Protokoll der Sitzung vom 11.09.2019

Sie schreiben auch, die Terroristen seien bestens integriert gewesen. Auch das zeigt mir, dass Sie gar nicht verstanden haben, was Integration ist. Wir haben viele Studenten aus dem Ausland, wir haben übrigens auch leitende Kräfte internationaler Unternehmen aus Amerika, Frankreich und so weiter, deswegen ist man noch nicht integriert. Aber diese Art von Tritt gegen Integration an der Stelle ist wieder ein Beispiel, wie Sie versuchen, das Thema Integration über diesen Fall herabzuwürdigen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

Sie haben es im Antrag und in der Rede wiederholt, dass staatliche Sicherheitsorgane den federführenden extremistischen Akteuren zu viel Raum zur Entwicklung und Planung ihrer Taten boten. Kein staatliches Sicherheitsorgan hat irgendjeman

dem in Deutschland einen Raum für Terrorismus gegeben.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Diese Zelle ist nicht entdeckt worden,

(Zuruf von Dirk Nockemann AfD)

aber genau diesen Dreh in eine aktive Raumgabe solcher Leute, das ist die Manipulation mit Worten, mit denen Sie Ihr politisches Süppchen und die Spaltung der Gesellschaft in Deutschland betreiben.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

In dieselbe Kategorie passt der Vorwurf, dass es aus Gründen politischer Opportunität keine Beobachtung dieser Zellen gab. Niemand, kein verantwortlicher Politiker in Deutschland, würde, wenn er weiß, dass es eine Terrorzelle gibt, aus politischer Opportunität sagen, die beobachten wir nicht. Es ist eine Verschwörungstheorie,

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

dass sich Politik und Sicherheitsorgane für Terroristen gegen unsere Landsleute einsetzen würden, das können wir nicht hinnehmen.

Also: Erinnern heißt verstehen, nicht billige Schuldzuweisung. Verstehen ist die Voraussetzung zum Lernen aus Erfahrung und damit die Voraussetzung für Veränderung durch richtiges Handeln. Deswegen sagen wir, diesen Tag zu verstehen und daran zu erinnern ist wichtig. Dazu ist es wichtig, dass mit allen betroffenen Institutionen und Organisationen in Hamburg gemeinsam überlegt wird, wie man das richtig machen kann. Dazu gehört, weil gerade die Religion missbraucht wird für den Terror, dass es eine besondere Aufgabe ist, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften in dieses Erinnern einbezogen werden. Dazu gehört auch, dass es nicht einfach nur darum geht zu sagen, wir machen eine Ausstellung in der Rathausdiele, sondern gemeinsam nachzudenken, was sind die richtigen Formen des Erinnerns an dieses Ereignis.

Deswegen gibt es gute Gründe, den AfD-Antrag abzulehnen, aber es gibt auch alle Gründe, sich gerade bei uns in Hamburg dem Erinnern an den 11. September 2001 zu widmen. Deshalb haben wir heute diesen Vorschlag gemacht, und meine Bitte wäre wirklich herzlich, dass wir ihn an den Kulturausschuss überweisen, um über dieses Thema dort weiter reden zu können. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und vereinzelt bei der LINKEN und der FDP)

Herr Müller bekommt das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die AfD meldet hier eines ihrer Lieblingsthemen an, die Ereignisse des 11. September 2001

(Dirk Nockemann AfD: Das ist kein Lieb- lingsthema!)

und die Verbindungen der Täter nach Hamburg. Sie hat dazu bereits eine Menge Anfragen und Anträge gestellt, größtenteils mit einem identischen Vortext, so auch heute. Warum ist nun der Terror von 9/11 eines der AfD-Lieblingsthemen? Sehr einfach, sie versucht damit immer wieder ein Bild zu zeichnen, in dem Hamburg überlaufen ist von islamistischen Extremisten. Doch die Realität sieht anders aus.

Im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2018 in Hamburg sind insgesamt 16 extremistische Straftaten im Phänomenbereich politisch motivierte Kriminalität, religiöse Ideologie zu finden, davon ein einziges Gewaltdelikt. Zum Vergleich: In der gleichen Zeit gab es in Hamburg 284 rechtsextremistische Straftaten, davon 11 Gewaltdelikte. Dabei haben sowohl der AfD-Antrag als auch der CDU-Zusatzantrag einen wahren Kern. Natürlich handelt es sich bei den Terroranschlägen von 9/11 mit den fast 3 000 Opfern um eine Tragödie. Seitdem beschäftigen sich nicht nur Hamburg, sondern ganz Amerika und die Welt damit. Und es ist eben auch Teil der Geschichte Hamburgs. Ich glaube, diese Stadt wird dieses Ereignis auch nicht so einfach vergessen.

