Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sieht es in Hamburg eigentlich mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aus?
Wir finden im Gegensatz zu denen, die gerade "sehr gut" sagen, dass es immer noch mau ist. Darüber können auch die großen Beteiligungsverfahren zur Wilhelmsburger Reichsstraße oder zur Neuen Mitte Altona nicht hinwegtäuschen. Gerade vor Ort bei den Stadtteilbeiräten gibt es zwar immer viele warme Worte der SPD, ähnlich wie der Zuruf eben, es sei alles gut, aber wenn es ums Geld geht, dann bekommen die Sozis plötzlich einen verkniffenen Mund und halten krampfhaft den Geldsäckel zu.
DIE LINKE will die Beiräte und die Beteiligung stärken, und sie will vor allen Dingen die Beiräte unabhängig vom guten Willen der SPD machen, wenn es um die jährliche Verteilung der Gelder geht. Warum die Beteiligung so wichtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat gerade die Bertelsmann Stiftung belegt, die nun völlig unverdächtig ist, auch nur ansatzweise linke Politik zu machen. In ihrer aktuellen mehr als 500 Seiten umfassenden Studie, die da heißt "Partizipation im Wandel. Unsere Demokratie zwischen Wahlen, Mitmachen und Entscheiden", zu der sie repräsentativ mehr als 2700 Bürgerinnen und Bürger befragt hat, stellt die Bertelsmann Stiftung fest – ich zitiere –:
In Hamburg-Altona haben gerade im Oktober die Bürgerinnen und Bürger diese Studie bestätigt. Für einen verbindlichen Bürgerwillen oder zumindest für die Stärkung der Rechte und die Durchsetzung des Bürgerwillens haben jeweils zwischen 65 und 71 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gestimmt. Wenn das kein Signal ist, dann frage ich mich, was die SPD noch hören muss.
In der Hamburgischen Bürgerschaft wird über das Thema Beteiligung seit gut zwei Jahren debattiert, ich denke, auch angeregt durch die Große Anfrage der Links-Fraktion zum Thema Bürgerbeteiligung vom September 2012. Seitdem überschlagen sich alle fast förmlich, das Wort Beteiligung in den Mund zu nehmen oder für sich zu reklamieren.
Auch der Senat und die Bezirke kommen doch längst nicht mehr umhin, mit allerlei Beteiligungsverfahren aufzuschließen; leider muss ich sagen, teilweise mit vermeintlichen Beteiligungsverfahren, die von vielen als unaufrichtig, folgenlos oder sogar als Beteiligungsfalle empfunden werden. Hier komme ich auf meine Eingangsbeispiele zurück. Das Beteiligungsverfahren zur Wilhelmsburger Reichsstraße ist de facto gescheitert.
Hier in der Bürgerschaft haben Sie mit Ihrer Mehrheit das einkassiert, was die Bürgerinnen und Bürger vor Ort ausgehandelt haben. Das ist schlecht.
Auch beim Beteiligungsverfahren zur Neuen Mitte Altona – einige haben schon gesagt, sie würden fast zu Tode beteiligt – haben Sie das Koordinierungsgremium, das die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger all die Jahre über zusammengetragen hat, komplett ignoriert. Auch das ist schlecht.
Wir als LINKE wollen mit dem Antrag, den Sie heute vor sich liegen haben, die jahrzehntelang erprobten Mitwirkungsgremien in Hamburg stärken, nämlich die Quartiers- und Stadtteilbeiräte. Stadtteilbeiräte gibt es in Hamburg zurzeit in rund 50 Quartieren. Hier kommen regelmäßig – und darauf werden wir als Parteien, glaube ich, alle sehr neidisch – meist im Monatsrhythmus mehr als tausend Menschen zusammen. Wann bekommen wir das mit unseren ganzen Gliederungen hin, dass wir in einem Monat mehr als tausend Menschen haben? Das schafft selbst die SPD nicht.
Haben Sie bald auch nicht mehr. Entschuldigen Sie, Herr Trepoll, ich dachte, das war die FDP. Sie saßen so dicht bei der Partei, die immer weniger Mitglieder hat, weil alle austreten. Sorry, die CDU hat noch mehr.
