Protokoll der Sitzung vom 20.11.2019

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen die Exit-Strategie, und solange das in diesen Anträgen nicht drinsteht, werden wir ihnen nicht zustimmen. Wir brauchen eine politische Offensive. Wir werden solchen Anträgen erst zu

stimmen, wenn wir konkreten Willen sehen und nicht nur Beruhigungspillen fürs Volk. Das ist etwas, was Sie dieser Stadt, was Sie den Tierschützerinnen und Tierschützern und was Sie den Tieren schuldig sind. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mit Abscheu habe auch ich die Bilder der grausamen Behandlung von Tieren in Tierversuchslaboren der Hamburger Firma LPT gesehen. Es macht mich unglaublich wütend und betroffen, welches Leid die Tiere ertragen mussten und wie selbst minimalste Standards mit Füßen getreten wurden. Was sich in Mienenbüttel vor den Toren Hamburgs abspielt, ist ein Skandal, und das muss ein Ende haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Andrea Oelschläger AfD)

Viele Menschen engagieren sich mit Protestaktionen gegen die unwürdigen Zustände und gegen die erheblichen Missstände in dem Labor in Niedersachsen. Sie haben damit eine Öffentlichkeit für die Situation der Versuchstiere bei LPT geschaffen, die notwendig war, damit sich endlich etwas bewegt.

Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die mutmaßlich begangenen Straftaten im Labor in Niedersachsen und gegen die Manipulationsvorwürfe am Hamburger Standort. Ich finde, es ist bezeichnend und zugleich auch notwendig, dass RotGrün den eigenen Senat zu mehr Kontrollen und Prüfungen bei LPT in die Pflicht nimmt

(Dennis Thering CDU: Das machen sie ja eben nicht!)

und bis zur Aufklärung der Vorwürfe keine Tierversuche mehr genehmigen will.

(Beifall bei der FDP)

Das findet unsere volle Unterstützung.

Die Demonstration letzten Samstag mit weit über 15 000 Menschen war ein starkes Signal des Protests vieler Bürger gegen das verantwortungslose Vorgehen von LPT und gegen Tierversuche. Auch wir setzen uns für Investitionen in die Forschung ein, damit Tierversuche auf das absolut notwendige Mindestmaß beschränkt und perspektivisch ersetzt werden können. Die Verbesserung von bildgebenden Verfahren, Computersimulation oder der Einsatz von sogenannten dreidimensional wachsenden Zellkulturen sind nur drei der Fortschritte, die es ermöglicht haben, auf viele Tierversuche bereits heute verzichten zu können. Das macht Hoff

(Stephan Jersch)

nung, dass es in der Forschung hier hoffentlich weitere Durchbrüche gibt, um Tierversuche künftig in Gänze zu ersetzen.

Tierversuche sind grausam, und keiner von uns möchte sie länger als unbedingt notwendig dulden. Ich denke, das ist der Minimalkonsens, den diese Debatte gezeigt hat, auch wenn wir alle wissen, dass ein sofortiger Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt einfach leider nicht möglich ist. Das Tierschutzgesetz setzt allerdings klare Voraussetzungen, wie Tierversuche ablaufen dürfen, unter welchen Standards sie erfolgen müssen, und diese Standards müssen auch eingehalten werden.

Doch die besten Regeln nützen nichts, wenn sie nicht ausreichend kontrolliert werden. Genau deshalb unterstützen wir die Forderung nach häufigeren und engmaschigeren Kontrollen.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Thering CDU)

Wir erachten es auch als notwendig, das Tierschutzgesetz an die EU-Anforderungen anzupassen und höhere Standards zu schaffen, denn dieser Schritt ist längst überfällig.

Wir werden den beiden vorliegenden Anträgen heute zustimmen. Trotzdem haben wir eine Überweisung an den Gesundheitsausschuss beantragt, weil diese Thematik endlich ausführlich im Ausschuss beraten werden muss, weil die Vorfälle dort aufgeklärt werden müssen. Ich bitte Sie, wenn Sie nicht überweisen wollen, dann lassen Sie uns zumindest eine Selbstbefassung zu diesem Thema beschließen. Denn das parteipolitische Klein-Klein, das einige Vorredner und Vorrednerinnen hier gerade vorgetragen haben, ist der Ernsthaftigkeit dieser Debatte wirklich nicht angemessen. Deswegen bitte ich Sie, das Ganze anständig im Ausschuss zu beraten.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Peter Lorkowski AfD)

Vielen Dank.

