Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

Wir stimmen in der Sache ab.

Wer gibt dem Antrag seine Zustimmung? – Wer nicht? – Und wer enthält sich? – Dann ist es bei einigen Enthaltungen einstimmig so beschlossen worden.

Punkt 93 unserer Tagesordnung, Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: UNHCR bei der humanitären Soforthilfe in Flüchtlingslagern im Mittelmeerraum unterstützen.

[Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: UNHCR bei der humanitären Soforthilfe in Flüchtlingslagern im Mittelmeerraum unterstützen – Drs 21/19273 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Nicht nur reden, handeln: Hamburg nimmt 70 unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus den griechischen Lagern auf – #WirhabenPlatz – Drs 21/19341 –]

Hierzu liegt Ihnen ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

Wer möchte sich diesem anschließen? – Wer nicht? – Enthaltungen? – Dann ist das abgelehnt worden.

Wir kommen zum Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD.

Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Auch hier noch die Gegenprobe. – Und die Enthaltungen? – Dann ist der Antrag bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen so beschlossen worden.

Wir kommen zu Punkt 17 unserer Tagesordnung, Drucksache 21/19143, Senatsantrag: Antrag des Senats auf Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Frau Dr. Kirsten Boie.

[Senatsantrag: Antrag des Senats auf Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Frau Dr. Kirsten Boie – Drs 21/19143 –]

Wir haben uns heute hier wiederum mit einer großen Vielfalt von Themen befasst. Das gemeinsame Interesse des Hauses, Gutes für die Stadt zu beschließen und zu bewirken, eint die meisten von uns dabei, auch wenn wir uns nicht immer über den richtigen Weg einig sind; das war eher zurückhaltend ausgedrückt. Manchmal aber, nicht so oft, aber eben manchmal sind sich hier im Haus dann doch alle einig, und ein solcher Moment steht jetzt bevor.

Bitte begrüßen Sie mit mir Hamburgs zukünftige Ehrenbürgerin Frau Dr. Kirsten Boie.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Guten Abend, Frau Dr. Boie, ich begrüße Sie herzlich im Kreis der Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft.

Zur Begründung des Senatsantrags bekommt jetzt das Wort der Erste Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat bittet die Bürgerschaft heute um Ihre Zustimmung, dass Frau Dr. Kirsten Boie die Ehrenbürgerwürde der Freien und Hansestadt Hamburg verliehen wird.

Die Ehrenbürgerschaft ist die höchste Auszeichnung, die unsere Stadt zu vergeben hat. Sie wurde in unserer jahrhundertealten Geschichte erst 35 Mal verliehen, erst vier Mal an eine Frau und mit Johannes Brahms, Ida Ehre, Siegfried Lenz und John Neumeier auch erst vier Mal an eine Persönlichkeit aus dem Bereich der Kunst und der Kultur. Hamburg ist eine traditionelle Kaufmannsstadt und wirtschaftsstarke Metropole. Sie ist zu

(Präsidentin Carola Veit)

gleich aber eine weltoffene, vielfältige und liberale Hansestadt mit einer großen Ambition für die Wissenschaft und Bildung, für Sport und Kultur. Diese Vielfalt sollte sich auch bei den Botschafterinnen und Botschaftern unserer Stadt, den Hamburger Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürgern, zeigen.

Kirsten Boie wurde 1950 in Hamburg geboren. Sie hat an der Universität Hamburg Germanistik und Anglistik studiert und in der Literaturwissenschaft promoviert. Nach einigen Jahren als Lehrerin an einem Hamburger Gymnasium in Oldenfelde und einer Gesamtschule in Mümmelmannsberg hat sie 1985 ihr erstes Kinderbuch mit dem Titel "Paule ist ein Glücksgriff" geschrieben, das gleich ein großer Erfolg wurde. Seitdem hat sie weit über 100 Kinderbücher veröffentlicht, die vielfach ausgezeichnet und in unterschiedliche Sprachen übersetzt wurden. Manche ihrer Figuren und Geschichten wurden als Zeichentrickserie oder für das Kino verfilmt.

Ihre Bücher erzählen mal realistisch vom Alltag in Familien und Schule, mal reisen ihre Geschichten auf fantastische Weise in der Zeit hin und her. Kirsten Boie hat sich mit Flucht und Krieg und den Folgen der nationalsozialistischen Zeit befasst. Sie hat eine Kindheit in den Fünfzigerjahren, in denen sie selbst aufwuchs, und das Leben aus der Perspektive eines Obdachlosen beschrieben. Das ist kein leichter Stoff, aber er gehört zu unserem Leben dazu. In Boies Geschichten darf gelacht und auch geweint werden. Seit mehr als 30 Jahren prägt sie die Kindheit junger Leserinnen und Leser in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt mit Geschichten, die begeistern, bewegen und zum Nachdenken anregen. Ihre Bücher geben Kindern Orientierung beim Erwachsenwerden und den Mut, auch in schwierigen Situationen an sich selbst zu glauben.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ehrenbürgerschaft wurde ursprünglich an Personen verliehen, die nicht aus Hamburg stammten, die sich aber um unsere Stadt verdient gemacht hatten und von denen man für die Zukunft noch etwas erwartete. 1813 ging die Auszeichnung an den russischen Generalmajor Baron von Tettenborn, weil er maßgeblich dazu beigetragen hatte, die Stadt von der französischen Fremdherrschaft zu befreien.

