Protokoll der Sitzung vom 14.08.2019

(Dr. Monika Schaal SPD: Wovon reden Sie eigentlich?)

weil sie vielerorts mit großer Verdichtung und Vergrößerung um ihre pädagogischen Konzepte fürchten müssen. Hier brauchen Sie eine überzeugende Antwort, hier müssten Sie als rot-grüne Koalition und Senat vor Ort Rede und Antwort stehen und mit den Menschen vor Ort eine gute Schulentwicklung machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie geben mit Ihrer Vereinbarung – das will ich deutlich sagen – keine einzige Antwort auf die soziale Ungerechtigkeit des Zwei-Säulen-Modells. Sie geben keine Antwort auf die ungleiche Verteilung von Inklusion und Integration an den Schulen. Sie geben keine Antwort auf die permanente Überlastung der Lehrkräfte. Und nach PISA 2000 geben Sie keine Antwort darauf, dass uns bis heute jede Bildungsstudie immer noch attestiert, dass der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abhängt. Schämen Sie sich für Ihre Analyse.

(Beifall bei der LINKEN)

Da ich Sie aber nicht beeindrucken, schon gar nicht überzeugen werde,

(Dirk Kienscherf SPD: Mit so einer Rede be- stimmt nicht!)

zitiere ich aus dem Positionspapier der Stadtteilschulleitungen. Sie haben geschrieben:

"Mit dem Schulfrieden wurde in Hamburg ein politisches Stillhalteabkommen geschlossen. Dabei wurden die Kinder und Jugendlichen unserer Stadt aus dem Blick verloren."

(Dr. Monika Schaal SPD: Aus welchem Jahrhundert stammt das?)

Darauf haben Sie bis heute im Kollektiv keine überzeugende Antwort gegeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hängen jetzt den Schulen einen sehr teuer erkauften Maulkorb um. Ich hoffe, dass die Schulen sich das nicht gefallen lassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion bekommt Frau von Treuenfels-Frowein das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem wir DIE LINKE at its best gehört haben, wieder zurück zur Sache.

(Beifall bei der FDP – Heike Sudmann DIE LINKE: Zurück zu dem Schlechten, genau!)

Konstruktive Oppositionsarbeit wirkt und kann bestenfalls sogar Regierungshandeln gestalten. Wir

haben in den letzten Monaten – es ist hier schon angeklungen, alle die dabei waren, wissen es – sehr hart, aber auch sehr sachlich miteinander gerungen. Und wie man sieht, hat es sich gelohnt. Schulpolitische, vielleicht sogar ideologische Differenzen konnten überwunden und Erfolge in der Sache erzielt werden. Das ist ein sehr starkes Zeichen an die Bürger dieser Stadt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das ist für uns alle eine Frage der Glaubwürdigkeit auch außerhalb des Parlaments, denn unsere Aufgabe ist es doch, politische Versprechen umzusetzen. Und genau das haben wir alle gemeinsam getan, nicht nur die CDU.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der SPD)

Dieser Schulstrukturfrieden beendet Einheitsschulträume, Debatten über G8 und G9 und Bedenken gegenüber mehr Leistungsorientierung. Und das ist gut so.

(Beifall bei FDP)

Die Schulen können sich nun ohne Strukturdebatte weiterentwickeln. Die Gewinner sind die Schüler, Eltern und Lehrer unserer Stadt. Auch wir freuen uns, denn auch wir haben einen bescheidenen Eingang in diese Verhandlungen gehabt, Frau Stöver, wir haben eine klare liberale Handschrift verwirklicht. Auch wir möchten bescheiden sagen, dass wir daran teilgenommen haben. Es war nicht nur die CDU, nein, wir haben das alles auch schon gefordert. Aber uns geht es vielmehr darum, heute klarzumachen, dass wir das doch alle gemeinsam geschafft haben. Denn das ist doch wirklich viel wichtiger, als wenn jetzt jeder versucht, den Erfolg für sich zu reklamieren.

(Beifall bei FDP und der SPD)

Kurz zum Inhalt. Beginnen wir bei der Grundschule. Gute Bildung beginnt für uns alle von Anfang an. Die Stärkung der Grundkompetenzen Rechnen, Schreiben und Lesen war unbedingt notwendig, denn wir müssen jedem einzelnen Schüler – das geht an Frau Boeddinghaus – von Anfang an die Chancen eröffnen, und zwar unabhängig vom Elternhaus. Deswegen ist das auch ein Teil von Bildungsgerechtigkeit für diese Stadt.

