Protokoll der Sitzung vom 04.12.2019

Vielen Dank, Herr Lenders. – Als Nächste erhält das Wort Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So einfach geht das nicht, Herr

(Joachim Lenders)

Lenders, weil die Begründung für die Änderung des Paragrafen 12b eine andere ist, als Sie sie haben. Unsere Begründung ist die, die aus der Sicht der Polizei notwendig war, und deshalb haben wir sie noch mit aufgenommen.

Ich will einmal deutlich sagen: Es tut mir sehr leid, dass dieser Antrag so kurzfristig gekommen ist. Das hatte ein bisschen mit den Abstimmungsnotwendigkeiten innerhalb der Koalition und der Behörde zu tun.

(André Trepoll CDU: Sagen Sie: Streit!)

Noch nicht einmal Streit, Herr Trepoll.

Und noch etwas zu Ihnen, Herr Lenders. Es ist ja so, dass es nicht nur im BKA vielleicht Träume gibt. Es gibt durchaus auch bei den Bundes-GRÜNEN und innerhalb des Zusammenschlusses mit den Ländern die Idee, ein bundesweites Polizeigesetz zu entwickeln. Das würden wir aber natürlich gern unter Rot-Grün machen, und ob das Ihnen dann so gefallen würde, weiß ich nicht. Und was Bayern und Hessen dazu sagen würden, steht in den Sternen.

Ich will noch etwas anderes sagen: Ich bin sehr froh, dass wir hier keine Vorfälle wie zum Beispiel in Chemnitz haben, über die wir reden müssen, dass wir nicht darüber reden müssen, dass es Tausende gestohlene Patronen gibt, Hunderte verschwundene Waffen bei der Polizei, die man dann privat gehortet bei Angehörigen von Landespolizeien findet. Ich bin sehr froh, dass wir diese Themen in Hamburg nicht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir reden und streiten darüber, was wir als Parlament der Polizei aufgeben wollen, um ihrer Aufgabe nachzukommen, für uns alle die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Dazu haben wir uns tatsächlich sehr viel Zeit genommen, und nach der Debatte eben zwischen Herrn Lenders und Frau Schneider könnte man den Eindruck gewinnen, wir könnten noch ein paar Ausschusssitzungen allein zum Thema Online-Durchsuchung brauchen, um irgendwie vielleicht zu einem Ergebnis zu kommen. Natürlich – und es ist tatsächlich natürlich – gibt es eine große Kluft in der Diskussion zwischen denjenigen, die massiv, deutlich und ganz klar Freiheitsrechte einfordern, und den Eingriffen, die aus der polizeilichen Sicht, auch aus der parlamentarischen Sicht notwendig sind.

Vieles wäre aus der Sicht der verschiedenen Landespolizeien – da will ich gar nicht nur über die hamburgische reden – sozusagen nice to have. Im schleswig-holsteinischen Gesetz wird wahrscheinlich zum Beispiel der sogenannte Taser mit aufgenommen; alle möglichen Gesetze haben bestimmte landesspezifische Regelungen. Ich glaube, wir sind hier einen guten Weg gegangen, ein auf eine

Art sehr neutrales Gesetz zu beschließen, das einerseits sehr streng dem folgt, was nach dem Urteil zum BKA-Gesetz als Pflicht auf dem Tisch lag, und andererseits sehr streng dem folgt, was die Datenschutzgrundverordnung verlangt, also das, was rechtlich nötig ist. Wir haben uns Zeit genommen – das sehen Sie an den Änderungsanträgen und an der zweiten, dritten Diskussionsrunde im Innenausschuss –, den Expertinnen und Experten zuzuhören, abzuwägen, was ihre Einschätzung war, um immer wieder an dem Punkt anzukommen: Ist es für uns verantwortbar, in ein Gesetz zu gehen, das tatsächlich auf viele Elemente, die es in anderen Bundesländern gibt, die sehr viel stärker eingreifen in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, verzichtet? Können wir bei den Eingriffen, zum Beispiel bei der elektronischen Fußfessel, sicherstellen, dass durch den Bericht an die Bürgerschaft uns dann wiederum klar wird, ob die Polizei es so nutzt, so anwendet, wie wir es vorgesehen haben?

