Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

Schon der Gesetzentwurf des Senats sieht wichtige und deutliche Verbesserungen vor. Dazu gehören die Überführung des Amtes der Senatskoordinatorin in die Hauptamtlichkeit, die Erweiterung des Geltungsbereiches des Gesetzes auch auf Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung der FHH, und die Barrierefreiheit bei Bau und Verkehr sowie in der Kommunikation mit der Verwaltung.

Die intensiven Beratungen und die Anhörungen im Sozialausschuss haben dazu geführt, dass die Fraktionen der SPD und GRÜNEN den Gesetzentwurf heute an einigen Stellen noch einmal ändern und ergänzen wollen. Wir wollen, wie gefordert, eine Schlichtungsstelle schaffen, damit Streitigkeiten zwischen Menschen mit Behinderung und öffentlichen Institutionen auch außergerichtlich beigelegt

werden können. Zudem wollen wir einen Partizipationsfonds im Gesetz verankern. Menschen mit Behinderung und ihre Verbände und Organisationen sollen die Möglichkeit erhalten, Politik und Gesellschaft in unserer Stadt gleichberechtigt mitzugestalten. Wir wollen weiterhin das Amt der Senatskoordinatorin/des Senatskoordinators weiter stärken. Sie/er soll in Zukunft von der Bürgerschaft auf Vorschlag des Senats gewählt werden, zudem wird ihre/seine Stimme in der Bürgerschaft künftig deutlicher zu vernehmen sein, denn ihre/seine Anmerkungen zu Drucksachen müssen der Bürgerschaft künftig vorgelegt werden.

Dieses neue Gesetz setzt auch einen bundesweit vergleichbaren Standard, und ich betone, dass dieses Gesetz durch den Beteiligungsprozess besser geworden ist. Meine Fraktion und ich bedanken uns herzlich bei all den vielen Menschen, die zu dem Gelingen dieses Gesetzentwurfs beigetragen haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Gesetz wird dazu beitragen,

(Glocke)

die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Ich bitte, unseren Zusatzantrag …

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ja.

Ich bitte, dem zuzustimmen. Die Anträge der Opposition lehnen wir ab.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Rath von der CDU-Fraktion für fünf Minuten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, im Rahmen der Debatte zur Änderung des Hamburgischen Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen hatten wir mit sehr vielen Betroffenen Kontakt, und an dieser Stelle und als Erstes möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion sehr herzlich bedanken für ihre Zeit, für ihre Geduld mit uns Politikern und für die klugen Ideen.

(Regina-Elisabeth Jäck)

(Beifall bei der CDU und bei Regina-Elisa- beth Jäck SPD und Mareike Engels GRÜNE)

Ich kann Ihre Enttäuschung auch durchaus an einigen Punkten nachvollziehen, dass das Gesetz Ihnen an manchen Stellen nicht weit genug geht. So zum Beispiel bei dem Thema Barrierefreiheit. Viele hätten sich bezüglich der Umsetzung konkretere Zusagen vonseiten der Stadt gewünscht. Auch wurde die fehlende Einbeziehung der Privatwirtschaft moniert. Zwar passiert schon viel in diesem Bereich, es gibt ein Mehr an Teilhabe, aber eben immer noch nicht genug. Und die Betroffenen, das verstehe ich auch völlig, denen geht es natürlich nicht schnell genug.

Allerdings haben wir beispielsweise schon jetzt Kapazitätsengpässe in der Bau- und Ausbaubranche, sodass es bei der Umsetzung nicht nur teilweise an den finanziellen Gegebenheiten scheitert, sondern eben auch hier schon der Fachkräftemangel zuschlägt. Um aber deutlich zu machen, dass wir um die alltäglichen Mühen der Betroffenen wissen, schlägt die CDU-Fraktion, wie die Kollegen das von Rot-Grün ebenso tun, als Nachteilsausgleich die Einrichtung eines Partizipationsfonds vor. Dieser war jedoch weder die Idee von Rot-Grün noch war es unsere Idee, sondern es war eine der vielen guten Ideen und Anregungen der Expertinnen und Experten der Interessenvertretungen. Ob für die Erstellung von Rechtsgutachten oder die Übertragungen von Texten in leichte Sprache, den Einsatz von Gebärdendolmetschern oder technischer Hilfsmittel, oft entstehen massive Sonderkosten. Dafür benötigen wir eine zusätzliche Finanzierungsquelle. Auch ist es eine Überlegung wert, ob damit nicht Gelder zur Verfügung gestellt werden für ehrenamtlich tätige Menschen mit Behinderung.

