Protokoll der Sitzung vom 25.09.2019

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Hamburger Gleichstellungsmonitor ist da; ich hoffe, Sie haben ihn sich einmal angeschaut. Seit der letzten Legislaturperiode arbeiten wir daran, die Unterschiede in der Lebenssituation von Frauen und Männern in unserer Stadt systematisch zu erfassen, sichtbar zu machen und die Chancen gerechter zu verteilen. Dem sind wir jetzt wieder einen sehr großen Schritt nähergekommen.

(Beifall bei der SPD)

Unser Ziel ist es, Benachteiligungen oder Diskriminierungen zügig zu identifizieren und nachhaltig zu bekämpfen, sei es durch Förderung des benachteiligten Geschlechts, Gesetzesvorgaben oder Strukturmaßnahmen wie dem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm (GPR) von 2013, das wir in dieser Legislaturperiode neu aufgelegt hatten. Eines war dabei von Anfang an deutlich: Nur auf Basis einer guten Datenlage ist es möglich, wirksame Gleichstellungspolitik quer durch alle Lebensbereiche, Lebensverlaufsphasen und flächendeckend zu planen und umzusetzen. Und: Nur auf Basis einer guten Datenlage lässt sich die Querschnittsaufgabe Gleichstellung in gute Politik umsetzen. Außerdem, das gehört leider seit dieser Legislaturperiode auch dazu, können wir nun mit einem Klick auf diese leicht zugängliche, eingänglich visualisierte Quelle den Fake News und Leugnungen begegnen, die gerade rund um die Genderthemen gern einmal von rechts außen verbreitet werden. Denn die ungleiche Verteilung von Einkommen zwischen Männern und Frauen, von Zugängen zu Teilhabe und Führungspositionen, bei der Rente, immer zulasten der Frauen, sind jetzt augenfällig.

(Beifall bei der SPD – Dirk Nockemann AfD: Trotz 30 Jahren SPD!)

An dieser Stelle übrigens herzlichen Dank an den DGB, der bereits 2016 einen ersten Frauendatenreport für Hamburg veröffentlicht hatte und damit den entscheidenden Impuls gesetzt hat.

Natürlich bilden Daten zur Arbeits- und Sozialpolitik auch im Gleichstellungsmonitor jetzt eine zentrale Rolle. Denn noch immer ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie der entscheidende Faktor, wenn es um die Möglichkeiten zur persönlichen

(Dr. Alexander Wolf)

Entfaltung, um Karrierechancen und finanzielle Eigenständigkeit bis ins hohe Alter geht. Und noch immer tragen die Frauen die Hauptlast der CareArbeit, mit allen damit einhergehenden Benachteiligungen.

(Beifall bei Karin Timmermann SPD)

Der Gleichstellungsmonitor macht aber auch deutlich, wie erfolgreich unsere Politik der letzten Jahre in diesem Bereich war und welche Fortschritte zu beobachten sind. Zum Beispiel über 220 zusätzliche Kitas und ein enormer Anstieg bei der Betreuungsquote im Elementarbereich und den Krippenkindern von 29 auf 45 Prozent in acht Jahren zeugen davon.

(Beifall bei der SPD)

Und zu guter Letzt gestatten Sie mir noch einen Hinweis quasi in eigener Sache. Wir können nun auf einen Blick die Mandatsverteilung in unseren Parlamenten verfolgen. Hier gibt es Anlässe zur Sorge, und ich möchte die Gelegenheit nutzen zu betonen, wie gestrig die Vorstellung ist, die hier manchmal noch zum Ausdruck kommt, Frauen könnten sich mitgemeint fühlen und sich von Männern repräsentieren lassen. Ganz ausdrücklich: nein. Für unsere Demokratie ist eine paritätische Beteiligung aller Geschlechter an allen politischen Entscheidungen auf allen Ebenen von elementarer Bedeutung.

(Beifall bei der SPD und bei Mareike Engels GRÜNE)

Wir haben mit dem Gleichstellungsmonitor nun einen guten Kompass für unser politisches Handeln bekommen. Lassen Sie uns dieses neue Instrument nutzen, soweit es bereits jetzt Daten liefert, und überall dort, wo noch Leerstellen, Lücken und Bedarfe sind – mir kommt da zum Beispiel das Thema Mobilität in den Sinn –, überlegen, wie wir diese gemeinsam in der nächsten Legislaturperiode schließen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Mareike Engels GRÜNE)

Das Wort bekommt Frau Rath von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich begrüßen auch wir den Frauendatenreport, denn wir vertreten wie Frau Dobusch die Auffassung, dass nur eine solide Faktenlage zu effektiven Maßnahmen führen kann. Das der Report lediglich ein Aufschlag sein kann und in seiner Entwicklung immer wieder fortgeschrieben werden muss, sollte selbstverständlich sein, so steht es ja auch in dem Brief der Gleichstellungssenatorin an die Präsidentin. Dort ist von einer Basisversion die Rede und einem sukzessiven Ausbau – ein durchaus dehn

barer Begriff, meine Damen und Herren. Ich finde, eine konkrete Zeitschiene für den Ausbau wäre hier sehr wünschenswert gewesen. So drängt sich leider ein wenig der Eindruck auf, dass kurz vor der Wahl noch etwas auf die Erledigt-Liste gesetzt werden sollte.