Im Ergebnis sind wir dazu gekommen, dass dieses Gesetz dafür taugt. Es ist sicherlich nicht frei davon, dass man möglicherweise in zwei Jahren oder wann auch immer noch einmal sagt: Das eine oder andere hat sich so nicht bewährt, wie wir es aufgeschrieben haben, wie wir es haben wollten aus parlamentarischer Sicht oder eben auch aus polizeilicher Sicht. Da sollten wir uns dann auch frei fühlen als Parlament, tatsächlich wieder unsere parlamentarischen Rechte wahrzunehmen.

Ich freue mich, dass wir mit einem sehr unterstützenden Ergebnis in diese finale Runde gehen, und ich hoffe, dass wir alle dazu im kritischen Diskurs bleiben, auch wenn ich dann wahrscheinlich nicht mehr dabei sein werde. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Möller. – Als Nächste erhält das Wort Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht wundern, dass DIE LINKE dem Gesetz zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften nicht zustimmt.

(Jörg Hamann CDU: Na, Gott sei Dank!)

Wir begrüßen natürlich, dass die Umsetzung des BKA-Urteils des Bundesverfassungsgerichts und der einschlägigen EU-Richtlinie im Bereich der Polizei den Datenschutz und die Kontrolle stärkt. Dazu waren Sie verpflichtet. Lange genug hat es gedauert – zu lange. Wir kritisieren, dass SPD und GRÜNE es sich nach dem Konflikt um die Nutzung der G20-Gesichtsdatenbank nicht verkneifen konnten, die Anordnungsbefugnis des Datenschutzbeauftragten auszuhebeln. Das ist nicht nur schäbig,

(Antje Möller)

das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch europarechtswidrig.

(Beifall bei der LINKEN)

Davon abgesehen haben Sie die notwendigen und überfälligen Veränderungen der Polizeigesetze genutzt, um eine Reihe von Verschärfungen vorzunehmen. Da wir die einzelnen Maßnahmen im Ausschuss diskutiert haben, will ich nur beispielhaft darauf eingehen. Ich möchte vor allem begründen, warum wir angesichts des vorliegenden Gesetzentwurfs die Forderung des Bundesdatenschutzbeauftragten nach einem Moratorium für alle neuen Sicherheitsgesetze unterstützen.

Es ist nachvollziehbar, dass die Polizei auf neue Erscheinungen von Kriminalität und auf neue technische Möglichkeiten mit der Forderung nach neuen effektiven Kompetenzen reagiert. Aber Effektivität ist eben nur ein Gesichtspunkt. Wenn wir ein neues Polizeigesetz verabschieden, muss dieses Gesetz auch in Sachen Transparenz, Rechtssicherheit und Grundrechtsschutz höchsten Ansprüchen genügen. Und das tut es nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte das an zwei Regelungen klarmachen, erstens der elektronischen Fußfessel. Die Polizei hat, wie aus der Antwort auf eine Große Anfrage von uns hervorgeht, keine Zahlen zu Betretungsverboten und zu Kontakt- und Näherungsverboten. Trotzdem begründet Rot-Grün unter Bezug auf Beziehungsgewalt die Einführung der elektronischen Fußfessel, die eine ständige Aufenthaltsüberwachung bedeutet – zweifellos ein schwerer Eingriff in Grundrechte. Das Gesetz normiert aber nicht die Fußfessel für Beziehungstäter, wie es in der Begründung scheint, sondern sieht den Einsatz zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person vor, also bereits zur Abwehr der Gefahr einer drohenden gefährlichen Körperverletzung. Ob sie dann wirklich ein effektives Mittel zu präventiver Gefahrenabwehr ist, ist zudem zweifelhaft, denn die Signale, die die Fußfessel aussendet, werden nur in Zeitabständen kontrolliert, im Zweifelsfall muss die bedrohte Frau immer noch die Polizei alarmieren. Diese Regelung ist intransparent, eingriffsintensiv, nicht rechtssicher und wahrscheinlich nicht einmal effektiv.