Wir bleiben einmal bei der Beteiligung der Stadtteilbeiräte. Es sind weit mehr als tausend Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, ihre Freizeit opfern, in ihrem Viertel etwas verändern wollen und die sich sicherlich nicht gern ehrenamtlich engagieren, damit sie auch noch die Protokolle schreiben, die Einladungen verschicken, die Adressen pflegen müssen und so weiter. Deswegen sagen wir, dafür braucht es eine professionelle Moderation und es braucht auch die Unterstützung durch Beteiligungs- und Planungsbüros.
Die Stadtteilund Quartiersbeiräte haben ein großes Problem. Heute fiel schon einmal der Begriff Damoklesschwert. Auch über ihnen schwebt dieses Schwert, nämlich in Form des Rahmenprogramms Integrierte Stadtentwicklung, kurz RISE genannt. Läuft nämlich die RISE-Förderung für eines dieser Gebiete aus, dann gibt es noch eine kurzfristige sogenannte Nachsorgephase, und dann gibt es gar kein Geld mehr für die Beiräte. Das ist doch überhaupt keine Grundlage für eine kontinuierliche Beteiligung. Deswegen muss sich die SPD hier endlich einmal bewegen und etwas für die Bürgerinnen und Bürger machen. – Ich wollte gerade den Senat anschauen. Hallo, Herr Krupp, der Rest ist nicht da.
dann bekomme ich das Gefühl, dass die Stadtteilbeiräte für die SPD überhaupt keine Rolle spielen. Ein einziges Mal werden Stadtteilbeiräte erwähnt und dann auch noch in Klammern. Das ist eine Wertschätzung, die wirklich ihresgleichen sucht.
Nun gibt es ein neues Schlagwort, das heißt Metropolendemokratie. Wenn wir das ernst nehmen, wenn wir die wachsende Bedeutung der Quartiere, die sehr wichtig sind, weil die Welt immer anonymer wird und man sich immer mehr im Internet bewegt, sehen und auch sehen, dass es mehr und mehr Menschen gibt, die sich engagieren und etwas bewegen wollen, dann müssen wir die Demokratie in all ihrer Vielfältigkeit ausbauen. Die repräsentative Demokratie – darauf steuern wir zu, wir
haben bald wieder Wahlen – hat eine ganz schöne Krise, wenn man sich die Wahlbeteiligung ansieht. Die plebiszitäre Demokratie mit Bürger- und Volksentscheiden hat in Hamburg schon sehr viel bewegt, doch bei der partizipativen Demokratie hängt die Freie und Hansestadt Hamburg wirklich meilenweit hinterher. Es gibt bis heute keine echte Beteiligung der Menschen auf Augenhöhe, es gibt keinen Bürger- und Bürgerinnenhaushalt, es gibt keine entscheidungsrelevanten Bürgerund Bürgerinnengremien. Die Mehrheitspolitik und die Verwaltung müssen doch endlich einmal anerkennen, dass sie heute und erst recht morgen und übermorgen auf ein völlig neues Selbstverständnis stoßen. Die Bürgerinnen und Bürger lassen sich nicht mehr mit einem "Wir machen das schon" abspeisen. Es reicht nicht zu sagen, was Herr Kienscherf wahrscheinlich gleich wieder sagt, wir seien doch gewählt und hätten die gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Regionalausschuss in der Bezirksversammlung. Das reicht nicht, und überhaupt gar nicht reicht es zu sagen, wir fällen hier Entscheidungen für ein Quartier – ich sage einmal kurz Zeise-Parkplatz und schaue Frau Dobusch an – unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Kommission für Bodenordnung.
Es reicht auch nicht, wenn die SPD nun sagt: Leute, guckt doch, wir haben die Stadtwerkstatt, das ist doch ein klasse Format. In der Stadtwerkstatt werden von oben herab Informationen zu einem bestimmten Thema gegeben. Morgen geht es um die Entwicklung stromaufwärts. Informationen sind okay, nur ist das die allerunterste Ebene von Partizipation und echter Beteiligung.
