Protocol of the Session on December 18, 2019

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Ich habe nicht gesagt, die Busse verstopfen die Straßen, sondern die Straßen sind jetzt schon verstopft. Und wenn Sie mir vorrechnen, dass die Menschen sich weniger mit dem Auto durch die Stadt bewegen: Ja natürlich, weil immer mehr im Stau stehen und wir teilweise gerade im Süderelbebereich wirklich an allen Magistralen gleichzeitig bauen und sie verstopfen.

(Zuruf)

Und das regt die Menschen auf. Es kann eben auch nicht jeder von Harburg in die City Nord mit dem Fahrrad fahren; das müssen Sie auch begreifen. Von Hoheluft-West und Hoheluft-Ost geht das alles, im Sommer auch wunderbar, da bin ich sehr dafür, dass die Menschen das machen. Aber sie wollen eben auch nicht nur auf der Straße fahren. Die GRÜNEN mussten jetzt nach Kopenhagen fahren, um zu erkennen, dass ihre Radverkehrsstrategie der letzten fünf Jahre gescheitert ist. Dort hat man ein vernünftiges Angebot, wenn Sie sich das angucken. Kopenhagen ist kleiner, hat viel weniger Straßenbäume als in Hamburg und dann auch abgesperrte Radwege, auf denen man eben nicht von einem Bus oder einem 40-Tonner überholt wird. Da ist das vernünftig. Aber dann müssen Sie auch den Mut haben, diesen Weg zu gehen. Nur die Streifen aufzupinseln, das sehen wir auch an den gestiegenen Unfallzahlen, reicht einfach nicht.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD – Glocke)

Zwischenfrage? Wortmeldung, okay. – Verzeihung, Herr Trepoll, fahren Sie fort.

Sie sehen, wie wichtig das ist. Uns berichten die Handwerker von

über 50 000 Euro Umsatzverlust, nur weil sie im Stau stehen, weil sie keine Parkplätze finden. Deshalb, finde ich, ist es doch klug, über neue Ideen wie die MetroTram nachzudenken, wie wir die Pendlerströme – wir haben fast 500 000 Ein- und Auspendler, es werden noch mehr – vor den Stadttoren stoppen. Die P+R-Gebühren, die Sie eingeführt haben, sind da wirklich kontraproduktiv, das müssen Sie doch mittlerweile auch selbst erkennen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Thering hat recht: Es gibt wirklich viele gute Ideen, und es ist wichtig, dass Sie den Blick dafür einmal öffnen und weiten. Frau Martin, wir arbeiten alle daran, das Leben für die Bürger besser zu machen und sie zügiger und sicherer durch den Straßenverkehr zu kommen. Aber wir müssen doch in der Lage sein, hier in der Bürgerschaft diesen Streit, diese Auseinandersetzung

(Glocke)

und das Abwägen von Ideen auch umzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Dr. Tjarks bekommt nun das Wort für die Fraktion der GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen uns noch einmal die Grundsatzfrage stellen, und dafür würde ich gern ein paar Daten zurate ziehen. Wir wollen doch alle, dass die Menschen in Hamburg mobil sind und im besseren Fall mobiler werden. Wenn wir uns die Daten aus "Mobilität in Deutschland" anschauen, Herr Trepoll, dann merken wir, dass die Zahl der zurückgelegten Personenkilometer in Millionen pro Tag in Hamburg von 2008 auf 2017 von 50 auf 70 Millionen gestiegen ist. Das heißt, wir haben einen Anstieg der Verkehrsleistung in Hamburg um 40 Prozent in den letzten zehn Jahren.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Und wir haben nicht nur den Anstieg um 40 Prozent, sondern die Verkehrsfläche, auf der das stattfindet, ist doch praktisch gleich geblieben. Wenn man das zusammennimmt, dann ist das doch eine ganz einfache Rechnung: Wenn wir wollen, dass die Hamburgerinnen und Hamburger mobiler sind oder mobil bleiben, dann muss der Einzelne oder die Einzelne weniger Platz auf dieser Verkehrsfläche verbrauchen. Deswegen ist die Verkehrswende die Voraussetzung dafür, dass man in Hamburg mobil ist. Das ist so sicher wie Mathematik, und deswegen müssen Sie das anerkennen, denn sonst kommen Sie am Ende des Tages nicht hin. Wir müssen den ÖPNV ausbauen,

wir müssen den Radverkehr ausbauen, dafür brauchen wir Platz und Fläche, und es wird auf Kosten des Autoverkehrs gehen, denn anders wird es nicht funktionieren in der Enge der Straßenschluchten. Dafür müssen Sie die Ehrlichkeit aufbringen.

