Protokoll der Sitzung vom 11.09.2019

Ich will es aber gern festmachen an etwas Konkretem. Senator Kerstan hat vorhin hier gestanden und sehr markig gesprochen. Jetzt sei Schluss mit reden, jetzt werde gehandelt. Und das finde ich gut, das mag ich. Jetzt wird gehandelt, das ist etwas, das kann man sich vorstellen. Ärmel hochkrempeln und anpacken, das klingt nach etwas tun. Frau Sparr, Sie haben eben den Umweltleitfaden zitiert. Darauf möchte ich zurückkommen, denn dort steht auf Seite 6 – ich zitiere –:

"Für den Hamburger Senat ist nachhaltiges Handeln von großer Bedeutung. Die Regierungspolitik orientiert sich am Prinzip der Nachhaltigkeit."

Und jetzt kommt es. Konkret:

"Folgende Punkte oder Produktbestandteile sollen grundsätzlich bei allen Vergaben öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge […] nicht beschafft werden. […] Einweggeschirr und Einwegbesteck in Kantinen und Mensen, da diese zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen beitragen."

Meine Damen und Herren, es ist ganz simpel und ganz konkret. Dort wo Sie selbst unmittelbar handeln könnten, im Bereich der Justiz, haben Sie es nicht getan. Um es konkret zu machen: 2018 ist es Ihnen gelungen, in den Gefängnissen allein 556 000 Einweg-Alu-Schalen produzieren und wegwerfen zu lassen.

(Dennis Thering CDU: Hört, hört! – Daniel Oetzel FDP: So ist das also!)

Dazu kommen 2,2 Millionen Plastikbehälter. Ich habe das einmal ausgerechnet, das sind 217 Kilometer. Wenn Sie die aneinanderreihen, reicht das Luftlinie fast bis nach Berlin. Ich will nur sagen, da ist vielleicht manchmal etwas Leisetreten eher angesagt, als hier die markigen Allgemeinplätze zu bringen. – Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Dennis Thering CDU: Sehr gut!)

Vielen Dank, Herr Seelmaecker. – Ich sehe nun keine weiteren Wortmeldungen mehr, sodass wir zur Abstimmung kommen.

Wer möchte nun den Antrag der LINKEN aus Drucksache 21/18187 an den Ausschuss für Umwelt und Energie überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dem Überweisungsbegehren entsprochen worden.

Wir kommen zu Punkt 33, Antrag der FDP-Fraktion: Moped- und Rollerführerschein ab 15 Jahren ermöglichen.

[Antrag der FDP-Fraktion: Moped- und Rollerführerschein ab 15 Jahren ermöglichen – Drs 21/18174 –]

Die Fraktionen der CDU, FDP und AfD möchten diese Drucksache an den Verkehrsausschuss überweisen.

Wer wünscht nun zunächst das Wort? – Herr Aukes, Sie haben es für die FDP-Fraktion.

Verehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Vom Klimanotstand zum Mopedfahren. Worum geht es bei diesem Antrag, den wir gestellt haben? Seit Kurzem ist es in den Bundesländern möglich zu erlauben, den Führerschein AM, also den sogenannten Mopedführerschein, schon mit 15 Jahren zu erwerben. Jugendlichen würde damit die Möglichkeit gegeben, Motorroller, elektrisch oder benzinangetrieben, E-Bikes mit einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von über 25 Stundenkilometern oder das klassische Moped zu fahren. Damit soll die Mobilität von Jugendlichen erhöht werden, ob auf Wegen zur Schule, Lehre, Freizeit oder Ausbildung. Leider gibt es keine bundeseinheitliche Regelung. Deshalb muss jedes Bundesland selbst darüber entscheiden, ob es diesen Führerschein zulassen will oder nicht. Die FDP möchte, dass Hamburg diese Erlaubnis erteilt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir können Jugendlichen ab 15 sehr wohl zutrauen, Motorroller zu fahren, denn schließlich ist die Erlaubnis an eine Prüfung gebunden, und diese macht es möglich, dass die jungen Menschen dann auch die entsprechende Kenntnis haben. Außerdem gibt es keinen plausiblen Grund zu glauben, dass nicht schon 15-Jährige verantwortungsvoll mit einem Motorroller umgehen können.