Das Wort bekommt Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Am Wochenende haben in Hamburg mindestens 15 000 Menschen gegen Tierversuche demonstriert. Ich verstehe das sehr gut, denn die Bilder von gequälten Hunden und Affen waren unerträglich. Da nützt es auch nichts, dass in Deutschland nur 0,1 Prozent der Tierversuche an Primaten und Hunden vorgenommen werden. Das sind immer noch über 2 000 Versuche an Affen und nur geringfügig weniger an Hunden. Von solchen Versuchen müssen wir dringend wegkommen. Zwar ist mir durchaus bewusst, dass bisher nicht jedes Ex

periment in der Petrischale vorgenommen werden kann, aber alternative Möglichkeiten gibt es, und diese sollten unbedingt weiter erforscht und gefördert werden.

In diesem Haus hatten wir ja schon mehrfach festgestellt, dass die Forschung bisher auch aufseiten des Senats nicht viel Beachtung findet. Es ist zwar erfreulich, dass der Hamburger Forschungspreis zur Erforschung von Alternativen zum Tierversuch erhöht wurde, und auch, dass das UKE sich positiv beteiligt, aber vonseiten Hamburgs kann mehr kommen. Trotz alledem war es richtig, für das UKE die Mittel für den Neubau zu bewilligen, denn eine gute Unterbringung auch für Mäuse und Ratten, wenn schon Tierversuche nötig sind, gehört ebenfalls zum Tierschutz dazu.

Die Verankerung des Tierschutzes im Hamburger Hochschulgesetz ist sinnvoll. Allerdings ist auch hier Überprüfung notwendig.

Insgesamt hat Deutschland nicht die schlechtesten gesetzlichen Regelungen, aber ihre Einhaltung muss auch gewährleistet werden. Mit Ihrer Forderung, meine Damen und Herren von der CDU, die Kontrollen engmaschiger zu machen, rennen Sie bei uns offene Türen ein. Eine bessere Überprüfung ist sinnvoll und, wie die Ereignisse aus Mienenbüttel leider zeigen, absolut notwendig.

Den Regierungsfraktionen möchte ich zum Zusatzantrag auf den Weg geben, dass es sehr einfach ist, mit dem Finger auf Brüssel oder nach Berlin zu zeigen. Der Senat hat es doch selbst in der Hand, eine engmaschigere Kontrolle durch die hiesigen Behörden vorzunehmen und es somit besser zu machen. Einzig und allein die in die Schlagzeilen geratene Firma LPT intensiver zu prüfen ist bei diesem Thema vollkommen unangemessen, da es den Tieren egal ist, in welchem Versuchslabor sie zu Testzwecken eingesetzt werden.

Kurz und knapp: Wir halten den Antrag der CDU für sehr gut und stimmen ihm zu. Beim Antrag von SPD und GRÜNEN hingegen haben wir eher den Eindruck, dass das Wahlkampfgetöse auf dem Rücken der Tiere ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Flocken.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter! Täuschung und Lüge, Hass und Hetze, inszenierte Tierquälerei, Mobben und Ausgrenzen von Menschen, Morddrohungen gegen Wissenschaftler, das waren die Methoden der selbst ernannten Tierschützer der SOKO Tierschutz und ihrer Fußtruppen in Tübingen 2015 im Kampf gegen ein Institut für Gehirnforschung. Rückhalt für die Forschung kam vom grünen Bürgermeister, vom Fachgutach

(Jennyfer Dutschke)

ter, von Hunderten Professoren, darunter 16 Nobelpreisträger. Die Zivilgesellschaft hat geschwiegen. Deshalb konnte die Erforschung des Lernens nicht gerettet werden, musste Spitzenforschung in Deutschland wieder einmal der Gewalt weichen. Nicht einmal der Migrationshintergrund des Chefs konnte die Fundamentalisten besänftigen, zu stark war die Wirkung der schärfsten Waffe der Branche, der bewegten Bilder, auf ein naives, wissenschaftsfernes Publikum, manipuliert von einer Branche, der es nichts ausmacht, wiederholt bei übelster Tierquälerei auf Bestellung erwischt worden zu sein.

Beispiel gefällig? Man gibt armen chinesischen Bauern ein paar Dollar und bittet sie, dafür einem Tier bei lebendigem Leibe das Fell über die Ohren zu ziehen. Die Bilder nutzt man dann für eine Kampagne gegen die europäische oder amerikanische Pelzwirtschaft.