Daher schlagen wir vor, dass bei der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen ein 250 000 Euro umfassender Fonds eingerichtet wird, über den diese bis zu einer Grenze von 1 000 Euro anhand sehr festgelegter Kriterien schnell, eigenhändig und unbürokratisch entscheiden kann. Damit ist unser Partizipationsfonds insgesamt, das muss ich leider so sagen, konkreter und schneller einsetzbar als der von Rot-Grün hier heute beantragte. Ausdrücklich unterstützenswert finde ich allerdings den rot-grünen Vorschlag, dass die Senatskoordinatorin oder der Senatskoordinator künftig auf Vorschlag des Senats von der Bürgerschaft gewählt werden soll. Dies fördert nicht nur die öffentliche Wahrnehmung der Position und macht deren Auswahl demokratischer, sondern stärkt auch das Parlament und dessen Beteiligung.

Überhaupt war das Thema Beteiligung das große Thema dieser Debatte. Leider hat unsere Gesellschaft in den letzten Jahren behinderten Menschen allzu oft die Teilhabe zusätzlich erschwert, zusätzlich zu den ohnehin schon vorhandenen

Problemen im Alltag. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Interessenvertretungen sich einbringen, so wie sie es jetzt getan haben, und die weitere Umsetzung des Gesetzes kritisch verfolgen, um immer rechtzeitig Alarm zu schlagen, wenn zum Beispiel zugesagte Umsetzungen nicht erfolgen. Daher möchte ich sie an dieser Stelle besonders auffordern, dass sie uns Politikern immer wieder auf die Füße treten und ihre Rechte einfordern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Engels von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In diesem Jahr haben wir das zehnjährige Jubiläum der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention gefeiert. Ihr Versprechen lässt sich kurz zusammenfassen: die gleiche und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Barrierefreiheit als Grundvoraussetzung dafür, kurzum, die inklusive Gesellschaft. Und dieser inklusiven Gesellschaft kommen wir mit dem Gleichstellungsgesetz so, wie wir es heute mit den Änderungen beschließen werden, mit deutlichen Schritten näher. Das Gleichstellungsgesetz regelt die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im Bereich des öffentlichen Rechts und ist ein wichtiger Teil der Umsetzung des Benachteiligungsverbots aus dem Grundgesetz: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Deswegen ist es gut und folgerichtig, dass wir die Benachteiligung aufgrund mehrerer Gründe aufnehmen und insbesondere die Benachteiligung von Frauen und Kindern stärker in den Fokus rücken. Es ist richtig, dass auch Belästigungen als Benachteiligung gelten sollen und wir eine Beweislastumkehr einführen. Das Hamburgische Gleichstellungsgesetz betrifft viele wichtige Bereiche auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Bauinfrastruktur, die Verwendung der Gebärdensprache sowie der leichten Sprache. Ziel ist es unter anderem, noch immer bestehende bauliche Barrieren in städtischen Gebäuden abzubauen. Hierzu hält das Gesetz konkrete Verfahrensregeln und Vorschriften vor.

Gerade im Bereich der Barrierefreiheit gab es aber im Verfahren, im Beteiligungsverfahren, von den Verbänden deutliche Kritik, und zwar zu Recht. Deswegen verändern wir mit unserem Antrag insbesondere den Absatz 1. Hier geht es, so als Stichwort, vor allen Dingen um die Fragen der allgemein anerkannten Regeln der Technik, um die Hamburgische Bauordnung, das ist ein bisschen detailliert.

Wir wissen außerdem, dass das wichtige Instrument der Verbandsklage von den Verbänden kaum

(Franziska Rath)

genutzt wird, weil das Klageverfahren sehr aufwendig und teuer ist. Deswegen wollen wir eine Schlichtungsstelle schaffen. Und auch die stellt eben ein rechtsförmiges Verfahren dar, funktioniert aber deutlich niedrigschwelliger. Damit stärken wir die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir wollen außerdem mehr Möglichkeiten schaffen, dass sich Menschen mit Behinderung besser politisch engagieren können. Behinderung muss und darf kein Hinderungsgrund sein, sich und seine Ideen und Meinungen in den politischen Prozess einzubringen.

Damit sie nötige Unterstützung für ihr Engagement bekommen, verankern wir einerseits die finanzielle Förderung der Verbände für Menschen mit Behinderung im Gesetz und bringen mit einem Ersuchen einen Partizipationsfonds auf den Weg.