Und Sie müssten sie eigentlich auch für Ihr eigenes Konzept aufbringen. Sie sagen selbst: 35 Prozent öffentlicher Nahverkehr am Modal Split. Dann müssten Sie sagen, wir nehmen dem Auto auch die Fläche weg, denn das ist die Konsequenz aus diesen Zahlen, aus Ihren eigenen Forderungen, und im Übrigen die Konsequenz aus der Realität.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ja, man muss es einfach so sagen.

Stattdessen nutzen Sie den Tagesfrust der Autofahrerin oder des Autofahrers, der im Stau steht, und sagen, das eigentliche Problem sei die Baustellenkoordinierung. Nun muss man wirklich sagen, wenn Sie sich diese Zahlen angucken, dass die Verkehrsleistung auf Hamburgs Verkehrswegen um 40 Prozent in den letzten zehn Jahren gestiegen ist, das ist einfach eine falsche Debatte. Das ist eine Debatte … Da kann man bestimmt etwas besser machen. Aber die Behauptung, dass die Baustellenkoordinierung in irgendeiner Form das Grundproblem löse – da, muss ich sagen, haben Sie Verkehrspolitik in ihrem Kern nicht verstanden. Wir müssen wirklich dazu kommen, dass der Einzelne weniger Platz verbraucht, oder wir schaffen meinetwegen auch unter der Erde zusätzliche Verkehrswege, wir bauen eine U-Bahn. Aber das brauchen wir, um am Ende des Tages Hamburg mobil zu halten. Das ist das Grundthema, und dafür müssen Sie den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Da haben wir jetzt die zweite große Angebotsoffensive, die größte seit Jahrzehnten im HVV, und wir haben die Fahrradstadt. Genau an diesen Themen müssen wir strategisch weiterarbeiten, denn sonst werden wir das am Ende nicht schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dann haben Sie natürlich einen Punkt, wenn Sie sagen, wir müssten mit dem Umland zusammenarbeiten, die Pendler seien doch eines der großen Themen. Bestimmt wollen wir auch, dass die ihr Auto vor den Toren der Stadt stehen lassen. Aber die Grundidee ist doch, dass wir uns dann in einem ganz anderen Umfang darüber Gedanken machen müssen, wie wir mit dem Umland und dem Bahnverkehr zusammenarbeiten. Wir freuen uns, dass die Bahn endlich einmal sagt, es gibt Rückenwind aus Berlin und wir haben die ganzen Themen auf der Hand, das Thema Güterumgehungsbahn, das Thema Durchbindung durch den Hauptbahnhof und viele andere Themen.

(Glocke)

(André Trepoll)

Das ist das, was wir brauchen, um tatsächlich auch das Pendlerthema in Hamburg zu lösen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Tjarks. – Hansjörg Schmidt, wurde mir gesagt, hat sich als Nächster gemeldet. Er erhält das Wort für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte mich noch einmal gemeldet, weil mich diese sehr emotionalen und mit großer Verve vorgetragenen Reden der CDU hier auf den Plan gerufen haben.

Ich wohne ja nun und mache Politik in einem Stadtteil, in dem wir gerade eine U-Bahn erweitern, nämlich die U4 um zwei Haltestellen. Da sieht man dann auch einmal, wie schwierig es im täglichen Klein-Klein vor Ort ist, so etwas in der Moderation und in der Durchführung gemeinsam mit der Hochbahn zu machen. Jeder kann sich vorstellen, dass so ein Eingriff in ein dicht besiedeltes urbanes Gebiet wie die Horner Geest natürlich auch auf Fragen und auf Widerstände trifft. Wenn die CDU sich hier hinstellt und große Pläne und Broschüren von irgendwelchen Trambahnen hochhält, die Sie mitten durch die Stadt bauen wollen, dann frage ich mich, wie es dann am Ende des Tages bei der Umsetzung aussieht, wenn man schon bei dem kleinsten, geringsten Widerstand, den es in der Horner Geest gibt, anfängt zu wackeln und das gesamte Projekt versucht zu hintertreiben. Genau das ist nämlich Realpolitik bei der CDU: bunte Pläne aufzumalen und nachher, wenn es in die konkrete Umsetzung … Wir sind bei der Horner Geest am Ende des Planfeststellungsverfahrens, dort wird demnächst der erste Spatenstich stattfinden, und die CDU stellt sich hier in der Bürgerschaft hin und sagt, selbstverständlich unterstützten sie den Ausbau der U4 voll und ganz. Aber wenn es dann darauf ankommt, das konkret vor Ort mitzutragen, schlägt man sich in die Büsche und stellt sich neben die ersten Leute, die an diesem Projekt mäkeln.

