Protokoll der Sitzung vom 05.06.2019

Die Entscheidung, wie wir heute abstimmen werden, ist uns nicht leichtgefallen. Dieser Gesetzestext fällt weit hinter unsere eigenen Forderungen und hinter die geäußerten Ansprüche zurück. Er fällt, wie wir finden, aber auch hinter die Möglichkeiten Hamburgs deutlich zurück und ist der Klimasituation nicht angemessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Fangen wir an mit Tiefstack, Ausstieg bis 2030. Die Volksinitiative, die Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN, DIE LINKE und auch viele andere Akteure in der Stadt haben einen deutlich schnelleren Ausstieg bis 2025 gefordert.

(Dirk Kienscherf SPD: Das geht nicht!)

Das ist nicht genug. Egal, welche Begründung Sie jetzt aus der Tasche ziehen, wir halten Sie dort für nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru- se FDP)

Was auch immer Sie geritten hat, Wedel in die Lyrik dieses Antrags mit aufzunehmen: Die erneute Verschiebung der Abschaltung von Wedel ist für die Menschen, für Hamburg und für das Klima völlig unmöglich.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru- se FDP)

Ich zitiere Senator Kerstan, der 2018 sagte:

"Denn bis 2024/2025 Wedel laufen zu lassen, halten wir aus Umweltgesichtspunkten und auch aus Kostengesichtspunkten nicht für sinnvoll."

In diese Falle hat der Umweltsenator die Energiepolitik Hamburgs geführt. Auch das ist ein Misserfolg der hamburgischen Energiepolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Wedel vielleicht später noch mehr. Aber was die Verzögerungen angeht, kann ich auf jeden Fall Folgendes feststellen und insofern auch auf den Kollegen Tjarks eingehen: Ihre Frühstücksrunden mit Vattenfall, die Verzögerungen, die sich daraus ergeben haben, jetzt anderen Akteuren in dieser Stadt in die Schuhe zu schieben, das geht überhaupt nicht. Ihre Politik gegenüber Vattenfall, Ihr Rumschmusen hat eine vierjährige Verzögerung in der Planung ergeben, und ich denke, dass diese dem Kohleausstieg nicht angelastet werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

(Stephan Gamm)

Wir hätten mehr Mut von beiden Regierungsfraktionen erwartet, vor allen Dingen auch in der Frage des Wegegesetzes.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist verfas- sungswidrig!)

Hierbei geht es um eine Sache der Zukunft und hier kneifen Sie, wie Sie schon immer in solchen Fragen gekniffen haben. Stattdessen warten Sie lieber auf irgendwelche Initiativen der Bundesregierung. Statt Leuchtturm des Kohleausstiegs zu sein, warten Sie auf Godot.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Sind wir doch!)

Ich frage mich: Auf wen wollen Sie angesichts dieser Klimapolitik später mit dem Finger zeigen, wenn das Peter-Tschentscher-Sperrwerk und der Jens-Kerstan-Deich eröffnet werden? Sie müssen auf sich selbst zeigen, weil Sie zögern und zaudern und zu langsam sind und nicht sämtliche Ressourcen der Stadt für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen eine Trümmerlandschaft aus Halden von Ansprüchen, die Sie aufgehäuft haben und denen Sie jetzt nicht gerecht werden.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir sind doch nicht aus Berlin!)

Es ist das bittere Ergebnis dessen, lange, lange Zeit gut Freund von Vattenfall gewesen zu sein. Das ist wie in einem klimapolitischen SM-Studio, sorry.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ich weiß ja nicht, wo Sie verkehren!)

Aber darauf kann man nicht wirklich bauen. Seien Sie jetzt ehrlich und ziehen Sie Bilanz, wo Sie wirklich stehen. Sie stehen weit am Anfang und haben bei Weitem noch nicht genug geleistet.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau das wollen wir mit unserem Zusatzantrag sicherstellen: Kohleausstieg bis 2025, keine Einbindung von niemandem an Kohlewärme, keine Ihrer Ausnahmeregelungen im Wegegesetz und eine effektive Begleitung dieses Prozesses. In diesem Sinne werden wir die Volksinitiative weiterhin in den Gesprächen, in dem Prozess konstruktiv unterstützen, anders als Sie es anscheinend mit Ihrem Schnellschuss machen wollen, konstruktiv, damit der Kohleausstieg so früh wie möglich in Hamburg, vielleicht sogar 2025 gelingt. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Jersch. – Als nächster Redner erhält das Wort Michael Kruse für die FDP-Fraktion.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Einigung mit der Volksinitiative anschaut, dann ist es ein bemerkenswerter Weg, der gegangen wurde, angefangen von einem kompletten Kohleausstieg für das Jahr 2025 für Hamburg hin zu einem Ausstieg für Kohle in der Fernwärme. Dieser Weg hat Gründe. Ich glaube, der Grund ist, dass alle, vor allem auch die Regierungsfraktionen, hinter den Kulissen darauf hingewiesen haben, dass das so nicht machbar sein wird.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Steht doch alles in der Drucksache drin!)