Ist das Thema überhaupt für Hamburg relevant? Ja, es ist relevant, denn in Schleswig-Holstein hat die Jamaika-Koalition genau diese Regelung eingeführt, und wir stehen vor der eigenwilligen Situation, dass ein junger Mensch, der aus Norderstedt nach Fuhlsbüttel fahren will, derzeit seinen Roller an der Grenze zu Hamburg abstellen muss, weil er in Hamburg nicht fahren darf. Das kann nicht der Sinn sein.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Thering CDU – Glocke)

(Richard Seelmaecker)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Aukes, einen Moment. – Herr Aukes hat das Wort und nur Herr Aukes. Ich bitte alle, die hier sprechen, entweder rauszugehen oder bitte nicht zu sprechen. – Bitte fahren Sie fort.

Vielen Dank. – Das Fazit dieses Antrages: Dass sich Mobilität verändert, muss man zur Kenntnis nehmen und die Gesetzeslage entsprechend anpassen. Wenn man jetzt etwas erlauben kann, das nachweislich nicht schädlich ist und das Leben junger Menschen zumindest ein kleines bisschen einfacher macht, dann sollte man es nach unserer Meinung auch tun.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Thering CDU)

Harmonisieren Sie also die Gesetzeslage mit dem Umland und stimmen Sie dem Führerschein ab 15 zu, gern schon heute oder nach der Beratung im Ausschuss.

Zur LINKEN möchte ich eine kurze Bemerkung machen. Frau Sudmann wird gleich sprechen. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen: Im Grunde müsste DIE LINKE natürlich dafür sein, denn in der Deutschen Demokratischen Republik durfte man sogar schon ab 14 mit dem Mofa fahren.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Dr. Alexander Wolf AfD – André Tre- poll CDU: Aber nicht überall hin! – Heiterkeit bei Dr. Alexander Wolf AfD)

Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Aukes. – Das Wort erhält jetzt für die SPD-Fraktion Herr Ilkhanipour, und zwar wirklich nur Herr Ilkhanipour.

(Zuruf)

Ja, wobei sich die Zeiten inzwischen auch ein bisschen geändert haben, und die DDR gibt es nicht mehr; aber gut.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Legislaturperiode nähert sich dem Ende, der Wahlkampf rückt näher, und der FDP gehen so langsam die Themen aus. Also schnell noch einmal in Aktionismus verfallen; unter diesem Vorzeichen muss man wohl diesen Antrag interpretieren. Blöd nur, wenn man sich beim Griff in die Antragsvorratsschublade vergreift und deutlich macht, dass man nicht ansatzweise die Zeichen der Zeit – Sie haben es gerade bestätigt – erkannt hat.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zu einem Zeitpunkt, wo wir für die Hamburgerinnen und Hamburger durch die Schaffung von Anreizen und stetigen Ausbau des ÖPNV Alternativen zum motorisierten Verkehr, also Individualersatzverkehr schaffen, zu einem Zeitpunkt, wo wir die Mobilität der Schülerinnen und Schüler mit dem kostenlosen HVV-Ticket dramatisch verbessern wollen und gleichzeitig die Familien damit entlasten, kommen Sie um die Ecke gefahren und wollen stattdessen nun auch 15-Jährige mit Mopeds und Motorrollern durch die Straßen schicken. Ganz großes Kino.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Michael Kruse FDP: Früher wärst du dafür gewesen!)

Noch einmal: In Zukunft werden Sie in Hamburg, gleich, wo Sie sind, alle fünf Minuten kostengünstig von A nach B kommen, und die betroffene Gruppe, an die sich der Antrag richtet, sogar kostenlos. Ich sehe schon, die Aufregung ist groß, so ernst nehmen Sie den Antrag. Daher ist der eigentliche Nachrichtenwert dieses Antrags ein anderer. Sie von der FDP verkörpern das genaue Gegenteil einer modernen Großstadtpartei; das muss man leider feststellen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: So ein Quatsch!)