So wird man niemals eine Verkehrswende in dieser Stadt hinbekommen, sondern so wird man immer nur im Klein-Klein versuchen, die niedrig hängenden Früchte zu ernten, die man im Wahlkampf irgendwie gerade pflücken kann, und niemals den großen Wurf in der Verkehrswende hinbekommen. Das ist das, was die CDU hier macht, Klein-KleinWahlkampf, aber kein großer Plan. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schmidt. – Michael Kruse für die FDP

erhält als nächster Redner das Wort für drei Minuten.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Präsident! Ich habe mich jetzt noch einmal gemeldet, weil Verkehrsdebatten in diesem Haus häufig einem gewissen Ritual folgen und auch eine permanent daueralerte Tonlage haben und deswegen häufig nicht so sehr vom Fleck kommen.

Ich frage mich an dieser Stelle als Allererstes, wo eigentlich unser Bürgermeister ist,

(Dirk Kienscherf SPD: In Berlin, im Vermitt- lungsausschuss, mein Lieber!)

wenn das Thema, was den Hamburgerinnen und Hamburgern wie kein anderes unter den Nägeln brennt, hier vor Ort debattiert wird.

Na gut, er hat wichtige Aufgaben, das ist gekauft.

Wo ist unser Verkehrssenator denn jetzt hin? Ist dem das nicht mehr so wichtig? Ich weiß, Herr Sevecke, Sie wären gern Verkehrssenator, sind Sie aber noch nicht. Insofern frage ich, wo der Verkehrssenator hin ist.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren und insbesondere liebe Frau Martin, wir sind gern bereit, mit Ihnen gemeinsam an einem Strang zu ziehen, wir stellen nur fest, Sie ziehen nicht einmal innerhalb der Koalition gemeinsam an einem Strang, beziehungsweise Sie ziehen nicht in die gleiche Richtung an diesem Strang; das ist Ihr Hauptproblem. Und das Hauptproblem der Hamburgerinnen und Hamburger lautet: Neun Jahre SPD-Senat – Verkehrsprobleme so groß wie nie. Fünf Jahre grüne Koalitionsbeteiligung – Verkehrsprobleme so groß wie nie.

Was machen Sie da eigentlich? Sie hatten sich vorgenommen, 50 Kilometer Radwege zu bauen, ein ehrenwertes Ziel, das ist so viel. Dann haben Sie 30 Kilometer realisiert, das ist nur noch so viel. Und Ihre Lösung für das Problem, dass Sie nicht einmal Ihre eigenen Ziele erreichen, lautet: Wir verdoppeln das Ziel auf 100 Kilometer. Meine Damen und Herren, genau diese Form von Blenderei kaufen Ihnen die Hamburgerinnen und Hamburger einfach nicht mehr ab.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist es auch kein Wunder, dass hier vorn jetzt so viel Nervosität aufgekommen ist bei diesem Thema – genau, meldet euch noch zwei-, dreimal.

Insbesondere spreche ich einmal Herrn Tjarks an, der ja am liebsten schon durch die Verkehrsbehörde läuft, als wäre er der Senator. Dass Sie sich hier hinstellen und sagen, das Thema Baustellenkoordinierung wäre für die Hamburgerinnen und

(Dr. Anjes Tjarks)

Hamburger keines, das können Sie den Menschen in dieser Stadt erzählen und Sie werden dafür die Quittung bekommen.

Ich sage Ihnen, was nicht funktioniert. Was nicht funktioniert, ist, wenn man eine Fahrradkoordinatorin einstellt, ein Riesenproblem beim Thema Baustellenkoordinierung hat und dann sagt, diese Fahrradkoordinatorin machen wir jetzt zur Baustellenkoordinatorin, die wird die Probleme lösen. Nein, Sie haben es fünf Jahre lang nicht geschafft, die Probleme in diesem Bereich in den Griff zu bekommen, und Sie wollen sie auch gar nicht in den Griff bekommen, wie Sie ja immer wieder in Interviews betonen. So werden die Hamburgerinnen und Hamburger nicht schneller durch die Stadt kommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)