Zweitens: Die Polizei wird ermächtigt – Herr Schumacher hat es schon gesagt –, in begründeten Einzelfällen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten im polizeilichen Dateisystem gespeicherte personenbezogene Daten mittels einer automatisierten Datenauswertung zu verarbeiten, um Beziehungen oder auch Zusammenhänge zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Organisationen, Objekten und Sachen herzustellen. Das mit den Einzelfällen ist so eine Sache, denn das darf sie im Fall zahlreicher Straftaten aus einem langen, langen Straftatenkatalog, und zwar

auch bei Straftaten, für die es eine drei- oder sechsmonatige Freiheitsstrafe geben kann. Das ist keine schwere Straftat. Diese datenmäßige Durchleuchtung von Personen in all ihren Zusammenhängen und damit auch von ganz Unbeteiligten ist ein schwerer Grundrechtseingriff. Die Schwere erfordert eine konkrete Gefahr. Tatsächlich kann die Datenauswertung aber schon im Vorfeld einer konkreten Gefahr zur vorbeugenden Straftatenverhütung eingesetzt werden; auch hier ist der Grundrechtsschutz ausgehebelt.

Für höchste Standards in Sachen Effektivität, Transparenz, Rechtssicherheit und Grundrechtsschutz zu sorgen, ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber. Das ist bei diesem Gesetz nicht gelungen. Und weil dieses Problem für sehr viele schon verabschiedete und geplante Sicherheitsgesetze in Bund und Ländern besteht, fordert der Bundesdatenschutzbeauftragte ein Moratorium. Grundrechtsorganisationen wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte fordern darüber hinaus eine ehrliche Evaluation all der in den letzten Jahren zahlreich verabschiedeten Sicherheitsgesetze und eine BundLänder-Kommission, die kontinuierlich und wissenschaftlich begleitet eine Überwachungsgesamtrechnung aufstellt. Wir unterstützen das mit unserem Zusatzantrag. Wir fordern die Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs, der die Vorgaben der EURichtlinie und des Bundesverfassungsgerichtsurteils umsetzt und den Datenschutzbeauftragten stark verfasst.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wir fordern, dass sich Hamburg starkmacht für eine solche Bund-Länder-Kommission. Auf alle neuen Eingriffsbefugnisse soll bis zum Vorliegen der Evaluationsergebnisse verzichtet werden. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Auch wenn er sich nicht gemeldet hat, ist jetzt Herr Jarchow von der FDP-Fraktion dran.

Hat er sich? Haben wir alle nicht gesehen hier oben.

Herr Präsident, vielen Dank, dass ich trotzdem reden darf.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt die Bürgerschaft nun endlich die EU-Datenschutzreform in Hamburger Polizeirecht um. Eine Reform, die wir begrüßen, da sie validere Regelungen zu Verantwortlichkeiten Speicher- und Löschfristen sowie Dokumentations- und Informationspflichten gegenüber den Betroffenen schafft. Vor allem der Rechtsanspruch der Betroffenen auf Korrektur ist insbesondere im Hinblick auf den Skandal um die G20-Akkreditierung von

(Christiane Schneider)

Journalisten folgerichtig. Allerdings darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Reform seit anderthalb Jahren überfällig ist und in Teilen das unionsrechtlich geforderte Datenschutzniveau nicht erreicht wird.