Dass aber eine Ausstellung in Hamburg via Bürgerschaftsbeschluss jetzt hier auf den Weg gebracht werden soll, lehnen wir ab. Es ist gute Tradition, den Opfern einer derartigen Katastrophe dort staatlich zu gedenken, wo sie Opfer geworden sind. Den Antragstellern geht es zudem in keiner Weise um ein Gedenken der Opfer, das ist auch von den Vorrednern hier schon deutlich geworden, Sie beschäftigen sich nämlich einzig und allein mit den Tätern, lesen Sie den Antrag.

Das zeigt sich in allen Anträgen und Anfragen der AfD zum Thema. In dem, wie bereits erwähnt, immer identischen Text zählt die AfD immer und immer wieder die Namen der Mitglieder der Terrorzelle, die sich in Hamburg aufhielten, auf. Der AfD geht es hier nicht um Gedenken an die Opfer, sie zielt auf die Täter ab, und sie will die Ereignisse nur für die eigene politische Agenda nutzen. Dass die CDU in ihrem Zusatzantrag, der heute noch einmal überarbeitet kam, eine wissenschaftlich fundierte, aktuelle Erinnerung auf den Weg bringen möchte, und dabei gleichzeitig versucht, dass die parteipolitische Vereinnahmung nicht erfolgen soll, zeigt doch die Identität mit dem AfD-Antrag, wo

auch die Sorge ist, es müsste Neutralität bei dem Thema sein. All das beweist doch, dass es überhaupt keine gute Idee ist, dass die Stadt Hamburg Initiator einer solchen Erinnerungsveranstaltung sein müsste. Deswegen finde ich es sehr schade, dass die CDU hier der AfD auf den Leim gegangen ist. Ich glaube, diese Stadt weiß dieses Datum zu erinnern, und dazu bedarf es zumindest nicht des Anstoßes der AfD. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Schneider für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich ausdrücklich den Worten von Herrn Ilkhanipour anschließen, die er zum 18. Jahrestag dieses Anschlags gefunden hat. Es ist richtig, die Welt hat sich dadurch verändert. Die Frage ist, welche Lehre wir daraus ziehen, und ich will dazu ein Wort sagen. Die Lehre muss doch sein, dass in der modernen Welt das Aushalten und die Gestaltung von Vielfalt, die friedliche Lösung von Konflikten möglich ist, ohne, nein, nicht ohne Alternative, es gibt eine Alternative. Aber diese Alternative kann nicht gelebt werden, denn die Alternative ist ein Abgrund an Gewalt, Zerstörung, Vernichtung, ja, Selbstvernichtung, das hat uns der 11. September 2001 gezeigt.

Wir lehnen den Antrag der AfD ab. Der Versuch, diesen Anschlag dieser dschihadistischen Islamisten für die eigenen politischen Zwecke, für sehr durchsichtige Zwecke, zu instrumentalisieren, ist nur schamlos, eine üble Verhöhnung der Opfer, auch wenn und gerade, weil Sie vorgeben, Sie wollten eine Ausstellung zum Gedenken der Opfer.

(Dirk Nockemann AfD: Und zur Warnung und Mahnung, Frau Schneider!)

Nein, das wollen Sie nicht. Sie wollen nicht den Opfern, unter denen sich im Übrigen viele Muslime befanden, sondern Sie wollen Ihrer Vorstellung eines Kampfs der Kulturen, einer Unvereinbarkeit von Islam und westlicher Gesellschaft, ein Denkmal setzen. Ihrer Propaganda eines Kampfs der Kulturen haben Sie sogar eine eigene Internetseite gewidmet. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal hineingeschaut haben, den Islamspiegel. Hier propagieren Sie mit jedem Eintrag, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Mit jedem Eintrag zeichnen Sie das Bild, dass Muslime, mögen sie sich noch so anstrengen, niemals anerkannter und gleichberechtigter Teil der Gesellschaft sein können.

Damit bin ich bei Ihrer Antragsbegründung, zu der Herr Wersich auch schon einiges gesagt hat. Sehr beiläufig kommt er daher, der Halbsatz, dass die Attentäter des 11. September 2001 – ich zitiere:

"… nicht nur nach damaligen Maßstäben als bestens integriert galten."