Ja, genau, das steht sogar in der Senatsdrucksache. Herzlichen Dank, Herr Tjarks, für diesen Hinweis.

Wenn man das jetzt aber als Basis des Ganzen zugrunde legt, dann ist die Erkenntnis – gegen die Sie sich zwar wehren, aber die nun einmal ein Faktum ist –, dass wir bis ins Jahr 2030 in Hamburg noch ein Kohlekraftwerk stehen haben, das Kraftwerk in Moorburg. Von diesem Ausgangspunkt kommend, macht es durchaus Sinn, zu sagen: Solange dieses Kraftwerk noch Strom produziert, ist es sinnvoll, die Wärme, die aus diesem Kraftwerk ausgekoppelt wird, zu nutzen. Was Sie machen und wofür Sie sorgen, ist, dass diese Wärme weiterhin in die Luft und in die Elbe gepumpt wird. Das kann man nicht wollen. Das ist die größte Ressourcenverschwendung, die wir in dieser Stadt erleben. Deswegen ist das kein guter Kompromiss.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Farid Müller GRÜNE: Das ist Ihre These!)

Sie werden nicht ernsthaft bestreiten wollen, dass durchschnittlich 80 Prozent der Stromversorgung in Hamburg jeden Monat des letzten Jahres aus dem Kraftwerk Moorburg kamen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Sie müssen zu- sätzlich Wärme auskoppeln!)

Das bedeutet, dass Sie die Wärme, die bei diesem Prozess entsteht, nutzen können.

Deswegen kommen wir von einem ganz anderen Punkt. Sie werden dafür sorgen, dass in diesem Land Riesenentschädigungssummen an die Betreiber von Kohlekraftwerken gezahlt werden müssen, weil die Kraftwerke früher abgeschaltet werden sollen. Wir sagen: Lasst uns einen smarten Angang probieren, lasst uns doch einmal sagen: Wenn wir die Kohlekraftwerke möglichst schnell abschalten wollen, es jetzt aber noch nicht schaffen, dann nutzen wir so lange die Wärme, wie die Kraftwerke ohnehin laufen, und sorgen gleichzeitig dafür, dass ein Anschluss des Kraftwerks Moorburg nicht dazu führt, dass der Betreiber sagt, jetzt rentiere sich das noch mehr, jetzt wolle man das noch länger laufen lassen, sondern lassen Sie uns dafür sor

(Stephan Jersch)

gen, dass mit der Auskopplung der Fernwärme aus diesem Kraftwerk im gleichen Atemzug die Entschädigungszahlungen an dieses Unternehmen reduziert werden, sodass es für das Unternehmen egal ist, ob es angeschlossen ist oder nicht. Für die Hamburgerinnen und Hamburger und für die Klimabilanz dieser Stadt macht es allerdings einen sehr großen Unterschied, ob dieses Kraftwerk angeschlossen ist. Das wäre eine kluge Lösung. Deswegen schlagen wir Ihnen genau das in unserem Zusatzantrag heute vor und fordern Sie auf, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte Ihnen auch sagen, warum das umweltpolitisch geboten ist. Darauf hat sogar der Kollege Jersch schon hingewiesen, und bis zu seinem komischen SM-Vergleich war ich inhaltlich sogar bei ihm. Immer wenn die LINKEN und die FDP – das können Sie sich generell merken – bei einem Thema die gleiche Position vertreten, dann muss etwas dran sein, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Oder gerade nicht!)

Es geht gar nicht anders. Das hält jeder Debatte, die wir in den letzten vier Jahren in diesem Haus erlebt haben, stand; das kann ich Ihnen vergewissern.

Aber Spaß beiseite. Umweltpolitisch ist es natürlich geboten, das Kraftwerk Wedel möglichst schnell vom Netz zu nehmen. Dafür sorgen Sie nicht. Sie sorgen dafür, dass dieses Kraftwerk erneut verlängert wird. Natürlich ist es umweltpolitisch geboten, Tiefstack spätestens im Jahr 2025 umzurüsten, und nicht, wie Sie jetzt wollen, erst bis zum Jahr 2030. Herr Tjarks, da hilft Ihnen die Aussicht auf möglicherweise andere Ressourcen, die dafür leicht eingebunden werden sollen, überhaupt nicht. Es ist geboten, Wedel abzuknipsen, Moorburg anzuschalten und Tiefstack möglichst schnell umzurüsten. Das wäre umweltpolitisch geboten, weil es mit Abstand die beste CO2-Bilanz aufweist.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dr. Anjes Tjarks GRÜNE. Das ist schlicht falsch, was Sie da sagen!)

Es erspart Ihnen im Übrigen auch jetzt … Nebenbei: Das Geschimpfe auf Unternehmen aus den Reihen der SPD zeigt dann vielleicht auch, warum es um Ihre Partei im Moment nicht mehr so gut bestellt ist.

(Zurufe von der SPD)

Sorry, ich kann mir diesen Seitenhieb wirklich nicht ersparen. Wie Sie über private Unternehmen reden, ist wirklich nicht mehr zu toppen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)