So halten wir die polizeiliche Ermächtigung zur Anfertigung und Verwendung von Lichtbildern von Personen für einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die vorgesehene Regelung soll der Erleichterung der Arbeitsweise in den Gefangenensammelstellen und anderen Gewahrsamseinrichtungen dienen. Dabei stehen mit administrativen Veränderungen und der Verbesserung der Arbeitsabläufe mildere Mittel mit deutlich geringerem Grundrechtseingriff zur Verfügung. Hier sind aus unserer Sicht Nachbesserungen am Gesetzentwurf erforderlich, die wir mit unserem Zusatzantrag fordern. Zudem halten wir, wie übrigens auch die Experten im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss, eine Regelung zu einer effektiven Abhilfebefugnis des Landesdatenschutzbeauftragten für politisch geboten und europarechtlich erforderlich.

Nicht zuletzt das Verwaltungsgericht Hamburg hat in seiner mündlichen Begründung zur Entscheidung der Klage des Senats gegen die Anordnung des Datenschutzbeauftragten zum Einsatz von Gesichtserkennungssoftware die Wichtigkeit von Kontroll- und Abhilfemaßnahmen des Datenschutzbeauftragten betont. Doch diese fehlen. Daher stimmen wir Petitumnummer 2 des Zusatzantrags der Fraktion der LINKEN zu.

Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten hat Rot-Grün die Novellierung genutzt, um auch das materielle Polizeirecht zu reformieren. Damit steht Hamburg in einer Reihe mit einigen Bundesländern, die jüngst ihr Polizeirecht neu gefasst haben. Wir begrüßen es ausdrücklich, wie meine Vorredner auch schon, dass Hamburg hier nicht dem Trend anderer Länder wie zum Beispiel Bayern und Sachsen gefolgt ist und verfassungsrechtlich bedenkliche Ermächtigungen ins Polizeirecht diktiert hat.

Doch abgesehen von dieser positiven Grundausrichtung des Gesetzentwurfs stellt die Regelung zur Meldeauflage eine erhebliche Einschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit dar und muss verhältnismäßig ausgestaltet werden. Auch hier verweise ich auf unseren Zusatzantrag, der Sicherheitsaspekte zur Gefahrenabwehr und Grundrechte der Betroffenen in Ausgleich bringt.

Insgesamt geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung, wenngleich er, wie ausgeführt, verfassungsrechtlich bedenkliche Regelungen enthält.

Lassen Sie mich noch ein Wort zum Zusatzantrag der Koalitionsfraktionen sagen. Es erreichte mich um 12.30 Uhr auf dem Weg hierher die Mitteilung meines Mitarbeiters, dass dieser Zusatzantrag ein

getroffen ist, das heißt eine Stunde vor Beginn dieser Sitzung. Das finde ich in der Tat unzumutbar.

(Beifall bei der FDP und bei Jörg Hamann CDU)

Ich finde, das ist hier auch schon in anderem Zusammenhang kritisiert worden, so geht man nicht mit einem Parlament um, man muss wenigstens die Gelegenheit haben, sich damit zu beschäftigen. Ich hatte diese nicht, ich werde daher nicht an der Abstimmung teilnehmen. Das zeichnet ja das gesamte Verfahren dieses Gesetzes aus, dass Sie hier seitens der Koalitionsfraktionen eine unglaubliche Hektik hineingebracht haben am Ende und es nicht geschafft haben, rechtzeitig mit diesem Gesetzentwurf zu beginnen, was durchaus möglich gewesen wäre. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Ludwig Flo- cken fraktionslos und Jörg Hamann CDU)

Vielen Dank, Herr Jarchow. – Als Nächster erhält das Wort Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburg bekommt ein neues Polizeigesetz. Dieses Gesetzgebungsverfahren ist erforderlich geworden unter anderem durch die Rechtsprechung zum BKA-Gesetz, aber auch durch die Anforderungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung. Eine Reihe von angemessenen Maßnahmen sind durch das Gesetz umgesetzt worden. Ich nehme dabei Bezug auf die Regelung zur Fußfessel und zu den Meldeauflagen.