Wie so oft muss man doch bei Entscheidungen der Verkehrspolitik folgende Abwägungen treffen: zum einen den Aspekt der Sicherheit und zum anderen den Aspekt der Mobilität. So wundert es also nicht, dass die Vorbilder Ihres Antrags, bei denen Sie abgeschrieben haben und die einen fünfjährigen Modellversuch hinsichtlich der Absenkung des Alters vollzogen haben, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind. Brandenburg und MecklenburgVorpommern kamen dann hinzu. Dass in diesen Bundesländern der Aspekt der Mobilität im Vordergrund steht, ist sicherlich nachvollziehbar.

(André Trepoll CDU: Sind Sie hier mal mit der S-Bahn gefahren?)

Das ist bei allem gültigen Respekt und der Tatsache, dass sich sicherlich auch anderswo auf dem platten Land – als gebürtiger Elmshorner darf ich das sagen – der eine oder andere Jugendliche nach mehr mobiler Selbstständigkeit sehnt, verständlich. Aber Sachsen ist nicht Hamburg, und das gut ausgebaute Streckennetz des ÖPNV in Hamburg lässt es auch für junge Menschen zu, ein unvergleichbar hohes Maß an Individualität zu haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist eigentlich unfassbar, dass ich dies explizit ausführen muss und dass der Antrag nicht vorher von Ihnen kassiert worden ist. Aber immerhin gab es keine Pressemitteilung dazu; das war Ihnen wohl doch ein bisschen zu peinlich.

(Daniel Oetzel FDP: Jetzt reicht's mal! – Mi- chael Kruse FDP: Exklusivvermarktung!)

Aber es wird noch schlimmer. Sie haben neben der Verkennung der Sachlage – regen Sie sich doch nicht so auf, ich weiß gar nicht … – und der Bedürfnisse nicht einmal … Also ich habe in den vier Jahren gelernt, dass man, wenn sich so aufregt wird, getroffen hat.

(André Trepoll CDU: Oder es ging meilen- weit vorbei!)

Neben der Verkennung der Sachlage und der Bedürfnisse haben Sie nicht einmal Ihre Hausaufgaben gemacht, denn – ich habe das Mikro – selbst in den zuvor genannten Bundesländern, die die Absenkung des Mindestalters vollzogen haben, sind die Erkenntnisse nach der Evaluation eher uneindeutig. So wurde zwar die Möglichkeit, sicher mangels Alternative, zwar grundsätzlich gern angenommen, die zusätzliche Nutzung des Mopeds dagegen fiel eher gering aus, wohingegen sich die Unfallzahlen durch die zusätzliche Zahl der Verkehrsteilnehmer wie erwartet erhöht haben.

Keine Ahnung, was Sie beim Einbringen dieses Antrags geritten hat. Selbst wenn man damit nur das Image der FDP als Autofahrerpartei unterstreichen wollte, kann ich das nicht nachvollziehen,

(Michael Kruse FDP: Nein, Mofafahrer!)

denn der Hamburger Autofahrer freut sich bestimmt riesig, wenn zusätzlich noch einige Tausend 15-Jährige mit dem Moped auf Geheiß der FDP durch die Straßen tuckern. Mein ungefragter Rat an dieser Stelle ist daher: Wenn selbst bei der CDU – zugegebenermaßen sehr langsam, Herr Thering bremst ja regelmäßig,

(André Trepoll CDU: Was? Der steht immer auf dem Gas!)

aber immerhin – ein Umdenkprozess begonnen hat, würde ich mir Gedanken machen, ob Sie mit solchen Anträgen nicht gegen die Wand fahren. Kurzum, das Petitum Ihres Antrags verkennt die Realitäten unserer Stadt, wir lehnen ihn daher ab. – Vielen Dank. Und danke noch einmal für die vielen Zwischenrufe.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Zuruf: Gerne!)