Ich kann die Debattenanmeldung leider nicht richtig nachvollziehen. Der Report ist da, hurra. Aber was folgt daraus? Politik ist nicht dafür da, um Datenmaterial für Lobbyistinnen aufzuarbeiten, Politik ist dafür da, konkrete Maßnahmen für die Frauen in unserer Stadt umzusetzen, um ihnen kurzfristig zu helfen, ihre Lebenssituation zu verbessern und so der Gleichstellung einen Schritt näher zu kommen. Denn es ist klar, von dieser sind wir in der Praxis leider noch entfernt.

Es ist keineswegs meine Absicht – bitte verstehen Sie mich da nicht falsch –, den Report schlechtreden zu wollen; im Gegenteil. Aber ich kann nun einmal nicht verstehen, wie man anderthalb Jahre braucht, um ihn zu erstellen, denn die Zahlen stammen fast alle vom Statistikamt Nord, und für meinen Geschmack enthält der Report wenig neue Erkenntnisse, dafür umso mehr Allgemeinschauplätze. Nehmen wir das Beispiel Ausbildung. Der Report erwähnt mit keinem Wort das Thema Teilzeitausbildung, obwohl diese auch von der Senatsseite das Instrument ist, gerade jungen alleinerziehenden Müttern eine berufliche Qualifikation zu ermöglichen, um sie so vor der Altersarmut zu bewahren. Stattdessen heißt es – ich zitiere –:

"Der Indikator deutet hin auf geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten [und] Interventionserfordernisse, insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel."

Es tut mir leid, aber für diese Erkenntnis brauche ich kein Gleichstellungsmonitoring.

(Beifall bei der CDU)

Immerhin räumt der Report aber ein, dass die Entgeltlücke von 22 Prozent unbereinigt ist und dass die Ursachen der Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen vielfältig seien. Dies erfordere neben der konsequenten Anwendung des Lohngleichheitsgesetzes weitere politische Maßnahmen. Welche das sein sollen, wird leider nicht gesagt, das bleibt im Unklaren.

Es gibt sie aber, diese kleinen Stellschrauben, an denen kurzfristig gedreht werden könnte. Häufig können Mütter nämlich nach der Elternzeit nicht wieder wie gewünscht oder zu dem gewünschten Zeitpunkt in den Beruf einsteigen, weil schlichtweg der Platz in der Kita oder bei der Tagesmutter fehlt. Hier könnte eine intelligente digitale Suchmöglichkeit Abhilfe schaffen. Die CDU wird demnächst einen sehr konkreten Antrag mit sehr konkreten Maßnahmen vorlegen,

(Gabi Dobusch)

(Dirk Kienscherf SPD: Am Ende der Wahlpe- riode!)

und wir sind gespannt, wie sich die Regierungsfraktionen zu diesem Maßnahmenpaket verhalten werden. Denn, um mit einem Zitat von Helmut Kohl zu schließen, entscheidend ist, was hinten rauskommt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Engels von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass die CDU diese Erkenntnisse nicht braucht, um ihre Gleichstellungspolitik voranzubringen, das kann ich mir vorstellen. Da wäre ein kleiner Schritt mehr Gleichstellungspolitik schon viel mehr.

(Franziska Rath CDU: Keiner klatscht! Auch nicht von den GRÜNEN!)

Junge Frauen sind heute viel gleichberechtigter als noch vor einigen Jahren, sie haben mehr Chancen als je zuvor; das ist wahr. Wer nun aber meint, alles sei in Ordnung oder die allgemeine Erkenntnis, wir müssen noch ein bisschen was tun, würde reichen und wir seien fertig mit der Emanzipation und mit der Gleichstellung, der oder die irrt gewaltig. Es gibt immer noch viel zu tun. Ganz konkret für Hamburg zeigt uns das der Gleichstellungsmonitor.

Im März 2018 haben wir, die Regierungsfraktionen, den Antrag gestellt, weil klar war: Wir brauchen fundierte Fakten. Eine systematische Erfassung der Situation von Frauen in Hamburg und ihrer Entwicklung über die Zeit ermöglicht eine bessere Bewertung der bestehenden Maßnahmen der Gleichstellungspolitik und kann verdeutlichen, welche Handlungsbedarfe ganz konkret und ganz genau noch bestehen, kann Erfolge nachzeichnen und zeigen, in welchen Bereichen wir schon besser geworden sind. 2013 wurde das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm erstmals auf den Weg gebracht, und auch dort war eine Maßnahme, die Datenlage zu verbessern. In der Evaluation wurde klar, dass diese Maßnahme noch weiterentwicklungsbedürftig ist und dass die Datenlage, die wir hatten, in der Form nicht ausreicht, weil sie zu verteilt ist. In der Fortschreibung wurde auf diese Notwendigkeit verwiesen. Als Regierungsfraktion haben wir dann diesen Antrag auf den Weg gebracht.