Liebe Frau Boie, so etwas würde man heute von Ihnen nicht mehr erwarten. Seit 1948 werden mit der Ehrenbürgerschaft Hamburger Persönlichkeiten des Zivillebens geehrt, die für die Werte Hamburgs stehen und sich für diese einsetzen. Und genau dies tut Kirsten Boie auf vielfältige Weise. Sie sagt, Lesen sei das Nadelöhr in die Gesellschaft und in einer Demokratie eine unverzichtbare Grundkompetenz, das Lesen mache unser Leben reicher und helfe uns, unsere Aufgaben zu bewältigen. Als europaweit bekannte Förderin des Lesens

und der Lesekompetenz von Kindern wirkt sie deshalb unermüdlich an Schulen und Kindereinrichtungen für die Freude am Lesen und an der Literatur. Gemeinsam mit vielen Hamburger Wissenschaftlern und Kulturschaffenden initiierte sie 2018 die Hamburger Erklärung "Jedes Kind muss lesen lernen", die 120 000 Mal unterzeichnet wurde und bundesweit Beachtung fand. Ihr Engagement für die Leseförderung verbindet sie in besonderer Weise mit unserem Ziel und Anspruch in Hamburg, allen Kindern durch frühe Bildung, Sprach- und Leseförderung einen guten Start ins Leben zu ermöglichen und jungen Menschen die besten Chancen für ihr Leben zu eröffnen.

Kirsten Boie ist eine national und international erfolgreiche Autorin. Sie ist weltläufig, aber ihrer Heimat und dem Norden tief verbunden. In ihren Geschichten fällt der Name Hamburgs nur selten, aber Atmosphäre, Sprache und Figuren machen klar, dass man sich im Norden befindet. Wer sich hier auskennt, hat die Bilder von der Reihenhaussiedlung am Stadtrand, der Speicherstadt, dem Hafen bei der Sturmflut 1962, der Schlei und dem Ostseestrand gleich vor Augen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Boie gilt als wichtigste deutschsprachige Schriftstellerin der Kinder- und Jugendliteratur. Sie hat für ihre Bücher, ihr Lebenswerk und ihr Engagement zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten: 2007 den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für das Gesamtwerk, 2008 den Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinderund Jugendliteratur, 2011 den Gustav-HeinemannFriedenspreis. Im Oktober 2011 wurde ihr das Verdienstkreuz 1. Klasse vom Bundespräsidenten verliehen. Kirsten Boie ist eine herausragende Schriftstellerin, eine aufrechte Bürgerin und Demokratin, eine sozial engagierte Pädagogin und Anwältin für die Interessen und Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen. Dabei ist es ihr Anliegen, jungen Menschen Toleranz und Verständnis füreinander zu vermitteln und damit die Grundlage für ein friedliches Miteinander in einer offenen und demokratischen Gesellschaft zu schaffen. Sie steht damit für eine liberale und weltoffene hanseatische Tradition und ist eine hervorragende Botschafterin unserer Stadt in Deutschland und der Welt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Im Namen des Senats bitte ich die Bürgerschaft, unserem Vorschlag zuzustimmen und Frau Dr. Kirsten Boie die Würde einer Ehrenbürgerin der Freien und Hansestadt Hamburg zu verleihen. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei allen Fraktio- nen)

Vielen Dank, Herr Dr. Tschentscher. – Das Wort erhalten jetzt reihum

(Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher)