Was werden die Ermittlungen im Harburger Fall wohl ergeben? Warum sind sieben Monate vergangen zwischen dem Ende der Tätigkeit des eingeschleusten Fundamentalisten im Labor und dem Aufpoppen der Bilder in den Medien? Langwierige Honorarverhandlungen? Einige der Bilder nähren den Verdacht einer Inszenierung durch Fundamentalisten, andere werfen die Frage auf, wieso gesetzeswidrige Zustände bei den vielen behördlichen Kontrollen nicht aufgefallen sind.

Die Gesetzeslage bei Tierversuchen unterscheidet sich EU-weit, aber nicht grundlegend. Mit einem klaren Standortvorteil kann aber werben, wer laxe Kontrollen in Aussicht stellt. Hundeversuche nutzt man in der Pharmakologie heutzutage übrigens vorwiegend für die Entwicklung des rapide wachsenden Marktes für Altersmedizin bei Hunden. Viele derer, die sich zum Thema melden, kennen nicht einmal die Informationen der Initiative "Tierversuche verstehen", einem Gemeinschaftsprojekt von Max-Planck-Gesellschaft, Alexander von Humboldt-Stiftung, Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Leopoldina, Deutschem Akademischem Austauschdienst, Wissenschaftsrat, Leibniz-Gemeinschaft, Hochschulrektorenkonferenz.

An Zellkulturen kann einiges erforscht werden, sicherlich, und es ist auch wichtig, das weiterzuentwickeln. Mit ihnen alle Tierversuche zu ersetzen hieße, die Evolution 541 Millionen Jahre zurückzudrehen. Hier gibt es wirklich einmal den Konsens der Wissenschaftler, und dann ist es Ihnen auch wieder nicht recht. Stattdessen hängen Sie den Worten des Vereins "Ärzte gegen Tierversuche" an, der seinen Jüngern allen Ernstes empfiehlt, vegan und nicht krank zu werden, anstatt die Früchte der Tierversuche zu nutzen.

Bei allen Fortschritten der Forschung hat sich eins kaum geändert: die Positionen der Politiker. Die Forderungen der LINKEN sind fast deckungsgleich

mit dem vom preußischen Ministerpräsidenten vor 86 Jahren erlassenen Gesetz,

(Stephan Jersch DIE LINKE: Erwähnen Sie doch mal den Namen dieses Ministerpräsi- denten!)

der Antrag der CDU entspricht dem Kompromiss, den die Reichsärztekammer dem Kanzler abringen konnte.

Dann bekomme ich ja einen Ordnungsruf, nicht?

(Stephan Jersch DIE LINKE: Ja, genau!)

Die meisten Tierpfleger und Wissenschaftler machen ihre Arbeit gewiss so gut sie können. Dennoch möchte ich auf eine Gefahr hinweisen, die hier noch nicht erwähnt worden ist: Ein Institut für Tierversuche kann echte Sadisten anziehen wie das Licht die Motten oder wie andere Anstalten die Pädophilen. Bei der Weiterentwicklung interner Kontrollmechanismen muss dies besonders bedacht werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Das Wort bekommt Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann mit dem Thema Tierversuche nicht umgehen, ohne dass ein tiefes Unbehagen bleibt. Wir sind hier in einem klassischen Dilemma, dem Dilemma, auf der einen Seite Tieren kein Leid anzutun, sie nicht zu töten, und auf der anderen Seite kranken Menschen helfen zu wollen und sie keinen unnötigen Risiken auszusetzen. Dieses Dilemma muss bei jedem einzelnen Versuch erneut ausgetragen werden, und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen das sehr, sehr verantwortungsvoll – übrigens unterstützt von einer Tierschutzkommission – in einem sehr schwierigen Bereich. Dafür bin ich dankbar; ich möchte nicht mit ihnen tauschen bei dieser Arbeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn schon grundsätzlich das Thema so ein Unbehagen auslöst, selbst wenn in den Einrichtungen alles rechtlich einwandfrei zugeht, ist es natürlich umso verstörender, die Aufnahmen aus Mienenbüttel zu sehen. Und genauso verstörend ist es, wenn dann plötzlich der Verdacht im Raum steht, dass die Versuche auch noch sinnlos gewesen sind, weil sie manipuliert worden sind.