Deswegen wäre es einfach schön, wenn wir in der Bürgerschaft alle gemeinsam die Bewegungen und die Resolutionen und Konferenzen ernst nehmen würden. Ich erinnere einmal daran: Vor rund fünf Jahren ist in Hamburg das Netzwerk Recht auf Stadt entstanden. Das ist nicht entstanden, weil hier alles toll ist und die Menschen sich super beteiligt fühlen. Vor gut fünf Jahren hat sich das Netzwerk Hamburger Stadtteilbeiräte gebildet. Es gab mittlerweile zwei Resolutionen zur Verstetigung und Ausweitung der Stadtteilbeiräte des Beiräte-Netzwerks im Jahr 2012 und 2013. Im Jahr 2013 waren wir mit Abgeordneten aus jeder Fraktion in Steilshoop unter dem Titel "Demokratie im Stadtteil – nur mit uns!". Auch damals gab es viele warme Worte, aber nachher hat es an den Taten gemangelt. Im Mai waren wir in Wilhelmsburg beim
Beteiligungsforum. Auch da haben alle verstanden, dass die Kritik heftig ist und sich mehr bewegen muss. Vor all diesem Hintergrund kann man nur eindeutig sagen, es kann nicht sein, dass die Stadtteilbeiräte gehen müssen, wenn RISE ausgelaufen ist, obwohl in den Stadtteilen noch viel zu tun ist. Das beste Beispiel ist St. Georg, wo am nächsten Montag der Stadtteilbeirat das letzte Mal tagen soll. Wir brauchen eine finanzielle Absicherung, und wir brauchen eine institutionelle Absicherung. Was finanziell heißt, das können Sie in unserem Antrag sehen. Wir wollen nicht, dass die Stadtteilbeiräte vom Quartiersfonds abhängig sind, wo sie immer betteln müssen und nur hoffen können, dass sie jedes Jahr berücksichtigt werden. Wir wollen einen Standardetat, einen richtigen, eigenständigen Haushaltsetat für die Beiräte. Und wir wollen, das ist sehr wichtig, weil man nicht weiß, wie sich die Mehrheiten vielleicht verändern, dass im Bezirksverwaltungsgesetz vom Senat geprüft wird, wie wir sicherstellen können, dass diese Beteiligungsstrukturen auch bleiben. Da Sie immer so gern versuchen zu glänzen, machen wir Ihnen ein sehr, sehr gutes Angebot.
In zehn Jahren kann Hamburg an der Spitze aller europäischen Städte stehen. Sie kann die Stadt sein, in der es Beteiligung in allen ihren Stadtteilen gibt, und in der diese Beteiligung hervorragend abgesichert ist. Diese Chance sollten Sie nutzen und unserem Antrag zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Sudmann, das war wieder einmal eine populistische Wahlkampfrede, die Sie gerade gehalten haben. Wir brauchen überhaupt nicht zehn Jahre zu warten, sondern wir können heute schon feststellen, dass diese Stadt bei der Bürgerbeteiligung spitze ist.
Dann haben Sie das eine oder andere entweder nicht richtig begriffen oder durcheinandergebracht, aber vielleicht fangen wir einfach von vorn an. Die Bürgerbeteiligung in der Freien und Hansestadt Hamburg ist wichtig. Sie ist so weit ausgebaut wie noch nie. Sie haben das als nebensächlich abgetan und gesagt, man hätte das nicht ernst genom
men. Was wir in den vergangenen Jahren getan haben – ich nenne das Thema Neue Mitte Altona, Herr Roock kennt das auch, oder Wilhelmsburg, wo die GRÜNEN nicht ganz so erfolgreich waren, wo man aber sehr, sehr viel Geld investiert hat –, zeigt, dass diese Stadt aktiv dabei ist, Bürgerinnen und Bürger einzubinden. Von daher weiß ich gar nicht, in welcher Stadt Sie eigentlich wohnen, Frau Sudmann.