die Vorsitzenden unserer Fraktionen, und es beginnt Herr Kienscherf für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Bürgermeister! Liebe Dr. Kirsten Boie! Nach der Rede des Ersten Bürgermeisters und der Begründung des Senats will ich gleich einleitend sagen, dass wir diesem Wunsch natürlich gern entsprechen werden und Sie gern als Ehrenbürgerin in der Freien und Hansestadt Hamburg begrüßen möchten.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Der Bürgermeister hat bereits ausgeführt, dass wir in Hamburg im Gegensatz zu anderen Städten – nehmen wir einmal Berlin, das 131 Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürger hat – sehr zurückhaltend mit unserer Ehrenbürgerschaft umgehen. Wir haben bislang insgesamt 35 Ehrenbürger, darunter, auch das hat der Bürgermeister eben schon vorgetragen, ganze vier Ehrenbürgerinnen. Gerade auch vor diesem Hintergrund und angesichts Ihrer Qualifikation – all dem, was Sie schon geleistet haben und was Sie hoffentlich auch noch leisten werden für diese Stadt – glauben wir, dass Sie eine gute und eine würdige Botschafterin für Hamburg sind, und wir möchten uns bedanken, dass Sie bereit sind, diese Würdigung entgegenzunehmen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich glaube, dass Sie in Ihren Werken – und der Bürgermeister hat ja bereits darauf hingewiesen, dass Sie seit 1985 literarisch ganz, ganz viel geleistet und darüber hinaus sehr viele Aktivitäten ergriffen haben – für unsere Stadt stehen, dass Sie eine würdige Botschafterin sind, weil Sie das verkörpern, was unsere Stadt ausmacht: die Weltoffenheit, die Toleranz, das soziale Engagement und das Suchen des Ausgleiches zwischen den unterschiedlichen Gruppen. Von daher kann ich mir, kann sich unsere Fraktion – und ich glaube, auch der Rest des Hauses – eigentlich gar keine bessere Botschafterin vorstellen, als Sie es sind, und ich möchte Sie dazu noch einmal recht herzlich beglückwünschen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Drei Punkte möchte ich noch einmal ansprechen, der eine eben diese hervorragende schriftstellerische Leistung. Sie haben ganz viele Preise erhalten, und Sie haben das geschafft, was viele nicht schaffen: Dass Sie vielfältige Themen aufgreifen, vor allen Dingen auch ernsthafte Themen. Dass Sie Themen aufgreifen, die die Gesellschaft bewegen, sei es Obdachlosigkeit, sei es das Thema Flucht aus Syrien, sei es aber auch das Thema Suchtproblematik in der Familie. Dass Sie diese Themen so aufgreifen, wie eine Literaturkritikerin es gesagt hat, dass es die Leser begeistert, aber die Kunst der Literatur nicht verloren geht. Und dass Sie insbesondere die junge Leserschaft be

geistern. Das ist etwas, das nicht allzu viele können, und deswegen sind wir Ihnen so dankbar, dass Sie künftig als Ehrenbürgerin für Hamburg tätig sein wollen, liebe Frau Dr. Boie.

(Beifall bei der SPD)

Das Zweite, was darüber hinaus sehr beachtenswert ist, ist Ihr soziales Engagement für das Thema Leseförderung; auch das hat der Bürgermeister eben angesprochen. Lesekompetenz ist in der Tat der Schlüssel für ein eigenständiges Leben, sie ist in der Tat der Schlüssel dafür, sein Leben selbstbestimmt leben zu können, Perspektiven zu bekommen. Hier stehen Sie stellvertretend für ganz viele Menschen, für Erzieherinnen und Erzieher, für Lehrkräfte, aber auch ehrenamtlich Tätige, die sich bemühen – und das mit großem Erfolg –, Kinder und Jugendliche, insbesondere Kinder, an das Lesen heranzuführen. Auch dafür unseren herzlichen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Sie sind aber nicht nur in Hamburg tätig, nicht nur in Deutschland, sondern über die Möwenweg-Stiftung auch über Europa hinaus in Afrika aktiv. Und auch da verbinden Sie das, was unsere Stadt ausmacht: Nicht nur in Hamburg Gutes zu machen, nicht nur in Hamburg Impulse zu setzen, sondern deutschlandweit, europaweit, aber eben auch weltweit. Dieses Verbindende, dass Sie in Afrika tätig sind, auch in Afrika Kinder unterstützen wollen, passt zu Hamburg, und auch das zeigt, dass Sie genau die Richtige sind für eine neue Ehrenbürgerschaft. Wir als SPD-Fraktion beglückwünschen Sie dazu, und wir freuen uns, dass Sie dieses Amt übernehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Trepoll erhält nun das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte liebe Kirsten Boie! Ich kenne Sie jetzt schon seit vielen Jahren, denn Sie sind an vielen Abenden bei mir zu Besuch, und zwar in Form Ihrer Bücher: immer dann, wenn ich das Glück habe, rechtzeitig nach Hause zu kommen – das Problem kennen wir ja alle – und ich meinen Kindern abends noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen kann. So habe ich in den letzten Jahren viel Zeit mit Petja und Tieneke und den anderen Kindern aus dem Möwenweg verbracht und den Bauernjungen Trenk auf seinem Weg und seinen Abenteuern zum Ritter begleitet. Und gestatten Sie mir diese Anmerkung: Es ist unheimlich wichtig, dass diese Bücher auch für uns Erwachsene gut lesbar sind, gerade zu dieser Uhrzeit;

(Beifall und Heiterkeit bei allen Fraktionen)

(Präsidentin Carola Veit)

ich habe da schon andere Erfahrungen gemacht.

Diese letzte halbe Stunde des Tages, bevor die Kinder schlafen gehen, die Vorlesezeit, ist etwas Besonderes. Das gemeinsame Lesen, die Bilder, die Geschichten, all das verbindet. Bücher geben Heimat, gerade Kinderbücher tun das, und es tut Eltern und Kindern gut, diese Heimat zu teilen, gemeinsam Abenteuer zu erleben und gleichzeitig zu Hause geborgen zu sein.