In den weiterführenden Schulen kam es uns besonders darauf an, dass wieder mehr konkrete Inhalte unterrichtet werden, dass Wissen und Kompetenzen wieder in einem Gleichgewicht stehen, denn das eine geht nicht ohne das andere. Mehr Wissen bedeutet, dass die Schüler besser auf das Leben vorbereitet sind, und fundiertes Wissen ist auch ein Anker in einer zunehmend von Fake News geprägten Welt. Wissen ist entscheidend, und das gilt auch für die Abiturprüfung. Die mündliche Prüfung nimmt jetzt gegenüber der Präsentationsprüfung wieder einen höheren Stellenwert ein,

(Sabine Boeddinghaus)

die Steigerung der einzubringenden Kurse vertieft das Allgemeinwissen der Abiturienten. Das ist ein hoher Wert an sich und stärkt – das ist uns wichtig – die Wettbewerbsfähigkeit unserer Abiturienten.

(Beifall bei FDP)

All das funktioniert nur, wenn auch der Schulalltag sich konkret verändert. Auch das haben wir gemeinsam hingekriegt. Schüler von Gymnasien lernen künftig in kleineren Klassen, Lehrer werden endlich von Verwaltungsaufgaben entlastet und können sich auf das konzentrieren, was sie eigentlich sollen, nämlich guten Unterricht zu machen. Und endlich, endlich, endlich können wir auch beim Unterrichtsausfall nachsteuern. Das ist ein sehr, sehr zentrales Thema in dieser Stadt. Denn der beste Unterricht nützt nichts, wenn er nicht stattfindet. Wer Wissenslücken hat, kann zukünftig freiwillig die Klasse wiederholen.

Insgesamt hat die Schulpolitik aus unserer Sicht mit dieser Vereinbarung einen Schritt nach vorn getan. Wir Liberale haben einen klaren Kompass. Deswegen stehen wir auch ohne Wenn und Aber zu diesen Qualitätsverbesserungen, und das unabhängig davon, ob die CDU sich nächste Woche für G8, G9 oder wofür auch immer entscheidet.

Natürlich – das sage ich auch dazu, das ist Ihnen wahrscheinlich auch klar, Herr Schulsenator – bedeutet dieser Schulstrukturfrieden – wir nennen ihn nicht Schulfrieden, sondern Schulstrukturfrieden – für uns Liberale keinen Wahlkampffrieden. Aber das versteht sich von selbst, und, Sie kennen mich, das wird hier keinen überraschen.

Zum Schluss möchte ich aber – ich habe es gestern auf der Pressekonferenz schon gesagt – meine Anerkennung an die Regierungsfraktionen und auch an den Schulsenator ausdrücken. Sie sind uns wirklich inhaltlich sehr entgegengekommen. Dass das bei manchen Dingen, die wir gefordert haben und zu denen Sie früher immer gesagt haben, bloß nicht, wahrscheinlich ein bisschen wehgetan hat, wissen wir, und deswegen wissen wir das sehr zu schätzen. Aber im Endeffekt zählt für uns alle doch nur eins: Hamburgs Schüler, Lehrer und Eltern profitieren von unserer Vereinbarung. Und darum muss es uns allen gehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der SPD und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Für die AfD-Fraktion bekommt Herr Dr. Wolf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Folgendes festhalten: Sonderlich demokratisch ist es nicht, die Gespräche zur Verlängerung des sogenannten Schulfriedens ohne Beteiligung

einzelner Oppositionsfraktionen wie der AfD oder der LINKEN zu führen. Inklusiv und integrativ geht anders. Aber das nur am Rande.