Wir stärken außerdem die Rolle der Senatskoordinatorin für Menschen mit Behinderung. Künftig wird aus dem Vollzeitjob ein Hauptamt, außerdem wird die Senatskoordinatorin beziehungsweise der Senatskoordinator ab der nächsten Legislaturperiode durch die Bürgerschaft gewählt.

(Beifall bei Farid Müller GRÜNE)

Wir wissen, die Drucksachenprüfung ist ein wichtiges Instrument, um die Belange von Menschen mit Behinderung in die Breite der Hamburger Politik zu tragen. Deswegen werden wir dieses Instrument nachschärfen und besonders verankern und sorgen dafür, dass die Anmerkungen der Senatskoordinatorin uns als Bürgerschaft vorgelegt werden. Das stärkt auch uns in unserer Arbeit.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der immer wieder gefordert wurde, dass das Gesetz auch für die Privatwirtschaft gelten soll. Ich möchte hier erst einmal klarstellen, natürlich brauchen wir eine Verpflichtung für die Privatwirtschaft, wenn wir wirklich eine inklusive Gesellschaft und die volle Verwirklichung der UN-Behindertenrechtskonvention wollen. Aber diese können wir nur bundespolitisch erreichen, da hätte Frau Raths Partei doch ein bisschen mitzureden.

(Zuruf)

Es geht um die Privatwirtschaft, dass wir die ins Boot holen.

In einem Landesgleichstellungsgesetz können wir das leider nicht regeln, dies hat auch Horst Frehe in der Sachverständigenanhörung bestätigt.

In dem Zuge haben wir noch einmal über Zielvereinbarungen nachgedacht, aber das ist ein Punkt, der sehr kurzfristig im Grunde genommen in die Hamburger Debatte eingebracht wurde, und die Erfahrungen aus anderen Bundesländern waren

noch nicht überzeugend genug, sodass wir uns erst einmal dagegen entschieden haben.

Mit dem Gesetz stärken wir die Rechte und die Partizipation von Menschen mit Behinderung. Der inklusiven Gesellschaft kommen wir mit diesem Gesetz ein großes Stück näher. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Zusatzantrag und zu dem veränderten Gesetz, und ab morgen arbeiten wir dann weiter an der Verwirklichung der UN-Behindertenrechtskonvention, gemeinsam mit den Betroffenen nach dem Grundsatz "Nicht ohne uns über uns". Denn unsere Arbeit in diesem Feld ist erst getan, wenn die gleiche und gleichberechtigte Teilhabe für alle Menschen gilt, ausnahmslos. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Özdemir für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Reform des Hamburger Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderung war schon lange überfällig. Ja, in der Tat, es gibt hier einige Fortschritte, es hat einige Verbesserungen gegeben in dem vorliegenden Gesetzentwurf. Das haben wir allerdings den Menschen zu verdanken, die unermüdlich dafür gekämpft haben, dass einige ihrer Forderungen hier ihren Platz finden, und deshalb auch von unserer Seite ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD – Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Allerdings muss man deutlich sagen, und unsere Kritik haben wir auch im Sozialausschuss deutlich geäußert, dass der vorliegende Gesetzentwurf weit hinter den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention zurückbleibt. Und hier hat der Senat leider seine Hausaufgaben nicht gemacht. Das war schon beim Erstellungsprozess so. Da gab es oder gibt es große Kritik von den Verbänden, von den Einzelpersonen, die hier aktiv sind, deren Forderungen wurden angehört.

Die schriftlichen Stellungnahmen wurden auch diskutiert, man hat sie sich angeschaut, aber leider sind die Forderungen größtenteils eben nicht in den Gesetzentwurf eingeflossen, Frau Jäck. Hier lief das eben nicht so richtig mit "Nichts über uns, nur mit uns", das wurde leider nicht umgesetzt. Ich kann Ihnen das auch sehr konkret an bestimmten Punkten sagen. Von den schriftlichen Stellungnahmen der Verbände und Einzelpersonen wurden weniger als 20 Prozent der Forderungen, also 15 von 82 Punkten eingebaut, und davon sind einige Punkte so verändert worden, dass sie nicht mehr die eigentlichen Forderungen umsetzen. Bei

(Mareike Engels)

den partizipativen Workshops sieht es noch trauriger aus. Da flossen lediglich 4 von 93 Forderungen in das Gesetz, und das ist für uns keine echte Partizipation, das sagen auch die Verbände sehr deutlich in ihrer Kritik, das ist Pseudopartizipation.