Der DGB hat in der Zwischenzeit auch seinen ersten, sehr aufschlussreichen Frauendatenreport vorgelegt. An dieser Stelle möchte ich dem DGB noch einmal dafür danken, genauso dem Landesfrauenrat, der sich immer wieder für diesen Datenreport eingesetzt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben ihn als Vorbild für eine regelmäßige Berichterstattung genommen, und wir möchten ihn auch dafür verwenden, um Maßnahmen zu evaluieren und Handlungsbedarfe aufzuzeigen. Ziel ist es, den Grad der Gleichstellung für alle Frauen in Hamburg darzulegen.

Der Monitor macht, auch aufgrund seiner sehr gelungenen Darstellung, sehr anschaulich für alle deutlich, wie es um die Gleichberechtigung in Hamburg steht, und das ganz konkret in den einzelnen Themenbereichen. Auch wer bisher das Thema für Firlefanz oder Gedöns hielt, wird nun nicht umhinkommen zu erkennen, wie viel nachzuholen ist. Anhand von sehr anschaulich aufbereiteten Zahlen, Daten und Fakten haben wir jetzt ein umfassendes objektives Bild über den Grad der Gleichstellung von Frauen in Hamburg. Die gesammelte Datenlage macht schwarz auf weiß deutlich, wo wir mehr tun müssen, um Gleichstellung zu erreichen.

Vor effektiven und sinnvollen Maßnahmen steht eine tiefe Analyse des Problems. Lohnungleichheit, psychische Gesundheit oder der Umstand, dass Frauen immer noch den Löwenanteil der unbezahlten Familienarbeit leisten, und das bei gleichbleibender Armutsgefahr, all das und viel mehr können wir nun detailliert und nicht nur allgemein vom Bauchgefühl her für Hamburg in den Blick nehmen. Unser Ansatz müssen Lösungswege sein, die wir in Hamburg steuern können oder für die wir auf der Bundesebene Druck machen können.

Ein Aspekt, der sehr deutlich wird und der auch sehr gut und verhältnismäßig schnell in Hamburg zu lösen wäre, ist die geringe politische Partizipation von Frauen. Während über die Hälfte der Wahlberechtigen Frauen sind, ist im Parlament und in Bezirksversammlungen der Durchschnitt deutlich geringer. Offensichtlich finden Frauen keine geeigneten Strukturen vor, die ihnen die Teilhabe an Entscheidungsprozessen in der Politik ermöglichen.

(Dirk Nockemann AfD: Wie lange regieren Sie eigentlich schon?)

Na ja, immerhin mit der Hälfte Frauen, anders als bei Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ganz bestimmt liegt diese geringe Anzahl nicht an der Qualifikation von Frauen. Auch die Motivation ist in diesem Zusammenhang nicht das ausschlaggebende Kriterium. Nur wer so denkt, wird nichts gegen den geringen Frauenanteil tun. Dazu gehören wir aber nicht. Unseren Vorschlag zur Lösung kennen Sie, das Parité-Gesetz; wir haben es ausführlich diskutiert.

Was die Verteilung von Arbeit betrifft, finden sich große Unterschiede. Warum nur knapp über 50 Prozent der Frauen Vollzeit arbeitet, bei gleich

(Franziska Rath)

zeitiger Gefahr der Altersarmut, darüber müssen wir sprechen. Dafür müssen wir Lösungen finden, auch die Unterschiede genau angucken, in Hamburg ebenso wie auf Bundesebene und auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Brauchen wir flexiblere Arbeitszeitmodelle? Definieren wir Vollzeit zu starr? Bessere Alterssicherung? Alles das sind Fragen, die nicht nur einzelne Frauen bewegen müssen, sondern die gesamte Gesellschaft und allen voran wir als Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin sehr gespannt auf die parlamentarische Beratung und darauf, wie die einzelnen Fraktionen die Gleichstellung von Frauen in Hamburg tatsächlich voranbringen wollen. Auch diese Frage muss meiner Ansicht nach Thema im Ideenwettbewerb zur Bürgerschaftswahl sein, damit wir endlich Geschlechtergerechtigkeit erreichen, denn die Hälfte der Macht für Frauen, das ist eine elementare Gerechtigkeitsfrage. Der Gleichstellungsmonitor liefert die Basis, und ich hoffe, er wird nicht nur, aber besonders intensiv von allen hier aus dem Saal gelesen. Er ist nicht nur aufschlussreich für den Gleichstellungsausschuss, sondern für alle Fachbereiche. Nutzen Sie ihn, arbeiten Sie mit ihm, der Gleichstellungsmonitor kann Sie in Ihrer Arbeit unterstützen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.