Es geht heute vor allem um die Einigung von vier der sechs Hamburger Fraktionen zum sogenannten Schulfrieden. Wir hören von einem deutlichen Entgegenkommen von Rot-Grün an die Opposition, und so soll es uns hier verkauft werden. Manches geht auf den ersten Blick jedenfalls durchaus in die richtige Richtung. Dazu gehört zum Beispiel die stärkere Ausrichtung des Unterrichts an fachlichen Inhalten, statt einseitig auf Kompetenzen zu setzen, die Wiedereinführung des Sitzenbleibens oder auch die stärkere äußere Differenzierung an den Stadtteilschulen. Das sind allesamt Forderungen, die wir als AfD-Fraktion in dieser Legislatur bereits mit zahlreichen Anträgen in die Bürgerschaft eingebracht haben. Ja, insofern freuen wir uns, dass ein Teil unserer schulpolitischen Forderungen jetzt ein Stück weit umgesetzt wird. Wir fragen uns natürlich, warum erst jetzt. Abzuwarten bleibt allerdings vor allem, ob und wie diese Einigung tatsächlich umgesetzt und gelebt wird. Und da sehe ich schon, dass CDU und FDP sich ein Stück weit über den Tisch haben ziehen lassen, denn eine ganze Reihe der Ergebnisse steht doch unter mächtigen Vorbehalten, Stichwort äußere Differenzierung, das heißt, Unterricht für die Schüler in möglichst homogenen Leistungsgruppen an den Stadtteilschulen. Das, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, soll jetzt endlich dem sogenannten binnendifferenzierten Lernen gleichgestellt werden

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Ist doch schon längst!)

nach dem linken Dogma: Klassen so heterogen wie möglich. Ich bin gespannt, wie viele Schulen sich tatsächlich so entschließen und das linke Dogma aufgeben werden,

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: So ein Quatsch!)

und nehme dazu auch gern Wetten entgegen.

Schauen wir uns weitere Ergebnisse der Einigung an. Verringerung der Gymnasialklassenstärke. Gut, aber nur unter dem Vorbehalt, wenn die Raumsituation das zulässt. Wir alle wissen, wie die Raumsituation an den Gymnasien aussieht. Sitzenbleiben, ja, aber nur nach erstens einem Jahr Teilnahme am Programm fördern statt wiederholen, zweitens ohne Erfolg, und damit nicht genug, drittens auf Antrag. Ausgang offen. Das ist doch Augenwischerei.

Nun aber zu unserem Hauptkritikpunkt: Warum das Ganze? Doch nur, um in Hamburg eine Rückkehr zu G9 an den Gymnasien zu verhindern, eine Diskussion darüber zu verhindern – eine Rückkehr zu G9, die laut der Forsa-Umfrage vom Januar dieses Jahres 76 Prozent der befragten Hamburger

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

befürworten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wir erinnern uns alle, wie André Trepoll hier im Januar die 76 in großen Lettern auf einem Plakat hochhielt. Und nun will Herr Weinberg nichts mehr davon wissen? Und, Frau Stöver, wir haben gute Gründe für G9. G9 lässt mehr Zeit für nachhaltiges Lernen, die Schulzeit wird auch etwas entspannter und weniger stressig, die Schule kann früher am Tag enden, sodass mehr Zeit für eigene Freizeitgestaltung am Nachmittag bleibt und nicht der Großteil des Tages verplant ist. Das lässt wieder mehr Zeit, um Sport, Musik und anderes eigenverantwortlich am Nachmittag zu treiben. Und es hat auch eine soziale Komponente. Derzeit ist G9 an den Gymnasien eine Option nur für die, die es sich leisten können. Man nimmt sein Kind für ein Jahr aus der Schule und schickt es nach Amerika oder England, wenn man über das nötige Kleingeld verfügt. G9 für Reiche. Das wollen wir ändern.

Rot-Grün kauft mit den Vereinbarungen die CDU, sie kauft ihr einen Verzicht auf G9 an den Gymnasien ab, trotz des Wunsches vieler Eltern und Schüler. Mit einer solchen Politik an den Wünschen vieler Eltern vorbei, ja, gegen ihren Willen, hat schon einmal ein Hamburger Senat, damals schwarz-grün, eine Bauchlandung erlebt. Primarschul-Weinberg lässt grüßen.

Wir sind davon überzeugt, dass G9 dem Wunsch vieler Eltern und Schüler entspricht, werden diesen Wunsch ernst nehmen, werden uns in Bürgerschaft und Wahlkampf für G9 stark machen, nicht zwingend für alle und sofort, aber als Wahlmöglichkeit. Dann können Gymnasien und Schüler sowie Eltern sich für G8 oder G9 entscheiden

(Barbara Duden SPD: Stadtteilschule geht doch!)