Was wollen Sie denn anderes andeuten, als dass man Muslimen, die als bestens integriert gelten, potenziell eben nicht trauen kann, weil sie eben doch gefährlich sind oder gefährlich sein können? Dieses grundlegende Misstrauen ist die eine Botschaft, die Sie rüberbringen.

Die andere Botschaft, das ist die Botschaft, die Sie immer mittransportieren, wenn Sie gegen den Islam und Muslime Stimmung machen. In Ihrem Islamspiegel fantasieren Sie von der Implementierung islamischer Normen und schrittweisen Islamisierung als Folge des Staatsvertrags mit den islamischen Religionsgemeinschaften – Islamisierung. Der Journalist Alan Posener hat in einem Blogbeitrag 2015 völlig zu Recht geschrieben:

"Der Islamhass dient dazu, mit der Parole von der Islamisierung des Abendlandes der Demokratie die Kapitulation vor dem Islam zu unterstellen und dadurch zu diskreditieren."

Aus dieser Absicht der Diskreditierung, der Delegitimierung des politischen Systems machen Sie in Ihrer Antragsbegründung keinen Hehl, wenn Sie schreiben, es könne – Zitat:

"… doch kein Zweifel daran bestehen, dass staatliche Sicherheitsorgane den federführenden extremistischen Akteuren zu viel Raum zur Entwicklung und Planung ihrer Taten boten."

"Aus Gründen politischer Opportunität gab es keine stringente Beobachtung dieser Zellen."

Herr Wersich hat es schon zitiert, aus Gründen politischer Opportunität. Ich bin wirklich staatskritisch, aber das ist infam.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie eine etwaige Mitschuld der Politik nicht bejahen wollen, wie Sie schreiben, warum bringen Sie eine solche Mitschuld überhaupt ins Gespräch? Weil Sie nämlich genau das, nur ein bisschen verbrämt, behaupten, der Terroranschlag des 11. September 2001 gehe in letzter Instanz auf die Kapitulation der Hamburger Politik vor dem Islam zurück. Nebenbei, Herr Wersich hat es schon erwähnt, Sie waren von August 2003 bis März 2004, also …,

(Dirk Nockemann AfD: Ja, dazu sage ich gleich noch was, eine ganze Menge!)

Ja, da waren Sie Innensenator.

Ich hoffe jedenfalls sehr, dass die Bürgerschaft diesen AfD-Antrag in großer Einmütigkeit ablehnt und auch seine Überweisung ablehnt.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Den CDU-Antrag würden wir allerdings gern im Kulturausschuss diskutieren. Wir würden gern ausführlich diskutieren, ob eine solche Ausstellung sinnvoll ist und welchen Zweck eine solche Ausstellung und ihre wissenschaftliche Begleitung eventuell begründen kann oder nicht. Ich finde, so leicht, wie Herr Müller es sich gemacht hat, das abzulehnen, sollten wir es uns nicht machen, wir sollten diesen Antrag deshalb an den Kulturausschuss überweisen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei André Tre- poll CDU)

Herr Jarchow bekommt das Wort für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, an einem so geschichtsträchtigen Tag wie heute sollten wir alle für einen Moment innehalten, in uns gehen und uns erinnern an die Anschläge vom 11. September 2001 und an die zahlreichen Opfer, die es in dem Zusammenhang gegeben hat, und sollten das vielleicht auch etwas trennen von der Tagespolitik und auch von dem sonstigen Politikansatz, der hier deutlich geworden ist seitens der AfD.

An diesem 11. September 2001 ist unser westliches Wertesystem angegriffen worden und Hamburg auf der Bildfläche des Terrorismus erschienen, das lässt sich nicht abstreiten. Die Anschläge vom 11. September wurden unter anderem aus Hamburg heraus geplant und durchgeführt. An diesen Zusammenhang kann und sollte man jederzeit durchaus erinnern, wir sollten ihn aber ebenfalls nicht politisch instrumentalisieren, wie es der AfD-Antrag tut. Meine Vorredner, Frau Schneider, Herr Wersich, haben ausführlich dargelegt, wo diese Politisierung stattfindet, und wir sehen das genauso. Wir sind dafür, an terroristische Anschläge wie 9/11 oder die Taten in Nizza, am Berliner Breitscheidplatz zu erinnern, sie dürfen nicht in Vergessenheit geraten; dies ist eine Aufgabe der Politik. Sie eignen sich aber gerade nicht für politisch motivierte Initiativen, wie wir finden, und daher werden wir den Antrag der AfD ablehnen.