Design dieses Berichts.

Ein weiterer großer Fehler ist, dass die Eltern nur eine minimale Rolle spielen. In diesen Besuchergruppen von acht bis zwölf Personen war immer nur genau ein Elternteil. Es wurde zwar mit den Eltern gesprochen, aber es gab keine qualitativ hochwertige Befragung, wie der LEA sie fordert, sondern eine technokratische Rogator-Abfrage. Das ist keine qualitativ hochwertige Elternbeteiligung, und dann muss man sich auch nicht wundern, wenn so eine Lobhudelei dabei herauskommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was in diesem Bericht komplett ausgeblendet und auch bei den Begehungen nicht berücksichtigt wurde: Die Gymnasien in dieser Stadt bieten auch GBS an. Sie wurden aber gar nicht erst besucht, obwohl die Situation da katastrophal ist. Das ist wirklich ein Affront gegenüber dieser Schulform.

Trotzdem hat dieser Sachstandsbericht einige Defizite aufgezeigt – meine beiden Vorrednerinnen haben es schon kurz angesprochen –, und ich finde, das muss der Senat einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Ein Drittel der Schulen haben nämlich überhaupt gar keine Ruheräume. Das heißt, die Kinder, die da acht Stunden und mehr sind, haben überhaupt keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Die ganze Situation um die Essenseinnahme und die Qualität des Essens ist teilweise katastrophal. Pappiges Essen, in Hektik und in lauten Räumen eingenommen, und dann auch noch unbegleitet beziehungsweise nur von irgendwelchen Hilfskräften begleitet. Vergleichen Sie das bitte einmal mit den gebundenen Ganztagsschulen. Bei 30 Prozent der Schulen gibt es keine Kooperation zwischen Trägern und Schule. Das hat doch mit Ganztag nun wirklich gar nichts mehr zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kooperationszeiten reichen nicht. Dafür, so ist zu lesen, gäbe es ein Mitteilungsbuch. Ein Mitteilungsbuch kann ich vielleicht in der Pflege einsetzen, um zu notieren, wer wann wie viel getrunken hat und wie er oder sie gelagert wurde, aber für Pädagogik im Ganztag und in Bezug auf Kinder reicht das überhaupt nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(Karin Prien)

Da begegnen sich der Vormittag und der Nachmittag wie Schiffe in der Nacht, nämlich gar nicht.

(Lars Holster SPD: Stimmt doch einfach nicht!)

Die sehen sich nicht, die hören sich nicht, da weiß der Vormittag nicht, was der Nachmittag tut, und andersherum.

(Zuruf aus dem Plenum)

Die Schiffe haben wenigstens noch Beleuchtung, rot, grün und weiß. Erzieherinnen und Lehrkräfte sind noch nicht einmal beleuchtet.

(Gabi Dobusch SPD: Das mit den Bildern ist so eine Sache!)

Einziges Fazit: Wir brauchen eine Beförderung des rhythmisierten Ganztags in Hamburg. Das kann ich bei diesem Senat überhaupt nicht erkennen. Er behauptet, die GBS sei eine Ganztagsschule. Aber auch hier zitiere ich wieder Ihren Kollegen Herrn Stegner, der gerade am Montag gesagt hat, Ganztagsschule sei die gebundene Ganztagsschule, sei die rhythmisierte Ganztagsschule. GBS ist allenfalls ein Übergang, denn das ist nachmittags einfach nur Betreuung. Wenn Sie auf Seite 24 in Ihrem Bericht sagen, es sei alles gut, dann ist das wirklich ein Witz. Wir haben deutlich gemacht, dass es riesige Defizite gibt. Da muss man als Senat einmal das halb leere Glas sehen und nicht das halb volle. Ich sage Ihnen: Der Kaiser ist nackt, und der Senat ist gut beraten, das auch zur Kenntnis zu nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau von Treuenfels von der FDP-Fraktion.

Des Kaisers neue Kleider – wir könnten dazu noch einiges sagen. Ich möchte mich mehr auf GBS beschränken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Senator Rabe, Ihre sogenannten Zwischenbilanzen sind – wir lesen es überall, alle sagen es und auch wir können es nicht anders nennen – nichts weiter als blechernes Wahlkampfgetöse.

(Beifall bei der FDP)

Ihr durchweg geschöntes Fazit in Sachen Ganztagsbetreuung kann die FDP-Fraktion in keiner Weise teilen, im Gegenteil, Ihre Zwischenbilanz ist ernüchternd. Der Bericht GBS-Standortbesuche macht nämlich vor allem eines sehr deutlich: Es rächt sich, dass die Ausweitung der Ganztagsangebote überstürzt und ohne vernünftige Planung in den Schulen eingeführt wurde. Lassen Sie mich dafür ein paar Beispiele nennen; einige sind schon genannt worden, einige nicht.

Erstes Beispiel: die baulichen Rahmenbedingungen. An 50 Standorten gibt es immer noch Provisorien beim Mittagessen. 62 Schulen, also die Hälfte aller Standorte, beklagen die unbefriedigende Raumsituation. Das ist keine Überraschung. Alle, auch meine Fraktion, haben genau davor gewarnt. Selbstverständlich reichen die Klassenräume für den Nachmittagsbetrieb nicht aus. Einzig sinnvoll wäre gewesen – da wollten Sie leider wieder einmal nicht auf uns hören –, die Ganztagsangebote an den Schulen nach und nach, dafür aber qualitativ gut einzuführen und in der Zwischenzeit die Horte bestehen zu lassen.

(Zuruf aus dem Plenum)

Das ist immer Klasse statt Masse. Wir stehen da nicht so drauf.

Zweites Beispiel: Kooperation zwischen Schule und Träger. Bei einem Drittel der Standorte wird die unzureichende Kooperation und Verzahnung zwischen Vor- und Nachmittag kritisiert. Die Schulbehörde verweist in ihrem Bericht stolz auf die Kooperationspauschale mit der – ich zitiere –:

"[…] pro Tag eine Viertelstunde bezahlte Zeit entstehen [kann], in der sich die Mitarbeiter von Schule und Kooperationspartner austauschen können."

Wow. Das ist kein Grund für Selbstlob, das ist vielmehr ein schlechter Witz.

(Beifall bei der FDP)

Und es ist Beleg dafür, dass die Rahmenbedingungen für die Kooperation von vornherein schlecht geplant wurden. Kein Wunder, wenn die Kooperation an so vielen Standorten dann nicht funktioniert.

Drittes Beispiel: Hausaufgaben. Der Bericht zeigt nicht nur Schwachstellen, er zeigt auch Absurditäten. So müssen die Schüler von 37 Standorten, also rund einem Drittel der GBS-Schulen, ihre Hausaufgaben zu Hause machen. Das war es dann in Sachen Ganztagsbetreuung; das machen wieder die Eltern. Ganztag hat damit nichts zu tun – ein schlechtes Fazit.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Ein weiterer Punkt ist mir als Bildungspolitikerin besonders wichtig, da Bildung nicht nur Schule, sondern vieles mehr umfasst. Es gibt in dieser Stadt, wie Sie wissen, viele tolle Angebote in den Stadtteilen. Ich nenne nur einige: Angebote der offenen Kinder- und Jugendhilfe, Jugendgruppen von den Pfadfindern bis hin zur katholischen Jugend, Sportvereine, Musikschulen und vieles mehr. Sie alle haben eines gemeinsam, sie klagen darüber, dass immer weniger Kinder Zeit haben, diese wertvollen Angebote in Anspruch zu nehmen. Der vorliegende Bericht bestätigt das nun schwarz auf weiß. Sozialräumliche Angebote werden im Rahmen von